Entscheidungsdatum
21.01.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W211 2191703-3/3Z
TEILERKENNTNIS:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, gegen den Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruchpunkt IV. des
angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am XXXX.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheid vom XXXX.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), gegen BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkte III.-V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung beträgt.
Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.09.2018 zu W183 2191703-1/11E nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX.2018 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.), erteilte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der unter anderem insbesondere beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und langten am 16.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten; er verfügt über einen Lehrvertrag vom XXXX.2018 und erhält dafür eine Lehrlingsentschädigung; der Beschwerdeführer war im Dezember einen Tag stationär in einem psychiatrischen Krankenhaus aufhältig, woraus sich die Diagnose einer Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion ergeben hat.
2. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen beruhen auf:
Unbescholtenheit: Auszug aus dem Strafregister vom 16.01.2019;
Lehrvertrag, Lehrlingsentschädigung: Beilage mit der Beschwerde;
auch im angefochtenen Bescheid wird auf die Lehrstelle als Koch verwiesen (vgl. S. 4);
Gesundheitszustand: Beilagen bei der Beschwerde, Arztbrief Psychiatrie vom XXXX.2018.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Rechtliche Grundlage
§ 18 BFA-VG lautet - auszugsweise:
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.
2. In VwGH, 20.10.2016, Ra 2016/21/0289 führte der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf einen achtfach wegen Vermögens- und Gewaltdelikten straffällig gewordenen Fremden aus, dass bei der Prüfung, ob die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit - hier im Maßstab nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG - gerechtfertigt ist, nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden muss. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils anhand der Umstände im Einzelfall vorzunehmen. Im dort angesprochenen Fall wurde nach Ansicht des VwGH vom BVwG schon deshalb zu Unrecht auf eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren verzichtet, weil es sich bei der Einschätzung der Umstände im konkreten Fall eben um keinen entsprechend eindeutigen Fall gehandelt habe. Und weiter wurde ausgeführt:
"17 Angesichts des Vorliegens eines aus der Sicht des BVwG nicht eindeutigen Falles ist aber - worauf in diesem Zusammenhang noch hinzuweisen ist - auch die nicht weiter begründete Annahme des BVwG, es hätten die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für eine Beschwerde (Erforderlichkeit der "sofortigen" Ausreise des Revisionswerbers) vorgelegen, nicht nachvollziehbar."
3. Wenn sich die Behörde nunmehr in der Frage der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stützt und damit auf die Vorgabe, dass die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, begründet sie dies nur damit, dass der Beschwerdeführer bereits einmal die 14-tägige Frist für die Ausreise nicht eingehalten habe und auch kein Verhalten gesetzt habe, aus dem abzuleiten wäre, dass er ausreisewillig wäre. Daraus sei klar ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer nicht an behördliche Anordnungen und die österreichischen Gesetze halten würde, weshalb die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.
Für die erkennende Richterin geht aus der Begründung der belangten Behörde kein Sachverhalt hervor, der auch nur im Ansatz die Anwendung der Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG rechtfertigen würde. Bei der geforderten Gesamtbetrachtung sticht - im Gegenteil - ins Auge, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, eine Lehre als Koch absolviert, darüber eine Lehrlingsentschädigung erhält und zur Zeit psychisch krank ist.
Es ist daher nicht erkennbar, dass eine sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.
Darüber hinaus ist auch darin keine Gefahr erkennbar, dass sich der Beschwerdeführer seit Erlassung und Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG vom 27.09.2018 bis zur Einleitung des neuerlichen Rückkehrentscheidungsverfahrens nicht selbst um Dokumente für die Heimreise gekümmert hat, ist es doch notorisch, dass es keine Vertretung Somalias, also keine Botschaft und auch kein Konsulat des Landes, in Österreich gibt. Der diesbezüglichen Wertung der belangten Behörde kann daher nicht gefolgt werden.
Damit besteht keine Grundlage für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, weshalb dieser Spruchpunkt nicht hätte ergehen dürfen und damit spruchgemäß ersatzlos zu beheben war.
Der gegenständlichen Beschwerde kommt somit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides die aufschiebende Wirkung zu.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben unter Punkt 2. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2191703.3.00Zuletzt aktualisiert am
26.02.2019