Entscheidungsdatum
07.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W211 2196127-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am XXXX.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich an, in Somalia in der Stadt Jilib geboren worden zu sein. Dort würden noch ihre Eltern und sechs Brüder leben. Ein weiterer Bruder lebe in Deutschland. In Somalia habe sie ihr Vater mit einem alten Mann verheiraten wollen. Dies habe die beschwerdeführende Partei jedoch abgelehnt und sei geflohen. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor ihrer Familie, besonders vor ihrem Vater.
3. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX.2018 gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst und soweit wesentlich an, dass sie keinen Kontakt zu ihren in Somalia lebenden Verwandten habe und sie auch nicht wisse, wie sie einen solchen herstellen solle, da sie deren Telefonnummer nicht besitze. Sie gehöre der Volksgruppe der Madhibaan an, ihre Mutter sei jedoch Sheikhal. Wegen ihres Clans sei sie auch häufig diskriminiert worden. In Somalia habe ihre Familie eine kleine Landwirtschaft mit Ziegen und Schafen in einem Dorf nahe Jilib besessen. Ihr Vater und ihre Brüder hätten in dieser gearbeitet. Sie selbst sei zur Schule gegangen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, im August 2015 habe ihre Familie wegen der Erkrankung ihrer Mutter Besuch eines Onkels aus Kenia erhalten. Al Shabaab habe den Fremden als Spion angesehen und die Auslieferung des Onkels verlangt. Die Mutter der beschwerdeführenden Partei habe daraufhin den Onkel in einem zwei Stunden entfernten Ort versteckt und anschließend einen Bruder der beschwerdeführenden Partei zu diesem geschickt, mit dem Auftrag, ihm mitzuteilen, er solle das Land verlassen. Am nächsten Morgen seien jedoch Mitglieder der Al Shabaab mit den Leichen des Bruders und des Onkels beim Haus der Familie erschienen. Danach seien sie wiedergekommen und hätten dem Vater der beschwerdeführenden Partei mitgeteilt, seine Tochter müsse einen Kämpfer der Miliz heiraten, da sowohl ihr Bruder, als auch ihr Onkel Spione gewesen seien. Aus Angst vor Repressalien habe ihr Vater zugestimmt, ihre Mutter sei jedoch dagegen gewesen. Diese habe sie nachts zu Bekannten gebracht und ihr auch die Ausreise ermöglicht.
4. Mit Stellungnahme vom XXXX.2018 wurde vorgebracht, dass die Region Middle Jubba, aus der die beschwerdeführende Partei stamme, von Al Shabaab beherrscht werde. Sie habe zwangsweise mit einem Kämpfer der Miliz verheiratet werden sollen und gehöre weiters dem stark benachteiligten Minderheitenclan der Madhibaan an. Auch sei sie während ihres Aufenthalts in Libyen misshandelt worden.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte eine befristete Aufenthaltsgenehmigung (Spruchpunkt III.). Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahme stellte die belangte Behörde die Clanzugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei fest, sowie, dass sie in Somalia keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei und sie eine solche auch nicht zukünftig zu befürchten habe.
6. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheids wurde rechtzeitig Beschwerde, samt einer Beschwerdeergänzung desselben Tages, eingebracht, in der moniert wurde, dass die beschwerdeführende Partei als alleinstehende Frau und als Minderheitenangehörige in Somalia einer Bedrohung ausgesetzt sei.
7. Am XXXX.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und der beschwerdeführenden Partei sowie ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in der diese zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX.2018 von der Teilnahme an der Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias, die am XXXX.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich unbescholten.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei gehört dem Clan der Madhibaan, Subclan XXXX, Subsubclan XXXX an.
1.1.4.Die beschwerdeführende Partei verfügte in Somalia zum Zeitpunkt ihrer Ausreise über ihre Eltern und drei Geschwister. Die beschwerdeführende Partei steht in keinem Kontakt mit ihren in Somalia lebenden Verwandten.
1.2. Festgestellt wird, dass der beschwerdeführenden Partei im Falle einer Rückkehr nach Somalia kein Schutz durch (männliche) Verwandte, ihren Clan oder von staatlicher Seite zur Verfügung steht. Sie verfügt in Somalia über kein verlässliches familiäres oder clanbezogenes Netzwerk. In diesem Zusammenhang muss weiter davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr als IDP in ein entsprechendes Lager gehen müsste.
Damit besteht für die beschwerdeführende Partei die Gefahr, als alleinstehende Frau und Minderheitenangehörige im Falle einer Rückkehr nach Somalia Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.
1.3. Es werden die folgenden Feststellungen zur Situation in Somalia getroffen (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand: 12.01.2018):
Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe - insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.1.2017).
Die somalische Regierung hat 2014 einen Aktionsplan zur Bekämpfung sexueller Übergriffe verabschiedet. Die Implementierung geschieht jedoch sehr langsam (ÖB 9.2016). Außerdem wurde im Mai 2016 ein Nationaler Gender Policy Plan verabschiedet. Dieser Plan wurde von der Somali Islamic Scholars Union verurteilt; der Somali Religious Council hat die vorgesehene 30%-Quote für Abgeordnete im somalischen Parlament als gefährlich bezeichnet (USDOS 3.3.2017).
Auch wenn Gewalt gegen Frauen in der Verfassung verboten ist (USDOS 3.3.2017), bleiben häusliche (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017, ÖB 9.2016) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem (UNSC 5.9.2017). Generell grassiert sexuelle Gewalt ungebremst. Im Zeitraum September 2016 bis März 2017 wurden von UNSOM alleine in den von der Dürre betroffenen Gebieten 3.200 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt dokumentiert (UNHRC 6.9.2017). Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017, UNSC 5.9.2017). Im Jahr 2015 waren 75% der Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs (ÖB 9.2016). Die IDP-Lager bieten kaum physischen oder Polizeischutz (UNSC 5.9.2017). Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Dabei gibt es aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung der Opfer eine hohe Dunkelziffer (USDOS 3.3.2017). Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten und Milizionäre (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, ÖB 9.2016). Im ersten Trimester 2017 wurden 28 Fälle von konfliktbezogener sexueller Gewalt dokumentiert, im letzten Trimester 2016 waren es 13. Dieser Anstieg kann vermutlich mit der wachsenden Zahl an Dürre-bedingten IDPs erklärt werden (UNSC 9.5.2017). Von staatlichem Schutz kann - zumindest für die am meisten vulnerablen Fälle - nicht ausgegangen werden (HRW 12.1.2017; vgl. ÖB 9.2016).
Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten (AA 1.1.2017), die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 3.3.2017). Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind in Somalia dennoch rar (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, USDOS 3.3.2017). Generell herrscht Straflosigkeit, bei der Armee wurden aber einige Soldaten wegen des Vorwurfs von Vergewaltigung verhaftet (USDOS 3.3.2017). Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen. Frauen fürchten sich davor, Vergewaltigungen anzuzeigen, da sie mit möglichen Repressalien rechnen (USDOS 3.3.2017).
Al Shabaab hat Vergewaltiger zum Tode verurteilt (USDOS 3.3.2017). Andererseits gibt es Berichte die nahelegen, dass sexualisierte Gewalt von der al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 1.1.2017).
Auch traditionelle bzw. informelle Streitschlichtungsverfahren können das schwache Durchgreifen des Staates nicht ersetzen, da sie dazu neigen, Frauen zu diskriminieren und Täter nicht zu bestrafen (ÖB 9.2016). Dabei werden Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe meist vor traditionellen Gerichten abgehandelt, welche entweder eine Kompensationszahlung vereinbaren oder aber eine Ehe zwischen Opfer und Täter erzwingen (USDOS 3.3.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Auch Gruppenvergewaltigungen werden hauptsächlich zwischen Ältesten verhandelt. Die Opfer erhalten keine direkte Entschädigung, diese geht an die Familie (UNHRC 6.9.2017). Das patriarchalische Clansystem und xeer an sich bieten Frauen keinen Schutz. Wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß xeer gesühnt, dann wird zwar die Familie des Opfers finanziell kompensiert, der Täter aber nicht bestraft (SEM 31.5.2017).
IDPs gehören in Somalia zu den am meisten gefährdeten Personengruppen (NLMBZ 11.2017). Laut UNOCHA gelten IDPs als besonders benachteiligte Gruppe, die kaum Schutz genießt und Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt ist. Single- oder alleinerziehende Frauen und Kinder sind besonders gefährdet (ÖB 9.2016). Die Regierung und Regionalbehörden bieten den IDPs nur unwesentlichen Schutz und Unterstützung und trugen sogar in manchen Fällen zur Vertreibung von IDPs bei (USDOS 3.3.2017). In Mogadischu sind für Vergewaltigungen bewaffnete Männer - darunter Regierungssoldaten und Milizionäre - verantwortlich (HRW 12.1.2017). Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet (USDOS 3.3.2017).
IDPs sind über die Maßen von der Dürre betroffen, da sie steigende Preise für Lebensmittel nicht bezahlten können. Außerdem gibt es für sie weniger Beschäftigungsmöglichkeiten. Üblicherweise überleben sie aufgrund der Überweisung von Remissen und mittels internationaler Unterstützung (ICG 9.5.2017). IDPs - und hier v.a. Frauen und Kinder - sind sehr vulnerabel und von Unterstützung abhängig (HRW 12.1.2016). Der UNHCR versucht, sich über die Gegebenheiten und Notwendigkeiten in den rund 1.800 IDP-Lagern in Somalia einen Überblick zu verschaffen (UNHCR 30.11.2017b). Alleine in Mogadischu gibt es 486 IDP-Lager (BFA 3./4.2017). Rund 1,5 Millionen IDPs werden durch UNHCR erreicht. Einigen wurde zu Einkommen und/oder Ausbildung verholfen (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017).
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich Abstammung, Sprache und Kultur nicht von der Mehrheitsbevölkerung. Anders als die "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten (SEM 31.5.2017). Madhiban sind in ganz Somalia zu finden, speziell aber im Norden des Landes (SEMG 8.11.2017). Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017).
Dabei sind Madhiban teils schwerer Diskriminierung ausgesetzt. Ein Beispiel der Benachteiligung zeigt sich im Konflikt um Galkacyo, wo die Madhiban durch humanitäre Organisationen benachteiligt wurden. Da den Madhiban in IDP-Lagern dort die Aufnahme verweigert wurde, haben sie mit Hilfe einiger Angehöriger in der Diaspora den Kauf eines geeigneten Grundstücks in Galkacyo organisiert, um dort Madhiban-IDPs unterzubringen. Im August 2017 taten es die Tumal den Madhiban gleich (SEMG 8.11.2017).
Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffen oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye (SEM 31.5.2017).
Insgesamt ist aber die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel weniger gut organisiert sind und eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. die Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum benachteiligt Minderheitenangehörige bei der Arbeitssuche, bei der ohnehin auch oft schon die Clanzugehörigkeit zu Diskriminierung führen kann. Da sie über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren Angehörige berufsständischer Gruppen zudem in geringerem Ausmaß von Auslandüberweisungen als die Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.
Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellung zur Clanzugehörigkeit beruht auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren und wurde außerdem bereits durch die belangte Behörde getroffen (vgl. S. 14 des angefochtenen Bescheids). Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an diesen Angaben zu zweifeln.
Dass die beschwerdeführende Partei strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister.
Die Feststellung zur Familie der beschwerdeführenden Partei beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens. Die Feststellung, dass zu ihren in Somalia lebenden Verwandten kein Kontakt mehr besteht, beruht auf den diesbezüglich ebenfalls glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren; sie wurde außerdem bereits durch die belangte Behörde getroffen (vgl. S. 14 und 14 des angefochtenen Bescheids).
2.3. Zur Feststellung unter 1.2., die der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden soll, ist schließlich zu sagen, dass bereits die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Bezug auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes davon ausgeht, dass die beschwerdeführende Partei eine alleinstehende Frau ohne männlichen Bezugsperson darstellt (vgl. S. 44 des angefochtenen Bescheids), damit keinen Schutz durch Kernfamilie oder Clan erwarten kann und sie über kein familiäres Auffangnetz verfügt. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kamen keine Hinweise darauf hervor, dass diese Einschätzung der Behörde nicht zu teilen wäre.
Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei daher in Gefahr wäre, im Falle einer Rückkehr als IDP in ein entsprechendes Lager gehen zu müssen, stellt eine Konsequenz zu ihren fehlenden sozialen Anknüpfungspunkten in Somalia dar.
Die Feststellung zur Gefährdung der beschwerdeführenden Partei, im Falle einer Rückkehr als alleinstehende Frau und Minderheitenangehörige Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden, ergibt sich aus der Zusammenschau der Feststellungen zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Partei als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz und Madhibaan und den unter 1.3. festgestellten Länderinformationen. Aus diesen ergibt sich auch, dass staatlicher Schutz nicht gewährleistet ist. Daher war die entsprechende Feststellung zu einer Gefährdung zu treffen.
Damit muss in weiterer Folge auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei betreffend eine Gefährdung durch Al Shabaab und eine drohende Zwangsheirat nicht weiter eingegangen und dazu auch keine Feststellungen getroffen werden.
2.4. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die in den relevanten Auszügen unter Punkt 1.3. in diesem Erkenntnis wiedergegeben sind. Die Feststellungen beruhen auf den folgenden Einzelquellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
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BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017):
Informationen aus den Protokollen der FFM
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ICG - International Crisis Group (9.5.2017): Instruments of Pain (III) - Conflict and Famine in Somalia, https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/somalia/b125-instruments-pain-iii-conflict-and-famine-somalia, Zugriff 24.11.2017
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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2017b): Fact Sheet; Somalia; 1-30 November 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1514374235_61422.pdf, Zugriff 8.1.2018
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Die beschwerdeführende Partei muss zur Zeit als alleinstehende Frau ohne männlichen Schutz, die einer Minderheit angehört und in Somalia über keine familiären oder clanbezogenen Anknüpfungspunkte verfügt, angesehen werden, für die ein ernstzunehmendes Risiko besteht, sich im Falle einer Rückkehr in einem IDP Lager wiederzufinden. Sie unterliegt damit einer ausreichend wahrscheinlichen und aktuellen Verfolgungsgefahr als Mitglied der sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen und Minderheitenangehörigen Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt zu werden.
3.2.2. Von einer Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nach der aktuellen Berichtslage nicht ausgegangen werden.
3.2.3. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2196127.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.02.2019