TE Bvwg Beschluss 2019/1/17 W220 2113349-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W220 2113349-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2015, Zl. 1052684609-150220232, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 01.03.2015 im österreichischen Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 02.03.2015 wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab er zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen an, aufgrund seiner Tätigkeit für die Amerikaner im Bereich Lebensmittellogistik in Lebensgefahr gewesen zu sein.

1.3. Am 17.06.2015 fand die niederschriftliche Befragung des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Der Beschwerdeführer legte dabei ein Konvolut von Dokumenten vor und stützte sein Fluchtvorbringen zusammengefasst auf seine Anstellung auf einem amerikanischen Stützpunkt XXXX, konkret der Logistik-Abteilung zugeordnete Tätigkeiten in der Küche, derentwegen er von Taliban bedroht worden wäre.

1.4. Am 18.06.2015 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Vorbringen und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten eine Anfrage an die Staatendokumentation.

1.5. Am 06.07.2015 legte der Beschwerdeführer weitere Dokumente vor.

1.6. Am 08.07.2015 langte die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein.

1.7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.08.2015, Zl. 1052684609-150220232, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.08.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

Dabei ging die belangte Behörde insbesondere von einer Glaubhaftmachung der Identität und der Tätigkeit von Jänner 2010 bis November 2014 bei XXXX, im Bereich XXXX aus. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers beurteilte die belangte Behörde mit näherer Begründung als unglaubwürdig.

Die belangte Behörde traf Länderfeststellungen basierend auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 19.11.2014, mit der letzten Kurzinformation vom 24.02.2015.

1.8. Gegen diesen am 17.08.2015 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 23.08.2015 fristgerecht Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen:

2.1. Der unter Punkt 1. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

2.2. Der Beschwerdeführer erstattete ein umfassendes Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen Afghanistans und Rückkehrbefürchtungen, zudem legte er ein Konvolut von Dokumenten vor. Die Behörde stellte am 18.06.2015 darauf basierend die unter

1.4. zitierte, konkret auf sein Vorbringen und die beigebrachten Beweismittel bezogene Anfrage an die Staatendokumentation, welche mit Anfragebeantwortung vom 08.07.2015 beantwortet wurde. Diese Anfragebeantwortung wurde dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht und auch im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegeben.

Nähere Ermittlungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers fanden insbesondere nach dem Eingang der Anfragebeantwortung nicht statt.

3. Beweiswürdigung:

3.1. Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen zum unterlassenen Parteiengehör bezüglich der Anfragebeantwortung und dem Inhalt des Bescheides (Länderfeststellungen) ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

4.1. Zur Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenen des § 66 Absatz 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung der mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Absatz 3 2. Satz VwVGV ([vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: Tatsachenbereich], Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsverfahren, Manz, Anmerkung 2 und 11, Seiten 150 und 153f).

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet, welche er seitdem in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0019; 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen komme daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen würden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Die verwaltungsgerichtliche meritorische Entscheidungszuständigkeit hält grundsätzlich hintan, dass die Erledigung eines von einer Verwaltungsbehörde eingeleiteten Verfahrens erst nach einem längeren Zeitraum hinweg in einer Art eines "Pingpongspiels" erfolgenden Wechsels zwischen verwaltungsgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen erfolgen kann. Zudem wird nur ein solches Verständnis der mit der Etablierung der Verwaltungsgerichte erfolgenden Zielsetzung gerecht, den Anforderungen der EMRK sowie denen des Rechts der Europäischen Union im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes zu entsprechen. Zum einen ist aufgrund dieser Anforderungen bei der Interpretation der sich aus § 28 Abs 3 VwGVG für die meritorische Entscheidungskompetenz ergebenden Ausnahmen ohnehin auch das grundsätzlich zu einer restriktiven Sicht dieser Ausnahmen führende Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht zu übersehen, dass auf dem Boden der meritorischen Entscheidungskompetenz getroffene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte grundsätzlich eine verlässliche Gewähr dafür bieten, dass den von diesen Vorgaben an die behördliche Entscheidungskompetenz gerichteten Anforderungen entsprochen wird (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründungen hinwegsetzen (vgl. VwGH 10.04.2013, 2011/08/0169).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, etwa in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Pflicht zur Durchführung notwendiger Ermittlungen des Sachverhalts nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

4.2. Der Beschwerdeführer erstattete ein umfassendes Vorbringen und legte dazu ein Konvolut von Dokumenten vor. Die von der belangten Behörde veranlasste Anfragebeantwortung umfasst Angaben des Beschwerdeführers zu baulichen Gegebenheiten des Stützpunktes, Fragen der Authentizität zweier vorgelegter Dienstausweise und Funktionen, die der Inhaber zu erfüllen hatte, sowie konkret zur Bekanntheit des Beschwerdeführers bei den ausstellenden Stellen, zu vom Beschwerdeführer namentlich genannten Akteuren und die Frage, ob es gegenüber dem Beschwerdeführer Bedrohungen gab. Als Informationsquellen dienten verschiedene Personen, die gegenüber der Staatendokumentation teils per E-Mail, teils telefonisch Auskunft gaben.

4.3. Dem Beschwerdeführer wurde das Ergebnis dieser umfassenden, konkret vorbringensbezogenen Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis gebracht. Weder fand eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers zur Konfrontation mit dem Ermittlungsergebnis statt, noch wurde ihm schriftlich Parteiengehör eingeräumt. Auch im angefochtenen Bescheid findet sich der Inhalt der Anfragebeantwortung nicht, sondern wurden nur allgemeine Länderfeststellungen getroffen. Lediglich in der Aufzählung der von der Behörde herangezogenen Beweismittel wird diese Anfragebeantwortung genannt.

Die belangte Behörde unterließ es damit nicht nur, jene, wesentliche Elemente seines Vorbringens bestätigende, Anfragebeantwortung dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen, sondern gab ihm auch keine Möglichkeit, zu Ungereimtheiten Stellung zu nehmen und diese allenfalls aufzuklären. Da sich die Anfragebeantwortung ebenso wenig im Bescheid wiederfindet, konnte der Beschwerdeführer darauf auch nicht in der Beschwerde replizieren, da er von dieser bis dato nichts weiß. Dabei stehen die Ausführungen der Quellen der Anfragebeantwortung, soweit sie nicht ohnehin die Angaben des Beschwerdeführers bestätigen, nicht zwingend im Widerspruch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, sodass eine weitere Ermittlungstätigkeit angezeigt war.

Nicht nur wurden weitere Ermittlungsschritte seitens der Behörde vollkommen unterlassen, es wurde auch der Beschwerdeführer nicht mit der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation konfrontiert, wobei ihm nicht bloß der Inhalt der Anfragebeantwortung vorenthalten wurde, sondern überhaupt deren Existenz.

4.4. Bezüglich des Inhalts des "Letter of Recommendation" unterließ die belangte Behörde notwendige Ermittlungsschritte zur Klärung der Authentizität dieses Schreibens. Zwar ergibt die Anfragebeantwortung, dass dem Präsidenten und CEO der Firma keine Bedrohung des Beschwerdeführers durch Taliban bekannt war, eine Nachfrage bei dem von der Auskunftsperson verschiedenen Verfasser des Schreibens, bei dem es sich um den Vorgesetzten des Beschwerdeführers handeln würde, unterblieb jedoch, sodass hier der Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt wurde.

4.5. Inwieweit der Inhalt des erst später vorgelegten "Drohbriefs" mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers vereinbar ist, entzieht sich mangels Übersetzung durch die belangte Behörde (die sich nur auf eine Datumsangabe und den sichtbaren Stempel bezieht) einer Überprüfung, sodass auch hier notwendige Ermittlungen unterlassen wurden.

4.6. Die Behörde hat aus diesen Gründen im konkreten Fall gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. § 18 Abs. 1 AsylG 2005 verpflichtet das Bundesamt, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222; VwGH vom 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher im fortgesetzten Verfahren dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Anfragebeantwortung zur Kenntnis zu bringen und die bislang unterlassenen Ermittlungsschritte zu tätigen haben, um sich vor diesem Hintergrund mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren, zumal die Verwaltungsbehörde bereits mit der Ermittlungstätigkeit begonnen hat und somit die notwendigen Ermittlungen wesentlich rascher und effizienter nachholen kann.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Verletzung des Parteiengehörs und der Unterlassung notwendiger Ermittlungen seitens der belangten Behörde im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben, der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (§ 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012).

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben.

4.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25 Absatz 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zur früheren Rechtslage ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleich lautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W220.2113349.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten