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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der Gemeinde E, vertreten durch Dr. Hermann Tschiderer, Dr. Reinhold Wolf und Mag. Gerhard Mader, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Reutte, Claudiastraße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. November 1998, Zl. 680.072/02-I 6/97, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. November 1995 verpflichtete der Landeshauptmann von Tirol (kurz: LH) die beschwerdeführende Partei gemäß § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959, auf dem Grundstück Nr. 2930/2, GB E., auf ihre Kosten unverzüglich Sofortmaßnahmen und Erkundungsmaßnahmen durch fachkundige Personen durchführen zu lassen.
Die Sofortmaßnahmen umfassten u.a. die Durchführung einer Oberflächenabdeckung, einer Rekultivierung und Bepflanzung sowie eine bestimmte Nutzung der betroffenen Fläche (Spruchpunkt I A). Die Erkundungsmaßnahmen bestanden u.a. in hydrologischen Beobachtungen, Grundwasserspiegelmessungen, Erkundungen der Lage der Schüttsohle der Deponie und der Ausarbeitung eines Sicherungsprojektes (Spruchpunkt I B).
In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wurde u.a. ausgeführt, die Abfalldeponie der beschwerdeführenden Partei liege auf dem vorgenannten Grundstück, das im Eigentum der Agrargemeinschaft E-K. stehe. Dieser Deponie fehle die nötige wasserrechtliche Bewilligung. Seit 1963 bis 1993 habe die beschwerdeführende Partei offensichtlich dort Aushubmaterial, Bauschutt und Hausmüll abgelagert. Diese Deponie habe eine Fläche von ca. 60 x 20 m, ein Volumen von ca. 5.000 m3 und eine Tiefe von ca. 5 m. Die Deponie entspreche nicht dem Stand der Technik. Sie besitze weder eine Basisabdichtung noch eine Sickerwasserfassung oder -sammlung, sowie auch keine Deponiegaserfassung. Es sei daher davon auszugehen, dass durch in den Deponiekörper eindringendes Niederschlagswasser schadstoffhaltiges Sickerwasser entstehen könne, das in den Untergrund und weiter in das vorhandene Grundwasser und in den Lech eindringen könne und das Wasser verunreinige.
Im Falle einer Beseitigung wäre wegen der hohen anfallenden Kosten und der nicht vorhandenen Kapazität der Deponie G. die Sicherung der Beseitigung vorzuziehen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung und führte insbesondere aus, dass ein Teil der Deponie "im Grundwasser" liege. Daran könnten auch kostspielige Untersuchungen nichts ändern; rund eine Million Schilling könne von der beschwerdeführenden Partei nicht ausgegeben werden.
Anzumerken ist, dass die beschwerdeführende Partei im Zuge der Berufung - soweit aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist - keine ergänzenden Unterlagen oder Nachweise über einen "ermittelten" Grundwasserspiegel vorlegte, sodass auch die Berufungsbehauptung der Lage eines Teils der Deponie "im Grundwasser" nicht näher nachvollzogen werden kann.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. November 1998 wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abgeändert, dass der beschwerdeführenden Partei "gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG" aufgetragen wurde, die auf Grundstück Nr. 2930/2, GB E., befindlichen Abfallablagerungen (bestehend aus Aushubmaterial, Bauschutt, Hausmüll) bis 31. Dezember 1999 zu beseitigen.
In der Begründung wird unter Bezugnahme auf § 31b Abs. 1 WRG 1959 auf die Notwendigkeit einer wasserrechtlichen Bewilligung für bestimmte Deponien hingewiesen. Es liege im Beschwerdefall unzweifelhaft eine eigenmächtige Neuerung vor, was auch von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten werde. In einem solchen Fall habe die Behörde grundsätzlich die Beseitigung der eigenmächtigen Neuerung anzuordnen. In erster Linie sei nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 vorzugehen. Spruchteil I B des erstinstanzlichen Bescheides betreffend bloße Erkundungsmaßnahmen sei mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig. Es finde sich im Akt auch kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Beseitigung objektiv oder auch technisch nicht möglich wäre.
Ein Teil des Müllplatzes (der Deponie) befinde sich nach eigenen Angaben der beschwerdeführenden Partei "im Grundwasser". Die aufgetragenen Sofortmaßnahmen wie z.B. Oberflächenabdichtung und Rekultivierung seien nicht geeignet, eine Grundwassergefährdung zu vermeiden oder eine Sanierung zu bewirken. Deshalb seien auch nach Auffassung der Behörde erster Instanz weitere Maßnahmen (Untersuchungen, Beobachtungen) erforderlich, um ein konkretes Sanierungsprogramm zu erstellen. Nach der örtlichen Lage ("im Grundwasser") und der Art der Ablagerung bestehe kein Zweifel, dass öffentliche Interessen zum Schutz des Grundwassers die Beseitigung der eigenmächtigen Neuerung verlangen würden. Daher sei ein auf § 138 Abs. 1 WRG 1959 gestützter Auftrag geboten und zwar "in erster Linie" nach § 138 Abs. 1 lit. a leg. cit. Im Beschwerdefall sei eine Sicherung aufgrund der Lage im Grundwasserbereich nur mit aufwendigen technischen Maßnahmen und Investitionen möglich (Umspundung und deren dauerhafte Erhaltung). Dazu kämen Dauer, Belastungen durch Maßnahmen wie Grundwasseraufbereitung, Grundwasseraustausch, Kontrolle usw. auf Jahre. Demgegenüber sei die Verbringung von 5.000 m3 Abfall wirtschaftlich günstiger, zumal nicht die gesamte Kubatur zu Höchstpreisen (öS 1.500.--/t stelle einen Höchstpreis dar, wenn man bedenke, dass etliche Deponien nicht ausgelastet seien) verbracht werden müsse, sondern auch nach Baurestmassen usw. getrennt werden könne. Von einer Unverhältnismäßigkeit der Beseitigung gegenüber der Sicherung sei daher nicht auszugehen. Als Frist für die Räumung werde ein Zeitraum von ca. einem Jahr für angemessen angesehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die beschwerdeführende Partei die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten
a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,
b) Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen durch geeignete Maßnahmen zu sichern, wenn die Beseitigung gemäß lit. a nicht oder im Vergleich zur Sicherung an Ort und Stelle nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist.
Die beschwerdeführende Partei wendet u.a. ein, die Behörde erster Instanz habe durch einen Amtssachverständigen Gutachten erstellen lassen. Dieser sei zum Ergebnis gekommen, dass ein Beseitigungsauftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 im Vergleich zu Maßnahmen nach lit. b leg. cit. nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich sei. Dies sei auch mit hohen Entsorgungskosten und fehlender Kapazität der in Frage kommenden Deponie G. begründet worden. Die belangte Behörde habe "diesen durch Amtssachverständige festgestellten Sachverhalt" einfach abgeändert, ohne dazu ein neues oder geändertes Gutachten eingeholt zu haben. Bei der Beurteilung dieser Frage handle es sich aber nicht um eine Rechts- sondern primär um eine Fachfrage. Es gehe nämlich um den vertretbaren Aufwand bzw. die vertretbaren Kosten. Dem Berufungsverfahren sei nicht zu entnehmen, dass die Sachbearbeiterin der belangten Behörde eine befugte Amtssachverständige auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung, der Grundwassersanierung und Kostenermittlung wäre. Es seien auch keine Ermittlungen in diese Richtung vorgenommen worden, die auch der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht worden wären. Die belangte Behörde habe sich einfach auf den Standpunkt gestellt, dass eine Verbringung von 5.000 m3 Abfall wirtschaftlich günstiger wäre als aufwendige Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen im Grundwasserbereich. Bei Beantwortung dieser Frage handle es sich keineswegs um eine reine Rechtsfrage, weil auf fachlicher Ebene zuerst die zu erwartenden Kosten beider Varianten zu ermitteln seien. Es sei nicht ersichtlich, wo die belangte Behörde Zahlenvergleiche vorgenommen und welche Tätigkeiten die belangte Behörde unter dem Schlagwort "Verbringung von 5.000 m3 Abfall" aufgelistet habe, sowie welche Grundwassersicherungsmaßnahmen auch bei einer Beseitigung der Deponie vorzunehmen seien. Ferner sei zu klären, ob zur Sicherung des Grundwassers überhaupt eine gänzliche Beseitigung ohne Auflagen, begleitende Kontrolle und Voruntersuchungen möglich sei oder ob das Grundwasser noch mehr gefährdet werde. Die belangte Behörde habe ohne jegliche fachliche Grundlage die ordnungsgemäß zustande gekommenen Ermittlungsergebnisse der Behörde erster Instanz umgestoßen und sich eine fachliche Entscheidungskompetenz angemaßt, die ihr ohne Beiziehung von Sachverständigen nicht zustehe. Das Gleiche gelte für die Einräumung eines Zeitraumes von einem Jahr für die Beseitigung. Auch hiezu sei weder eine Begründung noch eine fachliche Grundlage vorhanden. Der beschwerdeführenden Partei sei nicht einmal die Gelegenheit geboten worden, auf gleicher fachlicher Ebene einer neuen Sachverständigenäußerung entgegenzutreten, weil die belangte Behörde gar keine weitere Äußerung eines Sachverständigen eingeholt habe.
Unbestritten ist, dass von der gegenständlichen Deponie, die ohne wasserrechtliche Bewilligung errichtet und betrieben wurde, eine Gefährdung des Grundwassers und des Wassers des Lech durch mögliche Verunreinigung ausgeht. Es ist offensichtlich, dass die vorhandene und nicht dem Stand der Technik entsprechende Deponie dem öffentlichen Interesse der Reinhaltung der Gewässer zuwider läuft. Grundsätzlich sind daher im Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 gegeben.
Die rechtliche Beurteilung der Frage, ob die rechtswidrigen Ablagerungen nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 zur Gänze zu beseitigen oder aber im Wege des durch die WRG-Novelle 1990 neu geschaffenen § 138 Abs. 1 lit. b leg. cit. an Ort und Stelle zu sichern sind, setzt auf sachverständiger Basis vorzunehmende Ermittlungen voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 91/07/0147, m.w.N.). Sind beide Varianten - Räumung und Sicherung an Ort und Stelle - geeignete Maßnahmen, so kommt dem Kostenfaktor Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1995, Zl. 93/07/0192).
Nach § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 1990/252 hängt die rechtliche Beurteilung, ob eine - rechtswidrige - Ablagerung zur Gänze zu beseitigen, oder aber im Wege der genannten Gesetzesstelle an Ort und Stelle zu sichern ist, davon ab, ob die Beseitigung überhaupt oder im Verhältnis zu einer derartigen Sicherung nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist. Die rechtliche Beurteilung dieser Frage setzt entsprechende, auf sachverständiger Basis vorzunehmende Ermittlungen voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 90/07/0169).
In einer zusammenfassenden Stellungnahme vom 15. Juli 1995, die im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens dem Parteiengehör unterzogen wurde, stellte die damals dem Verfahren beigezogene Amtssachverständige Dipl. Ing. S. u.a. fest, dass im Falle einer Beseitigung nach dem Tiroler Abfallwirtschaftskonzept die Deponie in die Deponie G. zu entsorgen wäre. Einerseits durch die hohen anfallenden Kosten (Deponiepreis mit ca. öS 1.500.--/to plus Transportkosten) und andererseits "durch die nicht vorhandene Kapazität der Deponie G." sei die Sicherung der Beseitigung vorzuziehen. Die Beseitigung würde unverhältnismäßig hohe Kosten ergeben und scheitere an der zu geringen Volumskapazität der Deponie G. Mit diesen Ausführungen, auf die sich auch die beschwerdeführende Partei bezieht, wird jedenfalls auf mögliche unverhältnismäßige Schwierigkeiten, die mit der Beseitigung des Deponieinhaltes im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 verbunden sein könnten, hingewiesen.
Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher durch eine sachkundige Stellungnahme entsprechend untermauerten ergänzenden und dem Parteiengehör unterzogenen Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde - abweichend von den zuvor dargestellten fachlichen Äußerungen im erstinstanzlichen Verfahren - ausschließlich von der Möglichkeit (Notwendigkeit) und Zulässigkeit der Beseitigung des Deponiematerials nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 im Sinne der dargestellten hg. Judikatur ausgehen konnte. Damit fehlen aber für die rechtliche Kontrolle des angefochtenen Bescheides wesentliche Sachverhaltsfeststellungen, die die Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde gewählten Vorgangsweise beurteilen lassen.
Insbesondere die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf Berufungsausführungen der beschwerdeführenden Partei getroffene Aussage, ein Teil der Deponie liege "im Grundwasser", kann auf der Basis der den vorgelegten Verwaltungsakten zuliegenden Unterlagen und insbesondere jener Ausführungen, die im Verfahren erster Instanz von den damals beigezogenen Sachverständigen getroffen wurden, vom Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollzogen werden. In der dem Parteiengehör unterzogenen zusammenfassenden fachlichen Stellungnahme vom 19. Juli 1995 wird nämlich u.a. ausgeführt, die Deponie liege "möglicherweise im Grundwasser bzw. Grundwasserschwankungsbereich", nicht zuletzt weil nach Aussage von Bürgermeister J. vor Beginn der Müllschüttung eine Grube zur Materialentnahme in diesem Bereich ausgehoben worden sei. Bedingt durch die tatsächliche Unkenntnis über die genauen örtlichen Verhältnisse betreffend den Grundwasserschwankungsbereich sah sich die Behörde erster Instanz veranlasst, im Rahmen von ergänzend aufgetragenen "Erkundungsmaßnahmen" die Spiegelhöhen des Grundwassers über einen einjährigen Beobachtungszeitraum feststellen zu lassen.
Ergänzend sei angemerkt, dass selbst der Amtssachverständige der belangten Behörde in seinen beiden nicht dem Parteiengehör unterzogenen Stellungnahmen vom 19. April 1996 und vom 4. August 1998 davon ausgeht, dass die Deponie "höchstwahrscheinlich an der Basis im Grundwasserschwankungsbereich" bzw. "im Grundwasserschwankungsbereich" liege. Sogar noch in der zuletzt genannten Stellungnahme bringt der Amtssachverständige der belangten Behörde seine Zweifel über die genaue Lage der Deponie "im Grundwasser" durch den Hinweis zum Ausdruck "Wenn die von der
... (Name der beschwerdeführenden Partei) in ihrer
Beschwerdeschrift aufgestellte Behauptung stimmt, dass ein Teil der Altdeponie im Grundwasserschwankungsbereich liege, ...". Die beschwerdeführende Partei rügt daher im Ergebnis zu Recht das Vorliegen von wesentlichen Verfahrensmängeln betreffend die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts im Rahmen des angefochtenen Bescheides, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung derselben zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Bei der Auslegung des § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 ist nach der hg. Judikatur ferner zu beachten, dass diese Bestimmung Sachverhalte erfasst, in denen entweder das öffentliche Interesse oder das Interesse eines Betroffenen eine Beseitigung oder Sicherung des durch einen Gesetzesbruch geschaffenen Zustandes verlangt. Es würde der Intention des Gesetzes zuwiderlaufen, wenn erst nach langwierigen Untersuchungen eine Entscheidung für eine der beiden Alternativen - Beseitigungsauftrag oder Sicherungsauftrag - getroffen werden könnte. Auszugehen ist vielmehr davon, dass ein Sicherungsauftrag nur dann in Betracht kommt, wenn in vertretbarer Zeit und mit vertretbarem Aufwand festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1994, VwSlg. Nr. 13.980/A). Allein aus dem seitens der Sachverständigen der Behörde erster Instanz für notwendig erachteten einjährigen Beobachtungszeitraum betreffend die Spiegellagen des Grundwassers sowie aus ergänzenden Erkundungen der Lage der Deponiesohle kann im Beschwerdefall nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass entsprechende Feststellungen betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen nach § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 nicht in vertretbarer Zeit und mit vertretbarem Aufwand getroffen werden könnten, zumal trotz langjährigen Bestehens der Deponie etwa beim Lokalaugenschein am 4. November 1993 unter dem Titel "Bekannte Beeinträchtigungen für Mensch/Umwelt" von der Behörde festgehalten wurde, dass diese "nicht feststellbar" seien. Es ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich, dass diesbezüglich in weiterer Folge von der Behörde - basierend auf fachkundig fundierten Ermittlungsergebnissen - etwa ergänzende Feststellungen getroffen worden wären.
Somit ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb im Beschwerdefall ausschließlich eine Räumung der Deponie nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959, welche von der nicht näher belegten Annahme der Lage eines Teils der Deponie "im Grundwasser" ausgeht (siehe vorstehende Ausführungen), nicht jedoch eine von der Behörde erster Instanz durchaus als zulässig erachtete Sicherung an Ort und Stelle nach § 138 Abs. 1 lit. b leg. cit. in Betracht kommt.
Eine Rechtsverletzung der beschwerdeführenden Partei liegt auch in Bezug auf die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Fristsetzung vor, weil die belangte Behörde für die Festsetzung der Leistungsfrist keine nähere Begründung gegeben hat, und die beschwerdeführende Partei auch keine Gelegenheit hatte, im Berufungsverfahren zur - hinsichtlich der (neu) angeordneten gänzlichen Räumung - geänderten Fristsetzung Stellung zu nehmen, und auch kein Fall vorliegt, in welchem offensichtlich wäre, dass diese Frist für die Durchführung der angeordneten Maßnahme ausreichen würde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, VwSlg. Nr. 14.150/A).
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. Juni 1999
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999070017.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
16.10.2012