TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/18 W250 2208036-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.01.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W250 2208036-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch RA Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 22.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 21.02.2018 vollinhaltlich abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Unter einem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2018 mit Ausnahme des ein Einreiseverbot verfügenden Spruchpunktes abgewiesen. Die Zustellung dieses Erkenntnisses an den Rechtsvertreter des BF erfolgte am 14.04.2018.

Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluss vom 11.06.2018 abgelehnt, die außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 02.08.2018 zurückgewiesen.

2. Der BF wurde mit Wirkung vom 31.05.2018 von der Grundversorgung abgemeldet, da kein Kontakt zu ihm mehr bestand.

3. Das Bundesamt leitete am XXXX ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der nigerianischen Vertretungsbehörde ein, von welcher der BF am XXXX positiv identifiziert wurde. Einer Ladung des Bundesamtes gemäß § 46 Abs. 2b Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG leistete der BF keine Folge.

4. Da der Aufenthaltsort des BF nicht bekannt war, erließ das Bundesamt am XXXX gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG einen Festnahmeauftrag den BF betreffend.

5. Am 10.09.2018 wurde der BF in einem Reisezug von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und auf Grund des Festnahmeauftrages festgenommen. Noch am selben Tag wurde er unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Englisch von einer Landespolizeidirektion einvernommen und gab im Wesentlichen an, dass er an keinen schwerwiegenden Krankheiten leide. Er wohne bei seinem Vater an einer von ihm im Rahmen der Einvernahme genannten Adresse. Andere Personen, bei denen er während des fremdenpolizeilichen Verfahrens wohnen könne habe er in Österreich nicht. Er habe kein Geld und verfüge auch nicht über Personen, von denen er sich Geld leihen könne. Einen Asylantrag habe er nur in Österreich gestellt, den Verfahrensstand wisse er nicht. Im Falle seiner Entlassung aus der Haft werde er zum Haus seines Vaters gehen. Auf die Frage, ob es persönliche Gründe gäbe, die einer möglichen Schubhaft hinderlich entgegenstünden, gab der BF an, dass sich sein Vater freuen würde, wenn er aus der Schubhaft entlasse werde.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.09.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

7. Auf Grund der vom BF gegen den Schubhaftbescheid eingebrachten Beschwerde führte das Bundesverwaltungsgericht am 25.10.2018 eine mündliche Verhandlung durch, in deren Verlauf der BF angab, nicht freiwillig nach Nigeria zurückkehren zu wollen.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2018 wurde die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

9. Das Bundesamt urgierte die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der nigerianischen Vertretungsbehörde am 13.09.2018 und 23.10.2018. Am XXXX wurde der BF der nigerianischen Botschaft vorgeführt um auf die Dringlichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates hinzuweisen. Auch bei diesem Vorführungstermin wurde der BF als nigerianischer Staatsbürger identifiziert, die nigerianische Vertretungsbehörde wird den Fall jedoch weiter prüfen.

10. Am 16.02.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor und teilte dazu mit, dass nicht genau prognostiziert werden könne, wann die Botschaft eine Heimreisezertifikat ausstellen werde. Die durchschnittliche Dauer einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates dauere im Fall Nigerias drei bis vier Monate. Bei nicht rückkehrwilligen Personen benötige die nigerianische Vertretungsbehörde einen längeren Zeitraum zur Prüfung bzw. Ausstellung von Heimreisezertifikaten. Da der BF absolut nicht rückkehrwillig sei, verzögere er die Ausstellung eines Heimreisezertifikates, da eine freiwillige Rückkehr von der Vertretungsbehörde empfohlen werde, der BF dazu aber nicht bewegt werden könne.

11. Der BF nahm im Rahmen des Parteiengehörs durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter zur Aktenvorlage des Bundesamtes Stellung und führte aus, dass er sich dem vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht entziehen werde. Er könne in der Wohnung seines Vaters und seiner Stiefmutter wohnen und von diesen finanziell unterstützt werden. Da somit keine Fluchtgefahr vorliege, ersuche der BF - erforderlichenfalls unter Bewilligung eines gelinderen Mittels - aus der Schubhaft entlassen zu werden. Der BF verfüge über keinerlei Bindungen zu Nigeria, seine Familie lebe in Österreich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. - I.11.)

Der unter Punkt I.1. bis I.11. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF wurde von der nigerianischen Vertretungsbehörde als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF wird seit 10.09.2018 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.02.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2018 abgewiesen, dieses Erkenntnis wurde dem Rechtsvertreter des BF am 14.04.2018 zugestellt. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF ist untergetaucht und wurde mit Wirkung vom 31.05.2018 von der Grundversorgung abgemeldet. Er hat dadurch seine Abschiebung behindert.

3.3. Einem Ladungsbescheid des Bundesamtes gemäß § 46 Abs. 2a FPG leistete der BF keine Folge.

3.4. In Österreich leben der Vater und die Stiefmutter des BF. Über weitere Familienangehörige oder ein nennenswertes soziales Netz verfügt der BF im Bundesgebiet nicht.

3.5. Der BF besitzt kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen, geht keiner Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er hat die Möglichkeit bei seinem Vater zu wohnen und von diesem und seiner Stiefmutter finanziell unterstützt zu werden.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. Beim BF liegen keine Erkrankungen vor, die die Anhaltung in Schubhaft als unverhältnismäßig erscheinen lassen.

4.2. Die nigerianische Vertretungsbehörde hat den BF am XXXX und am XXXX als nigerianischen Staatsangehörigen identifiziert. Da der BF nicht ausreisewillig ist, werden von der nigerianischen Vertretungsbehörde weitere Erhebungen durchgeführt. Das Bundesamt urgiert die Ausstellung eines Heimreisezertifikates in regelmäßigen Abständen bei der nigerianischen Vertretungsbehörde, mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist weiterhin zu rechnen.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 10.09.2018 und seit der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2018, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen, hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl 2191565-1, das Asylverfahren des BF betreffend, sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl 2208036-1, das Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen 2191565-1 und 2208036-1, das Asyl- und das Schubhaftverfahren des BF betreffend.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Daraus ergibt sich, dass er von der nigerianischen Vertretungsbehörde als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebensowenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde vollinhaltlich abgewiesen, dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Der BF ist daher weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Dass er in Österreich unbescholten ist, ergibt sich aus dem Strafregister.

1.3. Dass der BF seit 10.09.2018 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres. Anhaltspunkte dafür, dass er sich seit diesem Zeitpunkt außerhalb der behördlichen Gewahrsame befunden habe, sind dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit wurde vom BF nicht behauptet. Auch in sämtlichen Einvernahmen gab der BF an, gesund zu sein.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

2.1. Die Feststellungen zur mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.02.2018 erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zl. 2191565-1, das Asylverfahren des BF betreffend.

2.2. Dass der BF seine Abschiebung durch Untertauchen behindert hat ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes. Darin ist insbesondere ein Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem enthalten, aus dem sich ergibt, dass der BF mit Wirkung vom 31.05.2018 aus der Grundversorgung abgemeldet wurde, da keine Kontaktaufnahme mit ihm mehr möglich war.

2.3. Dass der BF einem Ladungsbescheid des Bundesamtes keine Folge geleistet hat, gesteht er selbst in der mündlichen Verhandlung zu, indem er angibt, nicht beim Bundesamt erschienen zu sein.

2.3. Dass er außer seinem Vater und seiner Stiefmutter über keine weiteren Familienangehörigen oder ein soziales Netz in Österreich verfügt, gab der BF bei seiner Einvernahme durch eine Landespolizeidirektion am 10.09.2018 an.

2.4. Dass er kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen besitzt, keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, ergibt sich aus der Einvernahme des BF am 10.09.2018 durch eine Landespolizeidirektion.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Im Verwaltungsakt findet sich kein Hinweis auf eine Erkrankung des BF. So gab er in der Einvernahme vom 10.09.2018 an, gesund zu sein. Die im Rahmen der Schubhaft durchgeführte ärztliche Kontrolle am 01.12.2018 wurde vom BF verweigert, was wohl nicht der Fall gewesen wäre, hätten eine Erkrankung oder andere Beschwerden bestanden.

3.2. Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates beruhen auf den Stellungnahmen des Bundesamtes vom 18.12.2018 und vom 15.01.2019 sowie auf den Angaben des Vertreters des Bundesamtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.10.2018. Daraus ergibt sich insbesondere, dass der BF am XXXX sowie am XXXX als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde und das Bundesamt regelmäßig die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der nigerianischen Vertretungsbehörde urgiert. Dass weiterhin mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF gerechnet werden kann steht insofern fest, als die nigerianische Vertretungsbehörde den Fall weiterhin prüft und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bisher nicht abgelehnt hat.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 10.09.2018 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, die nigerianische Vertretungsbehörde hat den BF bereits identifiziert und führt weitere Prüfungen des Falles durch. Die Abschiebung des BF ist daher weiterhin möglich.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Da der BF nach der Abweisung seiner Beschwerde gegen die getroffene Rückkehrentscheidung untergetaucht ist, hat er seine Abschiebung behindert und dadurch den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1a FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt auch zu berücksichtigen, ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a FPG verletzt hat, insbesondere wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b FPG aufgetragen worden ist. Da der BF einen diesbezüglichen Ladungsbescheid des Bundesamtes nicht befolgt hat, hat er auch den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1a FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG auch zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht Gegen den BF wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.02.2018 eine Rückkehrentscheidung getroffen, die nach Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde in Rechtskraft erwachsen und durchsetzbar ist. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Es leben zwar der Vater und die Stiefmutter des BF im Bundesgebiet, doch ist der BF trotz dieses Umstandes untergetaucht und wurde aus der Grundversorgung entlassen. Das Verfahren hat daher keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des BF Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 1a, 3 und 9 FPG vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF ist nach der Abweisung seiner Beschwerde im Asylverfahren untergetaucht und ist seiner behördlich angeordneten Mitwirkungsverpflichtung im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht nachgekommen. Er hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

In Österreich leben zwar der Vater und die Stiefmutter des BF, darüber hinaus bestehen aber weder familiäre noch nennenswerte soziale Beziehungen. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz und auch nicht über eigene ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat außer seinem Vater und seiner Stiefmutter keinerlei familiäre oder soziale Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht der BF in Österreich nicht nach.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verhalten des BF selbst bedingt, da sich die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF durch die nigerianische Vertretungsbehörde durch seine Weigerung Österreich freiwillig zu verlassen verzögert.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Ausstellung eines Heimreisezertifikates ändert.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft - bei einer höchstzulässigen Dauer von 18 Monaten gemäß § 80 Abs. 4 Z. 2 FPG - auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, da das Bundesamt die Ausstellung eines Heimreisezertifikates regelmäßig urgiert.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere durch sein Untertauchen nach Abweisung seiner Beschwerde im Asylverfahren - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliegt und der BF von der nigerianischen Vertretungsbehörde positiv identifiziert wurde.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.9. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung, Mittellosigkeit, öffentliche Interessen,
Schubhaft, Sicherungsbedarf, Überprüfung, Untertauchen,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2208036.2.00

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten