Index
E000 EU- Recht allgemeinNorm
AsylG 2005 §5 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Hainz-Sator und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision des H M H, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2017, Zl. W168 2146185-1/14E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung einer Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am 5. August 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Eine „Eurodac-Treffermeldung“ vom selben Tag ergab eine erkennungsdienstliche Behandlung des Revisionswerbers in Italien am 23. Juli 2016. Mit Schreiben eines Röntgeninstitutes vom 17. August 2016 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mitgeteilt, beim Revisionswerber sei eine Bestimmung des Knochenalters der linken Hand erfolgt, die darauf schließen lasse, dass dieser volljährig sei.
2 1.2. Aufgrund dieser Information stellte das BFA am 20. August 2016 ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch gemäß Art. 21 Dublin III-VO an die italienischen Behörden. Unter einem wies es die italienischen Behörden darauf hin, dass die Angaben des Revisionswerbers bezüglich seiner Minderjährigkeit aufgrund der Ergebnisse einer ersten medizinischen Untersuchung nicht glaubhaft seien. Das Einlangen des Ersuchens bei der italienischen Behörde wurde von dieser am selben Tag bestätigt.
3 1.3. Mit Schreiben vom 31. August 2016 verweigerten die italienischen Behörden die Rückübernahme des Revisionswerbers mit der Begründung und dem Hinweis auf Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO, wonach der Revisionswerber erklärt habe, dass er ein unbegleiteter Minderjähriger sei und in Italien keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe.
4 1.4. Am 5. September 2016 richtete das BFA ein Schreiben an die italienischen Behörden mit dem Inhalt, dass die Ablehnung zur Kenntnis genommen werde und sich die österreichischen Behörden bei Erhalt neuer Ermittlungsergebnisse betreffend das Alter des Revisionswerbers wieder an die italienischen Behörden wenden würden.
5 1.5. Aufgrund eines gerichtsmedizinischen Gutachtens vom 20. Oktober 2016 ergab sich die Volljährigkeit des Revisionswerbers zum Zeitpunkt der Antragstellung.
6 1.6. Am 12. November 2016 wurden die Ergebnisse der Altersfeststellung mit dem Hinweis, dass der Revisionswerber zum Antragszeitpunkt zumindest 18 Jahre alt gewesen sei, den italienischen Behörden übermittelt.
7 1.7. Mit Schreiben vom 14. November 2016 stimmte Italien dem Aufnahmegesuch gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
8 1.8. Mit Bescheid vom 11. Jänner 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Behandlung dieses Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO Italien zuständig sei, weiters wurde gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Italien zulässig sei.
9 Am 23. Februar 2017 wurde der Revisionswerber auf dem Luftweg nach Italien überstellt.
10 2. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 8. Mai 2017 als unbegründet ab. Begründend führte das BVwG - soweit für den vorliegenden Revisionsfall relevant - aus, dass Italien seine Zuständigkeit ausdrücklich anerkannt habe und es für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates keine Anhaltspunkte gebe. Die Revision wurde vom BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.
11 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
12 In der Revision wird vorgebracht, dem Erkenntnis des BVwG liege die Ansicht zugrunde, dass sich die Zuständigkeit Italiens aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ergebe. Es stelle sich die Frage, ob von einer Zuständigkeit Italiens auszugehen sei, wenn Italien zuerst das Aufnahmegesuch innerhalb der zweimonatigen Frist ablehne und die Zustimmung - nach Einleitung eines Remonstrationsverfahrens gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (im Folgenden: Durchführungsverordnung) - nach Ablauf der in Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO normierten zweimonatigen Frist erteile. Das BVwG gehe hierbei davon aus, dass Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung eine Verlängerung der in Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO normierten Frist für die Antwort auf ein Aufnahmegesuch vorsehe. Zur Frage, ob sich aus dem Remonstrationsverfahren oder einer sonstigen Rechtsgrundlage die Verlängerung der Frist nach Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO ergebe, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
13 4.1. Mit Beschluss vom 14. November 2017, EU 2017/0009, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die beim EuGH zu C-657/17 protokolliert wurden:
„1. Führt die Versäumung der Frist gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung 1560/2003 (Durchführungsverordnung) zur Entgegnung (Remonstration) im Falle der fristgerechten Ablehnung eines Aufnahmegesuchs gemäß Art. 21 Abs. 1 der Verordnung 604/2013 (Dublin III-VO) durch den ersuchten Mitgliedstaat zu einem Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Mitgliedstaat, wenn der ersuchende Mitgliedstaat zunächst fristgerecht ein Aufnahmegesuch im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Dublin III-VO gestellt hat und aufgrund (nachträglicher) Ermittlungen der ersuchte Mitgliedstaat als der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO zuständige Mitgliedstaat feststeht?
2. Kann der ersuchte - und nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO zuständige - Mitgliedstaat dem Aufnahmegesuch nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO auch dann noch wirksam zustimmen, wenn die in Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO festgelegte Antwortfrist bereits abgelaufen ist und der ersuchte Mitgliedstaat das Aufnahmegesuch zuvor fristgerecht abgelehnt hat?“
14 4.2. In der Rechtssache C-47/17 (verbunden mit C-48/17) hat die Rechtbank Den Haag (Niederlande) dem EuGH unter anderem folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1. Hat der ersuchte Mitgliedstaat unter Berücksichtigung von Sinn, Inhalt und Zweck der Dublin III-Verordnung und der Richtlinie 2013/32 innerhalb von zwei Wochen auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zu antworten?
(...)
5. Welche Folge ist daran zu knüpfen, wenn der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb von zwei Wochen [...] auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung antwortet? Ist der ersuchende Mitgliedstaat dann zuständig, den Asylantrag des Ausländers inhaltlich zu prüfen, oder ist dies der ersuchte Mitgliedstaat?
(...)“
15 4.3. Das Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-47/17 und C-48/17 erging am 13. November 2018 (zur für den vorliegenden Fall maßgeblichen Begründung s. Ausführungen unter Rn 26ff).
16 Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-657/17 zurückgezogen.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:
17 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
18 5.1. § 5 AsylG 2005 lautet:
„Zuständigkeit eines anderen Staates
(1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
...“
19 5.2. Art. 3 Dublin III-VO bestimmt, dass die Mitgliedstaaten jeden Antrag auf internationalen Schutz prüfen, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
20 Nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ist, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Abs. 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
21 Gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO kann der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, wenn er diesen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages für zuständig hält. Im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 wird dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Art. 15 Abs. 2 jener Verordnung gestellt. Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der entsprechenden Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.
22 Was die Antwort auf ein Aufnahmegesuch betrifft, sieht Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO vor, dass der ersuchte Mitgliedstaat die erforderlichen Überprüfungen vornimmt und über das Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Gesuchs entscheidet. Nach Abs. 7 leg. cit. ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb der entsprechenden Frist keine Antwort erteilt wird.
23 Für den vorliegenden Fall steht außer Frage, dass Italien zunächst das Aufnahmegesuch fristgerecht abgelehnt hat. Die in Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO enthaltene zwingende Antwortfrist - ausgehend vom Einlangen des auf Angaben aus dem Eurodac-System gestützten Aufnahmegesuchs am 20. August 2016 - endete für die italienischen Behörden aufgrund der auf zwei Wochen verkürzten Antwortfrist mit Ablauf des 3. September 2016 (vgl. zu den im Unionsrecht geltenden Grundsätzen der Fristberechnung VwGH 30.5.2017, Ro 2017/19/0001, Rn. 21, mwN). Die abschlägige Antwort Italiens vom 31. August 2016 erfolgte daher rechtzeitig.
24 5.3. Sofern der ersuchte Mitgliedstaat die Aufnahme ablehnt, ist der ersuchende Mitgliedstaat, wenn er die Auffassung vertritt, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht oder er sich auf weitere Unterlagen berufen kann, gemäß Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung berechtigt, vom ersuchten Mitgliedstaat eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs um eine Aufnahme zu verlangen (Remonstrationsverfahren). Soweit diese Möglichkeit rechtzeitig - nämlich binnen drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort - in Anspruch genommen wird, bestimmt Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung, dass der ersuchte Mitgliedstaat binnen zwei Wochen eine Antwort erteilt.
25 Dazu hat der EuGH in seinem Urteil vom 13. November 2018, C-47/17 und C-48/17, X und X gegen Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie, festgehalten, dass der ersuchende Mitgliedstaat auch dann berechtigt ist, um neuerliche Prüfung gemäß Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung anzusuchen, wenn der Abschluss des Remonstrationsverfahrens nach Ablauf der in Art. 22 Abs. 1 und 6 Dublin III-VO vorgesehenen Frist eintreten sollte.
26 Zur Bestimmung des Abschlusses des Remonstrationsverfahrens hat der EuGH weiters festgehalten, dass das Remonstrationsverfahren nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung ein zusätzliches, fakultatives Verfahren darstelle und diese Vorschrift im Einklang mit den Vorschriften der Dublin III-VO und den mit dieser verfolgten Zielen auszulegen sei.
27 Wörtlich führt der EuGH weiter aus:
„74 (...) Ein Verfahren der neuerlichen Prüfung, das mit der Folge unbefristet wäre, dass die Frage, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, offen bliebe, und dass somit die Prüfung eines solchen Antrags erheblich, potenziell sogar zeitlich unbeschränkt hinausgezögert würde, wäre mit diesem Ziel einer zügigen Bearbeitung unvereinbar.
75 Das genannte Ziel, das auch Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zugrunde liegt, wird nach dem Wortlaut dieser Vorschrift durch einen strikten zeitlichen Rahmen mittels Festlegung einer Frist von drei Wochen, die dem ersuchenden Mitgliedstaat gewährt wird, um ein Ersuchen um neuerliche Prüfung an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten, und einer Frist von zwei Wochen für die etwaige Antwort von Letzterem auf dieses Ersuchen umgesetzt.
76 Somit geht erstens aus dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Durchführungsverordnung eindeutig hervor, dass von der durch diesen Art. 5 Abs. 2 dem ersuchenden Mitgliedstaat gebotenen Möglichkeit, um eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme beim ersuchten Mitgliedstaat zu ersuchen, innerhalb von drei Wochen nach Empfang der ablehnenden Antwort des ersuchten Mitgliedstaats Gebrauch gemacht werden muss. Folglich verliert der ersuchende Mitgliedstaat mit Ablauf dieser zwingenden Frist diese Möglichkeit. (...)“
28 Nach den eben dargestellten Erwägungen des EuGH ist der ersuchende Mitgliedstaat zwar berechtigt, ein Remonstrationsverfahren auch dann noch anzustrengen, wenn der Abschluss desselben erst nach Ablauf der in Art. 22 Abs. 1 und 6 Dublin III-VO vorgesehenen Frist eintreten sollte. Jedoch ist den Ausführungen des EuGH zufolge das Remonstrationsverfahren im Einklang mit den Vorschriften der Dublin III-VO und den von dieser verfolgten Zielen auszulegen, sodass davon auszugehen ist, dass mit der Versäumung der Frist zur (neuerlichen) Anfrage im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung dieses Recht für den ersuchenden Mitgliedstaat verloren geht. Demzufolge ist Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung dahin auszulegen, dass der ungenützte Ablauf der vorgesehenen Frist von drei Wochen für das Remonstrationsverfahren bewirkt, dass der ersuchende Mitgliedstaat als für die Prüfung des betreffenden Antrags auf internationalen Schutz zuständig anzusehen ist. Dies trifft lediglich dann nicht zu, wenn dem ersuchenden Staat noch die für die Stellung eines erneuten Gesuchs um Wiederaufnahme innerhalb der dazu in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung vorgesehenen zwingenden Fristen erforderliche Zeit zur Verfügung steht (EuGH 13.11.2018, X und X, C-47/17 und C-48/17, Rn. 86f).
29 Die neuerliche Anfrage der österreichischen Behörde im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung erfolgte erst am 12. November 2016 und damit nach Ablauf der dreiwöchigen Frist ab Empfang der fristgerecht erfolgten, ablehnenden Antwort des nach den Bestimmungen des Art. 21 Dublin III-VO ersuchten Mitgliedstaates. Die Zuständigkeit für die inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz des Revisionswerbers ist daher mit Ablauf der dreiwöchigen Frist ab Erhalt der abschlägigen Mitteilung seitens Italiens mangels fristgerechter Einleitung des Remonstrationsverfahrens auf die österreichischen Behörden übergegangen.
30 Das Schreiben der italienischen Behörde vom 14. November 2016, mit welchem sie der Aufnahme gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zustimmte, konnte vor dem Hintergrund des Verlusts des Rechts auf Einleitung des Remonstrationsverfahrens die Zuständigkeit Italiens nicht neuerlich begründen (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt auch VwGH 13.12.2018, Ra 2017/18/0110; zum Fehlen einer Norm betreffend einen neuerlichen Zuständigkeitsübergang vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0133).
31 Infolge der Zuständigkeit Österreichs für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz kommt die Zurückweisung des Antrages gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 und sohin auch die Erlassung der Anordnung der Außerlandesbringung nach § 61 FPG im Revisionsfall nicht in Betracht.
32 5.4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 23. Jänner 2019
Gerichtsentscheidung
EuGH 62017CJ0047 X VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017200205.L00Im RIS seit
02.09.2020Zuletzt aktualisiert am
02.09.2020