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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/05/0283Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision 1. der C M und
2. des W R, beide in W, beide vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Renngasse 9, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7. Juni 2017, Zlen. 1.) VGW-111/V/075/10792/2016 und 2.) VGW- 111/V/075/10793/2016, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: V GmbH in W, vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fichtegasse 2A), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Darin ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Dieser ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0158, mwN).
5 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom 15. Juli 2016 wurde (unter Spruchpunkt I.) der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen die baubehördliche Bewilligung erteilt, auf einem (näher bezeichneten) Grundstück in Wien nach Abbruch des Gebäudes an der Baulinie und des oberirdischen Bauwerks an der hinteren Grundgrenze eine Wohnhausanlage mit sieben Wohnungen und einer Tiefgarage mit zwölf PKW-Stellplätzen, die über einen Autoaufzug erschlossen wird, zu errichten. (Unter Spruchpunkt II. des Bescheides wurde über die Stundung der Gehsteigherstellung und unter Spruchpunkt III. des Bescheides über die Bekanntgabe einer Gehsteigauf- und -überfahrt abgesprochen.)
6 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde (unter Spruchpunkt I.) die gegen diesen Bescheid von den Revisionswerbern, die Miteigentümer eines (näher bezeichneten) nordwestlich an das Baugrundstück anschließenden Grundstückes sind, erhobene Beschwerde zurückgewiesen und (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.
7 Dazu führte das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen aus, die Revisionswerber hätten in ihrer Beschwerde gegen den Bescheid vom 15. Juli 2016 (u.a.) vorgebracht, dass sich in der Außenwand ihres Hauses, das seit bereits weit länger als 100 Jahren existiere und mit einem geringen Teil ganz an die Grundgrenze zum Baugrundstück sowie im größeren Verlauf etwa einen Meter von dieser entfernt gebaut sei, drei baubehördlich genehmigte Fenster (eines Badezimmers und von Wohnräumen) befänden und die Verordnungen, welche die geschlossene Bauweise im strittigen Bereich vorsähen, gesetzwidrig seien, weil der Lichteinfall auf die dem bewilligten Haus gegenüberliegenden Fenster in unzulässiger Weise beeinträchtigt werde. Weiters führte das Verwaltungsgericht aus, dass laut dem Plandokument (PD) 7755 für das Baugrundstück (u.a.) die geschlossene Bauweise vorgeschrieben sei und von den Revisionswerbern, die rechtzeitig subjektiv-öffentliche Nachbarrechte im Sinne des § 134a Abs. 1 Bauordnung für Wien (BO) geltend gemacht hätten, in der Beschwerde ausschließlich die Unzulässigkeit der Flächenwidmungs- und Bebauungsbestimmungen und der darin vorgesehenen geschlossenen Bauweise vorgebracht worden sei, was kein Nachbarrecht im Sinne dieser Gesetzesbestimmung darstelle. Da somit die Beschwerde keine Behauptung der Verletzung derjenigen subjektiv-öffentlichen Rechte zum Gegenstand habe, welche aufgrund von rechtzeitigen Einwendungen die Parteistellung der Revisionswerber begründet hätten, sei die Beschwerde unzulässig. Im Hinblick darauf sei auch keine mündliche Verhandlung durchzuführen.
8 Gegen diesen Beschluss erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss VfGH 25.9.2018, E 2522/2017-12, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Darin vertrat der Verfassungsgerichtshof (u.a.) die Auffassung, dass es schon aus Gründen der Widmungskontinuität grundsätzlich nicht rechtswidrig sei, wenn das PD 7755 die geschlossene Bauweise beibehalte, und es angesichts der vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Sach- und Rechtslage vertretbar sei, wenn es von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen habe.
9 Die Revisionswerber bringen in der Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) ihrer gegen den angefochtenen Beschluss erhobenen Revision im Wesentlichen vor, dass ihnen die Möglichkeit genommen worden sei, sich in das Verfahren erster Instanz einzubringen, ihnen der Bescheid vom 15. Juli 2016 nur aufgrund ihrer Eingabe vom 7. Juni 2016 zugestellt worden sei, nach welcher ihnen weder der Verfahrensstand mitgeteilt noch eine sonstige Aufklärung über diesen gegeben worden sei, und diese Vorgangsweise, wodurch ihnen eine Instanz des Behördenverfahrens genommen worden sei, durch ihre Beiziehung im nachfolgenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht habe saniert werden können.
10 Auch die Tatsache, dass das Verwaltungsgericht die von den Revisionswerbern beantragte mündliche Verhandlung nicht abgehalten habe, stelle einen wesentlichen und unzulässigen Eingriff in ihre Parteienrechte dar. So habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Flächenwidmungsplanes eine mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof als unbedingt erforderlich erachtet und hätten sie entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes sehr wohl subjektiv-öffentliche Anrainerrechte im Zusammenhang mit dem nötigen Abstand und aus diesem abgeleitet dem Lichteinfall auf die Fenster ihres Hauses geltend gemacht. Daher erweise sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses, die Revisionswerber hätten die Parteistellung mangels Geltendmachung derartiger Rechte verloren, als unzutreffend. Durch ihre Aussage, aber auch die Erörterung der von ihnen vorgelegten vielfältigen Unterlagen in der Verhandlung hätten die Revisionswerber im Falle der Abhaltung einer solchen Gelegenheit gehabt, ihre Rechtsansicht darzustellen und zu untermauern.
11 Zur Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Anrainerrechte gemäß § 134a BO sei auf das Erkenntnis VwGH 24.4.1997, 96/06/0051, zu verweisen, in welchem festgehalten worden sei, dass ein Anrainer zwar kein Recht auf Wahrung des Licht- und Sonneneinfalls, wohl aber darauf habe, dass der Abstand zu seinem Grundstück eingehalten werde. Zusätzlich werde auf das Erkenntnis VwGH 6.9.2011, 2009/05/0245, hingewiesen, wonach bei einer vorgeschriebenen geschlossenen Bauweise und dem Bestehen rechtmäßiger Fenster in der Feuermauer des Nachbargebäudes im Baubewilligungsverfahren darauf zu achten sei, dass die Bestimmungen über die geschlossene Bauweise im Hinblick auf das Nachbarrecht gemäß § 134a Abs. 1 lit. a BO so auszulegen seien, dass für den Nachbarn der gesetzlich vorgesehene Lichteinfall jedenfalls gewahrt bleibe. Diese Judikatur habe das Verwaltungsgericht nicht beachtet.
12 Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht mit der Erstellung eines Gutachtens zu aus seiner Sicht offenen Fragen des Bauvorhabens den Magistrat bzw. dessen Mitarbeiter DI W. beauftragt und sei ein Gutachter genau jener Abteilung, die den bekämpften Bescheid erlassen habe, jedenfalls befangen, sodass sich das Verwaltungsgericht nicht auf dieses Gutachten hätte stützen dürfen. Außerdem befasse sich dieses Gutachten lediglich mit jenen Fragen, die andere Anrainer aufgeworfen hätten, nicht jedoch mit den Einwendungen der Revisionswerber betreffend die Festlegung der gekuppelten Bauweise und die Nichtbeachtung der Abstände zwischen dem zu bewilligenden Gebäude und ihrem rechtmäßig bestehenden Altbestand zum Zwecke der Gewährleistung des erforderlichen Lichteinfalls. Der Gutachtensauftrag erweise sich als falsch bzw. unvollständig, und die Revisionswerber hätten dies in einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung des Gutachters unter Beweis stellen können.
13 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
14 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses zugrunde zu legen (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2016/05/0077, mwN) und im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt in der BO enthaltenen Übergangsbestimmungen (vgl. in diesem Zusammenhang Art. IV Abs. 1 Bauordnungsnovelle 2014, LGBl. Nr. 25, Art. II Abs. 2 der Änderung der BO, LGBl. Nr. 21/2016, und Art. II Abs. 2 der Änderung der BO, LGBl. Nr. 27/2016, wonach für alle zur Zeit des Inkrafttretens dieser Novellen anhängigen Verfahren die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen gelten) - sieht man von § 129 Abs. 4 fünfter Satz BO in der Fassung der Bauordnungsnovelle 2014 und den durch Art. II der Änderung der BO, LGBl. Nr. 8/2015, novellierten Bestimmungen des § 4 Abs. 2 Punkt D lit. g, des § 5 Abs. 4 lit. m und des § 140 Abs. 1 ab - die BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 46/2013 anzuwenden (vgl. dazu auch VwGH 23.5.2018, Ra 2016/05/0094).
15 Nach § 134 Abs. 3 dritter Satz BO erlangt ein Nachbar im Baubewilligungsverfahren Nachbar- und damit Parteistellung nur im Rahmen und im Umfang der rechtzeitig erhobenen rechtserheblichen Einwendungen und kann daher nur insoweit in seinen Rechten verletzt sein. Der Nachbar kann somit nur im Rahmen der von ihm erhobenen Einwendungen Parteistellung erlangen und auch nur insoweit Parteirechte beanspruchen. Ein über die erlangte Parteistellung hinausgehendes Beschwerdevorbringen ist daher unzulässig, sodass eine solche unzulässige Beschwerde zurückzuweisen ist (vgl. etwa das Erkenntnis VwGH 15.11.2011, 2010/05/0113, mwN, dessen Ausführungen zur Rechtsmittelzulässigkeit auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit 1. Jänner 2014 übertragen werden können). Die Beschwerde eines Nachbarn ist somit unzulässig und zurückzuweisen, wenn sie kein Vorbringen enthält, das die Behauptung der Verletzung derjenigen subjektiv-öffentlichen Rechte zum Gegenstand hat, welche aufgrund der rechtzeitigen Einwendungen die Begründung der Parteistellung des Nachbarn bewirkt haben (vgl. etwa VwGH 17.6.2003, 2003/05/0009).
16 In ihrer an das Verwaltungsgericht erhobenen Beschwerde haben die Revisionswerber in Bezug auf eine Verletzung ihrer (materiellen) subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte durch das Bauvorhaben im Wesentlichen geltend gemacht, im Hinblick darauf, dass sich in der Außenwand ihres Hauses, das seit bereits weit länger als 100 Jahren existiere und mit einem geringen Teil ganz an die Grundgrenze zum Baugrundstück, in einem größeren Verlauf jedoch etwa einen Meter von dieser entfernt gebaut sei, in diesem Bereich drei baubehördlich genehmigte Fenster (eines Badezimmers und von Wohnräumen) befänden, sei die Festlegung der geschlossenen Bauweise im strittigen Bereich (durch das genannte Plandokument) mangels einer gesetzmäßig vorgenommenen Interessenabwägung gesetzwidrig, weil hiedurch der Lichteinfall auf ihre dem bewilligten Haus gegenüberliegenden Fenster in unzulässiger Weise beeinträchtigt werde. Bei gesetzes- bzw. verfassungskonformer Beachtung dieser Argumente hätte der Magistrat das Bauansuchen abweisen müssen.
17 Dieses Beschwerdevorbringen wendet sich somit gegen die im PD 7755 festgelegte geschlossene Bauweise für das Baugrundstück, von der das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Bauvorhabens auszugehen hatte. Dazu ist zu bemerken, dass die vom Wiener Gemeinderat beschlossenen Flächenwidmungs- und Bebauungspläne Verordnungen im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG darstellen (vgl. dazu insbesondere § 1 Abs. 1 BO) und der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 B-VG (in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51) keine Zuständigkeit hat, über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen zu entscheiden. Diese Befugnis steht vielmehr gemäß Art. 139 B-VG - unter den in dieser Bestimmung angeführten Voraussetzungen - nur dem Verfassungsgerichtshof zu (vgl. etwa VwGH 31.7.2014, Ro 2014/05/0063).
18 Ferner können nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH 30.10.2018, Ra 2018/05/0253, mwN) Bedenken gegen generelle Rechtsvorschriften keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen. Abgesehen davon wird in diesem Zusammenhang auf den oben genannten Beschluss VfGH 25.9.2018, E 2522/2017-12, mit dem (u.a.) die Behandlung der von den Revisionswerbern gegen den vorliegend angefochtenen Beschluss an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde abgelehnt wurde, hingewiesen, worin es der Verfassungsgerichtshof schon aus Gründen der Widmungskontinuität grundsätzlich für nicht rechtswidrig erachtete, wenn im PD 7755 die geschlossene Bauweise (für das Baugrundstück) beibehalten wurde, und er somit dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegte.
19 Die Anwendung der Bestimmungen des PD 7755 über die Festlegung der geschlossenen Bauweise für das Baugrundstück durch das Verwaltungsgericht steht daher in keinem Widerspruch zur Rechtslage oder zur hg. Judikatur.
20 Auch mit dem Hinweis auf die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zitierten beiden hg. Erkenntnisse legt diese nicht dar, dass das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei:
21 Wenn die Revision in Bezug auf die Verletzung (materieller) subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im Sinne der BO das Erkenntnis VwGH 24.4.1997, 96/06/0051, ins Treffen führt, so ist damit für ihren Standpunkt bereits deshalb nichts gewonnen, weil dieses zum Salzburger Baupolizeigesetz, LGBl. Nr. 117/1973, in der Fassung LGBl. 13/1995 ergangen ist und darin zur im vorliegenden Revisionsfall maßgeblichen Rechtslage nach der BO keine Aussagen getroffen wurden.
22 In dem von der Revision zitierten weiteren Erkenntnis VwGH 6.9.2011, 2009/05/0245, war die BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung vor Inkrafttreten der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008, anzuwenden. Darin führte der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in dem die geschlossene Bauweise für die Bauliegenschaft festgelegt war und rechtmäßige Fenster in der Feuermauer des Nachbargebäudes an der Grundgrenze bestanden, (u.a.) - unter Bezugnahme auf § 78 Abs. 1 BO, wonach für Hauptfenster, soweit in diesem Gesetz nicht Ausnahmen zugelassen sind, der freie Lichteinfall unter 45 Grad auf die nach § 88 Abs. 2 leg. cit. erforderliche Fensterfläche gesichert sein muss - aus, dass bei jeder Bauführung dafür gesorgt werden muss, dass die Belichtung des Bauprojektes gegeben ist, wobei jedoch ein Anspruch des Nachbarn gegen den Bauwerber, dass dieser die Belichtung auf der Nachbarliegenschaft sicherstellt, abgesehen von Abstands- und Höhenbestimmungen, nicht besteht. Liegt jedoch ein besonderer Fall vor, bei dem die geschlossene Bauweise für die Bauliegenschaft festgelegt ist und andererseits rechtmäßige Fenster in der Feuermauer des Nachbargebäudes an der Grundgrenze bestehen, ist im Baubewilligungsverfahren darauf zu achten, dass die Bestimmungen über die geschlossene Bauweise im Hinblick auf das Nachbarrecht gemäß § 134a Abs. 1 lit. a BO so ausgelegt werden, dass für den Nachbarn der gesetzlich vorgesehene Lichteinfall jedenfalls gewahrt bleibt. § 78 BO wurde durch die Techniknovelle 2007 aufgehoben, sodass das genannte Erkenntnis für den vorliegenden Revisionsfall schon insoweit nicht einschlägig ist. Darüber hinaus wurde in diesem Erkenntnis, wie bereits dargelegt, ausdrücklich festgehalten, dass ein Anspruch des Nachbarn gegen den Bauwerber, dass dieser die Belichtung auf der Nachbarliegenschaft sicherstellt, abgesehen von Abstands- und Höhenbestimmungen, nicht besteht. Welche Abstands- und Höhenbestimmungen durch das bewilligte Bauvorhaben nicht eingehalten würden, haben die Revisionswerber jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch in ihrer an das Verwaltungsgericht erhobenen Beschwerde noch in der Zulässigkeitsbegründung der Revision geltend gemacht und dargestellt.
23 Auch mit ihrem Vorbringen, dass ihnen die Möglichkeit genommen worden sei, sich in das Verfahren erster Instanz einzubringen, und dies durch ihre Beiziehung im nachfolgenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht habe saniert werden können, legen die Revisionswerber keine grundsätzliche Rechtsfrage dar. So kann einer in einer Revision aufgeworfenen Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen, wenn die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem behaupteten Verfahrensmangel jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen. Da die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter als ihre materiellen Rechte gehen, können Verfahrensfehler für die Nachbarn nur dann von Relevanz sein, wenn damit eine Verletzung ihrer materiellen Nachbarrechte gegeben wäre (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 29.6.2017, Ra 2017/06/0104, mwN).
24 Eine Verletzung von materiellen Nachbarrechten wird von der Revision in deren Zulässigkeitsbegründung, wie oben dargelegt, nicht aufgezeigt, sodass mit dem oben genannten Vorbringen keine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes von grundsätzlicher Bedeutung dargestellt wird. Aus denselben Gründen wird auch mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision, wonach das Verwaltungsgericht mit der Erstellung eines Gutachtens zu aus seiner Sicht offenen Fragen des Bauvorhabens nicht den Magistrat bzw. dessen Mitarbeiter DI W. hätte beauftragen und sich nicht auf dessen Gutachten hätte stützen dürfen, keine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan.
25 Ferner war das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen. So kann gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 24/2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Sinne des § 24 Abs. 1 leg. cit. (u.a.) dann entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Denn eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art. 6 EMRK kommt daher nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse - wie etwa der Verlust der Parteistellung - entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 30.10.2018, Ra 2017/05/0239, mwN).
26 Da somit die Revision keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG darlegt, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2019
Schlagworte
Baurecht NachbarNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018050282.L00Im RIS seit
26.02.2019Zuletzt aktualisiert am
14.03.2019