TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/17 W186 2108224-1

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Veröffentlicht am 17.01.2019
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Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §40 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
FPG §76 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W186 2108224-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Festnahme am 02.06.2015, den Mandatsbescheid vom 04.06.2015 und die Anhaltung in Schubhaft von 04.06.2015 bis 10.06.2015 zu Recht erkannt:

I. A)

I. Die Beschwerde gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 02.06.2015 wird gemäß § § 22a Abs. 1 Z 1 iVm 40 Abs. 1 BFA-VG abgewiesen.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. A)

I. Der Beschwerde gegen den Mandatsbescheid vom 04.06.2015 und die Anhaltung in Schubhaft von 04.06.2015 bis 10.06.2015 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 1 FPG stattgegeben und der Mandatsbescheid für rechtswidrig erklärt.

Gleichzeitig wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 04.06.2015 bis 10.06.2015 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 31.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Eine EURODAC Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 19.02.2009 in ITALIEN, am 15.02.2010 in der Schweiz, am 03.01.2012 in Liechtenstein sowie am 10.06.2013 und am 29.12.2014 wiederum in Italien jeweils einen Asylantrag gestellt hatte.

In weiterer Folge leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) Dublin Konsultationen mit den italienischen Behörden ein.

Italien stimmte der Übernahme des Beschwerdeführers durch Verfristung mit 24.02.2015 zu.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.03.2015 wies das Bundesamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Italiens zurück und erließ gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Italien. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10.06.2015 als unbegründet ab. Die Beschwerde langte beim Bundesverwaltungsgericht am 28.04.2015 ein - das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung war daher ab dem 05.05.2015 durchführbar.

Über den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 31.01.2015 erstmals die Schubhaft verhängt. Er musste am 02.02.2015 wegen Haftunfähigkeit infolge von Entzugssymptomen wegen seines Drogenmissbrauchs entlassen werden.

Das Bundesamt organisierte am 27.05.2015 die Überstellung nach ITALIEN für den 04.06.2015 und erließ am selben Tag einen Festnahme-, Durchsuchungs- und Abschiebeauftrag. Infolge des Festnahmeauftrages sollte der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 30 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ab dem 03.06.2015 festgenommen werden. Maßgeblich für die Erlassung des Festnahmeauftrages sei, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers gemäß § 5 AsylG 2005 durchführbar sei und die Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden sei. Die Überstellung sei für den 04.06.2015 geplant und sei die Sicherung dieser Maßnahme zu gewährleisten. Am 26.05.2015 wurde ein Laissez-Passer für den Beschwerdeführer ausgestellt.

Der Beschwerdeführer wurde am 02.06.2015 um 08:00 Uhr in der Betreuungsstelle festgenommen und in Verwaltungsverwahrungshaft genommen.

Der Abschiebeversuch am 04.06.2015 scheiterte aufgrund des aktiven Widerstandes des Beschwerdeführers.

Er wurde daraufhin in das PAZ Hernalser Gürtel verbracht wo er niederschriftlich Einvernommen wurde.

2. Im Anschluss an die Einvernahme verhängte das Bundesamt mit Mandatsbescheid vom 04.06.2015 über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG iVm § 57 AVG iVm Art. 28 Dublin III-VO die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung.

Das Bundesamt organisierte am 08.06.2015 die Abschiebung des Beschwerdeführers auf dem Landweg für den 10.06.2015 und erließ am selben Tag einen Abschiebeauftrag.

Der Beschwerdeführer wurde am 10.06.2015 nach Italien überstellt.

3. Gegen den Mandatsbescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater mit Schriftsatz vom 09.06.2015 fristgerecht Beschwerde.

Es wurde beantragt, die Festnahme, Schubhaftnahme und Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen, sowie den Beschwerdeführer von der Eingabengebühr zu befreien.

Das Bundesamt gab mit Eingabe vom 10.06.2015, hg. eingelangt am 12.06.2015, eine Stellungnahme ab, in der es die Beschwerdeabweisung die den Ersatz der Kosten durch den Beschwerdeführer beantragte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Der Beschwerdeführer verfügte nie über einen Aufenthaltstitel für Österreich.

Er stellte am 31.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10.06.2015, abgewiesen und die damit verbundene Ausweisung nach Italien nach § 10 AsylG 2005 bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu - die Anordnung zur Außerlandesbringung war ab dem 05.05.2015 durchführbar.

Das Bundesamt organisierte am 27.05.2015 die Überstellung nach ITALIEN für den 04.06.2015 und erließ am selben Tag einen Festnahme-, Durchsuchungs- und Abschiebeauftrag. Infolge des Festnahmeauftrages sollte der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 30 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ab dem 03.06.2015 festgenommen werden. Maßgeblich für die Erlassung des Festnahmeauftrages sei, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers gemäß § 5 AsylG 2005 durchführbar sei und die Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden sei. Die Überstellung sei für den 04.06.2015 geplant und sei die Sicherung dieser Maßnahme zu gewährleisten. Am 26.05.2015 wurde ein Laissez-Passer für den Beschwerdeführer ausgestellt.

Der Beschwerdeführer wurde am 02.06.2015 um 08:00 Uhr in der Betreuungsstelle festgenommen und in Verwaltungsverwahrungshaft genommen.

Der Abschiebeversuch am 04.06.2015 scheiterte aufgrund des aktiven Widerstandes des Beschwerdeführers.

Er wurde daraufhin in das PAZ Hernalser Gürtel verbracht wo er niederschriftlich Einvernommen wurde und im Anschluss daran die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung aufgrund der Dublin III-VO verhängt wurde.

Der Beschwerdeführer wurde am 10.06.2015 auf dem Landweg nach ITALIEN überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zu den Asylverfahren beruhen auf den beigeschafften Akten und dem zitierten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, die Angaben zum weiteren Verfahrensgang aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Die Angaben zur erfolgten Überstellung des Beschwerdeführers und der Anhaltung in Schubhaft resultieren aus einem Auszug aus der Anhaltedatei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 76 Abs. 5 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

Gemäß § 9 Abs. 1 FPG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes (Z 1) und Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z 3). Im 8. Hauptstück des FPG werden u.a. Schubhaft und gelinderes Mittel geregelt.

Gemäß dem mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelten § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

§ 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG wurden vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., aufgehoben. Sie lauteten:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet."

Der Verfassungsgerichtshof sprach zudem aus, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten und die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Die Aufhebung trat am der Kundmachung in BGBl. I 41/2015 folgenden Tag, dem 15.04.2015, in Kraft.

In seinem Erkenntnis vom 12.03.2015, E 4/2014, erläuterte der Verfassungsgerichtshof die bereinigte Rechtslage wie folgt:

"Nach der Aufhebung des § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG durch den Verfassungsgerichtshof aus Anlass der vorliegenden Beschwerde sind im Anlassfall, soweit sich die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen die "Verhängung der Schubhaft" mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 8. Jänner 2014 richtet, die allgemein für Beschwerden gegen Bescheide geltenden Bestimmungen anzuwenden. Demnach bildet die Grundlage für die Erhebung einer Beschwerde gegen den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen Schubhaftbescheid an das Bundesverwaltungsgericht nunmehr § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG. Soweit sich die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen die "Anhaltung seit 08.01.2014" wendet, liegt hingegen eine Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG). Die Beurteilung, ob die Anhaltung des Beschwerdeführers im Zeitraum zwischen dem 8. Jänner 2014 und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes einen (etwa vom zugrunde liegenden Bescheid nicht mehr gedeckten) Akt unmittelbarer Zwangsgewalt oder eine bloße Vollstreckungsmaßnahme darstellt (vgl. VfSlg 10.978/1986 mwH, 12.340/1988; VfGH 12. März 2015, G151/2014 ua., Rz 39) obliegt - nach Aufhebung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, soweit die Beschwerde abgewiesen wurde, - dem Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren."

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt."

Da gemäß § 56 (3) leg. cit "Die §§ 7, 8, 13 Abs. 6, 15, die Überschrift des 5. Hauptstückes und die §§ 16 bis 22b samt Überschriften, §§ 26 Abs. 1 letzter Satz, 27 Abs. 1 Z 12 und § 58 sowie das Inhaltsverzeichnis in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2013 mit 1. Jänner 2014 in Kraft treten" (Hervorhebung durch den Einzelrichter), also auch der neu geschaffene §22a, bildet diese Bestimmung im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im FPG noch im BFA-VG Senatszuständigkeit vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu I.A.I.) Festnahme

Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a leg.cit. die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Gemäß § 40 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 87/2012 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2. gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind gemäß § 5 Abs. 2 SPG Angehörige des Wachkörpers Bundespolizei (Z 1), Angehörige der Gemeindewachkörper (Z 2), Angehörige des rechtskundigen Dienstes bei Sicherheitsbehörden, wenn diese Organe zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind (Z 3), und sonstige Angehörige der Landespolizeidirektionen und des Bundesministeriums für Inneres, wenn diese Organe die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) absolviert haben und zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind (Z 4).

Der Beschwerdeführer wurde ausweislich des Berichtes der Polizeiinspektion Traiskirchen von Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei der Polizeiinspektion Traiskirchen am 02.06.2015, 08:00 Uhr, nach dem schriftlichen Festnahmeauftrag gemäß § 40 Abs. 1 BFA-VG festgenommen.

Der den Festnahmeauftrag regelnde § 34 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautete wie folgt:

"(1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn er, ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2a FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(...)"

Das Bundesamt stützte den Festnahmeauftrag vom 27.05.2015 auf § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG und führte darin aus, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers gemäß § 5 AsylG 2005 durchführbar gewesen sei und die Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden worden sei. Die Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien sei für den 04.06.2015 geplant. Am selben Tag der Erlassung des Festnahmeauftrages wurde ein diesbezüglicher Abschiebeauftrag erlassen.

Dass die Festnahme entgegen der Bezeichnung in der Beschwerde und im Festnahmeauftrag ("sollte ab 03.06.2015 ab 06:00 Uhr erfolgen") bereits am 02.06.2015 um 08:00 Uhr erfolgte begründet schon deshalb keine Rechtswidrigkeit der Festnahme, da gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG die Festnahme in den Fällen des Vorliegens eines Festnahmeauftrages bis zu 72 Stunden möglich ist und im konkreten Fall die Anhaltung im Rahmen der Festnahme bis zur geplanten Abschiebung des Beschwerdeführers am 04.06.2015 um 06:30 Uhr weniger als 48h gedauert hätte.

Begründend führt die Beschwerde aus, die Festnahme des Beschwerdeführers sei verfassungswidrig, weil es infolge des Beschlusses VfGH 26.06.2014, E4/2014, keine Rechtsgrundlage für die Festnahme gebe. Der Verwaltungsgerichtshof habe dies bestätigt.

Dieses Vorbringen verkennt, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.02.2015, Ro 2014/21/0075 mHw auf BGH 26.06.2014, V ZB 31/14; zu § 76 Abs. 1 FPG siehe VwGH 24.3.2015, Ro 2014/21/0080) dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., keineswegs die Rechtsgrundlagen für die Festnahme von unrechtmäßig aufhältigen Fremden zur Vorführung vor das Bundesamt beseitigte, sondern die Verfahrensbestimmung des § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG betreffend das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht behob. Auch soweit die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit der Festnahme in Folge der Beseitigung des Rechtsschutzes dagegen releviert, trifft dies schon aus dem Grund nicht zu, dass weiterhin Rechtsschutz gegen die Festnahme besteht und sich dieser nur auf andere Rechtsgrundlagen stützt.

Sofern die Beschwerde gesundheitlichen Bedenken gegen die Festnahme und die geplante Überstellung einwarf, ist auszuführen, dass laut Abschiebeauftrag eine begleitete Überstellung mit einem Arzt in Aussicht genommen war und die medizinische Vorgeschichte des Beschwerdeführers im Abschiebeauftrag hinreichend bekannt und dokumentiert wurde. Der Beschwerdeführer wurde unmittelbar nach seiner Festnahme in das Polizeianhaltezentrum HERNALSER GÜRTEL verbracht, wo eine allfällige medizinische Versorgung durch einen Amtsarzt gewährleistete war.

Aufgrund des vorliegenden Festnahmeauftrages, der sich zu Recht auf eine durchführbare Anordnung zur Außerlandesbringung und auf einen vorliegenden Abschiebeauftrag stütze, die zulässige Höchstdauer der Anhaltung bezüglich des organisierten Fluges nicht ausgeschöpft war, und die vollzogene Festnahme durch ein zuständiges Organ erfolgte, war die Beschwerde gegen die Festnahme abzuweisen.

Zu I.A. II. und III.) Kostenentscheidung

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit Erkenntnis vom 21.08.2017, Ro 2016/21/0014, klar, dass ein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor dem VwG unter anderem dann bestehet, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung eines davon erfolgreich ist.

Da sich gegenständliche Beschwerde sowohl gegen die Festnahme einerseits, und andererseits auch gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft richtet, war für diese beiden getrennten Verwaltungsakte (einer Festnahme muss nicht zwangsläufig die Inschubhaftnahme folgen) jeweils ein Kostenabspruch zu tätigen.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Abweisung seiner Beschwerde gegen die Festnahme unterlegene Partei und hat daher der belangten Behörde Kostenersatz zu Leisten.

Die belangte Behörde beantragte in ihrer Beschwerdevorlage vom 10.06.2015 den Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes gemäß der VwG-Aufwandersatzverordnung in Höhe von € 426,20.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde daher Kostenersatz in Höhe von € 426,20 zu leisten.

Zu II. A.I.) Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG aF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Gemäß Abs. 2 kann das Bundesamt über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde;

2. gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Die gegenständlich zu überprüfende Anhaltung des Beschwerdeführers gründet sich auf den Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 04.06.2015, wonach der Beschwerdeführer gemäß Art. 28 Dublin III-VO, § 76 Abs. 2a Z 1 FPG und § 9a Abs. 4 FPG-DVO zur Sicherung der Abschiebung angehalten wurde.

Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.

3. "Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann das Bundesamt über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn (Z 1) gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde, (Z 2) gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde; (Z 3) gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder (Z 4) auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Der Beschwerdeführer wurde zum Zwecke der Sicherung der Überstellung im Zuge des Dublin Verfahrens in Schubhaft angehalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffer 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.

Mit der am 29.05.2015 in Kraft getretenen Novellierung der Durchführungsverordnung zum Fremdengesetz (FPG-DVO) versuchte das Bundesministerium für Inneres diesen Zustand (bis zum Inkrafttreten einer FPG-Novelle im Juli 2015) zu sanieren. Mit Erkenntnis vom 13.06.2016, V152/2015 ua, bestätigte der Verfassungsgerichtshof die Gesetzeskonformität dieser Verordnung.

In Erledigung einer Revision vom 11.06.2015 führte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0108 - unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 15.03.2017, C-528/15 - aus, dass die Festlegung von Kriterien zur Annahme einer Fluchtgefahr durch ein Gesetz im formellen Sinn hätte erfolgen müssen. Aufgrund dessen sei unter Berücksichtigung der in Punkt 3.2. angeführten Entscheidung vom 19.02.2015 auch die FPG-DVO nicht geeignet (gewesen), Schubhaften im Anwendungsbereich der Dublin III-VO zu ermöglichen.

Da das FPG zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keinen formal-gesetzlich determinierten "Kriterienkatalog" zur Annahme einer Fluchtgefahr verfügte, erweist sich der Mandatsbescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114).

Dementsprechend ist auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen.

Der Beschwerde gegen den Mandatsbescheid und die Anhaltung in Schubhaft war sohin stattzugeben und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären.

Zu II. A.II.) Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr

Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, ihn von der Eingabengebühr zu befreien. Diese widerstreite den Garantien auf ein effektives und zugängliches Rechtsmittel.

Eine sachliche Gebührenbefreiung iSd § 1 Abs. 1 BuLVwG-EGebV für Verfahren nach dem Fremdenpolizeigesetz besteht nicht. Ebensowenig besteht eine Kompetenz des Bundesverwaltungsgerichts zur Befreiung von der Eingabengebühr iHv € 30,- nach § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV.

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr war daher zurückzuweisen.

Im Übrigen treffen auch die vom Beschwerdeführer relevierten Bedenken nicht zu:

Der EGMR geht davon aus, dass das Erfordernis, bei der Einbringung einer Beschwerde Gerichtsgebühren zu bezahlen, per se nicht als Einschränkung des Rechts auf Zugang zu Gericht iSd Art. 6 EMRK darstellt, wenn das Wesensgehalt des Rechts auf Zugang zu Gericht nicht beschnitten wird und die angewandten Maßnahmen verhältnismäßig in Bezug auf das angestrebte Ziel sind (EGMR 26.10.2010, Fall Marina, Appl. 46.040/07, Rz 50; 20.12.2007, Fall Paykar Yev Haghtanak ltd, Appl. 21.638/03, Rz 44ff.; 26.7.2005, Fall Podbielski und PPU Polpure, Appl. 39.199/98, 61 ff.; 19.6.2001, Fall Kreuz, Appl. 28249/95, Rz 53 ff.).

Die Gebühr für Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht beträgt gemäß § 2 Abs. 1 BuLVwG-EGebV € 30,-. Sie entsteht gem. § 1 Abs. 2 BuLVwG-EGebV im Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe und wird mit diesem Zeitpunkt fällig. Ihre Bezahlung ist allerdings kein Zulässigkeitserfordernis im Beschwerdeverfahren. Dieser Gebührensatz kann nicht als prohibitiv hoch angesehen werden (vgl. Fister, Gebühren und Ersatz der Aufwendungen, in Holoubek/Lang [Hrsg.]; ders., Kosten und Gebühren im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ 2013, 1049 f.).

Zu II. A.III. und IV.) Kostenersatz

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit Erkenntnis vom 21.08.2017, Ro 2016/21/0014, klar, dass ein Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren vor dem VwG unter anderem dann bestehet, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung eines davon erfolgreich ist.

Da sich gegenständliche Beschwerde sowohl gegen die Festnahme einerseits, und andererseits auch gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft richtet, war für diese beiden getrennten Verwaltungsakte (einer Festnahme muss nicht zwangsläufig die Inschubhaftnahme folgen) jeweils ein Kostenabspruch zu tätigen.

Da der Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft stattgegeben wurde, ist die belangte Behörde unterlegene Partei. Der Beschwerdeführer hat als obsiegende Partei daher Anspruch auf Kostenersatz.

Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz war daher abzuweisen.

§ 1 Z 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung bestimmt die Höhe des Ersatzes des Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit € 737,60.

Die belangte Behörde hat daher dem Beschwerdeführer als obsiegende Partei die Verfahrenskosten in Höhe von € 737, 60 zu ersetzen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Da im gegenständlichen Fall der maßgebliche und der hg. Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt aus der Aktenlage sowie aufgrund vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung geklärt war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung sohin unterbleiben.

Zu B) Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Wie zu den Spruchpunkt I.A.) und II.A.) ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Dass die FPG-DVO nicht geeignet (gewesen) ist, Schubhaften im Anwendungsbereich der Dublin III-VO zu ermöglichen, ergab sich aus dem Erkenntnis des VwGH vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0108. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage zu den Verfahrenskosten, insbesondere der Umstand, dass ein Einspruch auf Kostenersatz schon dann besteht, wenn sich eine Maßnahmenbeschwerde gegen mehrere Verwaltungsakte richtet und mit der Bekämpfung eines davon erfolgreich ist, (vgl. VwGH 31.08.2017, Ro 2016/21/0014) war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Dublin III-VO, Eingabengebühr, Festnahme, Fluchtgefahr,
Kostenersatz, Rechtslage, Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Unionsrecht,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W186.2108224.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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