TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/7 W203 2128006-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2019
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Entscheidungsdatum

07.01.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W203 2128006-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX 1999, StA. Syrien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zl. 1075763005 - 150767762 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F., der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger, stellte am 30.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 02.07.2015 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er in XXXX , al-Hasaka, geboren worden, Moslem sowie ledig sei und der Volksgruppe der Kurden angehöre. Er habe von 2006 bis 2015 die Grundschule in seinem Heimatort besucht. Sein Vater, seine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern würden noch in Syrien leben. Am 15.06.2015 habe der Beschwerdeführer Syrien illegal zu Fuß verlassen und sei in die Türkei gegangen. Anschließend sei er schlepperunterstützt nach Österreich gelangt. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass in Syrien Bürgerkrieg herrsche und er Angst habe, zur Armee eingezogen zu werden. Als Kurde werde er "nirgends" akzeptiert. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

3. Am 29.01.2016 wurde der Beschwerdeführer - aufgrund seiner damaligen Minderjährigkeit in Anwesenheit eines Vertreters - vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei bestätigte er die in der Erstbefragung gemachten Angaben zu seiner Person und zur Fluchtroute, gab aber an, dass er nicht dem Islam zugehöre, sondern "ohne Bekenntnis" sei. Zwei seiner Onkel sowie zwei Tanten würden in Österreich leben. Seine beiden Onkel seien anerkannte Flüchtlinge, ein Onkel lebe seit sieben Jahren in Österreich und habe schon die österreichische Staatsbürgerschaft. Eine seiner Tanten sei auch anerkannter Flüchtling, die andere Tante sei erst zweit Monate vor der Befragung nach Wien gekommen und befinde sich noch im Asylverfahren. Der Beschwerdeführer gab an, gesund zu sein und keine Medikamente oder Therapien zu benötigen. Seine Eltern und seine Geschwister würden sich seit vier Monaten in Qamishli aufhalten, davor hätten diese im Geburtsort des Beschwerdeführers gelebt. Auch zwei Onkel, eine Tante und die Großeltern würden sich noch dort befinden. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er bei einem weiteren Aufenthalt in Syrien zur Armee eingezogen worden wäre. Er habe Angst davor gehabt und sich nicht frei bewegen können, da es Kontrollen gegeben habe und junge Leute einfach mitgenommen worden wären. Viele seiner Freunde seien in seinem Heimatdorf getötet worden und er habe Angst, auch getötet zu werden. Er sei auch einmal in einem Bus kontrolliert worden. Die syrische Armee habe seinen Ausweis verlangt, da er aber keinen Personalausweis gehabt habe, habe er seinen Prüfungsausweis der 9. Klasse vorgewiesen. Daraufhin wäre er in Ruhe gelassen worden. Zum damaligen Zeitpunkt habe ihn seine Großmutter begleitet und er habe Glück gehabt, nicht mitgenommen worden zu sein. Er sei aufgrund seines Alters noch nicht offiziell einberufen worden. Eine solche Einberufung erfolge ab dem 18. Lebensjahr, aufgrund des Krieges aber auch schon früher. Eine Cousine des Beschwerdeführers habe als kurdische Kämpferin an der Seite der YPG gekämpft, einer seiner Onkel habe bei der syrischen Armee gekämpft, sei aber im Urlaub nach Schweden geflohen. Vorgelegt wurden ein Auszug aus dem Personenregister, sowie Kopien der Reisepässe seiner Verwandten.

4. Am 04.02.2015 wurde seitens der Vertretung des Beschwerdeführers für diesen eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen eingebracht, in der u.a. auf die Rekrutierung von Minderjährigen zum Wehrdienst eingegangen wurde.

5. Mit Bescheid vom 20.05.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht aus Gründen der Zugehörigkeit zu seiner "Rasse" oder Religionsgemeinschaft verfolgt werde, zumal er keine individuellen Ausreisegründe vorgebracht habe. Er habe angegeben, dass er Syrien wegen des Krieges, der schlechten Sicherheitslage und aus Angst, bald in die Armee einrücken zu müssen, verlassen habe. Dies sei glaubhaft, aber der Beschwerdeführer sei in Syrien nie persönlich belangt worden oder einer Verfolgung ausgesetzt gewesen.

6. Am 09.06.2016 wurde gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides Beschwerde erhoben und ein "Antrag auf Beschwerdevorentscheidung" gestellt. Begründet wurde dies damit, dass die Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers ausdrücklich als glaubhaft bezeichnet habe. Es komme nicht auf die Vergangenheit - d.h., ob der Beschwerdeführer in dieser schon einer Verfolgung ausgesetzt gewesen sei - sondern auf eine Zukunftsprognose an.

7. Am 28.08.2017 wurde die Beschwerde mittels Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten könne, anderenfalls müsse das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen werden. Damit ein Bescheid rechtlich zustandekomme, müsse er erlassen werden. Erlassen werde ein Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder Ausfolgung. Die belangte Behörde habe ihre Zustellverfügung so getroffen, dass der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers als Empfänger genannt worden sei, der Bescheid hätte aber einem gewillkürten Vertreter zugestellt werden müssen. Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass der Bescheid nicht wirksam erlassen worden und somit kein tauglicher Gegenstand für eine Anfechtung sei.

8. Am 31.08.2017 stellte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers einen "(neuerlichen) Zustellantrag".

9. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 17.10.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründet wurde dies damit, dass zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus Syrien keine Rekrutierungsabsicht seitens des syrischen Militärs gegenüber ihm vorgelegen sei. Eine inzwischen vorliegende Einberufungsabsicht könne nicht ausgeschlossen werden, da sich der Beschwerdeführer "nun bald" im wehrdienstfähigen Alter befinde. Es sei nicht festzustellen, dass der Beschwerdeführer durch seine Ausreise als politischer Gegner für das syrische Regime gelten solle. In Syrien, wie auch in vielen anderen Ländern - auch in Österreich - gelte die allgemeine Wehrpflicht. Es handele sich hierbei um einen Dienst, welchen der Staat seinen Bürgern abverlangen könne, und eine Missachtung sei gesetzmäßig unter Strafe gestellt. Unabhängig, ob inzwischen ein mögliches Interesse an der Rekrutierung des Beschwerdeführers im Raum stehe, werde man ihm wegen seiner Ausreise keine Wehrdienstentziehung zur Last legen, da bei dieser Ausreise keine Rekrutierung des Beschwerdeführers "anstand". Auch ein damit etwaig verbundener Vorwurf einer oppositionellen Gesinnung sei nicht denkbar, der Beschwerdeführer sei weder in bewaffneten oder politischen Organisationen tätig, noch sonst auf irgendeine andere Weise politisch aktiv gewesen. Der Beschwerdeführer habe "als oberste Prämisse für sich festgelegt", jenes Land auszusuchen, in welchem die meisten Zuwendungen verteilt würden bzw., wo sich schon Verwandte von ihm aufhalten würden, die diese Zuwendungen bereits in Anspruch nehmen. Dieses Verhalten "zeuge nicht" davon, dass das Leben des Beschwerdeführers tatsächlich in Gefahr gewesen wäre.

10. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 02.11.2017 Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er sich im wehrfähigen Alter befinde und ihm aufgrund der Weigerung der Ableistung des Wehrdienstes vom syrischen Regime eine Oppositionelle Gesinnung unterstellt würde, wodurch er einer Verfolgung durch dieses ausgesetzt sei.

11. Mit Schreiben vom 20.03.2018, eingelangt am 22.03.2018, legte die belangte Behörde den gegenständlichen Verfahrensakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, stammt aus XXXX , al-Hasaka und gehört der Volksgruppe der Kurden an.

Der Beschwerdeführer ist 1999 geboren und befindet sich nunmehr im wehrdienstfähigen Alter. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen gesundheitlichen Einschränkungen, die einen Wehrdienst betreffend maßgeblich wären. Es droht dem Beschwerdeführer die reale Gefahr, dass er in Syrien - bei einer nunmehrigen Rückkehr - zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen wird und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung zum und Ableistung des Militärdienstes der Gefahr ausgesetzt, zu menschen- und völkerrechtsverletzenden Handlungen gezwungen zu werden, bzw. bei Verweigerung des Militärdienstes unverhältnismäßig bestraft zu werden.

Der Beschwerdeführer hat seinen regulären Wehrdienst bei der syrischen Armee noch nicht abgeleistet.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25. Jänner 2018, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl):

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)

Zusatzinformationen zum Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt (BFA 8.2017). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2015; vgl. DRC/DIS 8.2017). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017). Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird (BFA 8.2017).

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).

Entlassungen

Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Amnestien

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstverweigerer und Reservisten eine Amnestie erhalten. Es gibt keine Informationen darüber, wie viele Personen die Amnestie genutzt haben. In manchen Fällen wurden Personen aus der Haft entlassen, wobei die Regierung jedoch danach eine erneute Welle von Verhaftungen durchführte. In diesem Zusammenhang ist nicht klar, aus welchem Grund bestimmte Personen freigelassen werden und ob die Amnestie jenen hilft, die davon profitieren sollten [also Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren, Anm.], oder anderen Personen. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten davon nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).

Aus den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. aktualisierte Fassung:

Risikoprofile:

[...]

* Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte.

[...]

In Syrien ist Wehrdienstentziehung eine Straftat. Unabhängige Beobachter weisen darauf hin, dass Wehrdienstentziehung von der Regierung wahrscheinlich als politische, regierungsfeindliche Handlung angesehen wird, was zur Folge haben kann, dass der Person, die sich dem Wehrdienst entziehen wollte, eine Strafe droht, die über die regulären Sanktionen für die Straftat der Wehrdienstentziehung hinausgeht, insbesondere durch strengere Behandlung während der Festnahme, beim Verhör und in Haft sowie - nach Einziehung - im Militärdienst. In der Praxis droht Wehrdienstentziehern Berichten zufolge statt einer strafrechtlichen Sanktion (Haftstrafe) nach dem Militärstrafgesetzbuch der Einsatz an vorderster Front innerhalb von Tagen oder Wochen nach der Festnahme - oftmals nach nur minimaler militärischer Ausbildung.

Aufgrund der zahlreichen Wehrdienstentzieher, Deserteure und Todesfälle bemühen sich Armee und Sicherheitsdienste laut den Berichten verstärkt darum, syrische Männer einzuziehen und Reservisten zu mobilisieren. Außerdem wurde gemeldet, dass verstärkte Anstrengungen unternommen wurden, um Wehrdienstentzieher zu identifizieren und festzunehmen, einschließlich an mobilen und festen Kontrollstellen, bei Razzien, Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen öffentlicher Transportmittel. In Gebieten, die die Streitkräfte der Regierung von bewaffneten oppositionellen Gruppen zurückerobert haben, wurden Männer im Wehrpflicht- oder Reservedienstalter Berichten zufolge in großer Zahl festgenommen, um in die Armee eingezogen zu werden. In der Haft drohen Wehrdienstentziehern Folter und andere Formen der Misshandlung - diese Praxis ist laut Berichten in ganz Syrien verbreitet.

Abgesehen davon, dass Wehrdienstentziehung für sich genommen bereits als politische Handlung angesehen wird, können weitere Merkmale des Profils eines Wehrdienstentziehers dazu beitragen, dass die betreffende Person als nicht ausreichend regierungstreu und/oder als Unterstützer der (politischen oder bewaffneten) Opposition angesehen wird, was die Gefahr erhöht, dass der Wehrdienstentzieher Misshandlungen erfährt, die über die Bestrafung hinausgehen, die in den einschlägigen, für Wehrdienstentziehung vorgesehenen strafrechtlichen Vorschriften vorgesehen ist.

Meldungen zufolge werden die Regeln und Vorschriften für den Militärdienst, insbesondere in Bezug auf Aufschub- und Ausnahmeverfahren, zunehmend willkürlich angewandt. Es wird berichtet, dass die Regierung zunehmend auch bislang "geschützte Bevölkerungsgruppen" wie Studenten, Beamte und Gefängnisinsassen zum Pflichtwehrdienst einberuft. Berichten zufolge wurde die Wehrpflicht bei vielen Soldaten über den gesetzlich festgelegten Zeitraum von 18 Monaten hinaus verlängert. Es wurde berichtet, dass Männer oft nach ihrer Entlassung am Ende der Wehrpflicht automatisch in die Reservistenliste aufgenommen werden. Viele Männer im Wehrdienst- oder Reservistenalter vermeiden es Berichten zufolge, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, halten sich versteckt, ziehen in Gebiete, die von bewaffneten oppositionellen Gruppen kontrolliert werden (u. a. im Rahmen lokaler Versöhnungsabkommen), oder sind außer Landes geflohen, da sie Schikanen an Kontrollstellen und Zwangsrekrutierung befürchten. Wenn Männer aus dem Ausland zurückkehren, wird Berichten zufolge stets ihre Wehrdienstakte überprüft.

Aus den Berichten ergibt sich, dass es bei den Streitkräften vor allem in den ersten Jahren des Konflikts zu Desertionen kam, während dies heutzutage kaum noch vorkommt. Nach der gültigen Fassung des Militärstrafgesetzbuches von 1950 ist Desertion strafbar und wird je nach den Umständen des Einzelfalls mit Freiheits- oder Todesstrafe bestraft. Trotz dieser gesetzlichen Bestimmungen wurde Berichten zufolge gegen Personen, die sich einem Schießbefehl verweigert haben, desertiert sind oder verdächtigt wurden, eine Desertion zu planen, üblicherweise keine förmliche Anklage erhoben. Vielmehr wurde berichtet, dass die Deserteure entweder zum Zeitpunkt der Desertion oder bei einer späteren Festnahme sofort hingerichtet wurden, willkürlich inhaftiert, in Isolationshaft genommen, gefoltert und extra-legal hingerichtet wurden oder nach einem Ermittlungsverfahren angewiesen wurden, wieder zu ihrer Truppeneinheit zurückzukehren. Berichte belegen, dass Familienangehörige von Deserteuren beispielsweise während Massenverhaftungen in Gebieten, die als oppositionsnah gelten, von Regierungstruppen besonders ins Visier genommen wurden. Das Eigentum von Deserteuren wurde Berichten zufolge gezielt geplündert, in Brand gesetzt und zerstört.

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstentzieher und Deserteure eine Reihe von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sich die Betroffenen innerhalb einer bestimmten Frist freiwillig stellten. Das Gesetzesdekret Nr. 15/2016 vom Juli 2016 bildet die Grundlage für die Versöhnung und sieht für alle Personen, die sich stellen und ihre Waffen niederlegen, Straffreiheit vor, einschließlich für Kämpfer und Zivilpersonen, die wegen Desertion gesucht werden. Berichten zufolge sind Wehrdienstentzieher und Deserteure manchmal nach dem Abschluss von Versöhnungsabkommen (wieder) in den Militärdienst bei der regulären Armee eingetreten oder sie haben sich neu formierten lokalen Sicherheitsbehörden oder sonstigen regierungsnahen Truppen angeschlossen. Männer im Wehrpflichtalter, die einem Eintritt in den Wehrdienst nicht zustimmen, sind entweder gezwungen, das Gebiet zu verlassen, oder riskieren, festgenommen und von den Regierungstruppen misshandelt zu werden, da ihre Wehrdienstverweigerung wahrscheinlich als Ausdruck einer regierungsfeindlichen Gesinnung interpretiert werden würde. UNHCR ist der Auffassung, dass Personen, die sich dem Pflichtwehrdienst oder dem Reservewehrdienst entzogen haben oder aus den Streitkräften desertiert sind, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen. Bei Asylgesuchen von Deserteuren können Ausschlussgründe gegeben sein (siehe auch Abschnitt III.D). In den Richtlinien zu Anträgen auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus Gründen des Militärdienstes hat UNHCR festgestellt, dass die Anerkennung des Rechts auf Verweigerung des Militärdienstes mit der Begründung, dass der Militärdienst die Teilnahme an Aktivitäten beinhalte, die einen Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht, internationales Strafrecht oder internationale Menschenrechtsnormen darstellten, und die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft in diesen Fällen mit der Logik der Ausschlussklauseln der GFK im Einklang steht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor der belangten Behörde sowie den im Verfahren vorgelegten Dokumenten (u.a. einem Auszug aus dem Personenregister).

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Militärdienst bei der syrischen Armee antreten müsste; seine Absicht, die Ableistung des Wehrdienstes zu verweigern, ergibt sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen.

Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten (nun aktualisierten) Quellen, die schon die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es läge in Bezug auf ihn eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) vor, weil er die Ableistung des Militärdienstes in seinem Herkunftsstaat ablehne, so erweisen sich die diesbezüglichen Ausführungen als glaubhaft.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um eine behauptete Bedrohung durch das syrische Regime (wegen "Wehrdienstverweigerung") geht, kommt es nicht (unbedingt) darauf an, ob eine Einberufung zum Militärdienst (vor der Ausreise) bereits erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Aus den - bereits im verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde getätigten - Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien (diesen Feststellungen zufolge besteht in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren, alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren kommen für den Militärdienst in Frage und es kommt aufgrund der angespannten Situation in Syrien und der Schwierigkeiten für die syrische Regierung, neue Rekruten auszuheben, zu Einberufungen auch von Männern, die ihren Wehrdienst bereits abgeleistet haben und zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben) und den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers - er ist nunmehr volljährig und somit wehrdienstpflichtig - ergibt sich, dass eine Person mit dem Profil des Beschwerdeführers in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes und des Mangels an Soldaten, die sich zum Dienst melden, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, zum Wehrdienst beim syrischen Militär eingezogen zu werden.

Es ist daher angesichts der Feststellungen davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Einziehung durch die syrische Armee mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit (im Falle einer Rückkehr/Wiedereinreise nach Syrien) droht.

Vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen erweisen sich die Aussagen des Beschwerdeführers als plausibel.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten ist ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Bei der Entscheidung, ob eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht, handelt es sich immer um eine Prognoseentscheidung, die eine auf die Zukunft gerichtete Verfolgung verlangt. Das Wort "Furcht" bezieht sich dabei nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt wurden, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Wege gehen möchten, die eine Gefahr der Verfolgung in sich birgt. (vgl. UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 1)

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

3.2.2. Im Falle einer Rückkehr läuft der Beschwerdeführer aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes Gefahr, zum Militärdienst in die syrische Armee einrücken zu müssen. Der Beschwerdeführer ist 1999 geboren und ist nunmehr volljährig und somit nach derzeit geltender Rechtslage in Syrien wehrdienstpflichtig. Entgegen der Meinung der belangten Behörde handelt es sich bei der Beurteilung einer asylrelevanten Verfolgung um eine Prognoseentscheidung, d.h. es ist nicht die Situation maßgeblich, wie diese bei der Ausreise des Beschwerdeführers vorlag, sondern die, die diesen bei einer Rückkehr erwarten würde. Verfahrensgegenständlich ist ausschließlich zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Zum einen müsste der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr befürchten, in der syrischen Armee zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt und damit zur Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen zu werden, widrigenfalls ihm jedenfalls eine Gefängnisstrafe droht. Zum anderen wäre eine Weigerung, in die Armee einzurücken, gemäß den Länderfeststellungen mit drastischen Konsequenzen verbunden. Die Länderfeststellungen lassen erkennen, dass in der Weigerung, den Dienst in der Armee anzutreten, eine oppositionelle politische Gesinnung gesehen wird, die mit unverhältnismäßigen Strafen geahndet wird. Dass der Beschwerdeführer in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Gelegenheit hätte, den Vorwurf einer regimefeindlichen Gesinnung zu entkräften, kann nicht angenommen werden.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass der Militäreinsatz in der syrischen Armee, dem sich der Beschwerdeführer letztlich durch seine Ausreise entzogen hat, im derzeitigen bewaffneten Konflikt in Syrien mit einem Zwang zur Verübung menschenrechtswidriger Handlungen und zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen (etwa Angriffe auf die Zivilbevölkerung) verbunden (und damit im Sinne des Abs. 171 des UNHCR-Handbuches über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft den "Grundregeln menschlichen Verhaltens" widersprechend) ist und dass völlig unverhältnismäßige Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen bei Wehrdienstverweigerung und bei Verweigerung von Befehlen im Bereich des Militärdienstes bzw. des Militäreinsatzes (etwa Hinrichtung von Soldaten, die sich weigern, auf Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen) erfolgen. Davon ist der Beschwerdeführer, dem der Wehrdiensteinsatz bei der syrischen Armee droht, im Falle der Verweigerung bzw. Ablehnung eines solchen Einsatzes mit hoher Wahrscheinlichkeit betroffen. Unter den besonderen Verhältnissen in Syrien kann die Anwendung dieser völlig unverhältnismäßigen Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen seitens der syrischen Regierung nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie auf der generellen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung der Betroffenen beruht. Damit liegt im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer drohende Bestrafung wegen "Wehrdienstverweigerung" als drohender Eingriff von erheblicher Intensität eine asylrelevante Verfolgung vor, weil die Bestrafung in Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, nämlich mit dem der "politischen Gesinnung", steht.

In seiner Rechtsprechung vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (siehe VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Daher ist eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.

Dies ist nach den Feststellungen der Fall. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Einreise festgenommen und - so er nicht wegen der Verweigerung der Ableistung seines Wehrdienstes zu einer langjährigen, potentiell mit Folter verbundenen Gefängnisstrafe, die indiziert, dass man ihm wegen dieser Weigerung eine oppositionelle Gesinnung unterstellt, verurteilt würde - dem Wehrdienst zugeführt werden würde. Es besteht das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer als Wehrdienstleistender im Rahmen der Aufstandsbekämpfung zu menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen und im Falle einer Weigerung allenfalls mit standrechtlicher Erschießung bestraft werden würde.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien besteht für den Beschwerdeführer also eine asylrelevante Verfolgungsgefahr, weil er sich schon durch seine Ausreise dem Militärdienst, in dessen Rahmen er zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen (wie Angriffen auf die Zivilbevölkerung) gezwungen und bei Weigerung mit Haft und Folter bedroht würde, entzogen hat und somit als politischer Gegner des syrischen Regimes gesehen würde (vgl. insbes. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/20/0085, sowie EuGH 26.2.2015, Fall Shepherd, C-472/13).

Auch fällt er damit in eine von UNHCR angeführte Risikogruppe, nämlich jene der "Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte" (zur Indizwirkung von UNHCR-Positionen vgl. etwa VwGH 16.1.2008, 2006/19/0182, m.w.N.).

Den aktuellen Berichten zur Situation des syrischen Militärs ist zu entnehmen, dass mit dem Fortwähren des langjährigen Konflikts ein zunehmender Personalbedarf besteht. Bestehende Gesetze und Regeln in Bezug auf Einberufungspraktiken werden daher oft willkürlich ausgelegt und angewandt. So werden in manchen Regionen vermehrt Wehrpflichtige und Reservisten einberufen (vgl. dazu UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 2).

Eine Inanspruchnahme des Schutzes durch den syrischen Staat ist für den Beschwerdeführer schon deswegen auszuschließen, weil die Verfolgung gerade von diesem ausgeht.

3.2.3. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht für den Beschwerdeführer nicht; die Annahme ebendieser würde im Widerspruch zum aufgrund der derzeitigen Situation in Syrien bereits gewährten subsidiären Schutz stehen (vgl. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/18/0168; 29.6.2015, Ra 2014/18/0070).

3.2.4. Im Ergebnis ist bei der gebotenen prognostischen Beurteilung der Verfolgungsgefahr und bei Gesamtbewertung aller risikobegründenden Faktoren ein erhebliches Risiko für den Beschwerdeführer, vom syrischen Regime aus den dargelegten Gründen verfolgt zu werden - und damit das Vorliegen der "maßgeblichen Wahrscheinlichkeit" der Verfolgung im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Judikatur - zu bejahen.

Der Beschwerdeführer konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

3.2.5. Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.6. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 30.06.2015, somit vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

3.2.7. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine w

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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