Entscheidungsdatum
15.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W196 2126664-1/15E
W196 2166472-1/16E
W196 2192542-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX, geb. XXXX, 2.) XXXX, geb. XXXX, 3.) XXXX, geb. XXXX, alle StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 19.04.2016, Zl. 1066412409-150434402, 2.) 29.06.2017, Zl. 1142931404-170197677 und 3.) 14.03.2018, Zl. 118278902-180199022, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
1.) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
2.) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.) Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin. Die Drittbeschwerdeführerin ist deren gemeinsame Tochter. Alle sind Staatsangehörige von Somalia.
Der Erstbeschwerdeführer, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.04.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.
Dabei gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei am XXXX in Balcad, Somalia geboren worden. Er sei Moslem und gehöre er der Volksgruppe der Madhiban an. Zu seinen familiären Verhältnissen befragt, gab er an, dass er verheiratet sei. Seine Ehefrau, seine Eltern und seine Geschwister (eine Schwester, drei Brüder) würden in seinem Heimatland leben. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Antragsteller zu Protokoll, wegen "Al Shabaab" geflüchtet zu sein. Diese hätten das Lebensmittelgeschäft seiner Eltern zerstört. Zuletzt hätten sie auch noch das Haus des Beschwerdeführers genommen und ihn zur Mitarbeit bei Al Shabaab zwingen wollen. Er habe Angst um sein Leben gehabt.
Im Juli 2014 habe er Somalia verlassen und sei über den Jemen, den Iran und die Türkei schlepperunterstützt nach Österreich gereist. Vor seiner Ausreise habe er in Balcad gelebt.
2.) Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.04.2016 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.05.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG der Status des Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer darüber hinaus ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV).
Begründet wurde die Entscheidung einerseits mit mangelnder Glaubwürdigkeit und andererseits mit mangelnder Asylrelevanz des vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgrundes.
3.) In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 26.04.2016 brachte der Erstbeschwerdeführer zunächst vor, sehr wohl seine Fluchtgründe glaubhaft geschildert zu haben.
Er sei somalischer Staatsbürger und stelle aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er stamme aus der Stadt Balcad und sei Angehöriger des Clans der Madhiban. Sie hätten ein Geschäft in Somalia gehabt. Er habe dort arbeiten müssen, da sein Vater krank gewesen sei und er habe damit die Familie versorgen können. Eines Tages hätten ihn drei Männer von Al-Shabaab angesprochen und sie hätten gewollt, dass er sie unterstütze. Er sollte ihrer Gruppe beitreten. Das habe er aber nicht gewollt. Er habe nicht kämpfen wollen und er habe keine Menschen töten wollen. Die Männer hätten ihm eine dreitägige Frist gewährt um sich das Ganze zu überlegen. Er habe darauf nicht reagiert und nach Ablauf dieser Frist hätten ihm die bewaffneten Männer gefangen genommen und entführt. Er habe sich trotzdem weiterhin geweigert sich der Gruppe anzuschließen. Er sei gefesselt und geschlagen und bedroht worden. Um sein Leben zu retten sagte er schließlich, dass er sich ihnen anschließen würde und eine Woche Zeit zur Vorbereitung bräuchte. Nach Ablauf dieser Frist seien sie zu ihm nach Hause gekommen. Er habe zum Nachbarn fliehen können dessen Haus mit dem seinen durch eine Tür verbunden gewesen war. So habe er entkommen können. Es wurde zwar auch geschossen aber niemand verletzt. Seine Mutter habe ihm geraten das Land zu verlassen da das Leben der Familie in Gefahr sei. Zuerst sei er zur Verwandten gegangen dort wäre aber nur vorübergehend sicher gewesen daher habe er das Land verlassen und suche nun in Österreich um Asyl an.
Die Behörde habe sich zum Großteil auf Länderberichte gestützt die veraltet wären. Das Haus seiner Familie sei nicht von Al-Shabaab genommen worden, sondern das Lebensmittelgeschäft regelmäßig aufgesucht und bestohlen. Es müsse sich um einen Fehler bei der Erstbefragung handeln. Das Haus des Beschwerdeführers in Somalia sei nicht klein gewesen es habe drei Zmmer gehabt daher sei bei der Schießerei niemand getroffen worden. Es seien 15 Personen gewesen die gekommen sein um ihn mitzunehmen. Das habe ihm eine Nachbarin erzählt. Als Angehöriger des Clans der Madhiban seien sie keine Al-Shabaab Sympathisanten. Der Clan sei klein und habe keinen Respekt. Niemand hätte ihn vor den Al-Shabaab Angriffen geschützt. Balcad sei im Jahr 2012 von der AMISOM gesäubert worden und die Al-Shabaab sei vertrieben worden. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Regierung Kontrolle über diese Region habe denn Al-Shabaab sei nach wie vor präsent und bekämpfe die Regierung. Auch habe ihm aufgrund der sehr schlechten Sicherheitslage in Süd und Zentralsomalia sowie der anhaltenden Kämpfe zwischen den Bürgerkriegsparteien zumindest der subsidiäre Schutz gemäß § 8 AsylG 2005 gewährt werden müssen zur Rückkehrentscheidung stellte der Beschwerdeführer fest, dass er seit einem Jahr in Österreich sei und sich inzwischen gut integriert habe. Er habe sich an ein westliches Leben gewöhnt und die Abschiebung nach Somalia wäre ein unzumutbarer Eingriff in sein Privatleben.
4.) Am 08.06.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache, statt, wobei das Bundesamt mit Eingabe vom 17.05.2016 mitteilte, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der angesetzten Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei.
Eingangs der Verhandlung gab der Antragsteller an, dass er gesund sei. Aufgefordert sein Leben in Somalia und seinen Fluchtgrund in chronologischer Reihenfolge zu schildern, gab der Antragsteller folgendes an:
..........
Ich bin in Balcad geboren, habe dort gelebt und war dort 4 Jahre in der Schule. Ich bin Moslem und gehöre den Mahdiban an.
R: Was heißt das für Sie?
BF: Das ist ein Clan in Somalia. Sie leben verstreut überall in Somalia.
R: Wie erkennt man sie?
BF: Sie sind Somalia, sie sind Landwirte. Sie arbeiten in Geschäften, sie sind Landwirte und sie sind Schmiede. Sie verarbeiten Metall.
R: Wie war das bei Ihrer Familie?
BF: Wir hatten ein Geschäft, das uns gehörte und wir haben dort auch gearbeitet.
R: Wo leben Ihre Eltern, wie heißen sie, wie alt sind sie?
BF: Der letzte Kontakt war, bevor ich das Land verlassen habe. Mein Vater ist 58 Jahre alt und meine Mutter ist 54 Jahre alt.
R: Gibt es sonst noch Verwandte?
BF: Ich haben noch drei Brüder und eine Schwester. Ich habe noch einen Onkel. Ich habe eine Frau, die in Österreich ist.
R: Hat Ihre Frau ein Asylverfahren?
BF: Sie ist noch im Asylverfahren. Sie ist drei Monate in Österreich. Sie heißt XXXX.
R: Wo haben Sie sie geheiratet?
BF: In Somalia.
R: Wieso haben Sie Somalia verlassen?
BF: Es ist mir ein Problem passiert. Wir hatten ein Geschäft, es gehörte meinen Eltern. Mein Vater hat in dem Geschäft gearbeitet, ich habe ihm dabei geholfen. Die letzte Woche, bevor ich das Land verlassen habe, ist mein Vater krank geworden. Ich habe alleine im Geschäft arbeiten müssen. Als ich eines Tages in der Früh um ca. 7 Uhr das Geschäft öffnen wollte, sind drei Männer zu mir ins Geschäft gekommen. Sie haben mit mir gesprochen. Ich bin dann stehen geblieben und habe sie gefragt, was sie von mir wollen. Sie sagten, dass sie mit mir sprechen wollen. Sie wollen, dass ich mitarbeite. Sie haben sich als Al-Shabaab Mitglieder vorgestellt. Ich habe gefragt, was ich für sie machen soll. Sie sagten, dass ich am Dschihad teilnehmen soll. Ich sagte, dass ich nicht mitkommen kann, weil ich im Geschäft arbeite und meine Familie versorge. Sie sagten, dass sie mir 3 Tage Bedenkzeit geben. Ich sagte, dass sie die Leute töten und schlechte Leute sind. Ich habe ihnen gesagt, welche Meinung ich von ihnen habe. Sie sind danach gegangen. Ich habe das Geschäft geöffnet und habe gearbeitet. Ich habe nachgedacht und habe mich gefragt, warum Al-Shabaab gerade mich ausgesucht hat. Ich habe Angst bekommen, weil ich ihnen gesagt habe, dass ich sie schlecht finde. Ich habe Angst bekommen, dass sie mich töten, wenn ich nicht mitmache. Drei Tage nach der Frist haben sie mich angerufen. Sie sagten, dass sie zu mir kommen. Und als ich gerade um 19 Uhr das Geschäft schließen wollte, sind 4 Männer zu mir gekommen. Sie waren vermummt und bewaffnet. Sie hatten Gewehre und sie waren mit dem Auto unterwegs. Dann haben sie mich aufgefordert das Geschäft zu schließen und mitzukommen. Dann haben sie meine Hände zusammengebunden und mein Gesicht mit einem Tuch bedeckt. Sie haben mich in das Auto gesteckt. Das Auto ist ca. eine Stunde gefahren und dann haben sie angehalten. Dann wurde ich vom Auto runtergeholt. Dann habe ich viele Männer gesehen, die bewaffnet und vermummt waren. Dann wurde das Tuch entfernt. Sie haben mir gesagt, dass Al-Shabaab gute Leute sind. Sie sind Menschen, die ihr Land verteidigen. Sie kämpfen gegen die Ungläubigen und die Feinde. Sie sind Mudschahid (Heilige Kämpfer). Sie haben mir erzählt, was Al-Shabaab bedeutet. Danach sagte ich, dass ich trotzdem nicht mitmachen will. Ich will niemanden töten. Dann hat man mich mit dem Gewehr auf den Kopf geschlagen. Ich wurde geschlagen und habe viel geblutet. Ich bin dann auf den Boden gefallen und habe das Bewusstsein verloren. Nach einiger Zeit kam ich wieder zu mir. Sie sagten mir, dass ich "Al-Shabaab" sagen soll, weil ich sterben werde. Dann haben sie den Koran vorgelesen. Dann haben sie mir ein Schwert an den Hals gehalten. Ich hatte große Angst. Ich habe geschrien. Dann habe ich in meine Hose uriniert. Dann sagte ich, dass ich mitmachen werde. Als ich das gesagt habe, sagten sie mir, dass ich mich vorbereiten muss. Ich habe eine Woche Zeit mich für den Dschihad vorzubereiten. Meine Fesseln wurden entfernt, als ich das gesagt habe. Ich sagte, dass ich ihre Befehle befolgen werde. Sie sollen mich frei lassen. Sie haben mich dann in die Nähe von der Stadt gebracht und dann bin ich nach Hause gegangen. Meine Mutter und meine Frau haben mich gefragt, was mit mir los ist. Sie fragten, weil ich so spät nach Hause gekommen bin. Ich erzählte den Vorfall und was mir passiert ist. Sie haben mein Blut gesehen. Ich erzählte, dass die Männer mich verschleppt haben und was sie mit mir gemacht haben. Meine Mutter hat mir gesagt, dass ich mich beruhigen soll. Das passiert vielen jungen Männern. Ich soll zu Hause bleiben. Nach einer Woche haben sie mich angerufen und sagten, dass die Frist, die ich bekommen habe, vorbei ist. Ich soll bereit sein und sie werden kommen. Dann habe ich gesagt, dass ich nicht mitmachen werde. Am nächsten Abend nach dem Anruf haben sie uns angegriffen. Sie haben an unsrer Tür geklopft. Ich, meine Frau und meine Mutter waren zu Hause. Sie haben an die Tür gehämmert. Meine Mutter hat gefragt, wer draußen ist. Dann haben sie die Tür aufgebrochen und geschossen. Dann bin ich durch eine Tür zum Nachbar geflüchtet. Sie haben das Haus durchsucht und nachdem sie mich nicht gefunden haben, haben sie meine Mutter nach mir gefragt. Dann haben sie das Haus des Nachbarn durchsucht. Dann haben sie mich im Geschäft gesucht. Sie haben die Tür vom Geschäft aufgebrochen. Dort haben sie mich auch nicht gefunden. Sie haben das Geld, das im Geschäft war, genommen. Dann bin ich zu Verwandten von uns gegangen. Meine Frau hat mich angerufen. Meine Mutter und meine Frau dachten, dass ich erwischt und getötet wurde. Dann haben sie sich vergewissert, dass ich noch am Leben bin. Der Vater meiner Verwandtschaft hat gesagt, wenn ich bei ihnen bleibe, werden sie mich auch finden. Wenn jemand erfährt oder herausfindet, dass ich mich dort verstecke, wird die Familie auch Schwierigkeiten bekommen. Ich musste deswegen wieder weg. Mein Frau und meine Mutter sind zu mir gekommen. Dann haben sie mir Geld gegeben. Ich habe deshalb mein Land verlassen.
R: Und zu anderen Verwandten hätten Sie nicht gehen können?
BF: Nein, konnte ich nicht. Ich kenne niemanden in Mogadischu. Und Al-Shabaab sind überall. Ich hatte Angst, dass ich erwischt werde. Wenn ich nach Mogadischu gegangen wäre, hätten sie mich auch gefunden.
R: Wenn Sie zurück nach Somalia müssten, was würde passieren?
BF: Das Problem besteht noch immer. Wenn mir das nicht passiert wäre, wäre ich nicht weggegangen.
R: Was ist mit Ihren Brüdern?
BF: Seit ich das Land verlassen habe, habe ich keinen Kontakt mit der Familie.
R: Wie hat Ihre Frau Sie gefunden?
BF: Sie ist vor drei Monaten nach Österreich gekommen. Meine Frau war ein Jahr in Griechenland in einem Schlepperhaus. Mein Mitbewohner in Wr.Neustadt und ihr Mitbewohner in dem Schlepperhaus kennen sich. So haben wir uns gefunden. Meine Frau hat mich für tot gehalten.
R: Wann ist Ihre Frau aus Somalia geflüchtet und warum?
BF: 2015. Nachdem ich weggegangen bin und nachdem man mich lange Zeit nicht gefunden hat, dachte sie, dass ich tot bin. Sie ist zu ihrer Familie zurückgegangen und dann wurde sie angegriffen. Al-Shabaab ist zu ihr gekommen. Sie wollten sie mit einem Al-Shabaab verheiraten. Meine Frau sagte, dass ich noch am Leben bin und sie verheiratet ist. Sie hat gedacht, dass ich am Leben bin. Sie sagten ihr, wenn ich noch am Leben wäre, dass man mich gesehen hätte. Sie ist nicht mehr verheiratet und wird mit jemand anderen verheiratet. Sie haben sie verschleppt und haben sie zwangsverheiratet. Sie deshalb geflüchtet.
R: Welchem Clan gehört Ihre Frau an?
BF: Ashraf.
R: Haben Sie eine Heiratsurkunde oder haben Sie islamisch geheiratet?
BF: Ja, es gibt eine Heiratsurkunde vom Scheich, aber kein staatliches Dokument.
Vorgelegt wird zusätzlich zu den bereits vorhandenen Integrationsunterlagen eine Bestätigung des Vereins Plattform, dass der BF am Lauftraining teilnimmt. (Foto und Urkunde) (Beilage 1)
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5.) Die Zweitbeschwerdeführerin reiste illegal mit einem Flugzeug aus Somalia in die Türkei aus und über Griechenland illegal in Österreich ein. Am 13.02.2017 brachte sie einen Antrag auf internationalen Schutz ein, wobei sie angab das Land verlassen zu haben, weil sie Probleme mit Al Shabaab gehabt habe. Diese Probleme habe sie wegen ihres Mannes gehabt.
Am 22.06.2017 gab sie beim Amt für Fremdenwesen und Asyl befragt zu ihrem Fluchtgrund an, sie gehöre der Volksgruppe Ashraf an und ihr Sub-Clan heiße RE-Hassan. Sie sei Moslemin sunnitischen Glaubens und mit XXXX verheiratet. Ihr Mann gehöre dem Madhibaan Clan an. Sie sei schwanger und ihre Probleme hätten begonnen als die Al Shabaab ihren Ehemann zur Mitarbeit aufgefordert habe und er das abgelehnt hätte. Bei einem nächtlichen Überfall habe der Ehemann flüchten könne und sie sowie Eltern und Geschwister seien von vermummten Männern geschlagen worden und nach dem Aufenthalt des Ehemannes befragt worden. Ihr Mann habe dann das Land verlassen und sie sei zurück zu den Schwiegereltern. Als dort erneut nach dem Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin gesucht wurde sei sie zurück zu ihren Eltern geflohen und habe vorerst dann keine Probleme gehabt bis Männer den Vater der Zweitbeschwerdeführerin zwingen wollten seine Tochter mit einem von ihnen zu verheiraten. Das habe die Zweitbeschwerdeführerin jedoch abgelehnt, da sie ja schon verheiratet gewesen sei. Fünf Tage später sei sie aus dem Elternhaus entführt worden und mit einem älteren Mann zwangsverheiratet worden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei dann bei einem ersten Fluchtversuch schwer verletzt worden und habe beim zweiten Versuch wenige Tage später zu ihren Eltern fliehen können. Aus finanziellen Gründen habe sie nicht sofort mit ihrem Ehemann fliehen können.
6.) Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 13.02.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2018 erteilt. ( Spruchpunkt III.)
7.) In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 27.07.2017 gegen Spruchpunkt I brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, glaubwürdig angegeben zu haben mit einem Al Shabaab Mann zwangsverehelicht worden zu sein. Auch wenn ihre Heimatstadt Balcad unter Kontrolle von AMISOM stehe, wäre dieser Schutz nicht effektiv genug und nur oberflächlich. Weiters sei die Lage der Frauen und Mädchen besonders prekär weil sie Vergewaltigung, Verschleppung und sexueller Versklavung ausgesetzt seien. Gegen solche Übergriffe, insbesonders in den Lagern für Binnenvertriebene (IDP Camps) bestehe kein ausreichender staatlicher Schutz. Auch Al Shabaab entführe und rekrutiere Frauen und Mädchen, oder zwinge sie zur Ehe.
8.) Am 12.12.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die somalische Sprache, statt.
Aufgefordert ihr Leben in Somalia und ihren Fluchtgrund in chronologischer Reihenfolge zu schildern, gab sie folgendes an:
RI: Erzählen Sie mir über Ihr Leben in Somalia und was Sie zur Flucht bewogen hat.
BF: Ich habe mit meinen Eltern und sechs Geschwistern gelebt. Ich habe nicht gearbeitet. Dann habe ich geheiratet. Dann bin ich zu meinem Mann gezogen. Zuletzt habe ich bei meinem Mann gelebt. Eineinhalb bis zwei Monate nach der Heirat ist das Problem entstanden. Das Problem ist meinem Mann passiert. Al-Shabaab hat ihn angegriffen. Sie sind zu ihm ins Geschäft gekommen. Er hat im Geschäft verkauft und sie haben ihn aufgefordert, mitzuarbeiten. Sie haben ihn mitgenommen. Circa einen Tag war er bei den Al-Shabaab eingesperrt. Sie haben ihn verletzt und er hat geblutet. Am Anfang hat er nicht erzählt, dass er von Al-Shabaab aufgefordert wurde, um mitzuarbeiten, damit wir uns keine Sorgen machen. Er ist jeden Tag um 18 Uhr nach Hause zurückgekommen. Einmal ist er nicht mehr nach Hause gekommen. Dann ist er nach Hause gekommen und hat uns erzählt was passiert ist. Er war sehr aufgeregt und es ging ihm sehr schlecht. Er blieb zu Hause und ging nicht mehr ins Geschäft. Eines Tages war ich im Zimmer und habe geschlafen. Danach habe ich Schreie und einen Streit im Haus gehört. Ich bin aus dem Zimmer gekommen und habe vier Männer im Haus stehen gesehen. Mein Mann war nicht im Haus. Ich habe die vier Männer bei meinen Schwiegereltern gesehen, die auch im Haus anwesend waren. Die Männer haben uns bedroht. Die Männer haben uns aufgefordert, meinen Mann herzubringen. Wir sagten, dass wir nicht wüssten, wo er ist. Ich wusste wirklich nicht, wo er ist, ich habe ja geschlafen und es war Nacht. Danach sind die Männer wieder gegangen. Ich habe meine Schwiegermutter gefragt, wo er ist, und sie sagte, dass er über die Hintertür geflüchtet sei. Wir wussten nicht gleich, wohin er gegangen ist. Drei Tage später erfuhren wir, dass er bei einem Verwandten untergetaucht ist. Ich und die Schwiegermutter sind dann zu ihm gegangen. Sein Vater hat das Geschäft verkauft, damit er die Stadt verlassen kann. Wenn er weiterhin in der Stadt geblieben wäre, hätte er viele Probleme mit Al-Shabaab bekommen. Wir sind zu ihm gegangen. Meine Schwiegermutter ging zuerst ins Haus. Wir wollten uns von ihm verabschieden und danach ist er ausgereist. Nach einer Woche sind die Männer wieder zu uns gekommen. Mein Mann sagte, bevor er das Land verlassen hat, ich solle zu meiner Mutter gehen, aber ich wollte meine Schwiegereltern nicht alleine lassen. Die Männer haben uns wieder aufgefordert, den Mann herzugeben. Ich habe Angst bekommen. Meine Schwiegermutter sagte mir, ich solle zu meinen Eltern gehen. Dann bin ich zu meinen Eltern gegangen. Dort haben wir gut gelebt. Mein Vater hatte ein Restaurant, in dem Tee und Essen verkauft wurde. Einige Zeit habe ich problemlos bei meinen Eltern gelebt. Circa zwei Jahre lange war ich dort. Einerseits habe ich meinem Vater geholfen und andererseits habe ich meine Mutter gepflegt. Eines Tages sind drei Männer zu meinem Vater gekommen. Ein älterer Mann und zwei jüngere und haben meinen Vater um meine Hand gebeten. Später haben wir erfahren, dass sie von Al-Shabaab sind. Mein Vater sagte, okay. Mein Vater ist zu uns nach Hause gekommen. Ich sagte meinem Vater, dass ich schon bereits verheiratet bin. Niemand wusste, wo er war, aber ich habe auf ihn gewartet. Bei der Verabschiedung hat mein Mann gesagt, dass er mich nie vergessen werde, solange er am Leben ist und sich wieder bei mir melden wird. Ich sagte meinem Vater, dass ich nicht heiraten möchte, bis ich nicht herausgefunden habe, was mit meinem Mann passiert ist. Mein Vater hat nicht auf mich gehört. Mein Vater sagte, dass er nicht anders kann, als mich wieder zu verheiraten, weil von meinem Mann nichts bekannt ist. Ich habe es verweigert. Mein Vater hatte aber den Männern versprochen, dass er mich verheiraten wird. Die drei Männer sind zu uns nach Hause gekommen, der ältere und die zwei jüngeren. Mein Vater hat den jüngeren Mann gefragt, wer der potentielle Mann wäre und, ob der ältere der Vater sei. Sie antworteten, dass ich die Frau des älteren werden soll. Der ältere Mann war so circa 60 oder 70 Jahre alt. Mein Vater sagte, dass ich nicht einverstanden bin und ich lieber auf meinen Mann warten möchte. Dann sagten die Männer, dass das nicht möglich ist, weil mein Vater versprochen hat, dass er mich verheiraten wird. Er müsse mich überzeugen. Mein Vater sagte, dass ich nicht heiraten will und sie gehen sollen. Sie sagten, dass er nicht weiß, wer sie sind. Nach fünf Tagen würden sie wiederkommen. Er müsse mich verheiraten. Mein Vater hat das abgelehnt und dann sind die Männer gegangen. Am nächsten Tag ist mein Vater zum Restaurant gegangen. Am fünften Tag, wie es die Männer gesagt hatten, kamen die Männer zum Restaurant meines Vaters. Es war Abend und er hat gerade das Geschäft geschlossen. Sie sagten, dass sie von Al-Shabaab sind und er kann ihnen nichts ablehnen. Mein Vater war schockiert und ist zu uns nach Hause gekommen. Wir waren im Zimmer. Mein Vater erzählte, dass die Männer, die damals gekommen sind von Al-Shabaab sind. Mutter sagte, dass sie ihre Tochter nicht an die Al-Shabaab gegeben wird und dass der Vater das Haus nicht verlassen darf. Nach einer Woche sind sie am späten Nachmittag zu uns gekommen. (Die BF weint.)
Mein Vater hat die Tür nicht aufgemacht und deshalb haben sie sie aufgebrochen. Es waren zwei vermummte Männer. Sie sagten, dass sie mich haben wollen. Mein Vater hat das verweigert. Ich und meine Mutter haben uns fest umarmt. Wir hatten Angst. Meine anderen Geschwister waren auch zu Hause und sie sind zu meinem Vater gelaufen und haben ihn aus Angst festgehalten. Die Männer versuchten mich zu bekommen. Sie haben mich gezerrt und meine Mutter hat versucht, mich festzuhalten. Dann haben sie meine Mutter mit Gewehrkolben am Kopf geschlagen. Dann hat mich meine Mutter losgelassen und sie haben mich mitgenommen. Sie haben mich ins Auto gesteckt und mitgenommen. Sie haben mich zu einem Haus gebracht. Sie haben mich bedroht, wenn ich nicht diesen älteren Mann heirate, werden sie meine ganze Familie vernichten. Um meine Familie zu retten, habe ich die Hochzeit akzeptiert. Nach der Heirat konnte ich mit diesem Mann nicht schlafen, weil ich ihn nicht liebe. Als wir im Zimmer waren und ich nicht mit ihm schlafen wollte, hat er mich geschlagen. Eines Tages habe ich an meine Flucht gedacht. Er hat die Tür immer zugesperrt und den Schlüssel unter dem Kopfpolster versteckt. Er hat immer im Bett geschlafen und ich habe immer am Boden im Sitzen geschlafen. Ich hatte Angst und wenn man Angst hat, kann man nicht schlafen. Eines Abends habe ich mir gedacht, ich versuche den Schlüssel vom Kopfpolster zu bekommen. Er hat es aber bemerkt. Er verletzte mich daraufhin am Kopf. Er hat mich geschlagen und dann habe ich das Bewusstsein verloren. Als ich wieder zu mir kam, habe ich mich in einem Zimmer, wo das Holz gelagert war, befunden. Eine Woche lang war ich in diesem Zimmer eingesperrt. Eine Woche lange haben sie mir nichts zum Essen und zum Trinken gegeben. Ein junger Mann hat mir Wasser gegeben. Er hatte Angst vor den Leuten und hat es mir heimlich gegeben. Dieser Mann gehörte zu den Al-Shabaab. Es war dort ein Lager der Al-Shabaab. Eines Tages habe ich ungewöhnliche Geräusche gehört. Es war draußen ein Tumult. In diesem Zimmer, wo ich war, waren auch Waffen gelagert. Sie sind hineingekommen und haben die Waffen genommen, aber die Türe nicht wieder versperrt. In der Nacht, so um circa ein Uhr habe ich keine Geräusche mehr gehört und bin hinausgegangen. Ich habe das Zimmer verlassen. Einen kurzen Moment habe ich Angst bekommen, weil ich angenommen habe, wenn sie mich bei der Flucht erwischen, sie mich erschießen werden. Ich dachte dann, so weiter zu leben, wäre noch schlimmer, deshalb versuchte ich die Flucht zu riskieren. Dann bin ich geflüchtet. Es war dunkel und es war niemand im Haus. Im Haus und draußen habe ich niemanden gesehen und dann bin ich gelaufen. Die Sonne ist aufgegangen. Ich bin einfach nur gelaufen. Es war außerhalb einer Stadt. Bei Sonnenaufgang habe ich ein Zelt gesehen. Es war ein leeres und verlassenes Zelt. Ich bin dort hineingegangen und bin dort drinnen geblieben. Ich habe mich bis zum Abend dort versteckt. Dann bin ich wieder gelaufen. Danach habe ich ein anderes Zelt gesehen. Dort waren eine Frau und ein Auto. Es war Gemüse auf dem Auto geladen. Die Frau fragte mich, wer mir das angetan hätte. Ich blutete am Kopf. Ich habe der Frau nichts erzählt von Al-Shabaab, damit sie keine Angst bekommt. Ich sagte, dass ich vor einem Auto gestürzt bin und ich deshalb verletzt bin. Die Frau ließ mich ins Zelt hinein, gab mir Kleidung und etwas zu Essen. Ich durfte bei ihr duschen. Sie sagte, dass dieses Auto morgen Früh nach Balcad fährt. Ich bin nach Balcad gekommen. Das Auto wurde von dem Mann der Helferin gelenkt. Ich bin dann nach Hause gegangen. Ich erzählte, meiner Familie, was passiert ist. Meine Mutter sagte, wir müssen jetzt alle das Haus verlassen, weil uns Al-Shabaab finden würde. Meine Mutter hatte Gold genommen, um die Reise zu finanzieren. Mich hat sie mit einem Mann weggeschickt und sie sind dann auch geflüchtet. Wir sind alle in verschiedenen Richtungen geflüchtet. Meine Mutter sagte mir, sie werde zu meinem Onkel nach Mogadischu gehen. Mein Vater ging in eine andere Richtung und ich auch. Ich bin dann mit dem Schlepper mitgegangen. Meine Mutter hat dem Schlepper dann das Gold gegeben und so konnte ich flüchten. Der Mann hat mich und viele andere in einem Auto nach Mogadischu gebracht. Eine Woche lang versteckte ich mich in seinem Haus in Mogadischu. Von Mogadischu bin ich mit dem Flugzeug in die Türkei geflogen. Von der Türkei bin ich dann mit einem Boot nach Griechenland.
RI: Wo haben Sie Herrn XXXX kennengelernt?
BF: Das ist mein Mann von damals.
RI: Sind Sie beschnitten?
BF: Ja. Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich mein Kind mit großer Wahrscheinlichkeit über Kaiserschnitt zur Welt bringen werde.
RI: Möchten Sie, dass Ihr Kind, wenn es ein Mädchen werden sollte, beschnitten wird?
BF: Nein, ich möchte nicht, dass meinem Kind, dasselbe angetan wird, wie mir.
RI: Sind Sie sicher, dass Ihr Mann das auch nicht möchte?
BF: Mein Mann weiß, wie schwer es ist, am Anfang Geschlechtsverkehr zu haben. Sie sagen, dass es eine Tradition dort ist. Ich werde diese Tradition brechen. Sollte ich nach Somalia zurückkehren, wird meine Tochter auch beschnitten.
RI: Sie wissen, dass es mittlerweile sehr viele Somalier in Österreich gibt. Glauben Sie nicht, dass Sie das beeinflussen könnte?
BF: Ja, das weiß ich, aber ich will es nicht für mein Kind. Mein Mann selbst will das auch nicht. Ich habe hier auch schwere Probleme, immer wenn ich eine Wohnung suche, sagt man mir, dass ich nicht arbeite, aber ich darf ja nicht arbeiten, weil ich ja schwanger bin. Das Verfahren von meinem Mann ist auch noch nicht abgeschlossen.
9.) Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin in Österreich geboren und stellte ihre Mutter für sie am 27.02.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei sie als Fluchtgrund für ihre Tochter angab das Kind habe keine eigenen Fluchtgründe.
10.) Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2018 wurde der Antrag der Drittbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 13.02.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.06.2018 erteilt. (Spruchpunkt III.)
11.) In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 06.04.2018 gegen Spruchpunkt I brachte die Drittbeschwerdeführerin vertreten durch ihre Mutter die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass ihr als unbeschnittenes Mädchen in Somalia die Genitalverstümmelung drohen würde und sie sie als Mutter nicht davor schützen könne.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Der Erstbeschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia Zugehöriger zum Clan der Madhiban und Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Mit dieser hat er eine gemeinsame Tochter, die Drittbeschwerdeführerin. Alle drei Beschwerdeführer bekennen sich zum moslemischen Glauben und lebten er vor ihrer Ausreise in der Stadt in Balcad. Im Juli 2014 verließ der Erstbeschwerdeführer Somalia und reiste schlepperunterstützt nach Österreich, wo er nach illegaler Einreise am 28.04.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Festgestellt wird, dass der Erstbeschwerdeführer aufgrund der Ablehnung mit Al Shabaab zusammenzuarbeiten und mehrerer ernstzunehmender Androhungen ihn bei Weigerung zu töten seine Heimat verlassen hat. Das Risiko getötet zu werden wird für den Antragsteller noch vergrößert da er einem Minderheitsclan angehört.
Festgestellt wird, dass der Erstbeschwerdeführer einer hinreichend intensiven Verfolgung in Somalia wogegen er vom somalischen Staat keinen effektiven Schutz erwarten kann ausgesetzt war. Eine innerstaatliche Fluchtalternative kommt dem Antragsteller nicht zu.
Die Familienangehörigen und Verwandten des Beschwerdeführers befinden sich im Heimatland auf der Flucht.
Die Zweitbeschwerdeführerin gehört ebenfalls einem Minderheitsclan an und wurde durch sexuelle Gewalt und Zwangsverheiratung bedroht, vor der sie keinen staatlichen oder familiären Schutz erwarten kann.
Die Drittbeschwerdeführerin ist ein unbeschnittenes Mädchen und in ihrer Heimat durch weibliche Genitalverstümmelung bedroht.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zur maßgeblichen Situation in Somalia wird festgestellt:
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Die humanitäre Lage in Somalia bleibt prekär. Etwa 38 Prozent der Bevölkerung sind auf Unterstützung angewiesen, eine Million Menschen können ihren grundlegenden Nahrungsbedarf nicht decken. 305.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt. Zwischen Jänner und Juni wurden ca. 490.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt, 125.000 Kinder konnten wegen akuter Unterernährung behandelt werden (UNSC 6.9.2016). UNOCHA stellt hinsichtlich Nahrungsmittelsicherheit nebenstehende aktuelle Karte zur Verfügung (UNOCHA 9.9.2016).
Das Klimaphänomen El Niño führte in Somaliland und in Puntland zu Dürre. Dort sind 385.000 Menschen akut von Nahrungsmittelunsicherheit bedroht, weitere 1,3 Millionen Menschen sind dem Risiko ausgesetzt, ohne Unterstützung in eine akute Bedrohung abzugleiten (UNSC 6.9.2016; vgl. UNOCHA 1.9.2016). In Süd-/Zentralsomalia brachte El Niño hingegen schwere Regenfälle und teilweise Überschwemmungen (UNOCHA 1.9.2016).
Die Regenzeit Gu (März-Juni) brachte für Puntland und Somaliland zwar eine teilweise Entlastung; doch wird für den Zeitraum Juli-Dezember 2016 wieder eine Erhöhung der Nahrungsmittelunsicherheit erwartet (UNSC 6.9.2016). Für eine nachhaltige Besserung bedarf es mehr als nur einer guten Regenzeit. Prognosen zufolge könnte sich die Situation durch das nachfolgende Wetterphänomen La Niña weiter verschärfen. So bietet auch die Nahrungsmittelsicherheit in Süd-/Zentralsomalia zunehmend Grund zur Sorge. Derzeit sind also - v.a. im Norden - noch die Auswirkungen von El Niño zu spüren, während aufgrund von La Niña eine schlechte Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) erwartet wird. Die schwere Hungersnot der Jahre 2011/2012 war durch La Niña verursacht worden (UNOCHA 1.9.2016).
Quellen:
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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (9.9.2016): Somalia - Humanitarian Snapshot, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Somalia%20Humanitarian%20Snapshot%20-%20September%202016.pdf, Zugriff 20.9.2016
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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (1.9.2016): Humanitarian Bulletin Somalia, August 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/August%202016%20Somalia%20Humanitarian%20Bulletin.pdf, Zugriff 20.9.2016
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UNSC - UN Security Council (6.9.2016): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2016/763], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1473923936_n1627603.pdf, Zugriff 20.9.2016
Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).
Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).
Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vgl. AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).
Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).
Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Die Bundesregierung hat einen Prozess zur Schaffung föderaler Bundesstaaten initiiert (BS 2016). Das Bundesparlament hat eine Grenz- und Bundeskommission einberufen, welche hinsichtlich der Grenzen der Bundesstaaten, Regionalverwaltungen und Bezirke beraten soll. Die Kommission wird von der UN und anderen Partnern unterstützt (UNSC 11.9.2015).
Der Schritt zur Föderalisierung hat zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: die Galmudug Interim Administration (GIA); die Interim Juba Administration (JIA); und die Interim South West Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 13.4.2016).
1) Im Juni 2015 fand in Cadaado die Staatsbildungskonferenz für den Bundesstaat Galmudug statt. Es sollte eine Galmudug Interim Administration (GIA) für die zentralen Regionen Galgaduud und Mudug geschaffen werden (UNSC 11.9.2015). In der Folge wurde eine Regionalversammlung gebildet, die im Juli 2015 Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (UNSC 11.9.2015; vgl. EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten (USDOS 13.4.2016). Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert (UNSC 11.9.2015) und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 13.4.2016). Fraktionen der ASWJ haben sich später mit der GIA arrangiert (UNSC 11.9.2015). Trotzdem kontrolliert ASWJ noch immer teile der GIA, darunter die wichtige Stadt Dhusamareb (UNSC 8.1.2016). Auch Puntland hat sich ursprünglich gegen die GIA gestellt, da es selbst den nördlichen Teil von Mudug beansprucht. Nach Verhandlungen hat die GIA ihre Ansprüche auf Nord-Mudug zurückgezogen (UNSC 11.9.2015). Unter die GIA fallen demnach neben Galgaduud noch die Bezirke Hobyo und Xaradheere (EASO 2.2016). Die GIA hat bei der Einrichtung ihrer Verwaltungsinstitutionen in der Übergangshauptstadt Cadaado Fortschritte gemacht. Auch wurden Anstrengungen unternommen, die Bevölkerung zu erreichen, Clanmilizen zu entwaffnen und Sicherheitskräfte auszubilden (UNSC 8.1.2016). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016).
2) Nach dem Ende einer zweijährigen Übergangsperiode wurde Sheikh Ahmed Islam "Madobe" am 15.8.2015 von der neuen, 75sitzigen Regionalversammlung des Bundesstaates Juba (Lower und Middle Juba, Gedo) als Präsident der Interim Juba Administration (IJA) angelobt (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 11.9.2015). Zuvor war im Mai 2015 die Regionalversammlung selbst in Kismayo eingerichtet worden. Dabei gab es auch Kritik und das Bundesparlament strebte eine Auflösung der Regionalversammlung an (UNSC 11.9.2015). Bei der Lösung von Konflikten zwischen Clans sowie innerhalb der Darod/Marehan auf dem Gebiet der IJA gibt es Fortschritte (UNSC 8.1.2016).
3) Nach anfänglichen Streitigkeiten über die Frage, ob der Bundesstaat South West aus drei oder sechs Regionen bestehen soll, einigte man sich auf die drei-Regionen-Lösung. Die Interim South West Administration (ISWA) umfasst nunmehr die Regionen Bay, Bakool und Lower Shabelle. Im November 2014 wurde Sharif Hassan Sheikh Adan von einer ISWA-Konferenz zum Präsidenten gewählt. Damit wurde die Übergangsverwaltung ISWA offiziell geschaffen (USDOS 13.4.2016). Im August 2015 wurde ein Prozess gestartet, um eine ISWA-Regionalversammlung zu schaffen (UNSC 11.9.2015). Mit der Einrichtung der Regionalversammlung ist die Errichtung der ISWA abgeschlossen. Von den 146 Abgeordneten sind 30 weiblich (UNSC 8.1.2016).
4) Im August 2015 wurde von der Bundesregierung ein Prozess zur Bildung eines Bundesstaates Hiiraan-Middle Shabelle initiiert (UNSC 11.9.2015). Dieser Prozess wird weiter vorangetrieben. Buulo Barde könnte die Hauptstadt des neuen Bundesstaates werden (UNSC 8.1.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016
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AP - Associated Press (23.12.2015): Somalia no longer a failed state, just a fragile one, says UN. The Guardian, http://www.theguardian.com/world/2015/dec/23/somalia-no-longer-a-failed-state-just-a-fragile-one-says-un, Zugriff 20.4.2016
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016
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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016
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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):
Asylländerbericht Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016
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UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,
http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016
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UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016
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UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016
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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016
1.1. Süd-/Zentralsomalia
Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz
gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vgl. UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).
Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).
Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kamp