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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 2005 §55 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 2018, Zl. W117 2119045- 1/12E, betreffend Rückkehrentscheidung, Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG und Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: N S in M, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Ausspruches nach § 9 Abs. 3 BFA-VG und der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte ist mongolische Staatsangehörige und verfügte zuletzt über einen bis zum 19. Februar 2014 gültigen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Am 2. Februar 2014 beantragte sie die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels.
2 Da sich im Verlängerungsverfahren herausstellte, dass die Mitbeteiligte im vorangegangenen Verfahren eine falsche Identität verwendet hatte, sodass Zweifel am Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG entstanden, trat die Niederlassungsbehörde gemäß § 25 Abs. 1 NAG zur Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) heran.
3 Dieses erließ schließlich mit Bescheid vom 12. Jänner 2016 gemäß "§ 52 Absatz 4 Fremdenpolizeigesetz 2005" iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen die Mitbeteiligte, sprach aus, dass ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung in die Mongolei zulässig sei, und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der gegen den genannten Bescheid erhobenen Beschwerde (implizit) statt, indem es die "Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005" gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärte und der Mitbeteiligten gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilte. Außerdem erklärte das BVwG eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall "rein tatsachenlastig" sei.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
5 Mit der Revision wurde ausdrücklich das gesamte Erkenntnis angefochten. Gegen die dem abändernden Spruch implizit zugrunde liegende Aufhebung der vom BFA verhängten Rückkehrentscheidung samt den damit zusammenhängenden Absprüchen enthält die Revision allerdings keinerlei Vorbringen. Insoweit war die Revision daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
6 Im Übrigen erweist sich die Revision aber als zulässig und berechtigt:
7 Das BFA erließ mit seinem Bescheid vom 12. Jänner 2016 spruchgemäß eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG. In der Begründung des Bescheides berief es sich dann konkret auf den Rückkehrentscheidungstatbestand nach § 52 Abs. 4 Z 1 FPG und führte dazu aus, dass durch die Vorlage gefälschter Urkunden mit dem Ziel, dadurch einen Aufenthaltstitel zu erwirken, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG verwirklicht werde.
8 Das BVwG ging hingegen davon aus, dass der weitere Aufenthalt der Mitbeteiligten keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG sohin aktuell nicht gerechtfertigt sei. Darüber hinaus vertrat es die Ansicht, dass die gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG gebotene Interessenabwägung zugunsten der Mitbeteiligten auszufallen habe. Im Hinblick darauf traf es gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auch die Feststellung, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, und erteilte der Mitbeteiligten gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus".
9 Dazu war das BVwG jedoch - insbesondere vor dem Hintergrund des § 25 Abs. 2 dritter Satz NAG - nicht befugt, wozu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des in der Amtsrevision angeführten Erkenntnisses VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224 (im Einzelnen vor allem Rn. 15 und 18), verwiesen werden kann (vgl. zuletzt auch das Erkenntnis VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0017, dem ebenfalls ein Verlängerungsverfahren betreffend eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zugrunde lag).
10 Das BVwG hätte also, wie von der Amtsrevision richtig ausgeführt wird, weder den Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG, eine Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig, treffen, noch eine "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilen dürfen, sondern es hatte - ausgehend von der in der Revision nicht bekämpften Ansicht, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig war - nur (wie implizit ohnehin vorgenommen) den Bescheid des BFA vom 12. Jänner 2016, betreffend (insbesondere) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, ersatzlos zu beheben. Im Verlängerungsverfahren ist dann gemäß § 25 Abs. 2 dritter Satz NAG ein "Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang" zu erteilen, das heißt dem Verlängerungsantrag stattzugeben und der bisherige Aufenthaltstitel erneut (allenfalls aber auch ein anderer nunmehr in Betracht kommender Aufenthaltstitel nach dem NAG) auszustellen. Daran ändert nichts, dass sich das BFA im vorliegenden Fall in der Begründung des Bescheides vom 12. Jänner 2016 auf den Rückkehrentscheidungstatbestand des § 52 Abs. 4 Z 1 FPG (nachträgliches Bekanntwerden oder Eintreten eines Versagungsgrundes gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre) berufen hat, obwohl angesichts des anhängigen Verlängerungsverfahrens richtigerweise nur § 52 Abs. 4 Z 4 FPG (Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG, der der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels entgegensteht) in Betracht gekommen wäre. Entscheidend ist vielmehr die (mit der ersatzlosen Behebung durch das BVwG feststehende) Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung:
Sie führt im Fall eines (wie hier) anhängigen Verlängerungsverfahrens zu einem Vorgehen gemäß § 25 Abs. 2 dritter Satz NAG, im Fall eines noch aufrechten Aufenthaltstitels (in dem eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 Z 1 FPG in Betracht kommt) aber dazu, dass der Aufenthalt des Fremden auf Grund des zuletzt erteilten Titels innerhalb von dessen Gültigkeitsdauer (wieder) rechtmäßig ist (auch in diesem Fall besteht also kein Raum für einen Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG und die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 durch das BVwG).
11 Das angefochtene Erkenntnis ist daher im Umfang des Ausspruches nach § 9 Abs. 3 BFA-VG und der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes behaftet, weshalb es insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 24. Jänner 2019
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210227.L00Im RIS seit
26.02.2019Zuletzt aktualisiert am
13.03.2019