TE Bvwg Beschluss 2019/1/17 W162 2212763-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W162 2212763-1/3E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 20.09.2018, betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte unter Vorlage eines Konvoluts an medizinischen Unterlagen am 03.07.2018 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis), welcher von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gewertet wurde.

2. Im Auftrag der belangten Behörde erfolgte am 03.09.2018 eine Begutachtung aufgrund persönlicher Untersuchung durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin. Im Sachverständigengutachten vom 05.09.2018 wurde hinsichtlich der beantragten Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt, dass keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vorliegen würden. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke sei selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten sei das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten sei ebenfalls möglich.

3. Am 17.09.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in welcher er sich mit dem Gutachten vom 05.09.2018 nicht zufrieden zeigte und seinen derzeitigen Gesundheitszustand erläuterte.

4. In der Folge wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme vom 20.09.2018 der bereits befassten Sachverständigen für Allgemeinmedizin eingeholt. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das nachgereichte Schreiben keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" beinhalte.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.09.2018 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes abgewiesen. Verwiesen wurde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens.

7. Gegen diesen Bescheid wurde durch die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht am 25.10.2018 Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde sich bei ihrer Entscheidung auf das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten stütze. Dieses Gutachten sei jedoch nicht ausreichend zur Beurteilung des orthopädischen bzw. internistischen Beschwerdebildes. Es wurde die Einholung weiterer Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Orthopädie und der Inneren Medizin beantragt.

8. In weiterer Folge wurde von der belangten Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, eingeholt. In dem Sachverständigengutachten vom 02.11.2018 wurde Folgendes auszugsweise ausgeführt:

"Die körperliche Leistungsfähigkeit ist zwar eingeschränkt, jedoch für kurze Strecken (300-400 Meter) ausreichend gegeben: bei vorliegender ischämischer Kardiomyopathie mit mittelgradig reduzierter Linksventrikelfunktion (gemäß aktuellem Befund Juni 2018) und COPD II sind Herz- und Lungenfunktion ausreichend um sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel auszuwirken. Die Notwendigkeit von Blutverdu¿nnern begründet ebenfalls nicht die Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel. Die Argumentation bezüglich einer erhöhten Blutungsgefahr bei Bagatellentraumen ist nicht geeignet ist, die bereits vorliegende Beurteilung zu entkräften, da ausschließlich manifeste, behinderungsrelevante Gesundheitsschäden, und nicht erhöhte Risiken hinsichtlich zukünftiger Krankheiten, beurteilungsrelevant sind."

9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.12.2018 wurde die Beschwerde abgewiesen und der Bescheid vom 20.09.2018 vollinhaltlich bestätigt.

10. Mit Vorlageantrag vom 20.12.2018 wiederholte die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers im Wesentlichen das bisherige Vorbringen.

11. Die Beschwerde wurde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 11.01.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 19 Abs. 1 BEinstG beträgt die Beschwerdefrist bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11). § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze klargestellt:

-

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

-

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

-

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zur ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. Erkenntnis vom 23. Februar 2011, Zl. 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18. Dezember 2006, Zl. 2006/11/0211, und vom 17. November 2009, Zl. 2006/11/0178).

Der Beschwerdeführer hat bereits mit seinem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" medizinische Unterlagen betreffend seine orthopädischen und internistischen Leiden in Vorlage gebracht. Aufgrund dieser medizinischen Unterlagen sowie der festgestellten Leidenszustände, ist hervorzuheben, dass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel keineswegs auf der Hand liegt.

Daher hätte die belangte Behörde nach der zitierten Judikatur bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel prüfen müssen, wie sich die Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers nach seiner Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel konkret auswirkt. Entgegen dieser Rechtsprechung hat sie jedoch, den Ausführungen des Sachverständigen folgend, nur darauf abgestellt, dass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke selbständig, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln ausreichend möglich sei, ohne dabei zu klären, mit welchen Auswirkungen, insbesondere mit welchen Schmerzen dies bei dem Beschwerdeführer verbunden ist (vgl. zur rechtlichen Bedeutung der Art und des Ausmaßes von Schmerzen im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auch das Erkenntnis des VwGH vom 20. Oktober 2011, Zl. 2009/11/0032).

Nach der zitierten Rechtsprechung genügt es jedoch nicht, in den ärztlichen Sachverständigengutachten bloß die dauernden Gesundheitsschädigungen darzustellen, vielmehr hätten in dem Gutachten die Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise aufgezeigt werden müssen. Im konkreten Fall hätte daher mit Hilfe des ärztlichen Sachverständigen u.a. festgestellt werden müssen, ob der Beschwerdeführer - aus objektiver Sicht - über die erforderliche Kraft bzw. über die erforderliche Beweglichkeit (aktive und passive Gelenksfunktion, zielgerichtete Durchführung wiederkehrender Bewegungen, Faustschluss,..) verfügt, um öffentliche Verkehrsmittel (Hingehen zur Haltestelle, Einsteigen, Anhalten an Einsteigegriffen und Haltestangen und Aussteigen) zu benützen sowie ab welcher Gehstrecke bzw. bei welchen Bewegungsabläufen angesichts der genannten Gesundheitsschädigungen Schmerzen oder andere Leidenszustände auftreten.

Die belangte Behörde hat zur Überprüfung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers jedoch lediglich ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und hat es unterlassen, im Verfahren ein orthopädisches und internistisches Gutachten nach erfolgter fachärztlicher Untersuchung durch eine/n Fachärztin/-arzt für Orthopädie und für Innere Medizin einzuholen.

Es besteht zwar kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zur Beurteilung des bei dem Beschwerdeführer vorliegenden orthopädischen und internistischen Beschwerdebildes nicht geeignet. So hat der Beschwerdeführer bereits im Rahmen der Antragstellung orthopädische sowie internistische Leiden vorgebracht, und darüber hinaus auch entsprechende medizinische Beweismittel vorgelegt. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass zusätzlich zur erfolgten Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Allgemeinmedizin auch die Einholung eines Gutachtens der Fachrichtung Orthopädie sowie eines Gutachtens der Fachrichtung Innere Medizin unbedingt erforderlich sind, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zu gewährleisten. Hinreichende Ausführungen zum aktuellen orthopädischen und internistischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sind dem vorliegenden Gutachten nicht zu entnehmen. Eine qualifizierte Beurteilung des orthopädischen sowie internistischen Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist somit im angefochtenen Verfahren nicht erfolgt. Die alleinige Heranziehung eines Sachverständigen der Fachrichtung Allgemeinmedizin durch die belangte Behörde ist somit offensichtlich sachwidrig erfolgt.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen zusätzlich zu dem bereits eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten ärztliche Sachverständigengutachten der Fachrichtung Orthopädie und der Fachrichtung Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, einzuholen und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG zweckmäßig. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens keine Möglichkeit gegeben wurde, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hatte sohin keine Gelegenheit, der sachverständigen Beurteilung konkret und substantiiert entgegenzutreten, und auszuführen ob, gegebenenfalls welche, gutachterlichen Ausführungen dem tatsächlichen Leidensausmaß widersprechen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Punkt A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor der belangten Behörde gravierende Ermittlungslücken bestehen. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wurde auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) Bezug genommen.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W162.2212763.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten