TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/15 W175 2211925-1

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Veröffentlicht am 15.01.2019
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Entscheidungsdatum

15.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W175 2211925-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2018, Zl. 1201825804-180739625 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (in Folge: BF) ist somalische Staatsangehörige und stellte am 05.08.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet. Ihre Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder stellten ebenfalls am 05.08.2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag wurden deren Beschwerden gegen die negativen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) ebenfalls abgewiesen und demnach die Zulässigkeit ihrer Außerlandesbringung nach Italien bestätigt.

Laut dem vorliegenden EURODAC-Treffer suchte die BF bereits im

September 2016 in Italien um Asyl an (IT1 ... vom 13.09.2016).

Im Zuge ihrer Erstbefragung vom 06.08.2018 gab die BF an, von Somalia aus über den Sudan und Libyen nach Italien gekommen zu sein, wo sie zwei Jahre lang verblieben sei und auf ihre Mutter sowie ihre drei Kinder gewartet habe, um gemeinsam mit diesen weiterreisen zu können. Nachdem ihre Mutter und ihre Kinder im Juli 2018 in Italien angekommen seien, seien sie alle von Italien über Österreich nach Deutschland gereist, wo sie wegen ihres vorherigen Aufenthalts in Österreich zurückgewiesen worden seien. Man habe ihnen gesagt, dass Österreich für ihren Asylantrag zuständig sei. Hinsichtlich ihres Aufenthalts in Italien gab die BF an, dass die Versorgung dort schlecht sei, weshalb sie dort nicht mit ihren Kindern leben könne.

Aufgrund des EURODAC-Treffers und der Angaben der BF richtete das BFA am 07.08.2018 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in der Folge Dublin III-VO) an Italien.

Mit Schreiben vom 20.08.2018 teilte Italien mit, dass die BF in Italien Begünstigte internationalen Schutzes sei und ihr eine Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.05.2022 erteilt worden sei.

Mit Schreiben vom 20.08.2018 ersuchten die italienischen Behörden um Bekanntgabe, weshalb sich die drei minderjährigen Töchter der BF in Österreich aufhalten würden. In Italien habe die BF nämlich angeführt, dass ihr Ehemann in Italien und ihre Töchter in einem anderen Land aufhältig seien. Diesbezüglich wurde den italienischen Behörden am selben Tag mitgeteilt, dass die BF, ihre drei minderjährigen Töchter sowie ihre Mutter am 06.08.2018 einen Asylantrag in Österreich gestellt hätten.

Am 05.09.2018 wurde die BF einer Einvernahme durch das BFA unterzogen. Hierbei gab sie zusammengefasst an, dass sie damals im Jahr 2016 allein nach Italien gereist sei. Sie habe in Italien Asyl, aber keine Unterstützung bekommen und bei einem Freund gelebt. Ihre drei Kinder hätten damals bei ihrem Ex-Mann gelebt, seien dann ihrer Mutter übergeben worden, die anschließend mit ihnen von Kenia aus direkt nach Österreich gereist sei. Sie hätten sich alle am 06.08.2018 in Österreich getroffen. Es sei ihr Wunsch, dass sie alle zusammenbleiben würden.

Nach einer entsprechenden Anfrage der italienischen Behörden wurde diesen am 06.09.2018 mitgeteilt, dass die Mutter und die Kinder der BF am 06.08.2018 nach Österreich eingereist seien. Es folgten weitere Konsultationen zwischen Österreich und Italien in Bezug auf die Mutter und die Kinder der BF (diese sind näher im entsprechenden Erkenntnis der betroffenen BF ausgeführt).

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.11.2018 gab die BF an, gesund zu sein. Ihre Tochter Xanaan leide an Magen- beziehungsweise Bauchbeschwerden. Sie könne keine genaue Diagnose nenne. Die BF wisse nur, dass sie eine Bluttransfusion brauche und noch einen Termin für eine Magenspiegelung habe. Ihre Tochter Nawal habe schon lange Ohren- und Hautprobleme. Ihre dritte Tochter sei gesund. Zu ihren familiären Verhältnissen in Österreich befragt, gab die BF an, abgesehen von ihren Kindern und ihrer Mutter noch weitere Verwandte hier zu haben. Es handle sich hierbei um einen Onkel der Kinder sowie eine weitere Verwandte, wobei die Verwandtschaftsbeziehung zu dieser Person in der Einvernahme nicht abschließend geklärt werden konnte. Zu den beiden genannten Personen bestünden jedoch keine Abhängigkeiten. Aus Sicht der BF hätten sie und ihre Mutter das Sorgerecht für die Kinder. Die BF habe ihre Kinder (vor dem Wiedersehen in Österreich) zuletzt im August 2015 und ihre Mutter im März 2016 gesehen. Als ihre Kinder noch bei Verwandten ihres Ex-Mannes gelebt hätten, habe sie keinen Kontakt zu ihnen gehabt. Das habe sich aber geändert, als ihre Kinder zu ihrer Mutter gekommen seien. Da habe sie telefonischen Kontakt mit ihnen gehabt. Zu ihrem Aufenthalt in Italien gab die BF an, sich dort von August 2016 bis August 2018 aufgehalten zu haben. Sie sei dort zur Abnahme ihrer Fingerabdrücke beziehungsweise zur Asylantragstellung gezwungen worden. Ca. ein Jahr lang - bis zur Erlangung des Asylstatus - sei sie in Italien von den Behörden versorgt worden. Anschließend sei sie auf die Straße gesetzt worden. Sie habe dann einen älteren Mann kennengelernt und ein paar Monate bei ihm gewohnt, jedoch habe er sie ausgenutzt beziehungsweise sexuell bedrängt. Nachdem sie von diesem Mann geflüchtet sei, habe sie noch ca. 1 Monat lang in einer öffentlichen Schlafstelle gewohnt. Die BF kritsierte weiters, dass viele Asylwerber in Italien trotz eines Aufenthaltstitels keine Unterstützung vom Staat bekommen würden. Man finde in Italien auch keine Arbeit. Die Situation wäre in Italien mit Kindern noch schwieriger.

Mit Bescheid des BFA vom 07.12.2018 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die BF nach Italien zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt II. wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. In Spruchpunkt III. wurde gegen sie die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig erklärt.

Ebenfalls mit Bescheiden des BFA vom 07.12.2018 wurden die Anträge der Mutter und der mj. Kinder der BF gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen, Italien für zuständig erklärt und ihre Außerlandesbringung nach Italien angeordnet.

Die Feststellungen zur Lage in Italien wurden im Bescheid der BF - soweit für Schutzberechtigte entscheidungswesentlich - Folgendermaßen zusammengefasst:

Schutzberechtigte

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung für fünf Jahre, humanitärer Aufenthalt wird für zwei Jahre gewährt. Um die Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, brauchen die Schutzberechtigten eine Meldeadresse, was manchmal ein Problem sein kann. Verlängerungen des Aufenthalts müssen postalisch beantragt werden. Dies kann mehrere Monate in Anspruch nehmen. Nach frühestens fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts besteht für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einen langfristigen Aufenthalt zu erhalten. Anträge auf Familienzusammenführung sind für Schutzberechtigte ohne Zeitlimit möglich. Schutzberechtigte dürfen sich frei im Land niederlassen, wenn sie sich selbst erhalten können. Laut Gesetz haben in SPRAR-Strukturen untergebrachte Schutzberechtigte ein Recht darauf für sechs weitere Monate untergebracht zu bleiben; in besonderen Fällen auch für zwölf oder mehr Monate. Wenn Schutzberechtigte nach Statuszuerkennung einen Platz im SPRAR erhalten (selbe Zeitlimits wie oben), müssen sie diesen annehmen, da sie ansonsten das Recht auf Unterbringung im SPRAR verlieren. Die meisten Asylwerber in Italien leben jedoch in CAS, wo andere, regional sehr unterschiedliche Regeln gelten, wenn Antragsteller von einem Schutzstatus in Kenntnis gesetzt werden (Dauer des weiteren Verbleibs im Zentrum schwankend zwischen mehreren Monaten und lediglich einem Tag). In der Folge kann es daher auch zu Obdachlosigkeit unter Schutzberechtigten kommen. Rechtlich haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Zugang zu Sozialwohnungen, zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen im selben Ausmaß wie italienische Staatsbürger (AIDA 21.3.2018).

Manchmal ist es Asylwerbern und Flüchtlingen, die illegaler Arbeit nachgehen, besonders in großen Städten nicht möglich eine Wohnungen zu mieten. Oft leben sie unter schlechten Bedingungen in besetzten Gebäuden. Die Regierung unternimmt begrenzte Versuche, Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren (USDOS 20.4.2018).

Schätzungen der NGO Medecins sans Frontieres (MSF) zufolge, waren im Feber 2018 im ganzen Land mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung faktisch ausgeschlossen, darunter Asylwerber und Schutzberechtigte. Sie leben nicht selten in besetzen Gebäuden, von denen mittlerweile durch Involvierung von Regionen oder Gemeinden viele legalisiert wurden. Die NGO Baobab Experience betreibt in Rom ein informelles Migrantencamp und betreut nach eigenen Angaben eine steigende Zahl von Inhabern eines Schutztitels (MSF 8.2.2018).

Wie Asylwerber, müssen sich Personen mit einem Schutzstatus in Italien beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Probleme beim Zugang zu medizinischer Versorgung für Schutzberechtigte können durch das Fehlen einer Meldeadresse entstehen. In einigen Regionen Italiens sind Schutzberechtigte nicht mehr von der Praxisgebühr ("Ticket") ausgenommen, während in anderen Regionen die Befreiung weiter gilt, bis die Schutzberechtigten einen Arbeitsplatz finden (AIDA 21.3.2018).

Die Wohnsitzmeldung ist für Asylwerber und Schutzberechtigte die größte administrative Hürde für die Registrierung beim nationalen Gesundheitsdienst. Wenn sie aus der Unterbringung ausziehen, wird ihr Wohnsitz dort abgemeldet. Folglich müssen sie sich anderswo melden. Eine Wohnsitzmeldung in einem besetzten Gebäude oder unter einer fiktiven Adresse (wie bei Obdachlosen) ist in der Regel nicht möglich, wenn auch in Rom einzelne Kommunen gelegentlich schon Ausnahmen gemacht haben. Die Folge ist ein zunehmender Rückgriff auf das System der vorübergehend aufhältigen Fremden (Straniero Temporaneamente Presente, STP), das illegal aufhältigen Migranten den Zugang zu medizinischer Notfallbehandlung ermöglicht. Medizinische Behandlung wird vermehrt über die Notaufnahmen der Krankenhäuser in Anspruch genommen. Auch die medizinischen Leistungen von privaten humanitären Organisationen werden immer wichtiger. Diese können aber keine Medikamente zu Kassenkonditionen verschreiben, so dass die von ihnen behandelten Migranten die Medikamente zum vollen Preis kaufen müssen (MSF 8.2.2018).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (21.3.2018): Italian Council for Refugees (CIR) / Association for Legal Studies on Immigration (ASGI): Country Report: Italy,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 3.8.2018

-

MSF - Médecins Sans Frontières (8.2.2018): "Out of sight" - Second edition, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424506.html, Zugriff 19.9.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017: Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430262.html, Zugriff 24.9.2018

Die Behörde führte begründend aus, dass die BF in Italien den Status als anerkannter Flüchtling erhalten habe und ihr einen Aufenthaltsgenehmigung bis zum 09.05.2022 erteilt worden sei. Im Übrigen habe die BF nicht glaubhaft vorgebracht, in Italien Misshandlung, Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein. Die Mitglieder ihrer Kernfamilie wären im selben Umfang wie sie selbst von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen, weshalb die Ausweisung keinen Eingriff in ihr Familienleben darstelle. Eine sonstige familiäre Bindung habe nicht erkannt werden können. Ihr Aufenthalt in Österreich sei zu kurz, als dass ein Eingriff in ihr Recht auf Privatleben anzunehmen wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Ver-letzung von Art. 7 GRC beziehungsweise Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungs-entscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei.

In der dagegen gerichteten, für die BF, ihre Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder gleichlautenden Beschwerde wurde festgehalten, dass die BF in Italien zwar den Status einer Asylberechtigten innehabe, jedoch währende ihres Aufenthaltes in Italien Verhältnisse habe erleben müssen, welche einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK und iSd höchstgerichtlichen Judikatur dazu gleichgekommen wären. Italien habe ihr de facto keine ausreichenden Mittel gewährt, um ihre Grundbedürfnisse befriedigen zu können. Nach der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sei die Versorgung seitens des italienischen Staates eingestellt worden. Zur fehlenden Primärversorgung (Unterkunft, medizinische Versorgung, Nahrungsmittel) würde noch das Problem hinzutreten, dass die Situation für Schutzberechtigte am Arbeitsmarkt sehr prekär sei. Deshalb bestehe die Angst, dass der restlichen Familie (ihren Kindern und ihrer Mutter) bei einer Rückkehr nach Italien Ähnliches widerfahren würde. Vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass es wahrscheinlich sei, dass die BF und ihre Familie im Fall der Überstellung nach Italien weder über eine Unterkunft noch über eine angemessene Versorgung verfügen würde. Nur bei Vorlage einer entsprechenden individuellen Zusicherung ließe sich davon ausgehen, dass die BF, ihre Kinder und ihre Mutter in Italien adäquat versorgt werden würden. Die Einholung einer derartigen individuellen Zusicherung sei im gegenständlichen Fall jedoch verabsäumt worden. Die genannten Personen würden sich in Österreich sehr wohl fühlen. Die gesundheitlichen Probleme von 2 der 3 Töchter der BF würden gerade in Österreich behandelt werden. Zwei Töchter würden hier die Schule besuchen und derzeit in stabilen, dem Kindeswohl entsprechenden Verhältnissen leben. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass die Abschiebung der BF, ihrer Kinder und ihrer Mutter nach Italien eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK und

Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte darstellen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF reiste über Italien in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und stellte dort am 13.09.2016 einen Asylantrag, woraufhin ihr internationaler Schutz zuerkannt und eine Aufenthalts-berechtigung bis zum 09.05.2022 zugesprochen wurde.

Am 05.08.2018 suchte die BF - wie auch ihre Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder - um Asyl in Österreich an.

Zur Lage im Mitgliedstaat Italien schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungen des angefochtenen Bescheides an.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Die BF leidet an keinen (lebensbedrohenden) gesundheitlichen Beschwerden.

In Österreich befinden sich die drei minderjährigen Töchter und die Mutter der BF. Wie bei der BF wurde auch bei diesen eine Zuständigkeit Italiens zur Führung des Verfahrens festgestellt und mit heutiger Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt.

Besondere anderweitige Bindungen (privat oder beruflich) der BF bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise der BF in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie ihrer Asylantragstellung in Italien ergeben sich aus den Angaben der BF im Rahmen ihrer Einvernahmen sowie aus dem entsprechenden, vorliegenden EURODAC-Treffer der Kategorie 1 vom 13.09.2016.

Die Feststellung hinsichtlich der Aufenthaltsberechtigung der BF in Italien im Rahmen des internationalen Schutzes leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen den österreichischen und den italienischen Dublin-Behörden ab.

Die Gesamtsituation von subsidiär Schutzberechtigten und anerkannten Flüchtlingen in Italien resultiert aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungs-relevanten Fragen eingehen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten persönlichen Verhältnisse der BF ergeben sich im Speziellen aus den eigenen Angaben der BF.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

...

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

..."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

....

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(5) Eine Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung ist binnen einer Woche einzubringen."

Der Verwaltungsgerichtshof (Ra 2016/18/0049, 03.05.2016) hat festgehalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 4a AsylG 2005 für die Beurteilung der Frage, ob ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen ist, darauf abzustellen ist, ob dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Dass der Fremde dort zudem über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügen muss, lässt sich dem § 4a AsylG 2005 nicht entnehmen. Weiters ergibt sich aus dem Wortlaut der soeben zitierten Bestimmung, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 4a AsylG 2005 - im Gegensatz zu jener nach § 4 AsylG 2005 - keine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Während nämlich gemäß § 4 AsylG 2005 eine Prognose dahingehend zu treffen ist, ob der Fremde in dem in Frage kommenden Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden kann (Hinweis E vom 6. Oktober 2010, 2008/19/0483; vgl. auch ErlRV 952 BlgNR 22. GP 33), stellt § 4a AsylG 2005 unmissverständlich darauf ab, ob dem Fremden von einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde. Ob der Fremde bei Rückkehr in den nach Ansicht Österreichs zuständigen Staat eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung erlangen würde können oder ihm etwa die Aberkennung seines in der Vergangenheit zuerkannten Schutzstatus drohen könne, ist daher gemäß § 4a AsylG 2005 nicht zu prüfen.

Bei einer Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 handelt es sich um eine Entscheidung außerhalb des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO (VwGH Ra 2016/19/0072, 30.06.2016 mit Hinweis auf Ra 2016/18/0049, 03.05.2016).

3.2.1. Zur Frage der Unzulässigkeit des gegenständlichen Asylantrages ist davon auszugehen, dass das BFA zu Recht eine Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 vorgenommen hat.

Die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO geht, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit. f ergibt, nunmehr von einem einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes aus, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Auf Personen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung. Aus dem festgestellten Sachverhalt - insbesondere aus dem Antwortschreiben der italienischen Dublinbehörde vom 20.08.2018 - ergibt sich, dass die BF in Italien bereits als Begünstigte internationalen Schutzes anerkannt wurde. Aus diesem Grund kommt zweifelsfrei § 4a AsylG zur Anwendung.

3.2.2. Die BF befindet sich nunmehr seit August 2018 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren ist es nicht zur Anwendung von § 8 Abs. 3a AsylG 2005 gekommen und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

3.3.1. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC beziehungsweise Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließ-lich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Nach den Länderberichten zu Italien kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Sofern die BF einräumt, dass sie in Italien keine Unterstützung bekomme und keine Arbeit habe, und nunmehr auch für ihre minderjährigen Töchter verantwortlich sei, ist Folgendes zu sagen:

Da das italienische System mit der Gewährung des Schutzstatus auch - neben dem Zugang zu Sozialwohnungen und zu Sozialleistungen im selben Ausmaß wie italienischen Staatsbürger - auch den Zugang zum Arbeitsmarkt einräumt, liegt die Sicherung ihrer Versorgung sowie der ihrer Töchter zunächst in der Verantwortung der BF.

Dass in Italien möglicherweise geringere Integrationsmöglichkeiten bestehen als in anderen europäischen Ländern, verletzt die BF nicht in ihren Grundrechten. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass es Mütter wie die BF mit einer derartigen Doppelbelastung - Arbeit und Kindererziehung - schwer haben, jedoch ist es ihr zumutbar und möglich, für sich und ihre Töchter eine - wenn auch bescheidene - Existenzgrundlage in Italien zu schaffen. Im Übrigen kann die BF auch wie bisher auf die Unterstützung ihrer Mutter (bei der Kindererziehung und Kinderbetreuung) zurückgreifen, für die ebenfalls eine Zuständigkeit Italiens festgestellt wurde und die sich in den letzten Jahren um die Kinder der BF gekümmert hat.

Es besteht jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass sie in Italien keinerlei Existenzgrundlage vorfände. So ist zu bedenken, dass grundsätzlich anerkannte Flüchtlinge beziehungsweise Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung gehalten sind, ihre Existenz - so wie auch alle anderen Staatsbürger eines Landes - selbst zu erwirtschaften. Demnach ist es der BF zuzumuten, nach einer Rücküberstellungen nach Italien die von ihr angesprochenen Schwierigkeiten - u.a. in Hinblick auf eine Arbeit und Unterkunft beziehungsweise generell in Hinblick auf die Existenz sichernden Sozialleistungen - aus eigenem (mit Unterstützung ihrer Mutter) zu überwinden beziehungsweise erforderlichenfalls auch auf bestehende Hilfsangebote von NGOs zurückzugreifen. Bezüglich Sozialhilfe sind anerkannte Flüchtlinge wie ausgeführt - den dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen - mit Italienern gleichgestellt.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 23.06.2016, Ra 2016/20/0051 bis 0052-7 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2016 bestätigt, bei dem es sich um die Überstellung einer Mutter mit einem Kleinkind nach Italien handelte. Der Verwaltungsgerichtshof konnte nicht erkennen, dass die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes, es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die im Falle der Überstellung der Revisionswerber nach Italien zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würden, unzutreffend wäre. Nachdem in der soeben erläuterten Entscheidung die Überstellung einer Mutter mit einem im Dezember 2015 geborenen gesunden Kleinkind vom Verwaltungsgerichtshof als zulässig erachtet wurde, ist nicht ersichtlich, weshalb dies nicht auch für die BF gelten sollte.

In Bezug auf das Vorbringen der BF, in Italien von einem älteren Mann ausgenutzt beziehungsweise sexuell bedrängt worden zu sein, ist Folgendes auszuführen: Selbst wenn sich derartige Ereignisse tatsächlich zugetragen haben sollten, hätte sich die BF jederzeit an die italienische Behörden wenden können. Umstände, die den Verdacht nahelegen, dass sie in Italien keinen staatlichen Schutz erhielte, liegen jedenfalls nicht vor. Die BF hätte daher die Möglichkeit, in solch einem Fall den Rechtsweg zu beschreiten, zumal die italienischen Behörden in der Lage und auch gewillt sind, Personen bei allfälligen gegen sie gerichteten Übergriffen zu schützen und die Täter der Strafverfolgung zuzuführen. Weder Asylwerber noch anerkannte Flüchtlinge sind in Italien Übergriffen schutzlos ausgesetzt. Für eine behördliche Duldung von Übergriffen jedweder Art liegen keine Berichte vor. Nachdem jedenfalls Beschwerdemöglichkeiten innerhalb Italiens gegen Übergriffe bestehen und kein genereller Schluss auf eine systemisch menschenrechtswidrige Behandlung von Drittstaatsangehörigen in Italien zulässig ist, ist diesbezüglich keine Art. 3 EMRK Verletzung erkennbar.

Jedenfalls hat die BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend zu machen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Diese "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" hat der EGMR in seiner Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192) nunmehr präzisiert.

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der BF im Falle einer Überstellung nach Italien sind der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Es gibt auch keine Hinweise für eine aktuelle Reiseunfähigkeit der BF. Zudem ist von einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Italien auszugehen.

3.3.2. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK beziehungsweise Art. 7 GRC wurde erwogen:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren vor.

Nachdem mit heutigem Tag gegenüber der BF und ihren minderjährigen Töchtern sowie auch ihrer Mutter Entscheidungen ergehen, die eine Zuständigkeit Italiens vorsehen und demnach keine Trennung der Genannten erfolgt (vielmehr ist von der geplanten aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte im Inland befindliche Familie betroffen), wird allenfalls lediglich in ihr Privatleben und nicht auch in ihr Familienleben eingegriffen.

Es bestehen keine anderweitigen, zu berücksichtigenden familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet. Zu den in der Einvernahme vom 27.11.2018 genannten Personen wurden keinerlei Abhängigkeiten dargetan beziehungsweise nicht einmal behauptet.

Die gegenständliche aufenthaltsbeendende Maßnahme stützt sich unbestrittenermaßen auf eine gesetzliche Bestimmung und sie verfolgt Ziele, die mit der EMRK in Einklang stehen, nämlich insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes.

Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund. Die BF reiste im August 2018 nach Österreich und verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u. a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012; 18.10.2012, 2010/22/0130).

Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-Verordnung wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wenn aber ein Drittstaatsangehöriger bereits in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz, also entweder Asyl oder subsidiären Schutz, erhalten hat, dann kann ein neuerlicher Asylantrag dieser Person in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig zurückgewiesen werden. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise der BF innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Asylantrages gerade jenes Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung der zahlreichen jährlich gestellten Asylanträge in den Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen.

Auch bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012).

Im vorliegenden Fall ergaben sich keine Hinweise auf eine bereits fortgeschrittene Integration der BF in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer. Ein Beschäftigungsverhältnis oder Deutschkenntnisse wurden nicht nachgewiesen.

Daher hat das BFA im Hinblick darauf, dass der BF bereits in Italien internationaler Schutz zuerkannt worden ist und sie sohin in Italien Schutz vor Verfolgung gefunden hat, den nunmehr in Österreich gestellten weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass sie sich nach Italien zurückzubegeben hat.

Gemäß § 21 Abs. 6a und Abs. 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Verfolgungssicherheit im Zielstaat, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt, weiters im Gesundheitszustand der BF sowie in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR beziehungsweise auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Asylberechtigter, Außerlandesbringung, medizinische Versorgung,
Mitgliedstaat, real risk, Rechtsschutzstandard, Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2211925.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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