Entscheidungsdatum
15.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W140 2186766-1/11E
W140 2186785-1/11E
W140 2186763-1/8E
W140 2186775-1/9E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerden von
1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2018, ZL. 16-1104638002/160187623,
2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2018, ZL. 16-110436106/160187640,
3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Onkel
XXXX als gesetzlichen Vertreter, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2018, ZL.
15-1092315902/151625095,
4.) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2018, ZL. 16-1104634406/160187666,
beschlossen:
A)
Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien ist Afghanistan. Die Beschwerdeführer (BF) gehören der Volksgruppe der Hazara sowie dem schiitischen Islam an.
Der Erstbeschwerdeführer (BF1), die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) und der Viertbeschwerdeführer (BF4) stellten am 06.02.2015 Anträge auf internationalen Schutz.
Der Drittbeschwerdeführer (BF3) reiste gemeinsam mit seinen beiden Onkeln und seiner Großmutter illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die obsorgeberechtigte Großmutter und die beiden Onkel reisten am 02.02.2016 freiwillig aus dem Bundesgebiet aus. Mit Beschluss des Pflegschaftsgerichtes XXXX wurde dem Erstbeschwerdeführer am XXXX die Obsorge des Drittbeschwerdeführers übertragen. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 04.12.2017 führte der BF aus, im Iran geboren zu sein und noch nie in Afghanistan gewesen zu sein.
Der Erstbeschwerdeführer (BF1) führte in seiner Einvernahme vor dem BFA am 04.12.2017 Folgendes aus:
"2011 nach der Verlobung mit meiner Frau in Afghanistan, bin ich gemeinsam mit meiner Gattin in den Iran geflüchtet. Dann haben die Behörden im Iran mir gesagt, dass ihnen bekannt ist, dass wir illegal nach Afghanistan gegangen sind. Weil wir sowieso von den iranischen Behörden keine Erlaubnis hatten den Iran zu verlassen und nach Afghanistan zu reisen. Im Jahr 2015 haben im Iran die Behörden mich erwischt, dann haben sie gemerkt dass ich illegal im Iran lebe.
Dort haben sie gesagt, dass ich 2 Möglichkeiten hätte:
Entweder muss ich nach Afghanistan oder ich muss in den Krieg nach Syrien gehen.
(...)
Ich hatte auch Probleme mit meinem Schwiegervater, weil er spielsüchtig war und um seine Tochter gespielt hat.
Das Problem mit dem Grundstück spielt auch eine Rolle, es wurde uns weggenommen, von den Verwandten. Und wegen der Religion auch, denn ich bin Hazare und Schiit. In Afghanistan sind wir eine Minderheit und wir werden von den Taliban und dem IS bedroht."
Die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) gab in ihrer Erstbefragung an, dass sie und ihre Familie illegal im Iran gelebt und dort keine Arbeit und keine Zukunft gehabt hätten. Die BF 2 führte in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 04.12.2017 Folgendes aus:
"In Afghanistan habe ich zu Hause bei meinen Eltern gewohnt und alleine habe ich nicht aus dem Haus gehen dürfen. Zu Hause habe ich mit meiner Mutter und meinem etwas größeren Burder Teppiche geknüpft und das Geld das wir verdient haben, das hat der Vater von uns genommen und hat es beim Glücksspiel verloren.
F: Unter welchen Lebensumständen haben Sie gelebt? Wie war Ihre finanzielle/wirtschaftliche Situation?
A: Die finanzielle Situation war nicht so schlecht, wir hatten Grundstücke und der Vater hat mit seiner Spielsucht immer wieder zu wenig Geld gehabt.
F: Konnten Sie die Schule besuchen? Können Sie lesen und schreiben?
A: Nein, ich konnte nicht in die Schule gehen, ich kann nicht lesen und nicht schreiben, nur ein bisschen Deutsch kann ich schreiben.
F: Wann und wo sind Sie zur Schule gegangen?
A: Ich konnte keine Schule besuchen.
F: Besuchen Sie in Österreich Bildungseinrichtungen?
A: Nein, ich mache nur den Deutschkurs.
F: Was haben Sie im Monat verdient?
A: Das Geld von der Arbeit dem Teppichknüpfern hat immer mein Vater kassiert.
F: Wie haben Sie in Afghanistan gelebt?
A: Wenn mein Vater nicht gespielt hätte, dann hätten wir sehr gut davon leben können.
F: Ist Ihre Familie an Ihrem Herkunftsort geachtet? Gilt das auch für Sie?
A: Ich war viel im Haus beschäftigt, das habe ich nicht mitbekommen.
F: Haben Sie Bargeld oder Häuser bzw. Grundstücke in Afghanistan?
A: Ich habe keine Ahnung ob mein Vater noch etwas hat, aber ich möchte hinzufügen, dass er sogar um mich gespielt hat und mich verloren hat.
(...)
F: Wurde Ihre Ehe arrangiert? Haben Sie da mitsprechen können?
A: Ich war nur 10 Jahre alt, als ich in der Iran gekommen bin, und meine Großmutter hat mich für meinen jetzigen Mann ausgewählt.
F: Hatten Sie bei der Wahl Ihres zukünftigen Ehemannes ein Mitspracherecht?
A: Ich konnte da nicht mitentscheiden.
(...)
F: Wann und wo sind Ihre Kinder geboren, wie sind die vollständigen Namen und Geburtsdaten Ihrer Kinder?
A: Mein Sohn heißt XXXX geb. XXXX , er ist im Iran in Shiraz geboren.
(...)
F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?
A: Nein.
F: Warum nicht?
A: Weil ich von zu Hause geflüchtet bin. Wenn mein Vater draufkommt, dann wird er mich umbringen.
(...)
F: In welchem Zeitraum haben Sie in Afghanistan gelebt?
A: Ich habe von meiner Geburt bis zu meiner Ausreise im Alter von 10 Jahren in Afghanistan gelebt. Meine Großmutter hat mich im Alter von 10 Jahren in den Iran gebracht.
(...)
Weil mein Vater mich einem alten Mann übergeben wollte, weil er mich verspielt hat und das wollte ich verhindern. Meine Großmutter hat mich im Alter von 10 Jahren in den Iran mitgenommen und dort hat mich meine Großmutter das erste Mal für XXXX ausgesichtet. Auch die Mutter von XXXX hat das mit meiner Großmutter ausgemacht, dass wir heiraten würden, wenn wir alt genug sind.
(...)
Ich bin geflüchtet: weil mein Vater mich an einen alten Mann verspielt hat und mich an ihn übergeben wollte, weil ich aus dem Haus nicht hinausgehen durfte, und ich habe auch nicht in die Schule gehen dürfen. Und ich habe auch immer einen Tjador tragen müssen und dadurch bin ich auf der Straße ein paar mal gestolpert und dann hat der Vater mich gefragt warum ich nicht normal gehe und dann nachdem wir zu Hause waren hat er mich deshalb auch geschlagen.
Außerdem haben die Frauen in Afghanistan keine Rechte.
Mein Vater hat immer sein Geld verspielt und dann hat er seine Wut an uns ausgelassen und mich und meine Mutter, aber auch meine Geschwister geschlagen. Aber hauptsächlich mich und die Mutter, denn ich war die Älteste.
Wir waren sehr beschränkt die anderen Geschwister waren klein, und ich und meine Mutter haben uns nicht schminken dürfen und das soll heißen wir waren sehr beschränkt.
(...)
F: Wie hätten Sie gerne in Afghanistan gelebt? (Was haben Sie vermisst?)
A: Ich hätte gerne so gelebt wie man in Östereich lebt, das hätte ich auch gerne in Afghanistan gehabt.
F: Würden Sie sich selbst als Asri-Frau oder als Sahrai-Frau bezeichnen? (Anm.: Asri-Frau = modern; Sahrai-Frau = nicht modern, "Dorffrau")
A: Ich würde mich als moderne Frau bezeichnen.
F: Falls sich die Frau als modern ausgibt: Wie geht Ihr Gatte damit um?
A: Mein Mann findet das gut. Er möchte dass ich modern bin und modern gekleidet bin.
F: Sie haben angegeben, dass Frauen in Afghanistan keine Rechte hätten. Was konkret ist darunter zu verstehen?
A: Die Frauen in Afghanistan werden unterdrückt und wir dürfen nicht einmal aus dem Haus gehen. Wir dürfen keine Schule besuchen. Wir dürfen uns auch in die Angelegenheiten der Männer nicht einmischen.
(...)
F: Beabsichtigen Sie, die Ehe Ihres Sohnes auch zu arrangieren oder könnte sich vorstellen, dass Ihr Sohn sich den Ehepartner einfach selbst aussucht? Würden Sie eine solche Entscheidung akzeptieren?
A: Mein Wunsch ist dass er sich selber seine Partnerin aussucht.
(...)
F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?
A: Ich würde in Afghanistan gesteinigt werden. So ist das Gesetz in Afghanistan, wenn eine Frau von zu Hause flüchtet."
Für den Viertbeschwerdeführer (BF4) wurden seitens der Zweitbeschwerdeführerin als gesetzlicher Vertretung keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden durch das BFA die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass ein Verlassen Afghanistans aus wohlbegründeter Furcht bzw. asylrelevanter individueller Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden habe können. Der Familie sei eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar. Die Familie würde der Volksgruppe der Hazara und dem schiitischen Glauben angehören. Zur Situation im Falle einer Rückkehr wurde insbesondere festgehalten, dass diese über familiäre Anknüpfungspunkte in ihrem Heimatland verfügen und eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul zumutbar sei. Kabul sei über den Luftweg direkt erreichbar und könne die Familie auch in Kabul sesshaft werden. Es wäre der Familie zumutbar sich durch eine Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Es wären keine konkreten Umstände hervorgekommen, dass diese bei einer Rückkehr nicht wieder am Erwerbsleben teilnehmen könnten. Es gäbe keine Hinweise dafür, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden. Den Länderfeststellungen zufolge sei die Lage insbesondere im Raum Kabul zufriedenstellend. Im Fall der Rückkehr bestünde für die BF keine Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK. Einer gemeinsamen Ausweisung der BF stünde auch nicht eine Verletzung des Art. 8 EMRK entgegen. Die BF verfügen über keine weiteren relevanten familiären oder freundschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich. Gründe für das Vorhandensein einer besonders berücksichtigungswürdigen besonderen Integration wären nicht hervorgekommen.
Gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA erhoben die BF fristgerecht Beschwerde.
In der Beschwerde wird u.a. Folgendes ausgeführt:
"Sachverhalt
Wir sind eine afghanische Familie, bestehend aus dem Vater Herrn XXXX , der Mutter Frau XXXX , dem Neffen, XXXX und dem minderjährigen Sohn. XXXX .
Wir sind schiitischen Glaubens und gehören der Volksgruppe der Hazaxa an, Die Mutter stammt aus Logar, Vater, Sohn und Neffe sind allesamt im Iran geboren. Die Mutter ist geflüchtet, weil ihr Vater sie mit einem älteren Herrn zwangsverheiraten wollte. Außerdem wollte sie sich westlich kleiden und kein Kopftuch tragen. Bei einer Rückkehr fürchtet sie die Steinigung, da sie sich dem Willen ihres Vaters nicht gebeugt und Afghanistan verlassen hat. Der Neffe ist wegen Grundstücksstreitigkeiten seiner Familie und der allgemein schlechten Sicherheitslage, ausgereist. Der Vater fürchtet bei einer Rückkehr nach Afghanistan, die IS und die Taliban. Da wir im Iran illegal aufhältig waren und uns von dort eine Abschiebung nach Afghanistan gedroht hätte, mussten wir flüchten und haben wir hier am 6.2.2016 bzw. am 25.10.2015 unsere Anträge auf internationalen Schutz gestellt.
Beschwerdegründe
Im obigen Bescheid stellt die Behörde fest, dass der Vater in Bezug auf seine Fluchtgründe schon deshalb unglaubwürdig wäre, da er sich in der polizeilichen Erstbefragung und der EV vor der Behörde widersprochen hätte (hierzu Bescheid des Vaters vom 18.1.2018. S. 140,141).
Zudem wirft uns die Behörde vor, dass sich unsere restlichen Ausreise-und Fluchtgründe auf den Iran beziehen würden und diese daher nicht asylrelevant wären (hierzu Bescheid des Vaters vom 18.1.201 S, S. 140; 141). Außerdem wäre auch unser Vorbringen hinsichtlich unserer Wiedereinreise in den Iran, nicht glaubwürdig (hierzu Bescheid des Vaters vom 18.1.2018, S. 141,142). Ebenfalls für nicht glaubwürdig, befindet die Behörde die Rückkehrbefürchtungen des Vaters in Bezug auf die Taliban und den IS, da er diesbezüglich keinerlei asylrelevanten Vorfälle oder Bedrohungen geltend machen konnte (hierzu Bescheid des Vaters vom 18.1.2018, S. 143).
Der Fluchtgrund der Mutter wäre ebenfalls nicht glaubwürdig, da diese keinerlei Beweismittel für die bevorstehende Zwangsverheiratung mit dem älteren Herrn, sowie der Spielsucht ihres Vaters vorbringen konnte (hierzu Bescheid des Vaters vom 18.1.2018, S. 142). Insgesamt stellt die Behörde fest, dass wir keinerlei konkreten Bedrohungen oder Verfolgungen, weder durch den IS bzw. die Taliban noch durch den Schwiegervater der Familie geltend machen konnten. Außerdem wäre die Schilderung unserer Fluchgründe zu vage und oberflächlich, es mangle ihnen an Details (hierzu Bescheid des Vaters vom 18.1.2018, S. 142, 143).
Eine Verfolgung auf Grund unserer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, bestünde laut Behörde nicht und hätten wir eine solche auch nicht konkret geltend gemacht. Die Behörde geht von einem gedanklichen Konstrukt unserer Fluchtgeschichte aus. Es war uns daher kein Asyl zu gewähren. Aber auch kein subsidiärer Schutz, da uns in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünde. Eine Rückkehr nach Afghanistan, wäre uns allen daher zumutbar.
Diesen Vorwürfen entgegnen wir folgendes:
In ihrem gesamten Bescheid, beschäftigt sich die Behörde mit Nebensächlichkeiten und missachtet dabei die tatsächliche Gefährdung, welche wir bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchtete hätten:
Der Neffe, wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan schon deshalb gefährdet, da er noch nie in seinem Leben in Afghanistan war. Seine Angehörigen leben allesamt im Iran. In Afghanistan, würde er auf Grund seines "Farsi-gefärbten Dialekts" sofort auffallen und wäre schon deshalb Diskriminierungen ausgesetzt.
Außerdem wären wir als Familie und Angehörige der Hazara, welche jahrelang im Iran gelebt hat bzw. teilweise auch dort aufgewachsen ist, bei einer Rückkehr nach Afghanistan, allesamt von Diskriminierungen bzw. Verfolgungen durch die Taliban bzw. den IS betroffen. Wir würden dort auffallen und haben zudem in Afghanistan, keine Verwandte mehr (zu den weit entfernten Verwandten, haben wir keinen Kontakt).
(...)
Die Mutter kleidet sich westlich, möchte kein Kopftuch tragen und genießt die Rechte in Österreich, welche Frauen hier selbstverständlich haben. Sie zeigt sich gerne in der Öffentlichkeit und möchte hier eine Ausbildung absolvieren. In Afghanistan wäre ihr all dieses verwehrt.
Es ist uns daher nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Mutter ohne weitere Probleme nach Afghanistan zurückkehren könnte und dort nichts zu befürchten hätte.
Was den Fluchtgrund der Mutter betrifft, ist zu sagen, dass wir nicht deshalb unglaubwürdig sind, weil wir allesamt diesen Fluchtgrund im Zuge der EV vor der Behörde konkretisiert haben, denn dieses entspricht auch der Intention des Gesetzes: § 19 Abs 1 Satz 2 AsylG sieht nämlich vor: „ Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. ".
Selbiges wurde, vor Kurzem, auch vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt:
Aus BVwG 12.6.2017, W191 2133462-1/5E: "Nach der Intention des Gesetzgebers hat eine nähere Befragung zu den Fluchtgründen im Rahmen der Erstbefragung nicht stattzufinden, sondern dient diese primär der Erhebung der Reiseroute. Dass die BF ihren Fluchtgrund anlässlich ihrer Erstbefragung noch nicht gänzlich im Detail geschildert und gewisse Aspekte erst im Zuge ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt angesprochen haben, kann diesen nicht zur Unglaubwürdigkeit gereichen (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16; VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061)."
Außerdem erinnern wir uns noch gut daran, dass der Dolmetscher der polizeilichen Erstbefragung uns anwies, kurz zu fassen, was wir auch getan haben. Dass wir unsere Fluchtgeschichten erst in der EV vor der Behörde detaillierter ausführen, ist demnach kein Widerspruch, da wir dort erst die Zeit bekommen haben unsere Fluchtgründe zu konkretisieren. Daher kommt uns trotz kurz gefasster Angaben zu den Fluchtgründen in der polizeilichen Erstbefragung, das subjektive Recht zu, nicht der Unglaubwürdigkeit bezichtigt zu werden."
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan könnten sich die Beschwerdeführer ohne familiäre Anknüpfungspunkte keine neue Existenzgrundlage aufbauen und würden massivst in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK beeinträchtigt werden. Der Bescheid der Behörde sei daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Zudem habe sich die Behörde nicht mit der prekären Lage (vor allem für westlich gekleidete Frauen, wie das bei der BF2 der Fall sei) für Frauen in Afghanistan auseinandergesetzt. Auch dies belaste den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Die Behörde hätte den Beschwerdeführern Asyl, zumindest aber subsidiären Schutz gewähren müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.
Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinausgehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).
In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.
Das Bundesamt hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht, bzw. grundlegend nicht ausreichend ermittelt, hat verfahrenswesentliche Feststellungen nicht getroffen und entsprechend auf die konkreten Verfahren bezogene Länderfeststellungen den gegenständlichen Bescheiden nicht zu Grunde gelegt.
In seiner Entscheidung vom 27.02.2018 (E3507/2017) führte der Verfassungsgerichtshof Folgendes aus:
"In seiner Begründung zur Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten setzt sich das Bundesverwaltungsgericht nicht weiter mit der Situation von Minderjährigen in Afghanistan (bzw Kabul) insgesamt und diesbezüglich auch nicht mit den in der angefochtenen Entscheidung zitierten Länderberichten auseinander. Das Bundesverwaltungsgericht geht damit im angefochtenen Erkenntnis auf die Minderjährigkeit des Dritt- und Viertbeschwerdeführers nicht ausreichend ein. Es unterlässt jegliche Auseinandersetzung mit den kinderspezifischen Länderberichten und der Frage, ob dem zum Zeitpunkt der Entscheidung sechsjährigen Drittbeschwerdeführer und dem einjährigen Viertbeschwerdeführer, im Fall einer Rückkehr eine Verletzung ihrer gemäß Art2 und Art3 EMRK gewährleisteten Rechte droht. Die Entscheidung ist daher in Bezug auf den Dritt- und Viertbeschwerdeführer, begründungslos ergangen und somit mit Willkür behaftet und aufzuheben.
Dieser Mangel schlägt gemäß § 34 Abs 4 AsylG auf die Entscheidungen betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durch und belastet auch diese mit objektiver Willkür."
Unter Verweis auf die Entscheidungen des VfGH (etwa E 3507/2017-15 vom 27. Februar 2018), sowie des VwGH (Ra 2018/18/0315 bis 0320-10 vom 6. September 2018) ist festzuhalten, dass die in den angefochtenen Bescheiden wiedergegebenen Länderberichte unter anderem keine bzw. nur allgemeine Ausführungen zur Situation von (kleinen) Kindern in Afghanistan enthalten. Aus den den gegenständlichen Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen geht insbesondere hervor, dass die Menschenrechtssituation von Kindern in Afghanistan insgesamt Anlass zur Sorge gäbe. So wird hierin ausgeführt, dass körperliche Züchtigungen und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei verbreitet seien und der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in weiten Teilen Afghanistans nach wie vor ein großes Problem sei. Der sexuelle Missbrauch von Jungen sei weit verbreitet, eine polizeiliche Aufklärung finde nicht statt. Die Länderberichte nennen Kinderarbeit als Problem. Die Regierung zeige auch nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien. Rund 22% der Kinder in Afghanistan würden einer Arbeit nachzugehen haben. Betreffend der Ausbildungssituation wären Defizite zu erkennen. In ländlichen Gebieten gehöre die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen. Den gegenständlichen Länderinformationen ist insbesondere weiters auch zu entnehmen, dass viele Kinder in Afghanistan unterernährt seien und ca. 10% der Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr sterben würden. In seiner Begründung, insbesondere zur Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, setzt sich das BFA jedoch nicht weiter mit der konkreten Situation von Kindern als auch Minderjährigen in Afghanistan (Kabul) insgesamt und diesbezüglich eben auch nicht mit den in den angefochtenen Bescheiden zitierten Länderberichten auseinander, bzw. würdigt auf die Informationen der den angefochtenen Bescheide zugrunde gelegten Länderfeststellungen aufbauend nicht ausreichend die individuell konkrete Situation der Familie bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan. Diesbezüglich werden ausschließlich allgemeine Ausführungen betreffend der Möglichkeiten der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit seitens der Eltern bzw. des Obsorgeberechtigten angeführt. Das BFA unterlässt damit jedoch eine vertiefende bzw. individuelle Auseinandersetzung mit den den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten kinderspezifischen Länderberichten und der Frage, ob den minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführern im Falle einer Rückkehr eine Verletzung ihrer gemäß Art. 2 und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte droht (vgl. hiezu jüngst VfGH 21.9.2017, E 2130/2017 ua.; 11.10.2017 E 1734/2017 ua.; 11.10.2017 1803/2017 ua.).
Weiters ist darauf hinzuweisen, dass dem Bescheid des minderjährigen Viertbeschwerdeführers insgesamt keine eigenen Länderberichte, bzw. sich auf die konkrete Lage von Kindern beziehenden Feststellungen zugrunde gelegt wurden, sondern in dem Bescheid des minderjährigen Viertbeschwerdeführers ausschließlich auf die Länderberichte und Feststellungen in dem Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin - als Mutter - verwiesen wird. Es fehlt im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin, auf den der Bescheid des Viertbeschwerdeführers beinahe gänzlich verweist, an konkreten Erörterungen zur Situation des minderjährigen Viertbeschwerdeführers im Falle einer Rückkehr. So wird im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin lediglich ausgeführt, dass es ihr als arbeitsfähiger Frau gemeinsam mit ihrem Mann zumutbar sei, in ihrem Heimatland selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Zur konkreten Situation - der Versorgung und den sicherheitsrelevanten Aspekten - des minderjährigen Viertbeschwerdeführers, wird jedoch weder im Bescheid der Mutter (BF 2) noch im Bescheid des Viertbeschwerdeführers selbst Bezug genommen. Die Minderjährigkeit des Dritt- und Viertbeschwerdeführers wurde - im Rahmen der Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan und Kabul im Falle der Rückkehr - unzureichend berücksichtigt.
Weiters ist festzuhalten, dass sich in den Feststellungen, die Zweitbeschwerdeführerin betreffend, u.a. Ausführungen zu Gewalt an Frauen: Vergewaltigung, Ehrenverbrechen und Zwangsverheiratung befinden. Der Beschwerdeführerin wurde jedoch die Glaubwürdigkeit abgesprochen, da sie dies weder mit konkreten Angaben noch mit Beweismitteln untermauern hätte können. Auch bezüglich des von der Zweitbeschwerdeführerin - im Zuge der Befragung vor dem BFA erstatteten Vorbringens - insbesondere betreffend den Konflikt mit ihrem Vater, der Verletzung von sozialen Normen sowie ihrem westlichen Verhalten - hätten weitere Abklärungen erfolgen müssen.
Das BFA geht in den angefochtenen Bescheiden somit auf wesentliche Verfahrensfragen nicht ausreichend ein, bzw. unterlässt die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen gänzlich. Der von der Verwaltungsbehörde diesbezüglich ermittelte Sachverhalt ist somit diesbezüglich grundlegend ergänzungsbedürftig und die angefochtenen Bescheide sind damit in den angeführten bzw. wesentlichen Punkten begründungslos ergangen.
Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme eines in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführenden Ermittlungsverfahrens als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten Aspekte abdeckende Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, waren die angefochtenen Bescheide zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen.
Auf Grundlage der neuen Ermittlungsergebnisse - unter Einbeziehung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 - wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen und unter Zugrundelegung von spezifischen - die oben angeführten Punkte in ausreichender Weise abklärenden Länderfeststellungen - neue Bescheide zu erlassen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall rein tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Kernbereich auf § 28 Abs. 3 VwGVG anzuwenden ist und diesbezüglich seit jeher Einheitlichkeit gegeben ist.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W140.2186763.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.02.2019