TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/10 W111 2133977-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2019
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Entscheidungsdatum

10.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W111 2133977-2/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Dajani, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2017, Zl.:

813560809-1740789, nach Durchführung einer Verhandlung am 12.12.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger somalischer Staatsangehöriger, gelangte illegal in das Bundesgebiet und stellte am 26.10.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am 28.10.2013 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er stamme aus XXXX und habe seinen Herkunftsstaat im Mai 2013 wegen dem dortigen Krieg verlassen. Die Rebellen seien gegen ihre Volksgruppe "Reehamer" und hätten den Beschwerdeführer zur Teilnahme am Krieg zwingen wollen.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 13.08.2014 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (zum detaillierten Verlauf der Einvernahme, vgl. Verwaltungsakt, Seiten 59 bis 68). Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und mit Ausnahme gelegentlicher Kopfschmerzen gesund zu sein. Er habe bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet, welche korrekt protokolliert und rückübersetzt worden wären. Der Beschwerdeführer stamme ursprünglich aus XXXX , habe jedoch ab dem Kleinkindalter in der Stadt XXXX gelebt. Er gehöre der moslemischen Glaubensgemeinschaft sowie der Volksgruppe der Shanshiyo an. Im Herkunftsstaat hielte sich noch sein Vater auf, seine Frau und seine beiden Kinder würden in Äthiopien leben. Den Wunsch zur Ausreise habe der Beschwerdeführer seit seinem zehnten Lebensjahr gehegt; sie hätten schwer gelebt.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er gehöre einer nicht bewaffneten Minderheit an; sie könnten sich nicht wehren. Auf der Straße seien Steine auf sie geworfen worden, sie seien beschimpft und beleidigt worden. Dann seien die Al Shabaab in ihr Land gekommen, welche Leute zur Teilnahme am Krieg zwingen würden. Im Fall einer Ablehnung werde man umgebracht. Der Vater des Beschwerdeführers sei Koranlehrer gewesen. Al Shabaab hätte den Beschwerdeführer einmal aufgehalten, mitgenommen und an einen Ort außerhalb der Stadt gebracht, wo sie ihm mit dem Gewehrkolben den Rücken geschlagen hätten. Der Beschwerdeführer sei dann von dort weggelaufen; wenn er mit seinem Vater unterwegs wäre, würden sie ihm nichts tun. Eines Tages sei Al Shabaab zum Beschwerdeführer nach Hause gekommen und hätte seinen Vater nach ihm gefragt. Als der Beschwerdeführer nach Hause gekommen wäre, habe sein Vater ihm gesagt, dass er das Land verlassen müsse, da Al Shabaab-Leute nach ihm gesucht hätten. Der Vater des Beschwerdeführers hätte dann dessen Ausreise organisiert. Wenn ihn Al Shabaab nochmals sehe, würde er umgebracht werden.

In Österreich hielten sich eine Tante und ein Onkel des Beschwerdeführers auf, der Beschwerdeführer spiele Fußball und besuche einen Deutschkurs.

Durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde in der Folge bei der Staatendokumentation eine Anfragebeantwortung zum Clan der Shanshi(ye) eingeholt (vgl. AS 127 ff).

Am 06.07.2015 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die somalische Sprache ergänzend vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer wurde anlässlich jener Einvernahme insbesondere näher zu seiner vorgebrachten Clanzugehörigkeit, seinem Wohnort in Somalia sowie zu den fluchtauslösenden Ereignissen befragt (im Detail vgl. AS 205 bis 210). Vorgelegt wurden Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen.

Mit Schreiben vom 11.01.2016 räumte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, allfällige zwischenzeitig eingetretene Änderungen seiner persönlichen Umstände bekannt zu geben.

Mit Eingabe vom 02.09.2016 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, in welcher er im Wesentlichen auf die Verfolgung seiner Volksgruppe "Reer Xamar" sowie auf die bereits lange Dauer seines Verfahrens in Österreich verwies (AS 231).

Am 06.10.2016 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in welcher der Beschwerdeführer insbesondere zu seinen familiären Verhältnissen sowie seinen Lebensumständen in Österreich befragt wurde (im Detail vgl. AS 257 bis 261).

Mit Eingabe vom 02.03.2017 übermittelte der Beschwerdeführer ein Zertifikat über eine bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A1 sowie eine Bestätigung über die Anmeldung zu einem weiterführenden Sprachkurs.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer von Al Shabaab oder aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit zum Clan der Benadiri/Reer Hamar, Subclan Shanshiye, einer Verfolgung im Herkunftsstaat unterliegen würde. Der Beschwerdeführer habe aufgrund näher dargestellter beweiswürdigender Erwägungen (vgl. die Seiten 112 bis 133 des angefochtenen Bescheides) keine gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen oder Anwerbungsversuche durch Al Shabaab glaubhaft machen können, sondern es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sein Land aufgrund der schwierigen Lebensumstände in Somalia verlassen hätte. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine asylrelevante Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in der Heimat, sei arbeitsfähig, habe in Österreich eine Ausbildung erhalten und könnte seinen Lebensunterhalt im Falle einer Rückkehr bestreiten. Im Herkunftsstaat lebe zudem noch der Vater des Beschwerdeführers, welcher diesen nach einer Rückkehr unterstützen könnte. Es habe daher nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in Somalia in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Der Beschwerdeführer führe in Österreich kein Familienleben und weise keine Integrationsverfestigung auf.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seinen damaligen gewillkürten Vertreter mit Schriftsatz vom 15.07.2017 fristgerecht Beschwerde ein (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 495 bis 509), in welcher begründend im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass den beweiswürdigenden Argumenten des Bundesamtes zur fehlenden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers kein erkennbarer Begründungswert zukomme. Ebenso bestünde der Eindruck, dass das Verfahren aufgrund des Beschwerdebriefs des Beschwerdeführers bezüglich der langen Verfahrensdauer nicht mehr objektiv beurteilt worden wäre. Die Vorwürfe des Bundesamtes, welche die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zeigen sollen, würden auf einem Unverständnis der Sachlage in Somalia sowie auf teils unverifizierbaren Spekulationen beruhen. Die Behauptung des Bundesamtes, wonach der Beschwerdeführer in Somalia ungestört leben könnte, widerspreche eklatant den im Bescheid selbst zitierten Länderberichten, wonach Bürgerkrieg und eine allgemein katastrophale Lage in Somalia vorherrschen würden. Außerdem wäre der Beschwerdeführer im Falle seiner Abschiebung aufgrund der aktuellen Hungersnot in Somalia in intensiver Gefahr, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, wozu auf näher angeführtes Berichtsmaterial verwiesen wurde. Überdies habe die Behörde sich unzureichend mit dem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers befasst. Dieser hätte im Mai 2017 geheiratet und habe bereits umfassende Anstrengungen hinsichtlich seiner Integration unternommen.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 24.07.2017 mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Am 12.12.2018 fand zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen rechtsfreundliche Vertreterin, seine traditionell angetraute Frau, das nach Angaben des Beschwerdeführers gemeinsame minderjährige Kind, sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Somalisch teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war ordnungsgemäß geladen worden, verzichtete jedoch auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Die Beschwerdeverhandlung vernahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

"(...) R: Bitte schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf bis zu dem Ereignis, das zu Ihrer Flucht führte?

BF: Ich heiße XXXX . Ich bin in XXXX geboren, aber in XXXX (Lower Shabele) aufgewachsen. XXXX ist ca. 110 km von XXXX entfernt. Ich bin am XXXX geboren. Mein Vater hat mich 3 Jahre zu Hause unterrichtet. Als ich nach Österreich gekommen bin, konnte ich nur ein wenig schreiben, aber jetzt habe ich es gelernt. Ich war verheiratet. Meine erste Frau habe ich 2010 geheiratet und vor ca. 2 Jahren haben wir uns scheiden lassen. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob es vor 2 oder 1 1/2 Jahren war. Wir haben uns telefonisch scheiden lassen. Ich hatte zwei Zeugen neben mir und sie hatte auch Zeugen. Mitte 2016 führten wir dieses Telefonat, genauer gesagt im Juli 2016.

R: In Ihrer Einvernahme vom 06.10.2016 (also nach Ihrer angeblichen Scheidung) haben Sie angegeben, nach wie vor in aufrechter Ehe verheiratet zu sein?

BF: Sie haben mich nicht gefragt.

R: Das wurde sogar eingehend besprochen.

BF: Ich weiß nicht was der Dolmetscher übersetzt hat, aber wir waren bereits geschieden.

R: Möchten Sie gegenüber Ihren Angaben im erstinstanzlichen Verfahren Korrekturen machen oder Vervollständigungen vornehmen. War die Behandlung durch die Beamten korrekt?

BF: Ich habe die Dolmetscherinnen nicht gut verstanden. Mir wurden aber alle Angaben rückübersetzt. Die Dolmetscherin im erstinstanzlichen Verfahren kam aus dem Norden. Ich habe sie nicht gut verstanden. Die nunmehrige Dolmetscherin verstehe ich gut.

R: Sie wurden bei jeder Einvernahme ausdrücklich gefragt, ob Sie die Dolmetscherin einwandfrei verstanden haben und haben mit "Ja" geantwortet.

BF: Ich habe die Dolmetscherin nicht gut verstanden. Manches habe ich verstanden, manches habe ich nicht verstanden.

R: Warum haben Sie das nicht zu Protokoll gegeben?

BF: Ich habe schon gesagt, dass ich die Dolmetscherin nicht verstehe. Die Leiterin der Einvernahme hat gesagt, dass auch in Österreich jedes Bundesland seinen eigenen Dialekt hätte.

R: Wurden Sie durch die Beamten ansonsten korrekt behandelt?

BF: Es war in Ordnung.

R: In der Einvernahme vom 06.10.2016 wurden Sie detailliert über Ihren Familienstand befragt und haben ausdrücklich angegeben, verheiratet zu sein (Richter zitiert aus Aktenseite 259).

BF: Das stimmt, weil sie mich nicht genau gefragt haben, ob ich mich scheiden lassen möchte oder nicht. Die Beamtin hat immer wieder wiederholt, dass ich ein Lügner sei.

Nachgefragt gebe ich an: Ich sage jetzt noch einmal, dass ich mich mit der Dolmetscherin nicht gut verstanden habe. In diesem Moment war ich nicht verheiratet (gemeint ist der 06.10.2016). Nachgefragt gebe ich an: Ich weiß nicht, ob die Passagen im Protokoll vom 06.10.2016, aus denen hervorgeht, dass ich verheiratet bin, frei erfunden sind.

R: Bitte schilden Sie mir detailliert und chronologisch richtig aus welchen Gründen Sie Ihre Heimat verlassen haben?

BF: Ich habe mein Heimatland verlassen, weil ich zum Benadiri gehöre. Man kann meinen Clan auch Reer Hamar nennen. Wir gehören einer Minderheitengruppe an und sind nicht bewaffnet. Die anderen Clans benachteiligen uns und behandeln uns schlecht. Trotz der Probleme habe ich in meinem Heimatland gelebt. Nachgefragt gebe ich an, dass die Probleme aufgrund meiner Clanzugehörigkeit nicht der Grund der Ausreise, sondern Al Shabaab waren. Mitglieder der Al Shabaab töten Menschen oder man muss mit Al Shabaab zusammenarbeiten. Als ich klein war wollte ich immer das Land verlassen, weil ich unsere Probleme erkannt habe und wir aufgrund unserer Hautfarbe diskriminiert wurden.

R wiederholt die Frage.

BF: Die Al Shabaab-Männer wollten mich rekrutieren. Mein Vater war

Lehrer. Nachgefragt gebe ich an: Es war im Mai 2013, kurz vor Sonnenuntergang, die Al Shabaab-Männer sind zu mir gekommen und haben mich mitgenommen.

R: Wenn es kurz vor Sonnenuntergang gewesen ist, muss es hell gewesen sein?

BF: Es war ca. gegen 19:00 Uhr und es war dunkel. Es war nach dem Abendgebet. Ich habe gemeint nach dem Sonnenuntergang.

R: Wann ist die Sonne untergegangen?

BF: Um 18:00 Uhr.

R: Wann war der Überfall?

BF: Ca. um 19:00 Uhr, es war dunkel.

R: In der Einvernahme vom 06.07.2015 haben Sie angegeben, dass der Überfall um 20:00 Uhr war?

BF: Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich sagte um 07:00 Uhr nach Sonnenuntergang.

R: Bitte fahren Sie fort.

BF: Während wir gegangen sind, habe ich versucht wegzulaufen und das war mein Fehler. Sie haben mich mit dem Gewehrkolben geschlagen. Wir sind weitergegangen und bevor wir den Stützpunkt vom Al Shabaab erreicht haben, trafen wir Soldaten der Regierung und ich habe eine Chance bekommen zu flüchten. Ich bin weggelaufen und habe mich bei einem Freund zu Hause versteckt. Die Al Shabaab-Männer haben nach mir gesucht und sind zu meinem Elternhaus gegangen. Am nächsten Tag kam ich in der Früh nach Hause. Mein Vater sagte zu mir, dass ich in Gefahr sei und ich weggehen müsse. Es gab Leute, die nach Kenia flüchten wollen und mein Vater sagte, ich soll mit diesen Leuten mitgehen.

R: Wie viele Leute haben sie überfallen?

BF: 3-4 Männer. Nachgefragt gebe ich an, dass es 4 Männer waren. Sie waren alle vermummt und bewaffnet. Ich kann mich nicht genau erinnern, wie sie bewaffnet waren, aber sie waren definitiv bewaffnet. Sie waren mit Hemd und Hose bekleidet.

R: In der Einvernahme vom 13.08.2014 haben Sie angegeben, dass es 3 Männer waren und haben die Bewaffnung konkret beschrieben.

BF: Ich habe es so wie heute geschildert.

R: Sie gaben an, dass 2 Männer mit einer AK47 und 1 Mann mit einer Pistole bewaffnet gewesen wäre.

BF: Sie waren alle bewaffnet, aber ich habe nicht beschrieben wie sie bewaffnet waren.

R: Sie haben gerade von 2 Fluchtversuchen gesprochen, einem misslungenen und einem gelungenen, ist das richtig?

BF: Ja.

R: In der Einvernahme vom 13.08.2014 haben Sie nur von einem Fluchtversuch gesprochen, haben nichts von Regierungssoldaten erzählt.

BF: Ich habe es so geschildert wie heute.

R: Wurden Sie während dieses Vorfalls verletzt?

BF: Ich habe meinen Rücken verletzt.

R: Wie?

BF: Als ich das erste Mal versucht habe zu flüchten, kam ein Mann von hinten und hat mich mit dem Gewehrkolben geschlagen. Meine Wirbelsäule wurde verletzt. Ich hatte starke Schmerzen und ich glaube, ich wurde verletzt.

R: Wurden Sie jemals an der Wirbelsäule untersucht?

BF: Nein.

R: Am 13.08.2014 gaben Sie an, dass ein türkischer Arzt Ihnen gesagt hätte, dass Ihre Wirbelsäule "etwas auseinander" sei. Daraus schließe ich, dass Sie sehr wohl angaben, von einem Arzt untersucht worden zu sein.

BF: Das war richtig, aber ich habe das jetzt vergessen.

R: Wie lange sind Sie mit den Männern von Al Shabaab zusammen gewesen?

BF: Ca. 30 Minuten.

R: In der Einvernahme vom 13.08.2014 haben Sie von ca. 20 Minuten gesprochen.

BF: Ich habe bei der Einvernahme gesagt 20-30 Minuten.

R: Wie lange blieben Sie bei Ihrem Freund?

BF: Nur 1 Nacht.

R: Sind Ihnen die Männer von Al Shabaab nachgelaufen?

BF: Nein, sie haben gegen die Regierungssoldaten gekämpft.

R: In der Einvernahme vom 13.08.2014 (AS 65) gaben Sie an, dass die Männer Ihnen nachgelaufen wären, es Ihnen aber nicht gelungen wäre Sie einzuholen.

BF: Ich habe nicht gesagt, dass sie mir nachgelaufen sind, sondern ich habe gesagt: Sie sind weggelaufen, weil die Regierungssoldaten gekommen sind und ich bin auch gelaufen.

R: Was sagten die Al Shabaab-Männer als sie zu Ihrem Vater kamen?

BF: Sie fragten nach mir, sie fragten wo ich sei, weil sie mich brauchen würden. Mein Vater antwortete, dass er nicht wisse wo ich sei. Nachgefragt gebe ich an, dass die Al Shabaab-Männer sagten, dass ich Mitglied von Al Shabaab werden solle.

R: Sie gaben vorher an, aufgrund Ihrer Clanzugehörigkeit, diskriminiert worden zu sein. Gleichzeitig gaben Sie an, dass Ihr Vater Koranlehrer gewesen sei und (laut erstinstanzlichen Vorbringen) respektiert worden wäre. Wie ist das in Einklang zu bringen?

BF: Ich habe gesagt, dass mein Vater Koranlehrer war und er hat die Kinder im Koran unterrichtet. Die Mitbewohner haben meinen Vater respektiert. In unserem Bezirk wurden wir respektiert, aber außerhalb des Bezirks nicht.

R: Welche Verwandte von Ihnen leben in Somalia?

BF: Nur mein Vater. Seit 1 Jahr weiß ich nicht wo er ist.

R: Wo leben Ihre beiden Kinder aus erster Ehe?

BF: Sie leben in Äthiopien.

R: Woher wissen Sie das?

BF: Meine Ex-Frau hat mir gesagt, dass sie in Äthiopien lebt. Das war 2016 als wir uns scheiden ließen.

R: Wann war der letzte Kontakt mit Ihrem Vater?

BF: Ende 2017.

R: Haben Sie noch weitere Verwandte in Somalia?

BF: Nein. Ich habe auch keine weiteren Verwandten in Somalia.

R: Welche Verwandten haben Sie in der europäischen Union?

BF: Mein Onkel väterlicherseits und meine Tante väterlicherseits. Sie leben in XXXX . Ich habe noch einen Onkel, er lebt in Holland. Weitere Verwandte habe ich nicht.

R: Am 13.08.2014 haben Sie von einem Onkle in Großbritannien gesprochen.

BF: Mein Onkel in Holland hat damals in England gewohnt. Ich weiß nicht was er in England oder Holland getan hat bzw. tut.

R: Sind Sie arbeitsfähig?

BF: Ja. Ich habe schon auf einer Baustelle gearbeitet. Das war eine legale Tätigkeit in der Gemeinde. Nach meinen Tätigkeiten habe ich immer Bestätigungen bekommen und habe diese zur Krankenkassa gebracht. Das war in XXXX im Juni 2018.

R: Leiden Sie unter schweren oder chronischen Krankheiten?

BF: Nein, außer dass ich Rückenschmerze habe.

R: Stehen Sie diesbezüglich in ärztlicher Behandlung?

BF: Nein. Ich war diesbezüglich noch nie beim Arzt.

R: Wovon lebten Sie in Österreich vor Ihrer Inhaftierung?

BF: Ich lebte von der Grundversorgung. Manchmal habe ich gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass ich tageweise im Abstand von 1-2 Wochen gearbeitet. Ich habe einmal bei der Gemeinde gearbeitet und 270 Euro bekommen. Ansonsten habe ich insgesamt im Laufe meines Aufenthaltes 250 Euro verdient.

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF: Ja. Ich habe eine A1-Prüfung abgelegt (Zertifikatvergleiche AS 313).

R: Bitte sprechen einige Sätze in deutscher Sprache ohne Dolmetscher. Wie sind Sie heute in das Gericht gekommen?

BF: Mit Buspolizei.

R: Wie lange hat die Fahrt gedauert?

BF: Interview?

R: Wie lange dauerte die Fahrt vom Gefängnis ins Gericht?

BF: 3 Wochen. Aber ich habe nicht verstanden.

R: Festgehalten wird, dass die Verständigung mit dem Beschwerdeführer in deutscher Sprache kaum möglich ist.

R: Bitten schildern Sie mir Ihr Privat- und Familienleben in Österreich?

BF: Als ich Single war, war das Leben nicht so schön. Aber nun mehr bin ich verheiratet und ich habe eine Tochter. Ich wohne in XXXX , nun bin ich aber in XXXX inhaftiert. In XXXX bewohnen wir ein Asylheim.

R: Geht Ihre Frau einer geregelten Beschäftigung nach?

BF: Nein. Sie arbeitet nicht, da sie zwei Kinder hat. Meine Frau war nämlich auch schon einmal verheiratet und hat ein weiteres Kind aus erster Ehe.

R: Haben Sie einen österreichischen Freundes- oder Bekanntenkreis?

BF: Ich habe in XXXX gewohnt. Dort habe ich im Fußballverein gespielt. In XXXX habe ich nicht so viel Kontakt zu den Einheimischen. Ein paar schon, aber nicht viel.

R: Gibt es ein weiteres Vorbringen zu Privat- und Familienleben?

BF: Seit 4 Jahren habe ich keinen Deutschkurs besucht, weil ich keine Möglichkeit hatte. Aber als ich nach XXXX übersiedelt bin, habe ich dort einen Kurs besucht. Jeden Donnerstag war ich als Schülerlotse tätig.

R: War Ihnen bewusst, dass Ihr aufenthaltsrechtlicher Status unsicher war, als Sie eine Familie gegründet haben?

BF: Es war mir bewusst, dass mein aufenthaltsrechtlicher Status unsicher ist, aber meine Hoffnung war immer da. Aus religiösen Gründen musste ich heiraten. Gott ist immer da.

R: Vorlegt wird, dass LIB der Staatendokumentation betreffend Somalia vom 12.01.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 17.09.2018). Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben?

BFV: Es wird um eine Frist von 14 Tagen ersucht.

BFV verzichtet auf die Übernahme eines Exemplares. Ein Exemplar wird zum Akt genommen.

R: Die Frist von 14 Tagen wird eingeräumt. Gleichzeitig wird die beschwerdeführende Partei aufgefordert die Geburtsurkunde der Tochter vorzulegen. Ebenso wird die BFV aufgefordert allfällige weitere Unterlagen hinsichtlich der Integration vorzulegen.

R: Möchten Sie noch etwas vorbringen?

BF: Ich möchte darauf hinweisen, dass ich eine Tochter habe, die in Somalia beschnitten werden würde. Ich kann meine Tochter nicht irgendwo allein lassen.

R: Wieso konnten Sie dann Ihre Kinder in Äthiopien alleine lassen?

BF: Weil ich keine andere Wahl hatte. Der Grund, wieso ich mich von meiner ersten Frau scheiden habe lassen, war, dass sie meine Tochter beschneiden lies. Diese Beschneidung ist für mich, als ob man jemanden umbringen würde.

Wenn ich nach Somalia zurückkehren müsste, würden sie mich töten.

(...)"

Mit Eingabe vom 20.12.2018 wurden Unterlagen zum Beleg der Bemühungen des Beschwerdeführers, die deutsche Sprache zu erlernen, sowie eine Urkunde über dessen traditionelle Eheschließung übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört der Volksgruppe der Reer Hamar/Benadiri an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest. Er wurde in XXXX geboren und ist seinen Angaben zufolge im Alter von etwa vier Monaten gemeinsam mit seiner Familie nach XXXX ( XXXX ) gezogen, wo er sich bis zu seiner Ausreise im Mai 2013 aufgehalten hat und wo zuletzt noch sein Vater ansässig gewesen ist. Der Beschwerdeführer gelangte illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet, wo er am 26.10.2013 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Seitdem hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatort oder in XXXX einer gezielten Bedrohung durch die Al Shabaab unterliegen würde. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach XXXX oder nach XXXX aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, bei einer Rückkehr in den Raum XXXX Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein. Bei einer Niederlassung in XXXX besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Oktober 2013 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestritt seinen Lebensunterhalt großteils im Rahmen der Grundversorgung. Gegenwärtig befindet er sich aufgrund des Verdachts der Begehung gewerbsmäßigen Suchtgifthandels in Untersuchungshaft. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht und ein Zertifikat über eine absolvierte Deutschprüfung auf dem Niveau A1 vorgelegt, zudem hat er fallweise gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet. Der Beschwerdeführer hat im Mai 2017 eine in Österreich subsidiär schutzberechtigte jemenitische Staatsangehörige (IFA-Zahl: 1088906110) nach muslimischem Ritus geheiratet und hat mit dieser seinen Angaben zu Folge ein im März 2018 in Österreich geborenes gemeinsames Kind (IFA-Zahl: 1186929603), welchem ebenfalls die jemenitische Staatsbürgerschaft sowie ein - nach den Bestimmungen des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 von seiner Mutter abgeleiteter - Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Bundesgebiet zukommt. Im Bundesgebiet leben zudem eine Tante und ein Onkel des Beschwerdeführers, welchen ein internationaler Schutzstatus zukommt, zu denen der Beschwerdeführer jedoch in keinem besonderen Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis steht.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK.

1.2. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderberichte verwiesen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia, Stand 17.09.2018), aus welchen sich die verfahrensgegenständlich relevante Lage ergibt. Diese stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

...

KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).

Die Prognose für den Zeitraum August-Dezember 2018 in IPC-Stufen stellt sich wie folgt dar:

...

Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)

Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).

Quellen:

? ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,

https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district, Zugriff 14.9.2018

? FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018

? FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):

Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august-2018, Zugriff 14.9.2018

? FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,

https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-sep-2018, Zugriff 14.9.2018

? UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018, Zugriff 14.9.2018

? UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-2018, Zugriff 14.9.2018

? UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile,

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remains-fragile, Zugriff 14.9.2018

? WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,

https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-project-launched-somalia, Zugriff 14.9.0218

KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).

Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

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(FEWS 3.2018)

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).

Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).

Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

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(FEWS 4.2018b)

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

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(FAO 2018)

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen:

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia

-

Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia

-

Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

-

FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,

https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018

Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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