TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/16 W224 2179937-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2019
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Entscheidungsdatum

16.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2179937-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch RA Mag. Nadja LORENZ, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2017, Zl. 1093271802-151681319, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.12.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste im August 2015 von Syrien in die Türkei. Von der Türkei reiste der Beschwerdeführer dann weiter nach Griechenland, danach weiter in das österreichische Bundesgebiet. Dabei wurde er einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Am 03.11.2015 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.11.2015 gab der Beschwerdeführer an, er sei illegal aus seinem Herkunftsstaat Syrien ausgereist. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er an, er habe Syrien wegen des Bürgerkrieges verlassen. Sein Haus sei bombardiert worden. Der IS habe seine Stadt eingenommen. Aus Angst um seine Familie sei er geflohen.

2. Am 31.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Er legte seinen syrischen Reisepass und Personalausweis im Original vor.

Auf die Frage nach seinen Fluchtgründen in Bezug auf Syrien gab der Beschwerdeführer an, er sei persönlich nicht verfolgt oder bedroht worden. Er sei in Syrien zuerst in ein anderes Haus umgezogen, da sein Haus bombardiert worden sei. Trotzdem hätte er mit seiner Familie dort nicht lange bleiben können, weil seine Frau Kurdin sei und aus XXXX stamme, alle Kurden würden nämlich dort vom IS verfolgt. Auf Nachfrage gab er an, er sei nicht nach Damaskus oder ein anderes Gebiet gegangen, weil er da über verschiedene Städte hätte reisen müssen und dabei mit dem Regime oder der Opposition in Kontakt gekommen wäre, er wollte sich aber keiner Gruppe anschließen und mit Politik nichts zu tun haben. Auf Nachfrage nach konkreten staatlichen Verfolgungshandlungen direkt gegen den Beschwerdeführer gab dieser an, er habe keine Probleme persönlicher Art gehabt, aber der Krieg sei eine Fülle an Problemen. Im Krieg sei jeder verfolgt. In Syrien gebe es nirgendwo Sicherheit. Er wolle, dass seine Kinder in Frieden und Sicherheit leben können. Er habe seinen Militärdienst abgeleistet von 1994-1996 und war dabei Schreiber im Büro.

3. Das BFA wies mit Bescheid vom 06.11.2017, Zl. 1093271802-151681319, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatland nicht politisch tätig gewesen und habe auch keinerlei Probleme mit den dortigen Behörden gehabt. Es seien keine Repressionen oder sonstige Diskriminierungen von staatlicher Seite auszumachen gewesen. Der angegebene Fluchtgrund für das Verlassen Syriens liege in der allgemeinen bürgerkriegsähnlichen Situation und der schlechten Sicherheitslage. Dem Beschwerdeführer drohe in seiner Heimat keine Verfolgung aus Gründen der GFK.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. In der Beschwerde machte er die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er sei nicht weiter befragt worden, ob ihm eine Einberufung zum Militär drohe. Das BFA habe zur notorischen Zwangsrekrutierung keinerlei Ermittlungen getätigt. Ebenso sei im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers Kurdin sei und auf Grund dieser ethnischen Zugehörigkeit eine Verfolgung bestehe.

5. Am 18.12.2018 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher Folgendes auszugsweise erörtert wurde:

"[...]

R: Haben Sie zu Ihrer Familie in Syrien noch Kontakt?

BF1: Nein, ich habe niemanden.

R: Wo haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat gelebt bevor Sie ausgereist sind?

BF1: Ich habe in XXXX an der türkischen Grenze gelebt. Im Sommer habe ich in XXXX unterrichtet, gemeinsam mit meiner Frau. Wir haben eine Wohnung gemietet. Wegen den Schulferien haben wir in XXXX gewohnt und in XXXX haben wir unterrichtet.

Es wird Einsicht genommen in die Karte auf der Internetseite https://syria.liveuamap.com/ und feststellt, dass das Herkunftsgebiet des BF1, nämlich XXXX unter der Kontrolle der Opposition steht und sowie XXXX unter der Kontrolle der Kurden steht.

R: Wie sind Sie aus Syrien ausgereist?

BF1: Ich bin nach den Kämpfen dort illegal ausgereist über die syrische türkische Grenze.

R: Wurden Sie bei Ihrer Ausreise aus Syrien bzw. Einreise in die Türkei kontrolliert?

BF1: Wir wurden nicht kontrolliert. Es war die Opposition an der Grenze und es war einfach keinerlei Grenzkontrollen vor Ort. Es waren viele Menschen dort.

[...]

R: Schildern Sie Ihre Fluchtgründe, also die Gründe, aus denen Sie die Syrien verlassen haben, abschließend.

BF1: Mein Gebiet, wo ich gelebt habe, ist der erste Bezirk, das von dem Regime befreit wurde. Das Regime hat dann unser Bezirk bombardiert. Ich meine hiermit XXXX. Ich bin dann gemeinsam mit meiner Frau und meinen Kindern nach XXXX geflüchtet. Auch das Regime hat sich aus XXXX zurückgezogen. Die syrische demokratische Partei, ich meine die kurdischen demokratischen Kräfte, haben dort das Sagen gehabt und die Gegend kontrolliert und das Zusammenleben zwischen Kurden und Araber war empfindlich. Die Kurden wollten die Araber dort nicht mehr haben. Die Familie meiner Frau hat dann meiner Frau gesagt, dass sie dort bleiben kann oder mit mir nach XXXX fahren. Die Familie meiner Frau sind meine Onkel mütterlicherseits, weil meine Mutter Kurdin ist und meine Schwiegerleute sind praktisch meine Onkel mütterlicherseits. Meine Frau ist meine Cousine, das ist die Tochter von meinem Onkel mütterlicherseits. Die Mutter von meiner Frau ist Araberin und sie ist meine Cousine. Ich bin dann nach XXXX gemeinsam mit meiner Familie zurückgefahren. Dann hat das Regime XXXX bombardiert. Nach einer Weile ist Al-Nusra Front auf die Bildfläche getreten. Dann hat sich eine Spaltung an Al-Nusra Front gegeben. Dann sind die verschwunden und der IS kam. Die IS Soldaten haben Soldaten der Opposition vertrieben. Sie haben viele Soldaten getötet und ein großer Teil von der Opposition ist geflüchtet. Die IS haben dann die Macht dort komplett übernommen. Dann wurde unser Bezirk von der Internationalen Alliierten Allianz bombardiert. Der IS hat die Leute auf den Boden getötet und die Allianz haben das Gebiet bombardiert. Es war Chaos. Dann bin ich wieder geflüchtet und nach XXXX gefahren. Ich habe dann gesagt, dass meine Kinder dort sicher sein und ob ich sterbe ist mir dann egal. Die Hauptsache war, dass meine Kinder dort in Sicherheit und Frieden dort leben können. Ich habe dann in XXXX keine Wohnung gehabt, weil das eine Mietwohnung war und die Wohnung wurde von den Eigentümern gebraucht. Dann habe ich XXXX verlassen und bin nach XXXX zurückgegangen, weil ich gehört habe, dass sich der IS und die Kurden versöhnt haben. Ein Teil von der Bevölkerung in XXXX sind auch Kurden und sie haben geglaubt, es wird alles friedlich werden. Es ist aber nicht der Fall gewesen. Die IS haben dann die umliegenden Dörfer immer wieder attackiert und haben die Leute umgebracht. An der Grenze zwischen XXXX und XXXX gibt es einen Fluss. Eines Tages haben die IS Kämpfer sechs oder sieben kurdische Kämpferinnen, welche getötet wurden, in die Stadt XXXX gebracht und ihre Leichen dargestellt. Ich bin Araber und meine Mutter und Frau sind Kurdinnen und die Araber dort und die IS betrachten uns als Heiden und ich habe Angst gehabt. Unser Gebiet wurde als erstes von der Opposition erobert, das heißt vom Regime befreit und das Regime gibt es dort nicht mehr. Ich kann nicht in die Gebiete, wo das Regime die Kontrolle hat, weil ich Angst hatte, dass sie mich nehmen. Ich habe inskribiert und habe das letzte Studienjahr noch offen. Ich habe das letzte Jahr an der Universität nicht besucht, weil ich Angst hatte, dass das Regime mich dort festnimmt, deswegen habe ich die Universität nicht mehr besuchen können. Die IS wollten alle Kurden töten. XXXX wurde einmal von der Allianz bombardiert und ein Teil von meinem Haus wurde komplett zerstört. Dann habe ich meiner Frau gesagt, weil sie Kurdin ist, wir haben hier nichts mehr zu verlieren und wir haben jeden Tag wo anders geschlafen. Zum Schluss haben wir bei einer Familie gelebt, die Araber sind, am Ortsende von XXXX. Die Frau hat gesagt, dass meine Frau Kurdin ist und wir sind jetzt gefährdet, weil sich eine Kurdin bei uns aufhält. Dann war das so, dass die IS die Kurden attackiert haben. Die Kurden haben die IS bombardiert und dann haben alle anderen im Ort um vier Uhr in der Früh die Stadt verlassen. Wir sind sechs, sieben Kilometer zu Fuß gegangen. Dann haben wir ein Auto genommen. Das war nicht in der Gegend von XXXX, weil dort Feldminen und Landminen waren. Ein Auto hat uns bis zur türkischen Grenze gebracht. Vor uns war die Opposition und die Al-Nusra Frontmitglieder. Sie haben von jedem von uns 5000 syrische Lire bekommen.

R: Haben Sie abschließend jetzt alles zu Ihrer Flucht geschildert?

BF1: Dann war ich in der Türkei.

R: Wann verließen Sie Syrien endgültig?

BF1: Anfang oder Mitte August 2015.

R: Welche Familienmitglieder leben derzeit noch in Syrien?

BF1: Meine Mutter ist im Jahr 2013 gestorben und mein Vater, Onkel sind alle verstorben. Wir sind 13 Kinder, drei sind verstorben und wo die anderen sind weiß ich nicht. Ich habe keinen Kontakt zu ihnen und weiß nicht, ob sie in Syrien leben.

R: Gab es Vorfälle in Syrien, die konkret und individuell gegen Sie gerichtet waren?

BF1: Vor dem Krieg war nichts und nach dem XXXX befreit wurde, ja.

R: Was war gegen Sie individuell gerichtet?

BF1: Die haben alle Leute, die aus XXXX stammen als Oppositionelle betrachtet und jeder Bewohner ist ein Oppositioneller.

R: Das ist aber nichts, was konkret gegen Sie gegangen ist.

BF1: Persönlich werde ich als Reservist gesucht.

R: Sie haben in Ihrer Einvernahme beim BFA nichts vom Reservedienst gesagt. Sie haben davon nichts gesagt. Sie sind auf das Neuerungsverbot hingewiesen worden und haben zu Ihren Fluchtgründen angegeben (vgl AS 136): Ich persönlich wurde nicht verfolgt und bedroht.

BF1: Ich habe damals erzählt, dass ich nicht in die Gebiete, wo das Regime kontrolliert hat, hingehen kann, weil jeder, der aus der Gegend kommt, als Reservesoldat vom Regime genommen wird.

R: Ich sehe das nicht, dass Sie das gesagt haben, dass Sie vom Regime als Reservesoldat rekrutiert werden. Das erste Mal steht das dann in der Beschwerde. Von Ihnen persönlich wurde das nicht vorgebracht in der Einvernahme.

BF1: Ich habe das gesagt, aber es wurde nicht geschrieben. Entweder haben sie mich nicht verstanden. Ich habe damals angegeben, auf die Frage warum ich nicht zu den Gebieten wo das Regime herrscht, hingehe, habe ich gesagt, dass ich dort nicht hingehe, weil ich dort festgenommen werde.

R: Sie haben auf AS 136 auf die Frage "LA: Warum haben Sie sich nicht in ein Gebiet begeben, in dem die Kurden wohl gelitten sind? zB Damaskus." Folgendes in der Niederschrift gesagt: "Damaskus ist sehr weit von XXXX, wo wir lebten. Bis wir Damaskus erreichen, müssen wir über verschiedene Städte reisen, dort befindet sich nicht nur der IS, sondern auch sie SFA und die Armee. Egal wohin wir in Syrien geflüchtet wären, wir hätten uns einer Gruppe anschließen müssen, aber ich wollte mit Politik nichts zu tun haben."

R: Aus meiner Sicht ist das eindeutig so zu verstehen, dass dem BF1 keine individuelle und konkrete Verfolgung vorschwebte.

RV: Meiner Ansicht kann die Aussage des BF1 vor dem BFA auch so verstanden werden, dass er sich der Armee anschließen hätte müssen.

BehV: In der Einvernahme hat der BF1 das Thema der Reservisten in keiner Art und Weise angeführt. Es wurde wie schon erwähnt, erst in der Beschwerde darauf Bezug genommen, aber auch darin und in der heutigen Verhandlung sind keine konkreten Verfolgungshandlungen genannt worden. Auch zur Behauptung wonach das Einvernahmeprotokoll unvollständig verfasst worden ist, ist festzuhalten, dass der Sachverhalt betreffend auf das unvollständige Einvernahmeprotokoll heute erstmals vorgebracht wurde und es in der Beschwerde nicht Gegenstand war. Die ergänzenden Länderfeststellungen, die heute vorgebracht wurden von BF1, sind bereits in der Beschwerde erwähnt worden. Darauf wurde auf eine Quelle Bezug genommen, die von März 2017 ist. In den aktuellen Länderfeststellungen wird ebenfalls angeführt, dass es auf einzelnen Fällen zur Einberufung von Reservisten über den 42. Lebensjahr kommt. Allerdings nur über Personen mit besonderen Qualifikationen. Das betrifft jedenfalls nicht den BF1, der Volksschullehrer gewesen ist.

R: Haben Sie Ihren Militärdienst abgeleistet, von wann bis wann war das und was Ihre Funktion? Oder wurden Sie zum Militärdienst einberufen?

BF1: Von 1994 bis 1996 war ich beim Militär. Das waren zweieinhalb Jahre. Ich habe nicht als Mechaniker gearbeitet. Ich habe nur als Hilfsarbeiter Ersatzteile den Mechanikern gebracht. Dann war ich fertig mit der Ausbildung, nach neun Monaten. Danach war ich Schreiber im Büro.

R: Wurden Sie einberufen bevor Sie ausgereist sind?

BF1: Ich persönlich wurde nicht einberufen. Es war eine Generalmobilmachung für Personen bis 42 Jahre. Zuerst 42, dann 44 und dann 48 bis 50jährigen müssen zum Militär gehen.

R: Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass Personen über 42 Jahren in Ausnahmefällen zum Militärdienst einberufen werden, wenn diese eine besondere Aufgabe in ihrer Militärzeit gehabt haben. Sie jedoch waren in keiner strategischen Funktion tätig, sondern Schreiber im Büro. Aus welchem Grund glauben Sie, dass Sie einberufen werden?

BF1: Ich habe beim Militär im Büro gearbeitet. Ich habe die Post aufgemacht, die Post organisiert und geordnet. Ich habe die Post zu den anderen Einheiten gebracht. Ich war kein Kämpfer.

R: Was würde passieren, wenn Sie wieder in den Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF1: Meine Kinder wären verloren und wenn ich zum Regime komme, bin ich auch weg.

R: Können Sie das erläutern?

BF1: Das erste was mir passiert, dass das Regime mich sofort festnimmt und verhaftet. Wenn ich in Syrien Leute hätte, die auf meine Kinder aufpassen würde, ist es egal, aber ich habe niemanden in Syrien, der auf meine Kinder aufpassen könnte.

R: Aus welchem Grund würde das Regime Sie festnehmen?

BF1: Haben Sie von Hama 1980 gehört?

R: Bitte beantworten Sie meine Frage.

BF1: Jeder, der aus XXXX wird sofort festgenommen und jeder, der nicht zur Generalmobilmachung gegangen ist, wird auch festgenommen.

R: Wenn Sie die geschilderten Probleme nicht hätten, könnten Sie dann im Herkunftsstaat leben?

BF1: Ja.

R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

BF1: Nein.

R: Ich habe zu Ihrem Verfahren vorerst keine weiteren Fragen.

R an BF1 und RV: Wollen Sie noch etwas Ergänzendes vorbringen oder Beweisanträge stellen?

BF1: Ich habe alles gesagt.

RV: Falls Sie eingezogen werden würden, warum würden Sie dann die Ableistung des Wehrdienstes verweigern?

BF1: Ich will nicht jemanden von meinen Landsleuten töten, ohne einen Grund. Ich kann niemanden töten. Wenn ich getötet werde, ich habe 6 Kinder und wer soll für sie sorgen.

RV: Wenn Sie zurückkehren müssten nach Syrien, wo würden Sie einreisen?

BF1: Ich würde über die Türkei zurückreisen.

R: Dann würden Sie im Kurdengebiet ankommen und nicht mit dem Regime in Kontakt kommen.

BF1: Ja, ich würde in das Kurdengebiet reisen. Das ist für mich erreichbar.

R: Könnten Sie von der Türkei nach Syrien einreisen ohne mit dem Regime in Kontakt zu treten?

BF1: Ja, ich kann in Gebiete einreisen, wo das Regime nicht die Kontrolle hat.

BehV: Keine Fragen.

R fragt den BF1, ob er den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht."

Der Beschwerdeführer beantragte in der mündlichen Verhandlung eine Frist von zwei Wochen zur Erstattung einer Stellungnahme zu den zugrunde gelegten Länderfeststellungen. In dieser Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer darauf, dass in den Länderfeststellungen angeführt sei, dass auch Personen im Alter von 50-60 Jahren zum Militärdienst einberufen werden können. Weiters sei die Mischehe des Beschwerdeführers mit seiner Frau geeignet, das Misstrauen der kurdischen Einheiten zu erwecken. Berichten zufolge würden auch Kinder und Frauen von der YPG zwangsrekrutiert werden.

Diese Stellungnahme wurde dem BFA übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehörige und Angehöriger der arabischen Volksgruppe. Seine Ehegattin ist XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger des sunnitisch moslemischen Glaubens. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin sind Eltern von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien und XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien. Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor.

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Heimatstaat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens auf Grund der instabilen Sicherheitslage und des innerstaatlichen Konfliktes in Syrien zuerkannt.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe Syrien auf Grund des Krieges und der damit in Zusammenhang stehenden schlechten Sicherheitslage verlassen, ist glaubwürdig und wird der Beurteilung zu Grunde gelegt. Eine drohende asylrelevante Verfolgung ist aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers nicht hervorgekommen, auch nicht aus amtswegiger Wahrnehmung.

Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht feststellen, dass dem Beschwerdeführer insofern eine asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen könnte.

Der Beschwerdeführer ist im 47. Lebensjahr, leistete seinen Militärdienst als Schreiber im Büro ab. Der Beschwerdeführer hat die Post geöffnet und sortiert und war kein Kämpfer. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vom Militär oder anderen Behörden als Reservist einberufen wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer während der Ableistung seines Militärdienstes einen besonderen Rang oder eine besondere Position innegehabt hätte, die eine Einberufung als Reservist in Aussicht nimmt.

Es kann festgestellt werden, dass der letzte Herkunftsort des Beschwerdeführers, der in XXXX, Damaskus-Land/Syrien liegt, unter Kontrolle der Opposition steht. XXXX steht unter der Kontrolle der Kurden. Dieses Ermittlungsergebnis wurde dem Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung durch Einsichtnahme in die Karte https://syria.liveuamap.com/ vorgehalten und er ist diesem auch nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich der Ausreise ohne Kontrolle durch das Regime droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung in Syrien, auch nicht im Zuge der Einreise. Ein anderer Grund, aus dem man dem Beschwerdeführer eine oppositionell-politische Gesinnung unterstellen sollte, ist nicht hervorgekommen.

Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 25.1.2018; letzte Aktualisierung August 2018):

1. Folter und unmenschliche Behandlung

Seit Beginn des Aufstands setzten die Sicherheitskräfte zehntausende Menschen willkürlichen Verhaftungen, ungesetzlicher Haft, dem Verschwindenlassen, Misshandlungen und Folter in einem breiten Netzwerk von Haftanstalten aus. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016).

Freigelassene Gefangene und MitarbeiterInnen der Sicherheitskräfte, die sich abgesetzt haben ("defectors"), berichten von einer Anzahl von Foltermethoden, die von den syrischen Sicherheitskräften verwendet werden. Dazu zählen langes Schlagen - oft mit Schlagstöcken und Drähten - schmerzhafte Stresspositionen, Elektroschocks, sexuelle Angriffe, das Ziehen von Fingernägeln und Scheinhinrichtungen. (HRW 21.1.2014)

Bewaffnete Oppositionsgruppen begehen in wachsendem Ausmaß schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter auch Folter. Ausländische Kämpfer und jihadistische Gruppen sind unter den schlimmsten Tätern. (HRW 21.1.2014) Aber auch die Freie Syrische Armee foltert einem Überläufer zufolge - manchmal mit tödlichem Ausgang. (UK 11.09.2013)

Von den Aufständischen gefangengenommene syrische Sicherheitskräfte oder ihre angeblichen UnterstützerInnen machen unter Folter Geständnisse. Dazu gibt es viele Videoaufzeichnungen, welche Gefangene mit Zeichen physischer Misshandlungen zeigen. (UK 11.09.2013)

Vergewaltigungen, meist von Frauen, aber auch von Männern und Buben, sind zu einer Kriegswaffe geworden. Laut Menschenrechtsgruppen werden die meisten Vergewaltigungen von Gruppen begangen, die den Regimekräften zuzuordnen sind. (FH 23.1.2014)

Regierungskräfte verhafteten, folterten und töteten Hunderte von Angestellten des Gesundheitsbereichs und PatientInnen. Sie griffen absichtlich Fahrzeuge an, die PatientInnen und Vorräte transportierten. (HRW 21.1.2014) Ambulanzfahrer, Krankenschwestern, ÄrztInnen und Helfer würden attackiert, verhaftet oder verschwinden. Auch Schwerverwundete wurden aus Krankenhäusern entführt, weil ihre Verletzungen als Beweise für oppositionelle Unterstützung gewertet wurden. Die extremsten Beispiele lieferte ein Militärkrankenhaus in Homs. Dort wurden Verletzte gefoltert und ÄrztInnen befohlen, die Opfer am Leben zu erhalten, um sie weiter verhören zu können. (ARD 16.9.2013)

2. Risikoprofile

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofilen wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind (siehe Absatz 39). Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Personen, die eine oppositionelle Einstellung haben oder denen eine solche unterstellt wird: Die Regierung wendet für die Definition von oppositioneller Einstellung sehr breite Kriterien an: So kann jede Form von Kritik, Opposition oder mangelnde Loyalität der Regierung gegenüber, in welcher Art auch immer ausgedrückt, zu ernsthaften Konsequenzen für die Person führen. Viele Protestierende, Aktivisten/Aktivistinnen, Wehrdienst-verweigerer, Deserteure, partizipative (Bürger-) Journalisten/Journalistinnen ("citizen journalists"), Ärzte/Ärztinnen und Personen, die humanitäre Hilfe leisten, und denen eine oppositionelle Haltung unterstellt wurde, wurden willkürlich verhaftet, gefoltert, misshandelt und standrechtlich hingerichtet. Viele wurden unter Anti-Terrorismusgesetzen verurteilt, die schwere Strafen vorsehen, wobei "Terrorismus" in diesem Gesetz sehr vage und breit definiert wird. Die meisten Gefangenen werden nie angeklagt. Tausende Zivilisten/Zivilistinnen wurden vor Strafgerichten, dem Anti-Terrorismus-Gericht in Damaskus und Militärgerichten in Verfahren verurteilt, die keine internationalen Fairness-Standards einhalten; häufig nach mehrmonatiger Haft in Untersuchungshafteinrichtungen, die von Sicherheitsbehörden geführt werden, und auf Basis von erzwungenen Geständnissen. Strafen sind Berichten zufolge hart. Die Regierung überwacht politische Treffen, die Post und Onlineaktivitäten. Unzählige Personen wurden verhaftet, weil sie auf social media Fotos oder Videos "geliked" oder geteilt haben, die oppositionelle Meinungen vertreten oder unterstützen. Die sog. Syrische Elektronische Armee hackt Websites und social media Seiten von oppositionellen Gruppen, westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen.

Syrer_innen, die im Ausland in regierungsgegnerische Proteste verwickelt waren, wurden systematisch überwacht, eingeschüchtert und teilweise physisch durch Botschaftsangestellte und andere angegriffen. Familienangehörige von Syrer_innen, die sich im Ausland an Protesten oder ähnlichen Aktivitäten beteiligen, wurden in Syrien befragt, bedroht, verhaftet, körperlich misshandelt oder sogar getötet.

Die echte oder unterstellte regierungsgegnerische Einstellung einer Person wird häufig auch Personen in ihrem Umfeld zugeordnet, wie Familienangehörigen, Nachbarn oder Kollegen/Kolleginnen. Familienangehörige von Aktivisten/Aktivistinnen, Mitgliedern von Oppositionsparteien, Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern wurden Ziel von willkürlichen Verhaftungen, Folter, Misshandlungen, auch sexueller Gewalt und standrechtlicher Exekution. In Fällen, in denen eine gesuchte Person, der eine oppositionelle Haltung unterstellt wird, nicht gefunden werden kann, werden Familienangehörige verhaftet und misshandelt, um zu erfahren, wo die Person ist, damit sie sich stellt, oder um ihre Handlungen zu bestrafen. Weibliche Familienangehörige werden Berichten zu Folge auch zum Tausch bei Gefangenenaustauschen mit regierungsgegnerischen bewaffneten Gruppen verwendet. Nachbarn, Freunde und Kollegen waren ebenfalls Ziele solcher Praktiken.

Aus Angst wird häufig Abstand genommen, sich über eine Verhaftung zu beschweren; stattdessen werden Bestechungsgelder bezahlt, um einen Verhafteten verlegen zu lassen oder freizubekommen. Präsidentielle Amnestien ermöglichten auch Bestechungen von Richtern/Richterinnen. In besonders schweren Fällen wurden ganze Familien von Oppositionellen oder Deserteuren verhaftet oder ermordet, zB während einer Hausdurchsuchung.

Personen, die leicht von den syrischen Behörden als regierungskritisch wahrgenommen werden, oder die Sympathisanten sind oder Verbindungen zur Opposition haben, werden wahrscheinlich internationalen Schutz wegen ihrer auch nur unterstellten politischen Gesinnung benötigen. Der reine Verdacht einer solchen Haltung reicht aus, um eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung auszulösen.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie andere Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder von Parteien, die der Regierung verbunden sind; tatsächliche und vermeintliche Mitglieder von Streitkräften der Regierung sowie Zivilbürger, von denen angenommen wird, dass sie mit Streitkräften der Regierung zusammenarbeiten; Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsnahen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von ISIS sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen ISIS de facto die Kontrolle oder Einfluss ausübt.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner bewaffneter oppositioneller Gruppen sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen diese Gruppen de facto die Kontrolle ausüben.

* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von PYD/YPG sind und sich in Gebieten aufhalten, in denen PYD/YPG de facto die Kontrolle ausüben.

* Angehörige bestimmter Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, Laienjournalisten;

Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen;

Menschenrechtsaktivisten; humanitäre Helfer; Künstler; Unternehmer und andere Personen, die tatsächlich oder vermeintlich vermögend oder einflussreich sind.

* Mitglieder religiöser Gruppen, einschließlich Sunniten, Alawiten, Ismailis, Zwölfer-Schiiten, Drusen, Christen und Jesiden.

* Personen, die vermeintlich gegen die Scharia verstoßen und in Gebieten leben, die unter der Kontrolle oder dem Einfluss extremistischer islamistischer Gruppen stehen.

* Angehörige ethnischer Minderheiten, einschließlich Kurden, Turkmenen, Assyrer, Tscherkessen und Armenier.

* Frauen, insbesondere Frauen ohne Schutz durch Männer, Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt, von Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre ("Ehrendelikt") und Menschenhandel wurden, oder einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

* Kinder, insbesondere Kinder, die in der Vergangenheit festgenommen wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind; sowie Kinder, die Opfer von Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten, sexueller und häuslicher Gewalt, Kinderarbeit, Menschenhandel und systematischer Verweigerung des Zugangs zu Bildungsangeboten wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

* Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder geschlechtlicher Identität.

* Palästinensische Flüchtlinge.

Prinzipiell können Syrer_innen unter Verwendung ihrer Pässe (oder ID-Karten für den Libanon) das Land über jeden Grenzposten, der in Betrieb ist, verlassen. Personen, die ohne gültige Ausweise, nicht über offizielle Grenzübergänge oder ohne Genehmigung ein- oder ausreisen, können mit Haft- oder einer Geldstrafe belegt werden.

Eine Ausreisegenehmigung benötigen Beamte/Beamtinnen (von ihrem Ministerium/ihrer Dienststelle); Berufssoldaten (die, die ohne Genehmigung das Land verlassen, werden wie Deserteure behandelt); Kinder (benötigen die schriftliche Zustimmung des Vaters); Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 42 (benötigen die Zustimmung der Einrichtung, die Einberufungen vornimmt. Nach Informationen des UNHCR betrifft diese Genehmigungspflicht auch Personen, die eine Ausnahmegenehmigung haben; nach Ablauf der Ausnahmegenehmigung wird erwartet, dass sie zum Militärdienst antreten, andernfalls werden sie als Wehrdienstverweigerer angesehen).

3. Religionsfreiheit

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, wobei die Verfassung jedoch vorsieht, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, und dass die islamische Rechtsprechung eine Hauptquelle des Gesetzes darstellt (USDOS 15.8.2017). Die Behandlung von Angelegenheiten des Personenstandsrechtes erfordert die Zugehörigkeit jedes Bürgers zum Christentum, Islam oder Judentum, und die Personen fallen unter die jeweilige Gesetzgebung ihrer religiösen Gruppe in Fällen von Eheschließungen oder Scheidung (USDOS 15.8.2017; vgl. Eijk 2013). Die Religionszugehörigkeit einer Person wird nicht auf der Identitätskarte vermerkt, muss jedoch beim Zivilregister registriert werden. Es ist nicht möglich, "keine Religion" zu haben. Atheisten existieren in Syrien nicht, zumindest nicht laut dem Zvilregister (Eijk 2013). Das Gesetz schränkt Missionierung und Konversionen ein. Es verbietet die Konversion vom Islam zu anderen Religionen, erkennt die Konversion zum Islam jedoch an. Das Strafgesetz verbietet auch "das Verursachen von Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften" (SWP 5.2014; vgl. USDOS 15.8.2017). Ein zum Islam konvertierter Erwachsener kann außerdem nicht zu seinem ursprünglichen Glauben zurück konvertieren (Eijk 2013).

Am Beginn des Konfliktes waren Angriffe auf Minderheiten kein zentraler Bestandteil des Krieges, wobei manche Minderheiten der Gewalt mehr ausgesetzt waren als andere. Die Handlungen von Seiten des Regimes haben jedoch dazu beigetragen, dass die konfessionelle Dimension des Konfliktes eskalierte, was zu willkürlichen Angriffen gegen Zivilisten, auf Basis ihrer Identität und wahrgenommenen Verbindung mit der Regierung oder der Opposition, führte (MRG 12.7.2016; vgl. Welt 4.4.2016). Auch die vermehrte Beteiligung von internationalen Akteuren verstärkte die konfessionellen Spannungen (MRG 12.7.2016).

Die syrische Regierung und die mit ihr verbündeten schiitischen Milizen töten, verhaften und misshandeln Sunniten und Mitglieder von bestimmten Minderheiten physisch, als Teil der Bemühungen den bewaffneten Aufstand von oppositionellen Gruppierungen niederzuschlagen. Laut mehreren Beobachtern des Konfliktes wandte das Regime Taktiken an, die darauf abzielten die extremsten Elemente der sunnitisch-islamistischen Opposition zu stärken, um den Konflikt dahingehend zu formen, dass dieser als ein Konflikt gesehen wird, in dem eine religiös moderate Regierung einer religiös extremistischen Opposition gegenübersteht. Die Revolution wurde somit mit der sunnitischen Bevölkerung assoziiert, die Regierung zielte Berichten zufolge auf Städte und Nachbarschaften mit Belagerung, Beschuss und Luftangriffen auf Basis der Religionszugehörigkeit der Bewohner ab. Während sich Rebellen in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten identifizierten und eine Unterstützerbasis haben, die fast ausschließlich aus Sunniten besteht, und dadurch das Abzielen der Regierung konfessionell motiviert erscheint, merkten Beobachter jedoch an, dass zweifellos auch andere Motivationen für die Gewalt existierten. Experten argumentierten, dass Gewalt auf beiden Seiten oft religiös motiviert sei (USDOS 15.8.2017). Auch der IS ist für Menschenrechtsverletzungen Sunniten gegenüber verantwortlich (USDOS 2.6.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

4. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).

Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).

Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).

4.1. Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).

4.2. Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF)

Die Kräfte der Nationalen Verteidigung (National Defence Forces - NDF), sind das größte Netzwerk von Milizen in Syrien (CMEC 2.3.2015; vgl. DIS 26.2.2015). Das Netzwerk verfügt über eine 2013 gegründete Dachorganisation für verschiedene, mit dem Regime alliierte Milizen und paramilitärische Gruppierungen. Die genaue Mannstärke der NDF ist nicht bekannt, Schätzungen reichen jedoch von 60.000 bis 100.000 Mitgliedern. Kämpfer der NDF gelten als dem Regime loyaler als die Wehrdienstleistenden in der Armee. Die Vorgehensweise der NDF variiert stark zwischen den einzelnen Gebieten. In manchen Gebieten sind Gruppierungen der NDF disziplinierter und in anderen agieren sie eher wie bewaffnete und gewalttätige Banden (FIS 23.8.2016).

In den NDF sind auch Gruppen organisiert, die auf religiöser Zugehörigkeit basieren. So gibt es zum Beispiel eigene Gruppen für Alawiten oder Christen. Manchmal findet die Rekrutierung zu den NDF auf Stammesbasis statt. Rekrutierung durch den Stamm ist vor allem in ländlichen Gegenden wichtig (FIS 23.8.2016). Die NDF sind unter Provinzkommandeuren organisiert (CMEC 2.3.2015). Indem man den NDF beitritt, kann man den Wehrdienst bei der syrischen Armee vermeiden und den eigenen Einsatzort besser beeinflussen und entscheiden, um in der Nähe der eigenen Familie stationiert zu werden. Dies macht den Dienst bei den NDF für jene attraktiver, die sich weigern, zur Armee zu gehen, weil sie dann von zu Hause weggeschickt würden (FIS 23.8.2016).

Der Beitritt zu den NDF ist grundsätzlich freiwillig und anders als in der Armee kann man einen Vertrag unterschreiben, um eine begrenzte Zeit bei den NDF zu dienen. Junge Menschen treten den NDF bei, um in der Nähe ihrer Familien bleiben zu können, um Geld zu verdienen oder eine Waffe zu bekommen. Die Bevölkerung traut diesen Gruppen mehr als der Armee, ihr Fundament sind regionale und lokale Netzwerke. Obwohl generell der Beitritt zu den NDF freiwillig geschieht, kann auch sozialer Druck herrschen, den NDF beizutreten (FIS 23.8.2016).

Milizen der NDF sollen auch Kinder zwangsrekrutiert haben (USDOS 30.6.2016). Es gab Fälle in denen junge Männer von 16 oder 17 Jahren rekrutiert wurden, da die NDF nicht dem Gesetz unterstehen. Rekruten der NDF bekommen einen Identitätsausweis. Als dezidiert Freiwillige sind Angehörige der NDF bei Rebellen verhasster, als reguläre Soldaten - die unter Umständen zwangsrekrutiert worden sind, weshalb diese in noch größere Gefahr laufen, bei Gefangennahme getötet zu werden (FIS 23.8.2016).

4.3. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind der bewaffnete Flügel der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (FIS 23.8.2016). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst. Jede Familie ist dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als "Freiwilligen" für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, kommt es zu Zwangsrekrutierungen, sowohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen, oder zu rechtlichen Konsequenzen (KurdWatch 30.6.2016; vgl. SEM 21.12.2015). Das Grundproblem dieses Gesetzes besteht zum einen darin, dass es nicht von einer dazu legitimierten staatlichen Instanz beschlossen wurde, sondern von einem von der PYD eingesetzten Gremium. Beim bewaffneten Arm der PYD, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), handelt es sich nicht um eine quasistaatliche Armee, sondern um eine Parteimiliz. Zum anderen sieht das Gesetz keine Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vor (KurdWatch 5.2015).

4.4. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).

5. Behandlung nach Rückkehr

Laut der International Organization for Migration (IOM) sind zwischen Januar und Juli 2017 602.759 vertriebene Syrer in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. 93 Prozent davon sind Binnenvertriebene gewesen und 7 Prozent kehrten aus der Türkei, dem Libanon, Jordanien und dem Irak nach Syrien zurück. Rückkehrer aus der Türkei und Jordanien kehrten hauptsächlich in die Provinzen Aleppo und Hassakah zurück (IOM 11.8.2017). Am Beginn des Jahres kam es zur Rückkehr von etwa 150.000 Personen (Zeitraum Januar-April 2017) nach Ost-Aleppo, wobei die Dauerhaftigkeit dieser Rückkehr fragwürdig ist, da die Zahl der beschädigten Unterkünfte in Ost-Aleppo sehr hoch ist (IDMC 2017).

Die Hauptfaktoren, die die Entscheidung zurückzukehren, beeinflussen, sind primär die Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern, den Zustand des eigenen Besitzes/Grundstücks zu prüfen und in manchen Fällen auch die tatsächliche oder wahrgenommene Verbesserung der Sicherheitslage in Teilen des Landes (UNHCR 30.6.2017 und IOM 11.8.2017). Andere Rückkehrgründe können eine Verschlechterung der ökonomischen Situation am Zufluchtsort oder soziokulturelle Probleme sein (Die Presse 14.8.2017, vgl. IOM 11.8.2017).

Das Konzept von Binnenvertriebenen ist jedoch viel weiter gefasst, als jenes von Flüchtlingen. Binnenvertriebene sind all jene, die ihr Zuhause verlassen haben und dabei sehr kurze oder auch weite Entfernungen zurückgelegt haben. Kürzere Distanzen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr. Beispielsweise kehren viele IDPs aus West-Aleppo nach Ost-Aleppo zurück, oder viele IDPs aus den Vorstädten von Damaskus kehrten in die Vororte Qabun oder Qudsaya zurück, nachdem diese von der syrischen Armee wieder erobert wurden. Das hauptsächliche Hindernis bei der Rückkehr bleibt das Fehlen von Sicherheit, wobei diese Einschätzung von der geographischen Herkunft, sozioökonomischen Lage und einer potentiellen Beteiligung im Widerstand gegen das syrische Regime beeinflusst wird (WI 7.7.2017).

Geschätzte 67 Prozent der Rückkehrer (405.420 Personen) kehrten in die Provinz Aleppo zurück, 27.620 nach Idlib, 75.209 nach Hama,

45.300 nach Raqqa, 21,346 nach Damaskus-Umland und 27.861 in andere Provinzen. Berichten zufolge kehrten 97 Prozent der Vertriebenen zu ihrem eigenen Haus zurück, 1,8 Prozent leben bei Gastgebern, 1,4 Prozent in verlassenen Häusern, 0,14 Prozent in informellen Siedlungen und 0,03 Prozent in gemieteten Unterkünften. Der Zugang zu Nahrung und Haushaltsgegenständen der Rückkehrer liegt dieser Studie zufolge bei 80 und 83 Prozent, der Zugang zu Wasser und Gesundheitsversorgung nur bei 41 und 39 Prozent, weil die Infrastruktur des Landes durch den Konflikt extrem beschädigt wurde. Im Jahr 2016 lag die Zahl der Rückkehrer bei 685,662. Von diesen Rückkehrern wurden jedoch geschätzte 20.752 im selben Jahr und 21.045 im Jahr 2017 erneut vertrieben. Während die Zahl der Rückkehrer in Syrien steigt, ist die Zahl der Vertreibungen weiterhin hoch. So wurden von Januar bis Juli 2017 geschätzte

808.661 Personen aufgrund des Konfliktes vertrieben, viele davon zum zweiten oder dritten Mal. Laut IOM war die Rückkehr von IDPs hauptsächlich spontan, aber nicht notwendigerweise freiwillig, sicher oder nachhaltig (IOM 11.8.2017).

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 17.8.2017). Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage des Gesetzes Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt sind (UNHCR 2.2017).

Personen werden bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017). Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen missha

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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