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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des W M in U, vertreten durch Dr. Josef Lachmann und Dr. M. Alexander Pflaum, Rechtsanwälte in Wien I, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Mai 1998, Zl. 512.885/06-I 5/98, betreffend Fristverlängerung für eine wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 11. März 1985 wurde dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 10 und 32 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung zur Durchführung einer Nassbaggerung auf Teilflächen der Grundstücke Nr. 387/1 und 387/2 der KG. U. und zur Nutzung des Baggerteiches als extensiv betriebener Sportfischteich erteilt, wobei, wie es in diesem Bescheid heißt, sich die Sportfischteichnutzung auch auf die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G. vom 9. Juni 1977 bewilligte Nassbaggerung auf Teilflächen der Grundstücke Nr. 385/17, 386/30, 386/31, 386/33, 385/30 und 386/1, alle KG. U. bezieht.
Als Frist für die Vollendung des Vorhabens wurde unter Berufung auf § 112 WRG 1959 der 31. Dezember 1994 bestimmt.
In der Begründung dieses Bescheides wird unter anderem das im Verfahren vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen abgegebene Gutachten wiedergegeben. In diesem Gutachten heißt es, die Vergrößerung der Wasserfläche über die in den Nassbaggerungsrichtlinien der belangten Behörde festgelegten Mindestausmaße hinaus stelle hinsichtlich der Erhaltung des Selbstreinigungsvermögens des Wassers im Baggerteich durchaus eine Verbesserung dar. Bei projektsgemäßer Ausführung und Einhaltung der in den Bescheid aufgenommenen Auflagen und Bedingungen seien wesentliche Auswirkungen auf das Grundwasser nicht zu erwarten.
Mit Eingabe vom 12. September 1994 beantragte der Beschwerdeführer beim LH die Erstreckung der Bauvollendungsfrist bis 31. Dezember 2004. Zur Begründung führte er aus, laut Projekt sollte die beantragte Nassbaggerung durch Vereinigung mit dem mit Bescheid der BH G. aus dem Jahr 1977 bewilligten Baggerteich zu einer Wasserfläche von rund 7,0 ha ausgeweitet werden. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen, vor allem auf Grund der Korngrößenverteilung des innerhalb der letzten neun Jahre gewonnenen Materials, welches nur zu einem geringen Prozentsatz zu dem vor Ort gewonnenen Kiesmaterial zugemischt werden könne, um die optimale Korngrößenverteilung zu erreichen, habe der Nassbaggerungsbetrieb nicht wie im Bescheid gefordert, innerhalb der festgelegten Frist fertig gestellt werden können. Diese Tatsache sei jedoch zum Bewilligungszeitpunkt nicht bekannt gewesen. Sie habe sich erst auf Grund der steigenden Anforderungen an das Kiesmaterial ergeben. Es seien demnach rund 3,8 ha (also mehr als die Hälfte der bewilligten Fläche) noch nicht vollständig auf die entsprechende Tiefe ausgebeutet und der Ausbau habe großteils erst bis in den Grundwasserschwankungsbereich stattgefunden. Auch sei darauf hinzuweisen, dass die bislang freigelegte Grundwasserfläche mit rund 3,2 ha nur geringfügig über der in den Richtlinien der belangten Behörde vorgeschriebenen Flächengröße liege bzw. dass die derzeitige Wasserfläche noch aus zwei getrennten Teilflächen bestehe.
Der LH richtete an einen wasserbautechnischen Amtssachverständigen die Frage, ob triftige Gründe für eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist vorlägen, ob die Wasserbenutzung unter Beachtung des Standes der Technik erfolge und ob sie öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.
Der Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme vom 24. Oktober 1994 Folgendes aus:
"Zur Frage, ob im vorliegenden Fall triftige Gründe zur Verlängerung der festgesetzten Baufristen vorliegen:
Da sich die betreffende Nassbaggerung innerhalb eines wasserwirtschaftlich besonders geschützten Gebietes befindet (Rahmenverfügung für das Marchfeld) und zusätzlich noch im Zustrom zu einem Schongebiet und die bestehenden Wasserflächen zusammen gesehen gemäß den für derartige Angelegenheiten geltenden Richtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft eine ausreichende Größe aufweisen, wäre jede weitere Entnahme eine unnötige Gefährdung für das Grundwasser.
Man sollte lediglich im Zuge einer Vorschreibung von letztmaligen Vorkehrungen die Entfernung des Zwischendammes zwischen den beiden Wasserflächen vorschreiben.
Die ...... Frage, inwieweit die Wasserbenutzung unter
Beachtung des zum derzeitigen Zeitpunkt geltenden Standes der Technik erfolgt, erscheint auf Grund des generellen Widerspruchs zu einer Rahmenverfügung bei einem Weiterbetrieb nicht erforderlich."
In der Folge holte der LH eine Stellungnahme einer Amtssachverständigen für Biologie ein. Diese führte in ihrer Stellungnahme vom 15. Mai 1996 aus:
1. "Die ggst. Grundwasserfreilegung weist derzeit eine Wasserfläche von insgesamt 3,5 ha auf, wobei diese jedoch durch einen Damm in zwei Hälften (2,4 ha und 1,1 ha Wasserfläche) getrennt ist. Auf Grund der örtlichen Untergrundverhältnisse (gut wegsamer Schotterkörper) ist jedoch von einem permanentem Wasseraustausch zwischen den beiden Teichen auszugehen, sodass die Grundwasserfreilegung als einheitliche Wasserfläche betrachtet werden kann. Da die Wasserfläche den Richtlinien des Bundesministeriums für die Entnahme von Sand und Kies voll entspricht, kann mit einem ausreichenden Selbstreinigungsvermögen des Gewässers und damit auch mit einer ausreichenden Stabilität der Wasserqualität gerechnet werden. Eine weitere Vergrößerung der Wasserfläche wird demnach für die Erhaltung einer im Sinne des Grundwasserschutzes ausreichenden Wasserqualität für nicht erforderlich erachtet. Außerdem würde eine weitere Öffnung des Grundwasserkörpers im Widerspruch zu den Zielsetzungen der Rahmenverfügung Marchfeld stehen.
2. Eine Ausnahme davon stellt lediglich die Entfernung des Zwischendammes dar, welche innerhalb kurzer Frist (max. 6 Monate zu erfolgen hat. Diese Maßnahme erscheint aus der Sicht des Grundwasserschutzes durchaus vertretbar, ist jedoch nicht unbedingt erforderlich.
3. Wie bereits unter 1. angeführt, würde eine weitere Grundwasserfreilegung dem Widmungszweck des Grundwassers innerhalb der bestehenden Rahmenverfügung widersprechen und daher das öffentliche Interesse am Schutz des Grundwassers bzw. an dessen Erhaltung in Trinkwasserqualität beeinträchtigen.
4. Aus fachlicher Sicht liegen keine triftigen Gründe für eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist bis in das Jahr 2004 vor. Die unter 1. angeführte mögliche Entfernung des Zwischendammes kann innerhalb kurzer Zeit (max. 6 Monate) erfolgen. Auch diese Frist versteht sich als Maßnahme zum Schutz des Grundwassers, da jede bauliche Maßnahme eine potentielle Grundwassergefährdung darstellt und sich der Teich erst nach Beendigung der Bauarbeiten zu einem im Gleichgewicht befindlichen Lebensraum entwickeln kann."
Der Beschwerdeführer hielt der Stellungnahme der Amtssachverständigen für Biologie - nur diese wurde ihm zur Kenntnis gebracht - entgegen, der Schutzzweck der Rahmenverfügung für das Marchfeld sei weder im Jahr 1977 noch im Jahr 1985 der Erteilung einer Nassbaggerungsbewilligung entgegengestanden. Wie der Begründung des Bescheides des LH vom 11. März 1985 sowie dem Gutachten des beigezogenen Amtssachverständigen in der Verhandlungsschrift vom 17. Dezember 1984 zu entnehmen sei, habe nach fachmännischem Kalkül die Vergrößerung der Wasserfläche über die in den Nassbaggerungsrichtlinien der obersten Wasserrechtsbehörde 1975 festgelegten Mindestausmaße hinaus für die Erhaltung des Selbstreinigungsvermögens des Wassers eine Verbesserung dargestellt. Auswirkungen auf das Grundwasser seien bei projektgemäßer Ausführung nach damaligem Sachverständigenkalkül, an dem sich auch heute nichts geändert habe, nicht zu befürchten gewesen. Im Besonderen sei es dem Sachverständigen damals vor dem Hintergrund, dass das Vorhaben im Geltungsbereich der wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung für das Marchfeld gelegen sei, wichtig gewesen, sicherzustellen, dass dieses Vorhaben entsprechend der Projektsbeschreibung ausgeführt werde. Auch aus diesem Grunde sei die Festlegung der Bauvollendungsfrist erfolgt. Es sei daher rechtlich wie fachtechnisch heute ausgeschlossen, die wasserwirtschaftliche Rahmenverfügung gegen das Fristverlängerungsansuchen ins Treffen zu führen. Durch die konsensgemäße Ausführung der Nassbaggerung könne der Schutzzweck der Rahmenverfügung denkmöglich nicht verletzt werden. Auf die im Fristverlängerungsansuchen angeführten triftigen Gründe sei überhaupt nicht eingegangen worden. Als weiterer triftiger Grund für die Verlängerung der Bauvollendungsfrist sei es anzusehen, dass der amtsbekannte Anstieg des Grundwassers im Schotterabbauareal im Frühjahr und bis in den Sommer 1996 hinein einen Maschineneinsatz praktisch ausgeschlossen habe. Erst jetzt könne an einen richtlinienmäßigen Fortbetrieb der Nassbaggerungstätigkeit wieder gedacht werden.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 1996 wies der LH das Fristverlängerungsansuchen des Beschwerdeführers ab.
Der Beschwerdeführer berief.
Er wiederholte im Wesentlichen sein Vorbringen zum Gutachten der Amtssachverständigen. Weiters bestritt er die in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides enthaltene Feststellung, dass die Nassbaggerung im Jahr 1993 eingestellt worden sei. Aus dem Bauaufsichtsbericht vom 18. Jänner 1994 und den folgenden Bauaufsichtsberichten ergebe sich, dass die Nassbaggerung in den Jahren 1994 und 1995 in modifizierter Form weiter geführt worden sei. Die fortschreitende Nassbaggerung habe nicht zu einer Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung der Teichwasserqualität beigetragen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 25. Mai 1998 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.
In der Begründung heißt es, die belangte Behörde habe ein Gutachten eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen eingeholt. Dieser habe ausgeführt, in den Stellungnahmen, die von den Amtssachverständigen im Verfahren vor dem LH abgegeben worden seien, sei hinsichtlich der beantragten Erstreckung der Bauvollendungsfrist für die Durchführung der Nassbaggerung im Wesentlichen festgestellt worden, dass aus wasserwirtschaftlicher Sicht jede weitere Entnahme von Sand und Kies und somit eine weitere Öffnung des Grundwasserkörpers eine Erhöhung des Gefährdungspotentiales für das Grundwasser darstelle. Weiters sei ausgeführt worden, dass im Hinblick auf die Lage der gegenständlichen Nassbaggerung innerhalb des Gebietes der Rahmenverfügung für das Marchfeld, in welcher das Grundwasser der Trinkwassernutzung und der Bewässerung gewidmet worden sei, jede Erweiterung der bereits bestehenden Nassbaggerung abzulehnen sei, da diese im Widerspruch zu den Zielsetzungen der Rahmenverfügung stehe. So weit aus grundwasserwirtschaftlicher Sicht beurteilt werden könne, seien die in den angeführten Stellungnahmen der Amtssachverständigen der Vorinstanz getroffenen Aussagen schlüssig und nachvollziehbar. Die derzeit bestehende Größe der Nassbaggerung reiche aus, um ein ausreichendes Selbstreinigungsvermögen des Gewässers erwarten zu lassen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Untersuchungsbefunde über die Wasserqualität in den Baggerteichen bestätige dies. Eine Vergrößerung der Wasserfläche sei daher nicht erforderlich. Dem gegenüber stehe die permanente Erhöhung des Gefährdungspotentials durch eine Vergrößerung der Grundwasserfreilegung infolge der Entfernung der das Grundwasser schützenden Deckschichte. Aus fachlicher Sicht stehe die Grundwasserfreilegung im Bereich der Rahmenverfügung im Widerspruch zu deren Zielsetzung. Im gegenständlichen Fall handle es sich um eine bereits seit langem bestehende Entnahme von Sand und Kies aus dem Grundwasserbereich. Da die derzeitigen Verhältnisse (Teichfläche, Teichtiefe) eine entsprechende Wasserqualität im Baggersee ermöglichten und diese auch in Zukunft erwarten ließen, werde aus der Sicht des Grundwasserschutzes jede Erweiterung der gegenständlichen Nassbaggerung negativ beurteilt. Die vorliegenden Untersuchungsbefunde der Wasserqualität in den Baggerteichen zeigten, dass derzeit keine negative Beeinträchtigung der im Abstrombereich der gegenständlichen Nassbaggerung gelegenen qualitativen Grundwasserverhältnisse zu erwarten seien. Neue Erkenntnisse seien auch bei der Einholung weiterer Gutachten nicht zu erwarten. Die fachlichen Bedenken gegen eine Erweiterung der Nassbaggerung bestünden nicht nur wegen einer damit verbundenen Verschlechterung der Wasserqualität in den Nassbaggerteichen bzw. des im Abstrombereich gelegenen Grundwassers, sondern auch wegen einer permanenten Erhöhung des Gefährdungspotentiales für das Grundwasser durch die Entfernung der dieses schützenden Deckschichte. Diese Erhöhung des Gefährdungspotentiales widerspreche dem aus fachlicher Sicht zu fordernden Vorsorgeprinzip zum Schutz des Grundwassers innerhalb eines wasserrechtlich besonders geschützten Gebietes.
Im Anschluss an die Wiedergabe des Sachverständigengutachtens heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter, die belangte Behörde schließe sich diesen Ausführungen an. Überdies habe der Beschwerdeführer durch die Fristhemmungs-Bestimmung des § 112 Abs. 2 WRG 1959 dreieinhalb Jahre Zeit gewonnen. Wesentlich sei jedoch auch § 112 Abs. 3 leg. cit., wonach die Festsetzung oder Verlängerung von Bauvollendungsfristen 15 Jahre ab Rechtskraft der Bewilligung nicht übersteigen dürfe. Der Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 1984 sei mit 15. April 1984 in Rechtskraft erwachsen; die späteste Bauvollendungsfrist sei daher der 15. April 2000. Das Ansuchen des Beschwerdeführers sei jedoch auf eine Erstreckung der Bauvollendungsfrist bis zum 31. Dezember 2004 gerichtet und daher bereits aus diesem Grund als gesetzlich nicht gedeckt abzuweisen. Die gegenständliche Nassbaggerung entspreche zweifellos auch nicht mehr dem Stand der Technik und wäre im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung wie auch bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vermutlich nicht mehr bewilligungsfähig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Das Beschwerdevorbringen deckt sich im Wesentlichen mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 112 Abs. 1 WRG 1959 sind zugleich mit der Bewilligung angemessene Fristen für die Bauvollendung der bewilligten Anlage kalendermäßig zu bestimmen; erforderlichenfalls können auch Teilfristen für wesentliche Anlagenteile festgesetzt und Fristen für den Baubeginn bestimmt werden. Fristverlängerungen, die durch das Berufungsverfahren notwendig werden, sind von Amts wegen vorzunehmen. Die Nichteinhaltung solcher Fristen hat bei Wasserbenutzungsanlagen das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes (§ 27 Abs. 1 lit. f) zur Folge, sofern nicht die Wasserrechtsbehörde gemäß § 121 Abs. 1, letzter Satz, hievon absieht.
Die Wasserrechtsbehörde kann nach § 112 Abs. 2 leg. cit. aus triftigen Gründen diese Fristen verlängern, wenn vor ihrem Ablauf darum angesucht wird; die vorherige Anhörung der Parteien ist nicht erforderlich. Wird das Ansuchen rechtzeitig gestellt, dann ist der Ablauf der Frist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag gehemmt, wird gegen die Abweisung des Verlängerungsantrages der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof angerufen, wird der Ablauf der Frist bis zur Entscheidung dieses Gerichtes verlängert. Wird ein Vorhaben während der Ausführung geändert, sind im hierüber ergehenden Bewilligungsbescheid die Baufristen so weit erforderlich, neu zu bestimmen.
Nach § 112 Abs. 3 WRG 1959 darf die Festsetzung oder Verlängerung von Bauvollendungsfristen 15 Jahre ab Rechtskraft der Bewilligung des Vorhabens nicht übersteigen. Bei Vorhaben nach § 111a beginnt diese Frist erst mit Rechtskraft der letzten erforderlichen Detailgenehmigung.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers räumt § 112 Abs. 2 WRG 1959 der Wasserrechtsbehörde bei der Verlängerung der Frist Ermessen ein. Voraussetzung dafür, dass die Wasserrechtsbehörde überhaupt von diesem Ermessen Gebrauch machen kann, ist das Vorliegen triftiger Gründe für eine Verlängerung. Liegen solche nicht vor, ist das Fristverlängerungsansuchen in jedem Fall abzuweisen. Das Vorliegen triftiger Gründe ist eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für eine Fristverlängerung. Es liegt vielmehr im Ermessen der Behörde, ob sie diesfalls die Verlängerung bewilligt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 93/07/0165). Nach Art. 130 Abs. 2 B-VG hat die Behörde von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch zu machen. Sie muß daher im Bescheid begründen, von welchen Erwägungen sie bei der Handhabung des Ermessens ausgegangen ist.
Aufgabe der belangten Behörde war es im Beschwerdefall, in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe für die Fristverlängerung triftige Gründe im Sinne des § 112 Abs. 2 WRG 1959 waren; war das nicht der Fall, war das Fristverlängerungsansuchen abzuweisen, ohne daß noch Raum für eine Ermessensentscheidung blieb.
Der Grundwasseranstieg, den der Beschwerdeführer als einen von mehreren triftigen Gründen ins Treffen geführt hat, stellt schon deswegen keinen solchen dar, weil es sich dabei um ein Ereignis handelt, das bereits nach Ablauf der Bauvollendungsfrist eingetreten ist.
Ob die übrigen vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe triftige Gründe im Sinne des § 112 Abs. 2 WRG 1959 sind, kann nicht beurteilt werden, da sich die belangte Behörde mit ihnen nicht auseinander gesetzt hat. Dass sie von vornherein als triftige Gründe nicht in Betracht kämen, ist nicht zu ersehen.
Dass die Frage des Vorliegens triftiger Gründe, die überhaupt erst die Basis für eine Ermessensübung ist, nicht geklärt wurde, würde noch nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führen, wenn selbst unter Zugrundelegung der Annahme, dass triftige Gründe vorliegen, die dann mögliche Ermessensübung im negativen Sinn rechtmäßig wäre. Auch dies ist nicht der Fall.
Die belangte Behörde hat sich auf das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten gestützt. Dieses sieht eine Fristverlängerung als Widerspruch zur Rahmenverfügung betreffend das Marchfeld an.
Die Rahmenverfügung für das Marchfeld (Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Februar 1964, BGBl. Nr. 32) stand bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Nassbaggerungsbewilligung im Jahr 1985 in Geltung.
§ 1 dieser Rahmenverfügung bestimmt, dass das Grundwasservorkommen im Marchfeld - unbeschadet bestehender Rechte - der Wasserversorgung und der Bewässerung gewidmet wird.
Nach § 3 dieser Rahmenverfügung ist bei der Handhabung der Bestimmungen der §§ 9, 10 und 31 bis 34 WRG 1959 im Gebiet der Rahmenverfügung maßgebend, dass der Widmungszweck (§ 1) nicht beeinträchtigt wird. Vor allem ist darauf zu achten, dass das Grundwasser seiner Menge und Beschaffenheit nach dem Widmungszweck dauernd erhalten bleibt und die verschiedenen wasserwirtschaftlichen Interessen (Wasserversorgung, Bewässerung, Abwasserbeseitigung, Hochwasserschutz) zur Ermöglichung einer gesunden wasserwirtschaftlichen Entwicklung dieses Gebietes aufeinander abgestimmt werden.
Die Rahmenverfügung enthält kein Verbot anderer Wassernutzungen als jener zu Zwecken der Wasserversorgung und der Bewässerung; vielmehr wird (lediglich) eine Koordinierung aller möglichen Wassernutzungszwecke - sogar einschließlich der Abwasserbeseitigung - verlangt, wobei das Ziel der Reinhaltung des Grundwassers zu Trinkwasserzwecken zu beachten ist.
Die belangte Behörde behauptet im angefochtenen Bescheid, eine Neuerteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Nassbaggerung des Beschwerdeführers wäre nicht möglich. Würde dies zutreffen, hätte sie die Fristverlängerung zu Recht versagt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 93/07/0165). Der ermittelte Sachverhalt reicht für eine solche Aussage aber nicht aus.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass bei der Erteilung der Nassbaggerung im Jahr 1985 auf die Rahmenverfügung Bedacht genommen wurde und dass der damals beigezogene Amtssachverständige davon ausgegangen sei, dass durch diese Nassbaggerungsbewilligung der Zweck der Rahmenverfügung nicht beeinträchtigt werde. Mit diesem Argument haben sich weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde in zureichender Weise auseinander gesetzt. Die Gutachten der Amtssachverständigen beschränken sich darauf, einen Widerspruch zwischen Rahmenverfügung und weiterer Ausnutzung der Nassbaggerungsbewilligung zu konstatieren; sie begründen aber nicht, warum nunmehr die Nassbaggerung im Widerspruch zur Rahmenverfügung stehen soll, während sie dies zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung nach den Ausführungen des damals beigezogenen Amtssachverständigen nicht tat, sondern sogar zu einer Verbesserung der Wasserqualität führen sollte. Eine Aussage des Inhalts, dass das seinerzeit abgegebene Gutachten falsch gewesen sei oder daß sich mittlerweile die Gegebenheiten geändert hätten, findet sich im gesamten Akt nicht. Die Amtssachverständigen beschränkten sich lediglich auf nicht näher begründete Behauptungen. Ohne eine auf die konkreten Umstände des Beschwerdefalles eingehende, sich mit dem Gutachten aus dem Jahr 1985 auseinandersetzende Begründung in den Sachverständigenaussagen aber ergibt sich für den Verwaltungsgerichtshof die Situation, daß einander widersprechende Sachverständigenaussagen gegenüberstehen, ohne daß beurteilt werden könnte, welche Aussage richtig ist.
Für die Feststellung in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Nassbaggerung entspreche nicht dem Stand der Technik, fehlt überhaupt jede Grundlage in den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens.
Richtig ist, daß § 112 Abs. 3 WRG 1959 in der nach Einbringung des Fristverlängerungsantrages durch den Beschwerdeführer in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 74/1997 vorsieht, daß die Festsetzung oder Verlängerung von Bauvollendungsfristen 15 Jahre ab Rechtskraft der Bewilligung des Vorhabens nicht übersteigen darf. Dies hätte zwar die Abweisung des Fristverlängerungsansuchens gerechtfertigt, soweit es über 15 Jahre hinausging, nicht aber eine Abweisung des Fristverlängerungsantrages auch dem Grunde nach.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. Juni 1999
Schlagworte
Ermessen VwRallg8Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998070090.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
13.04.2011