TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/16 W196 2210977-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2019
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Entscheidungsdatum

16.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W196 2210977-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Russische Föderation und Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2018, Zl. 13-821487406-1567564, zu Recht erkannt.

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 13 Abs. 2, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, §§ 9, 18 BFA-VG, §§ 46, 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 16.10.2012 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung am Tag der Antragstellung brachte der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt vor, dass er Staatsangehöriger Syriens sei. Er sei traditionell sowie standesamtlich verheiratet. In Syrien habe er die Grundschule, eine AHS besucht und von 1984 bis 1986 an der Universität in Aleppo studiert. Seine Familie, seine Ehefrau sowie seine beiden Söhne und seine beiden Töchter und seine beiden Brüder würden im Herkunftsland leben. Seine Eltern seien bereits verstorben. Zu seinem Reiseweg, gab er an, dass er ausgehend von Aleppo über Istanbul schlepperunterstützt nach Österreich gereist sei. Zu seinen Fluchtgründen gab er zusammengefasst an, dass der Krieg nach Aleppo gekommen sei, weshalb er mit seiner Familie in ein Dorf geflohen sei. Er sei wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen von den Sicherheitsbehörden gesucht worden. Aus Angst um sein Leben sei er aus Syrien geflohen.

Nach Durchführung einer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16.01.2013, im Rahmen derer der Beschwerdeführer erneut erklärte in Syrien geboren, aufgewachsen und bis zu seiner Ausreise dort gelebt zu haben, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.01.2013, Zl. 12 14.874-BAI, gemäß § 3 AsylG 2005 stattgegeben und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Am 21.08.2014 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung niederschriftlich einvernommen, da ermittelt worden sei, dass sich der syrische Reisepass des Beschwerdeführers, entgegen seiner Angaben, in seinen Gewahrsamen befinde. Ferner sei hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer über einen russischen Reisepass verfügt und unter Verwendung dieses Reisepasses in den Schengenraum eingereist sei.

Aufgrund der neuen Tatsachen fand am 15.01.2015 eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Dabei gab der Beschwerdeführer selbst an, dass ihm geraten worden sei seine Identität zu verschweigen, da er sonst keinen Asylstatus erhalten würde.

In einem Schreiben vom 08.02.2018 des Landesratsamtes München, GZ. 4.2.3.2-161/Wg-330285, wurde das Bundesamt darüber informiert, dass der Beschwerdeführer von der bayrischen Polizei am 07.02.2018 aufgegriffen worden sei. Dabei wurden mehrere Dokumente des Beschwerdeführers, darunter auch ein russischer Reisepass, sichergestellt, die dem Bundesamt folglich ausgefolgt wurden.

Am 11.05.2018 langte beim Bundesamt eine Verständigung des Landesgerichtes Innsbruck, Zl. 32 HR 24/18h-1, ein, wobei bekannt gegeben wurde, dass über den Beschwerdeführer am 10.05.2018 die Untersuchungshaft verhängt wurde.

Am 14.05.2018 langte beim Bundesamt eine Vollzugsinformation ein. Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer am 08.05.2018 festgenommen und am 09.05.2018 in die Justizanstalt aufgenommen worden sei. Er befinde sich in Untersuchungshaft wegen des Verdachtes des Vergehens nach §§ 75 StGB, 15 StGB.

Folglich wurde am 23.05.2018 ein Bericht der Landespolizeidirektion Tirol vom 07.05.2018, GZ: PAD/18/00831711/001/KRIM, an das Bundesamt übermittelt. Demnach sei es am 07.05.2018 zu einem Vorfall zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau gekommen, wobei drei Personen - davon ein Sohn des Beschwerdeführers - als Zeugen angeführt wurden. Es sei zu einem Streit zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau gekommen. Der Beschwerdeführer habe eine ca. 90 cm lange Eisenstange mit einem Durchmesser von ca. 2,5 cm aus seinem Pkw geholt und sei auf seine Ehefrau losgegangen. Er habe mehrmals - ca. 10mal - auf sie eingeschlagen. Die Frau habe versucht ihren Kopf mit der linken Hand zu schützen. Folglich seien der Frau ihr Sohn sowie einige Passanten zu Hilfe gekommen, wodurch der Beschwerdeführer von weiteren Tätlichkeiten habe abgehalten werden können. Gegen den Beschwerdeführer sei ein Betretungsverbot für die gemeinsame Wohnung samt Stiegenhaus ausgesprochen worden.

Unter Besonderheiten wurde im Bericht angeführt: "Bereits in der Vergangenheit kam es zu gleichartigen Vorfällen".

Mit Email vom 01.06.2018 wurde der Abschlussbericht der Landespolizeidirektion vom 29.05.2018, GZ: PAD/18/00831711/001KRIM, an das Bundesamt übermittelt. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des versuchten Mordes und der schweren Nötigung festgenommen und in die Justizanstalt überstellt wurde. Nach Durchführung mehrerer Vernehmungen sei als Motiv eine bereits mehrere Jahre andauernde Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers gegenüber seiner Frau angegeben worden, welche immer wieder in verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen geendet hätten. Es sei auch zu Drohungen und einer schweren Nötigung mittels eines Küchenmessers im November 2017 gekommen. Der Beschuldigte habe erzwingen wollen, dass er den Kontakt zu seinen Kindern aufrechterhalten könne. Das Opfer wolle die Scheidung einreichen. Ferner geht aus dem Bericht hervor, dass beim Beschwerdeführer ein Blutalkoholgehalt von 1,2 G/L festgestellt worden sei. Laut Angaben des Sohnes des Beschwerdeführers habe der Beschwerdeführer nach der Tat noch eine große Menge Wodka getrunken, um seine Deliktsfähigkeit zu beeinträchtigen. Der Beschwerdeführer sei über Anordnung der Staatsanwaltschaft und gerichtlicher Bewilligung gemäß § 170 Abs. 1 Z 4 und § 171 Abs. 1 StPO festgenommen und nach mündlicher Anordnung der Staatsanwaltschaft und nach Abschluss der Erhebungen am 09.05.2018 in die Justizanstalt überstellt worden.

In der Folge fand am 13.06.2018 im Rahmen des Parteiengehörs zur amtswegigen Wiederaufnahme des Asylverfahrens eine erneute Einvernahme des Beschwerdeführers im Beisein eines geeigneten Dolmetschers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Dabei wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er die Behörde aufgrund des Verschweigens seiner russischen Staatsbürgerschaft sowie seines Reiseweges veranlasst habe, in seinem Asylverfahren positiv zu entscheiden. Diese Entscheidung sei durch falsche Zeugnisse erschlichen worden, da er mit Irreführungsabsicht entscheidungsrelevante Tatsache verschwiegen habe. Somit habe er den Tatbestand des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG erfüllt und werde sein Asylverfahren von Amts wegen wiederaufgenommen. Demnach trete nach Ausfolgung des Bescheides das Asylverfahren ins Stadium vor Bescheiderlassung zurück und werde der Ausgang unter Einbindung der neu hervorgekommenen Tatsachen geprüft.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 13.06.2018, Zl 13-821487406/1567564 (AIS 12 14.874-BAI), wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs 1 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 16.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wobei er nur seine syrische Staatsangehörigkeit bekannt gegeben habe. Demnach habe er seine russische Staatsbürgerschaft gänzlich verschwiegen und habe er während des gesamten Verfahrens verschwiegen, dass er über einen Anknüpfungspunkt zur Russischen Föderation verfüge.

Am 19.06.2018 wurden ein weiteres Mal der Abschlussbericht der Landespolizeidirektion vom 29.05.2018 sowie ein Befund der Krankenabteilung der Justizanstalt vom 14.06.2018, an das Bundesamt übermittelt. In dem Befund wurde dem Beschwerdeführer ein guter Allgemeinzustand bescheinigt. Der Beschwerdeführer leide an Diabetes II. und unter einem Alkoholabhängigkeitssyndrom.

Im Wege der Elektronischen Zustellung langte eine Verständigung der Staatsanwaltschaft vom 31.07.2018, Zl. 28 St64/18a-54, beim Bundesamt ein. Darin wurde die Erhebung der Anklage gegen Beschwerdeführer wegen § 15 StGB, § 75 StGB, § 15 StGB, §§ 105 (1), 106(1) und 107 (1+2) StGB bekannt gegeben.

Am 01.08.2018 langte die Anklageschrift des Landesgerichtes vom 26.07.2018, Zl. 39Hv85/18a-55, beim Bundesamt ein.

Am 07.08.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der Datenaufnahme wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger Syriens und der Russischen Föderation sei, was der Beschwerdeführer bestätigte. Des Weiteren brachte er vor, dass seine Neffen, die Söhne seiner Schwester, in der Russischen Föderation aufhältig seien. In Syrien lebe niemand mehr von seinen Verwandten. Er habe die russische Sprache gelernt. Danach habe er mit den Russen und Ukrainern als Vermittler für syrische Kleidung und Schuhe gearbeitet. Er sei zwischen Syrien, Russland und der Ukraine hin und her gependelt. Einmal sei er für 40 Tage mit seiner Frau in Russland gewesen einmal für zwei Monate, wobei nicht jährlich, und einmal für 10 Monate. Er sei mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten in Russland gut vertraut. Befragt, ob er zu seinem Reiseweg etwas Ergänzendes vorbringen wolle, gab er an, dass er noch ausführen wollen, dass er, als er in Österreich angekommen sei, wieder nach Moskau zurückgekehrt sei. Als er in Russland gewesen sei, habe er bemerkt, dass die allgemeine Lage sehr schlecht sei. Daraufhin habe er sich ein Visum besorgt und sei wieder nach Österreich gereist. Die Fragen, ob der Beschwerdeführer in Russland von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht werden, er jemals von einer Behörde angehalten oder festgenommen worden sei oder Probleme mit den russischen Behörden gehabt habe, verneinte der Beschwerdeführer allesamt. Ferner verneinte er befragt, ob er in Russland Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei sei oder wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von staatlicher Seite verfolgt worden sei. Nach Hinweis des Neuerungsverbots im Beschwerdeverfahren erklärte er, dass er in Russland mit Händlern gearbeitet habe und von arabischen Händelern über die Mafia bedroht worden sei, da er ihnen Geld schulde. Zudem habe er in Russland keine Unterkunft und würde sich der Staat Russland in den Syrienkrieg einmischen. Da er Flüchtling sei, werde er vielleicht auch in Russland verfolgt. Ansonsten habe er alles erzählt und keine weiteren Gründe mehr vorzubringen. Über Nachfrage, wann die Bedrohung stattgefunden hätten, gab er an, dass die Mafia im Jahr 1998 Geld von ihm hätte wollen. Von den Händelern sei er im Jahr 2008, 2009 und 2010 bedroht worden. Er sei bis 2011 bedroht worden und folglich nach Europa verzogen. Befragt, was er im Falle einer Rückkehr nach Russland zu befürchten habe, gab er an, dass er das nicht wisse; vielleicht würden sie Geld von ihm wollen. Er habe jedoch keines mehr. Zu seinem Aufenthalt und seiner Integration in Österreich befragt, gab er an, dass er sich derzeit in der Justizanstalt befinde. Im März 2018 habe er ein Gewerbe angemeldet und als Chauffeur gearbeitet. Er sei nicht unterhaltspflichtig und habe er in einer Wohnung gewohnt, die vom Sozialamt finanziert worden sei bis seine Frau in das Frauenhaus gegangen sei. Danach habe er selbst für die Kosten aufkommen müssen. Vermutlich wohne wieder seine Frau mit den Kindern in der besagten Wohnung. Er habe B1 abgeschlossen, jedoch keine Prüfung gemacht. Bis auf Deutschkurse habe er keine weiteren Aus- oder Fortbildungen, Kurse besucht noch sei er Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Er habe gute Kontakte zu seinen Nachbarn und sei mit einem Syrer befreundet, den er hier in Österreich getroffen habe und zu dem er wenig Kontakt habe. Bis auf seine Frau und seine fünf Kinder habe er keinen Verwandten in Österreich.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.08.2018, Zl. 821487406-1567564/BMI-BFA_TIROL_AST, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet wegen der Verhängung der Untersuchungshaft (§§ 173 ff StPO) mitgeteilt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.11.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.10.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat der Russischen Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und einn Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt. (Spruchpunkt VI.) Unter Spruchpunkt VII. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet ab dem 10.05.2018 gemäß § 13 Abs. 2 Z. 3 AsylG verloren hat. Unter Spruchpunkt VIII. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Letztlich wurde unter Spruchpunkt IX. dieses Bescheides gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren erlassen.

Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges und der Einvernahmen stellte die belangte Behörde soweit wesentlich fest, dass die syrische und russische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers aufgrund der sichergestellten Reisepässe festgestellt werden habe können. Festgestellt werde, dass der Beschwerdeführer versucht habe seine russische Staatsangehörigkeit zu verschleiern. Er spreche Russisch, Arabisch und Deutsch. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe fünf Kinder, die alle in Österreich leben würden. Zwei Neffen und ein Bruder würden in der Russischen Föderation, Moskau leben. Zum Gesundheitszustand stellte die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer an Diabetes Mellitus Typ 2 leide sowie an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom. Demnach wurde festgestellt, dass er an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Krankheiten leide. Eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit habe nicht festgestellt werden könne. Es hätten keine Probleme des Beschwerdeführers im Sinne der GFK festgestellt werden können. Es könnten keine privaten Übergriffe von Seiten der Mafia oder Kriminellen festgestellt werden. Feststehe, dass der Beschwerdeführer über familiäre Anknüpfungspunkte in der Russischen Föderation verfüge. Er verfüge über eine fundierte Ausbildung und umfangreiche Berufserfahrung in Syrien, Russland und Österreich. Zu seinem Privat- und Familienleben wurde festgestellt, dass er von der gemeinsamen Wohnung mit seiner Frau weggewiesen worden und Betretungsverbot verhängt worden sei. Der Beschwerdeführer sei mehrfach wegen Übertretungen gegenüber seiner Frau durch die Polizei angezeigt worden. Der Beschwerdeführer betreibe seit März 2018 ein Restaurant, habe Kontakt zu seinen Nachbarn. Weitere soziale Bindungen und/oder wirtschaftliche Anknüpfungspunkte hätten nicht festgestellt werden können und seien vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet worden. Er sei weder Mitglied in einem Verein noch in einer Organisation. Er habe Deutschkurse besucht, jedoch keine Prüfung absolviert. In einer Gesamtschau und nach einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK folgerte die Behörde, dass sich im Fall des Beschwerdeführers kein Hindernis herausgestellt habe, das einer Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation entgegenstehe. Zum Einreiseverbot führte die Behörde aus, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers aufgrund seines Verhaltens eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bejaht werden könne. Der Beschwerdeführer habe die Behörden getäuscht und der Republik, aufgrund seiner erschlichenen rechtlichen Stellung, einen nicht unerheblichen Schaden zugefügt. Ferner sei der Beschwerdeführer wegen Mordes und schwerer Nötigung an seiner Ehefrau angezeigt und eine diesbezügliche Anklage erhoben worden. Auch ohne die Unschuldsvermutung unterlaufen zu wollen, so habe die Behörde durchaus einen Gesamteindruck des Beschwerdeführers. In Summe wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Verhaltens - eklatanter Missbrauch des Asylsystems, der durch Täuschung betriebenen Ausnutzung des österreichischen Sozialsystems, der Begehung einer Verwaltungsstrafe - offenbar nicht gewillt ist, sich den Geboten der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen und sei darin keine Besserung-, sondern eine zunehmende Verschlechterungstendenz zu erkennen. Der Beschwerdeführer werde demnach auch in der Zukunft eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich darstellen.

Am 09.12.2018 langte eine Beschwerde durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers ein. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid rechtswidrig sei und vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer der Asylstatus aufgrund des Umstandes, dass seine Ehefrau ebenfalls den internationalen Schutz genieße, ihm sein Status nicht entzogen werden könne, da der Beschwerdeführer ebenfalls asylberechtigt sei. Solange ein Schutztatbestand bestehe, dürfe das Asyl nicht entzogen werden. International schutzberechtigt als Angehöriger seiner Ehegattin könne auch eine Person sein, die die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beschwerdeführers, beinhaltend die niederschriftliche Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.10.2012, den Einvernahmen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 16.01.2013, am 15.01.2015, am 13.06.2018 und am 07.08.2018 sowie durch die Einvernahme durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung am 21.08.2014 die vorgelegten Dokumente, der Beschwerde vom 09.12.2018 gegen den angefochtenen Bescheid des BFA werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation sowie Staatsangehöriger Syriens und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist verheiratet, er gehört der Volksgruppe der Araber an und hat muslimischen Glauben (Sunnit). Der Beschwerdeführer ist in Syrien, Aleppo, geboren. Dort besuchte er die Grundschule von 1972 bis 1981, eine allgemeine höhere Schule von 1981 bis 1984 sowie die Universität von 1984 bis 1986. Er arbeitete als Händler in Syrien, der Russischen Föderation und in der Ukraine. Der Beschwerdeführer erlernte die Russische Sprache und ist mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in der Russischen Föderation gut vertraut.

Im Oktober 2012 reiste der Beschwerdeführer ausgehend von Moskau in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 16.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Erstbefragung und der Einvernahme an syrischer Staatsangehöriger zu sein. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.01.2013 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Der Beschwerdeführer ist seit Oktober 2012 einmal nach Russland und in die Türkei und einmal nach Deutschland gereist.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer wissentlich seine russische Staatsangehörigkeit verschwiegen hat, um sich den Status eines Asylberechtigten zu erschleichen. Der Beschwerdeführer hat seine Mitwirkungspflichten gemäß § 15 AsylG verletzt.

Nach dem Bekanntwerden, dass der Beschwerdeführer auch russischer Staatsangehöriger ist, wurde das Verfahren des Beschwerdeführers gemäß § 69 AVG von Amtes wegen wiederaufgenommen und sein Antrag vom 16.12.2012 mit dem gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in allen Spruchpunkten abgewiesen.

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf die Russische Föderation. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Gefährdung, die von Seiten des russischen Staates ausgeht, ausgesetzt ist. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten russischer Behörden bzw. aufgrund seiner politischen Gesinnung ausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation aus Gründen seiner Volksgruppe und/oder aus Gründen seines Glaubens einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Russische Föderation aus sonstigen, in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asyl-relevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

Der Beschwerdeführer hat eine Verwaltungsübertretung begangen. Während seines Aufenthaltes erfolgten gegen den Beschwerdeführer drei Anzeigen wegen körperlicher Gewalt im Familienkreis. Gegen den Beschwerdeführer wurde Anklage wegen des versuchten Mordes und schwerer Nötigung an seiner Ehefrau erhoben. Gegen den Beschwerdeführer wurde im Jahr 2017 sowie im Mai 2018 eine Wegweisung und ein Betretungsverbot verhängt. Gegen den Beschwerdeführer wurde die Untersuchungshaft verhängt und wurde er seines Aufenthaltsrechtes gemäß § 13 Abs. 2 AsylG verlustig.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 09.05.2018 durchgehend in Untersuchungs- bzw. Strafhaft, da gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen des versuchten Mordes und der schweren Nötigung erhoben wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Strafe gemäß § 35 AVG verhängt.

Der Beschwerdeführer leidet an Diabetes Mellitus 2 und an einer Alkoholsuchtabhängigkeit. Der Beschwerdeführer befindet sich in einem guten Allgemeinzustand. Weitere Erkrankungen in körperlicher oder psychischer Hinsicht sowie Hinweise auf einen längerfristigen Pflege-oder Rehabilitationsbedarf konnten nicht festgestellt werden und wurden auch nicht vorgebracht.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und verfügt in der Russischen Föderation über familiäre Kontakte. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation ein familiäres bzw. soziales Netz vorfinden und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würde.

Der Beschwerdeführer ist seit Oktober 2012 in Österreich aufhältig. In dieser Zeit hat er Deutschkurse besucht, jedoch kein Prüfungszertifikat vorgelegt. Der Beschwerdeführer war phasenweise berufstätig und legte diesbezügliche Verdienstnachweise für den Zeitraum von April bis Juli 2015 vor. Seit Jänner 2018 hat der Beschwerdeführer die Mindestsicherung erhalten. Er ist weder Mitglied in einem Verein, einer sonstigen Organisation noch hat er weitere Aus- Weiter- Fortbildungen oder Kurse absolviert. In Österreich leben seine Ehefrau und seine fünf Kinder. Das Verhältnis zu seiner Ehefrau ist zerrüttet. Der Beschwerdeführer hat Kontakt mit seinen Nachbarn und einem Syrer, der in Österreich lebt. Darüber hinaus verfügt er weder über soziale Kontakte noch über Verwandte im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Wegweisung und Einlieferung in der Justizanstalt Innsbruck in einer vom Sozialamt finanzierten Wohnung.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen ebenso nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur Lage in der Russischen Föderation:

0. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montag (7.5.2018) den Eid für seine vierte und somit letzte Amtszeit abgelegt. Vor etwa 5.000 Gästen im Kreml in Moskau gelobte er, "dem Volk treu zu dienen", wie es in der Eidesformel heißt (Kurier.at 7.5.2018).

Bei der Präsidentenwahl im März 2018 hatte die Wahlbehörde ihm ein Rekordergebnis von knapp 77% der Stimmen zugesprochen. Überschattet wird die Amtseinführung von der Gewalt, mit der die Polizei am 5.5.2018 Kundgebungen von Regierungsgegnern auflöste. Landesweit wurden dabei etwa 1.600 Anhänger des Oppositionellen Alexej Nawalny festgenommen, die meisten aber wieder freigelassen. Doch das Bürgerrechtsportal "OVD-Info" zählte am Montag immer noch dutzende Demonstranten in Gewahrsam (Standard.at 7.5.2018).

Alexej Nawalny hatte zu landesweiten Protesten gegen den Kremlchef aufgerufen, unter dem Motto "Er ist nicht unser Zar" fanden sich in rund 90 Städten Demonstranten zusammen. Die größten Veranstaltungen gab es traditionell in Moskau und St. Petersburg. Vor allem junge Menschen folgten dem Aufruf Nawalnys. In der Hauptstadt Moskau waren es nach Einschätzung der Tageszeitung Kommersant rund 10.000 Demonstranten, während die Polizei die Menge dort auf nur 1.500 Personen taxierte. Die in jedem Fall verhältnismäßig geringe Zahl der Demonstranten ist auch auf die anhaltende Zersplitterung der russischen Opposition zurückzuführen. So beteiligten sich weder die sozialliberale Jabloko-Partei, noch die neue "Partei der Veränderungen" um Xenia Sobtschak und Dmitri Gudkow an den Kundgebungen. Die Obrigkeit hingegen hatte eine enorme Anzahl an Sicherheitskräften aufgefahren, um mögliche Unmutsbekundungen im Keim zu ersticken. Neben der Polizei waren Männer in Kosakenuniform im Einsatz. Kosaken - eigentlich Folklore - treten immer wieder als Hilfspolizisten auf. In Moskau gingen sie hart gegen die Menge vor. Auch die Polizei setzte Schlagstöcke gegen die Demonstranten ein. Kritik am harten Vorgehen der Behörden gab es nicht nur von der EU, sondern auch aus dem Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten. Speziell der Einsatz der Kosaken rief dort Unmut hervor. Kremlsprecher Dmitri Peskow hingegen kommentierte die Vorfälle nicht. Nawalny wurde gleich nach seinem Eintreffen auf dem für die Protestaktion zentralen Puschkin-Platz abgeführt. Etwa 80% der Festgenommen wurden innerhalb eines Tages wieder auf freien Fuß gesetzt. Auch Nawalny kam nach mehreren Stunden vorläufig frei, allerdings muss er sich am 11.5.2018 - vier Tage nach den Inaugurationsfeiern im Kreml - vor Gericht wegen der Organisation einer ungenehmigten Kundgebung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verantworten. Als Wiederholungstäter droht dem Oppositionellen eine empfindliche Strafe (Standard.at 6.5.2018).

Quellen:

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Standard.at (6.5.2018): Härte gegen Proteste vor erneuter Putin-Amtseinführung,

https://derstandard.at/2000079263953/Nawalny-nach-Festnahme-bei-Oppositionskundgebung-wieder-frei, Zugriff 7.5.2018

-

Standard.at (7.5.201): Putin trat vierte Amtszeit als Präsident an, kommt am 5. Juni nach Wien, https://derstandard.at/2000079311730/Putin-tritt-vierte-Amtszeit-als-russischer-Praesident-an, Zugriff 7.5.2018

-

Kurier.at (7.5.2018): Putin trat vierte Amtszeit an und besucht am 5. Juni Wien,

https://kurier.at/politik/ausland/putin-trat-vierte-amtszeit-an-geloebnis-vor-5000-gaesten/400031920, Zugriff 7.5.2018

Wie erwartet ist Russlands Präsident Putin bei der Präsidentschaftswahl am 18.3.2018 im Amt bestätigt worden. Nach Auszählung von 99% der Stimmen errang er 76,7% der Stimmen. Putins stärkster Herausforderer, der Kommunist Pawel Grudinin, kam auf 11,8%, dahinter der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski mit 5,7%. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur Tass zufolge bei knapp 67%, und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration. 70% waren in den letzten Wochen inoffiziell als Ziel gestellt worden, zuletzt hatte der Kreml die Erwartungen auf 65% heruntergeschraubt (Standard.at 19.3.2018, vgl. Presse.at 19.3.2018). Die Beteiligung galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerung. Entsprechend beharrlich hatte die russische Führung die Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben (Tagesschau.de 19.3.2018).

Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018).

Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin. Sie stellte Bilder einer Überwachungskamera in einem Wahllokal nahe Moskau zur Verfügung, die offenbar zeigen, wie Wahlhelfer gefälschte Stimmzettel in eine Urne stopfen. Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018).

Quellen:

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Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 19.3.2018

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Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 19.3.2018

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Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 19.3.2018

In Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, ist die gesamte Regierungsspitze auf Befehl Moskaus festgenommen worden, insgesamt sieben Personen: der kommissarische Regierungschef Abdussamad Gamidow, zwei seiner Stellvertreter und vier weitere ranghohe Beamte. Ihnen wird Korruption vorgeworfen. Persönliche Waffen der Politiker wurden beschlagnahmt. Die Politiker wurden von Sicherheitskräften aus Moskau in Handschellen zum Flughafen gebracht und zu Vernehmungen in die russische Hauptstadt geflogen. Die muslimisch geprägte russische Teilrepublik Dagestan wird von Korruption und islamistischem Extremismus geprägt und macht Moskau Sorgen. Präsident Wladimir Putin entsandte im vergangenen Oktober den ehemaligen russischen Vize-Innenminister Wladimir Wassiljew, um für Ordnung zu sorgen. Im Januar war bereits der Bürgermeister der Hauptstadt, Mussa Mussajew, wegen Amtsmissbrauchs verhaftet worden (Euronews 6.2.2018, vgl. Kurier 5.2.2018).

Der Präsident der Republik Dagestan, Ramasan Abdulatipow, ist im September 2017 von seinem Amt aus Altersgründen zurückgetreten (Ostexperte.de 28.9.2017). Am 9.10.2017 wird daraufhin Wladimir Wasiljew zum kommissarischen Oberhaupt der Republik Dagestan ernannt (Länderanalysen - Chronik 9.10.2017).

Quellen:

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Euronews (6.2.2018): Dagestan: Gesamte Regierung in Handschellen abgeführt,

http://de.euronews.com/2018/02/06/dagestan-gesamte-regierung-in-handschellen-abgefuhrt, Zugriff 7.2.2018

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Kurier (5.2.2018): Russland: Regierungsspitze in Dagestan festgenommen,

https://kurier.at/politik/ausland/russland-regierungsspitze-in-dagestan-festgenommen/309.777.147, Zugriff 7.2.2018

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Russland Analysen (9.10.2017): Chronik: Russland im Jahr 2017, http://www.laender-analysen.de/russland/chroniken/Chronik_RusslandAnalysen_2017.pdf, Zugriff 7.2.2018

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Ostexperte.de (28.9.2017): Präsident von Dagestan verkündet Rücktritt,

https://ostexperte.de/praesident-von-dagestan-verkuendet-ruecktritt/, Zugriff 7.2.2018

1. Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

* CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

* EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

* GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

* Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

* RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

* Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

2. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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