TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/11 98/19/0236

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Veröffentlicht am 11.06.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ABGB §21;
AufG 1992 §10 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §5 Abs3 idF 1995/351;
AuslBG §2 Abs2 litc;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §18 Abs1 Z2;
FrG 1997 §19 Abs3;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §19;
FrG 1997 §20 Abs1;
FrG 1997 §20 Abs2;
FrG 1997 §20;
FrG 1997 §21 Abs3;
FrG 1997 §21 Abs4;
FrG 1997 §21 Abs5;
FrG 1997 §21;
FrG 1997 §8;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/19/0296 E 11. Juni 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1979 geborenen NR in Mazedonien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1998, Zl. 303.620/3-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 29. November 1995 (beim Landeshauptmann von Wien eingelangt am 11. Dezember 1995) die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck führte der Beschwerdeführer in seinem Antrag die Familiengemeinschaft mit seinem in Österreich lebenden Vater an. Als Antragsbeilage befindet sich eine mit 19. Dezember 1994 datierte Bestätigung eines österreichischen Unternehmens im Verwaltungsakt, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer bei diesem Unternehmen als Maurerlehrling Aufnahme finden könne.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. März 1997 mangels einer gesicherten Unterkunft gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1998 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 21 Abs. 3 und § 113 Abs. 10 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag des Beschwerdeführers sei nunmehr als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Gemäß § 8 Abs. 1 FrG 1997 könne Fremden auf Antrag ein Einreise- und Aufenthaltstitel erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam werde. Bei einer derartigen Ermessensentscheidung seien in die in § 8 Abs. 3 FrG 1997 angeführten Kriterien zu beachten. Gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 sei jedoch der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Der Beschwerdeführer habe bereits das 14. Lebensjahr vollendet. Auch in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 habe dem Beschwerdeführer keine Bewilligung erteilt werden können, weil die Bewilligungserteilung bislang mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft unterblieben sei und nicht bloß deshalb, weil die gemäß § 2 AufG festgelegte Quote erschöpft gewesen sei. Mit näherer Begründung legte die belangte Behörde schließlich dar, dass die Versagung der Bewilligung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK im öffentlichen Interesse gerechtfertigt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7, § 8 Abs. 1, § 13, § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1, 2, 3, 5 und 6, § 20, § 21 Abs. 3, 4 und 5, § 112 sowie § 113 Abs. 10 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als

1.

Aufenthaltserlaubnis oder

2.

Niederlassungsbewilligung

erteilt.

(2) Aufenthaltstitel berechtigen zum Aufenthalt für einen bestimmten Zweck oder zum dauernden Aufenthalt sowie zu den mit diesen Aufenthalten verbundenen Einreisen.

...

(4) Drittstaatsangehörige brauchen eine Aufenthaltserlaubnis, wenn

1. ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung dient;

2. sie unselbstständig erwerbstätig sind und ihr Arbeitsvertrag mit ihrem international tätigen Dienstgeber sie entweder

a) als leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, oder

b) als der Unternehmensleitung zugeteilte qualifizierte Mitarbeiter, die zur innerbetrieblichen Aus- oder Weiterbildung (Führungskräftenachwuchs) verpflichtet sind, oder

c) als Vertreter repräsentativer ausländischer Interessenvertretungen ausweist, und Rotationen im Hinblick auf den Dienstort vorsieht;

...

§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ...

...

§ 13. (1) Aufenthaltstitel werden für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt; der Betroffene hat eine nach den maßgeblichen Gesetzen hiefür erforderliche Berechtigung vor der Erteilung nachzuweisen.

(2) Sofern einer Niederlassungsbewilligung keine Zweckangabe beigefügt ist, gilt sie für jeglichen Aufenthaltszweck.

(3) Fremde können während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels den Zweck ihres Aufenthaltes ohne weiteres ändern, wenn der ihnen erteilte Aufenthaltstitel auch für den nunmehrigen Aufenthaltszweck erteilt hätte werden können. Eine solche Änderung ist der Behörde ohne unnötigen Aufschub bekannt zu geben; hiebei ist die Zulässigkeit dieser Änderung nach den hiefür maßgeblichen Gesetzen darzulegen.

...

§ 18. (1) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen festzulegen, die

...

2. anderen Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit sowie deren Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern, sowie

3. Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben,

höchstens erteilt werden dürfen (Niederlassungsverordnung). ...

...

§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).

(2) Keiner Quotenpflicht unterliegt die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die

...

(3) Beabsichtigt der Fremde in Österreich eine unselbstständige Erwerbstätigkeit auszuüben, so darf ihm die Erstniederlassungsbewilligung überdies nur erteilt werden, wenn für ihn eine Sicherungsbescheinigung oder eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder wenn er über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügt; ...

...

(5) Niederlassungsbewilligungen gemäß Abs. 2 sind an den Aufenthaltszweck zu binden. Drittstaatsangehörigen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, wird eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt; sie gilt für jeglichen Aufenthaltszweck außer für Erwerbstätigkeit.

(6) Die Gültigkeitsdauer der Erstniederlassungsbewilligung beträgt höchstens ein Jahr.

§ 20. (1) Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, ist auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ...

(2) Für das Ende der Minderjährigkeit gemäß Abs. 1 ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Kindes österreichisches Recht maßgeblich (§ 21 ABGB).

§ 21. ...

...

(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Dasselbe gilt für den Familiennachzug quotenpflichtiger Drittstaatsangehöriger, der nicht gemäß Abs. 2 erfolgte.

(4) Den nachziehenden Angehörigen ist eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit, zu erteilen, solchen Angehörigen ist nach einer Wartezeit von vier Jahren nach Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung auf Antrag eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung zu erteilen.

(5) Die Gültigkeitsdauer von Erstniederlassungsbewilligungen im Rahmen des Familiennachzuges beträgt höchstens fünf Jahre, sie darf jedoch keinesfalls länger gelten als die Niederlassungsbewilligung jenes Fremden, dem der Angehörige nachgezogen ist.

...

§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ...

§ 113. ...

...

(10) Bei Erlassung der Niederlassungsverordnung für die Jahre 1998 bis 2000 kann die Bundesregierung zusätzlich eine Anzahl an Niederlassungsbewilligungen festlegen, die minderjährigen unverheirateten Kindern Drittstaatsangehöriger im Rahmen des Familiennachzuges zusätzlich erteilt werden dürfen, sofern diese Drittstaatsangehörigen sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen haben, die Kinder das 14. Lebensjahr vollendet haben und erwiesen ist, dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand. Für den Familiennachzug solcher Jugendlicher gilt im übrigen § 21."

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (11. September 1998) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Niederlassungsverordnung 1998, BGBl. II Nr. 371/1997, maßgebend.

§ 3 Abs. 9 und § 4 dieser Verordnung lauteten:

"§ 3. ...

...

(9) Im Jahr 1998 dürfen in Wien höchstens 2 700 quotenpflichtige Niederlassungsbewilligungen erteilt werden, hievon

...

2. 250 Niederlassungsbewilligungen für Drittstaatsangehörige zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit sowie für deren Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder;

3. 1 600 Niederlassungsbewilligungen für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben;

4. 100 Niederlassungsbewilligungen für Drittstaatsangehörige ohne Erwerbsabsicht.

...

§ 4. Im Jahr 1998 dürfen unter den Bedingungen des § 113 Abs. 10 FrG höchstens 550 Niederlassungsbewilligungen für minderjährige unverheiratete Kinder von Drittstaatsangehörigen erteilt werden, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen haben; hievon entfallen auf ... Wien 170 derartige Niederlassungsbewilligungen."

§ 3 Abs. 1 Z. 2 AufG lautete:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,

ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt."

§ 5 Abs. 2 und 3 AufG in der im Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung gültigen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 lautete:

"§ 5. ...

(2) Zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG darf eine Bewilligung nur erteilt werden, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 zuständige Behörde mitgeteilt hat, dass im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen. Anträge auf Erteilung solcher Bewilligungen sind unverzüglich und ohne unnötigen Aufschub zu erledigen. Der Antragsteller hat mit dem Antrag die Art der angestrebten Beschäftigung anzugeben und die hiefür erforderliche entsprechende Qualifikation glaubhaft zu machen.

(3) Die Feststellung der Unbedenklichkeit durch die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat aus dem Aufenthaltszweck der Bewilligung hervorzugehen. Die Bewilligung berechtigt den Fremden unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarktservice zur Arbeitsuche.

..."

Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Die belangte Behörde wertete seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung daher zutreffend in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 als solchen auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels.

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (11. September 1998) war der Beschwerdeführer volljährig im Sinne des § 20 Abs. 2 FrG 1997 in Verbindung mit § 21 ABGB. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 20, 21 Abs. 3, 4 und 5 FrG 1997 war daher auch unter dem Gesichtspunkt des § 113 Abs. 10 FrG 1997 nicht möglich, weil auch diese Bestimmung die Minderjährigkeit des Antragstellers im Bescheiderlassungszeitpunkt voraussetzt.

Insofern kann der Verwaltungsgerichtshof der Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht entgegentreten.

Unzutreffend ist allerdings die Auffassung der belangten Behörde, der Antrag des Beschwerdeführers sei ausschließlich in Richtung der §§ 20, 21 Abs. 3 bis 5 FrG 1997 zu prüfen gewesen.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Bewilligungsantrag vom 29. November 1995 als Aufenthaltszweck die Familienzusammenführung mit seinem Vater angegeben. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit seiner angestrebten Niederlassung ausschließlich das Zusammenleben mit seinem Vater bezweckt. Der Vorlage der (im Antragszeitpunkt allerdings nahezu ein Jahr alten) Bestätigung eines inländischen Unternehmens, welches bereit wäre, den Beschwerdeführer als Lehrling zu beschäftigen, maß die belangte Behörde nicht die Bedeutung der schlüssigen Geltendmachung auch des Aufenthaltszweckes der Aufnahme eines Lehrverhältnisses im Inland bei. Selbst wenn diese Beurteilung der belangten Behörde zutreffend wäre, erwiese sich der angefochtene Bescheid aus nachstehenden Erwägungen als rechtswidrig:

Zur Bedeutung des Aufenthaltszwecks (und seiner Angabe im Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung) unter dem Regime des Aufenthaltsgesetzes hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837) Folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 10 Abs. 1 erster Satz AufG berechtigt eine Aufenthaltsbewilligung - unabhängig davon, zu welchem Zweck sie erteilt wurde - den Fremden zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet für deren Geltungsdauer. Eine Einschränkung des Umfanges dieser Berechtigung auf den bei Antragstellung geltend gemachten Aufenthaltszweck ist dem § 10 Abs. 1 AufG weder in seiner Fassung vor, noch in jener nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zu entnehmen, zumal eine solche auch aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung in der Fassung der genannten Novelle, wonach in der Bewilligung der Aufenthaltszweck festzusetzen sei, nicht abgeleitet werden kann. Auch die Zulässigkeit der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung hängt gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nur von der Berechtigung des Fremden zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, nicht aber von dem in der Aufenthaltsbewilligung angeführten Aufenthaltszweck ab. Dem geltend gemachten Aufenthaltszweck kommt daher in erster Linie der Charakter einer Antragsbegründung zu. Insoweit eine zum Zweck der Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit erteilte Bewilligung gemäß § 5 Abs. 3 AufG zur Arbeitssuche unter Zuhilfenahme des Arbeitsmarktservice berechtigt, geht der Umfang einer zu diesem Zweck erteilten Bewilligung über jenen einer solchen zu anderen Zwecken hinaus. Durch den nunmehr begehrten Zuspruch eines 'Minus' geht die Identität der 'Sache' im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nicht verloren."

Durch die ausschließliche Angabe des Aufenthaltszweckes der Familienzusammenführung mit seinem in Österreich lebenden Vater hätte der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, dass er eine Berechtigung im vollen Umfang des § 10 Abs. 1 AufG, nicht aber die gemäß § 5 Abs. 3 AufG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) seinerzeit mit der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke der unselbstständigen Erwerbstätigkeit verbundenen zusätzlichen Rechte, anstrebt, wobei er als Begründung seines Antrages die Anwesenheit seines Vaters im Bundesgebiet anführte.

Ausgehend von diesem Bedeutungsgehalt des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung konnte die belangte Behörde aber bei Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer nunmehr ausschließlich die in §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 3 bis 5 FrG 1997 umschriebene Berechtigung anstrebt.

Es wäre vielmehr Sache der Behörde gewesen, von Amts wegen die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Gründe für die angestrebte Niederlassungsbewilligung - ihr Vorliegen vorausgesetzt - einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen gesetzlichen Aufenthaltszweck zu subsumieren und den Antrag im Rahmen der für diesen Zweck vorgesehenen Niederlassungsquote zu behandeln.

War aber nach dem Vorgesagten die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 schon am 1. Jänner 1998, eine Berücksichtigung des Beschwerdeführers im Rahmen der gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 festgelegten Quote hingegen seit 10. Mai 1998 (der Volljährigkeit des Beschwerdeführers), nicht mehr möglich, so wäre die belangte Behörde bei Bescheiderlassung am 11. September 1998 gehalten gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 festgelegten Quote für Drittstaatsangehörige, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, zu behandeln (vgl. hiezu auch schon die zum Aufenthaltsgesetz ergangenen hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 1997, Zl. 96/19/2101, und vom 16. Oktober 1998, Zl. 97/19/1564).

Auch nach dem FrG 1997 ist es nicht ausgeschlossen, die Anwesenheit von Familienangehörigen im Bundesgebiet als Grund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (hier: einer Niederlassungsbewilligung) für Private ins Treffen zu führen.

Im Rahmen der gemäß §§ 8, 19 FrG 1997 zu treffenden Ermessensentscheidung hätte die belangte Behörde insbesondere darauf Bedacht zu nehmen gehabt, ob dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Antragstellung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zustand, dessen Durchsetzung lediglich dadurch unterblieb, dass die belangte Behörde eine rechtskräftige Entscheidung über diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erließ, zu dem eine Niederlassungsbewilligung weder gemäß §§ 20, 21 Abs. 3 bis 5, noch gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 erteilt werden konnte. Bejahendenfalls wäre dieser Umstand zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.

Wollte man jedoch - entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Auffassung - die Meinung vertreten, der Beschwerdeführer habe durch die Vorlage der Bestätigung vom 19. Dezember 1994 sich auch auf den Aufenthaltszweck der Aufnahme einer Lehre gestützt, so ergäbe sich folgende Beurteilung:

Der Antritt einer Lehre galt gemäß § 2 Abs. 2 lit. c des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in seiner jeweiligen Fassung zwischen Antragstellung und Erlassung des gegenständlichen Bescheides stets als Ausbildungsverhältnis und damit als Beschäftigung im Sinne dieses Bundesgesetzes. Durch die Angabe auch dieses Aufenthaltszweckes hätte der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, dass er eine Berechtigung im vollen Umfang des § 10 Abs. 1 AufG, einschließlich der gemäß § 5 Abs. 3 AufG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) seinerzeit mit der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke der unselbstständigen Erwerbstätigkeit verbundenen zusätzlichen Rechte, anstrebt, wobei er als Begründung seines Antrages sowohl die Anwesenheit seines Vaters im Bundesgebiet, als auch die Absicht, ein Ausbildungsverhältnis zu begründen, anführte.

Nach Inkrafttreten des FrG 1997 wäre diesfalls der Antrag des Beschwerdeführers, der als Fremder, der die Aufnahme einer Lehre (bei einem nicht international tätigen Dienstgeber) beabsichtigt, nicht unter die privilegierende Bestimmung des § 7 Abs. 4 FrG 1997 fällt, auch als solcher auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, und zwar einer solchen zum Zweck der Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Verständnis des § 19 Abs. 3 FrG 1997 anzusehen, aufgrund dessen eine Niederlassungsbewilligung ohne Zweckangabe (für jeglichen Aufenthaltszweck) erteilt werden könnte:

Das Eingehen eines Lehrverhältnisses fällt nämlich schon bei einer am Wortlaut orientierten Interpretation unter den Begriff der unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 3 FrG 1997. Zum gleichen Ergebnis gelangt man bei Berücksichtigung des Gesetzeszwecks. Schließlich zielt diese Bestimmung ja darauf ab, dass eine zur Aufnahme einer ausländerbeschäftigungsrechtlich genehmigungspflichtigen Tätigkeit bestimmte Erstniederlassungsbewilligung nur dann erteilt werden darf, wenn die jeweiligen ausländerbeschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen bereits gegeben sind (vgl. die Erläuterungen zu dieser Bestimmung: RV 685 BlgNR 20. GP). Daraus folgt aber, dass die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck des Antritts einer ausländerbeschäftigungsrechtlich genehmigungspflichtigen Lehre, ebenso wie zum Zweck einer sonstigen ausländerbeschäftigungsrechtlich genehmigungspflichtigen unselbstständigen Erwerbstätigkeit, das Vorliegen einer derartigen ausländerbeschäftigungsrechtlichen Genehmigung voraussetzt.

Die belangte Behörde hätte bei Geltendmachung auch des Zweckes der Aufnahme eines Lehrverhältnisses zunächst zu prüfen gehabt, ob dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck zur Ausübung auch einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit (Lehre) erteilt werden konnte. Dies hätte das Vorliegen einer der in § 19 Abs. 3 FrG 1997 angeführten Berechtigungen vorausgesetzt.

In Ermangelung des Vorliegens solcher Berechtigungen wäre die Berücksichtigung des Beschwerdeführers im Rahmen der gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 festgelegten Quote und die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck nicht möglich gewesen.

Diesfalls hätte die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers - wie oben ausgeführt - ausschließlich im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 festgelegten Quote zu behandeln gehabt. In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, dass die vom Beschwerdeführer allenfalls bekundete Absicht, im Falle der Erlangung einer auch diesen Zweck umfassenden Bewilligung in Österreich eine Erwerbstätigkeit (Lehre) aufzunehmen, nicht ausschlösse, ihm für den Fall, dass eine solche Bewilligung nicht erteilt werden könnte (weil es an der ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bewilligung fehlt), dennoch eine Niederlassungsbewilligung für Private zu erteilen, wenn - wie das beim Beschwerdeführer der Fall ist - im Antrag auch andere Gründe als den der Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit (Lehre) ins Treffen geführt wurden.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998190236.X00

Im RIS seit

29.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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