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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der am 8. Jänner 1970 geborenen DW in 2630 Ternitz, Putzmannsdorferstraße 51, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Jänner 1996, Zl. Senat-NK-95-055, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 9. November 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine tschechische Staatsbürgerin, gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG bestraft, weil sie sich in der Zeit vom 27. Februar 1995 bis zum 26. April 1995 in 2630 Ternitz, Putzmanndorferstraße 51, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, weil ihr keine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder kein Sichtvermerk von einer Sicherheitsbehörde erteilt worden sei. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Jänner 1996 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe abgewiesen, dass in der Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Bescheides der Zeitraum "22. 3. 1995 bis zum 14. 11. 1995" angegeben werde.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der unbefugte Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet ein Dauerdelikt darstelle, das bis zur Erlassung eines Straferkenntnisses als eine Verwaltungsübertretung anzusehen und mit einer Strafe "zu bedenken" sei. Die Beschwerdeführerin sei mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 13. März 1995, das am 21. März 1995 zugestellt worden sei, wegen nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet bestraft worden, sodass der Zeitraum bis zum 21. März 1995 von diesem Straferkenntnis erfasst sei. Wenn der Täter nach Erlassung des Straferkenntnisses seine deliktische Tätigkeit nicht aufgebe, sei er neuerlich zu bestrafen. Der Tatzeitraum für die neuerliche Bestrafung beginne auf Grund des Verbotes der mehrfachen Bestrafung erst ab dem Zeitpunkt der Erlassung des vorangegangenen Straferkenntnisses zu laufen, er umfasse jedoch wiederum den gesamten Zeitraum bis zur Erlassung des neuerlichen Straferkenntnisses. Das im vorliegenden Fall mit Berufung bekämpfte Straferkenntnis sei am 14. November 1995 zugestellt und somit erlassen worden, sodass es den Tatzeitraum vom 22. März 1995 bis zum 14. November 1995 zu umfassen habe. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringe, als Ehegattin eines italienischen Staatsbürgers zum Aufenthalt in Österreich berechtigt zu sein, sei darauf hinzuweisen, dass Drittstaatsangehörigen das Aufenthaltsrecht nur einzuräumen sei, wenn der EWR-Bürger zum Aufenthalt berechtigt sei (was vorliegend nicht einmal behauptet worden sei), wobei jedoch in diesem Fall ein entsprechender Antrag zu stellen sei.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15). Gemäß der letztgenannten Bestimmung halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des zweiten Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1), oder wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde (Z. 2), oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukommt (Z. 3).
Gemäß dem - nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden - § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Befugnis der Berufungsbehörde, in der Sache selbst zu entscheiden, erstreckt sich jedoch nur auf den Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1980, Slg. Nr. 10.186/A, und vom 25. November 1980, Slg. Nr. 10.305/A, sowie die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, 568 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Dies hat die belangte Behörde verkannt, indem sie über die Beschwerdeführerin eine Strafe wegen rechtswidrigen Aufenthaltes auch in einem Zeitraum verhängte, der nicht Gegenstand des Bescheides der Behörde erster Instanz gewesen ist. Sie hat damit den Rahmen ihrer funktionellen Zuständigkeit als Berufungsbehörde überschritten und den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996210308.X00Im RIS seit
20.11.2000