Index
L92006 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Steiermark;Norm
MSG Stmk 2011 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, über den auf § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz gestützten Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. November 2018, 31 Cg 1/18i-24, auf allfällige Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 6. Februar 2017, A5-52175/2016-1, betreffend Mindestsicherung (weitere Parteien: 1. S S in G, vertreten durch die Sudi Siarlidis Huber Ehß Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Plüddemanngasse 87;
2. Stadt Graz, vertreten durch die Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Kalchberggasse 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 67 VwGG wird festgestellt, dass der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 6. Februar 2017, A5-52175/2016- 1, rechtswidrig war.
Begründung
1 1. Beim antragstellenden Gericht wurde mit Klage der erstgenannten weiteren Partei (im Folgenden: Kläger) vom 4. Jänner 2018 ein Amtshaftungsprozess gegen die zweitgenannte weitere Partei anhängig gemacht. Die Klage ist auf Ersatz der Vertretungskosten des Klägers im Verfahren über dessen Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz (im Folgenden: Bürgermeister) vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark gerichtet.
2 2.1. Dem Kläger war zuletzt mit Bescheid des Bürgermeisters vom 28. September 2016 Mindestsicherung in Form einer monatlichen Geldleistung von EUR 837,76 bis Ende Jänner 2017 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung zuerkannt worden. Dabei handelte es sich um den vollen, in § 10 Abs. 1 Z 1 Stmk. Mindestsicherungsgesetz - Stmk. MSG normierten Mindeststandard für "alleinstehende volljährige Personen".
3 Am 2. Jänner 2017 stellte der Kläger einen Folgeantrag auf Weitergewährung der Mindestsicherung ab dem 1. Februar 2017, weil er nach wie vor hilfsbedürftig sei. Dem Antrag legte der Kläger ein Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 6. November 2016 bei, dem zufolge er wegen einer "bipolaren affektiven Störung mit manischen Episoden voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen".
4 In weiterer Folge teilten die Eltern des damals 23jährigen Klägers unter Übermittlung von Belegen mit, sie hätten von ihrem Sohn insgesamt EUR 6.950,-- aus einer Zahlung von Familienbeihilfe erhalten, weil er diesen Betrag seinen Eltern geschuldet habe. Bei einer Vorsprache bei der Mindestsicherungsbehörde am 1. Februar 2017 teilte der Kläger mit, er habe im Jänner 2017 einen Betrag von EUR 8.525,-- als Nachzahlung von Familienbeihilfe erhalten, wovon er EUR 6.290,-- an seine Eltern habe bezahlen müssen. Der Nachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 8.525,-- wurde der Behörde vom Finanzamt bestätigt.
5 2.2. Mit dem antragsgegenständlichen Bescheid des Bürgermeisters vom 6. Februar 2017 wurde der Antrag des Klägers vom 2. Jänner 2017 auf Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung abgewiesen, wobei sich die Behörde auf die §§ 4, 5 und 6 Stmk. MSG stützte.
6 Diesem Bescheid legte der Bürgermeister die Feststellungen zugrunde, der Kläger beziehe "Leistungen nach dem Steiermärkischen Betreuungsgesetz". Er habe eine Nachzahlung von Familienbeihilfe (für den Zeitraum März 2015 bis Jänner 2017) in Höhe von EUR 8.525,-- erhalten, wovon er EUR 6.000,-- auf das Konto seiner Eltern überwiesen und EUR 290,-- an diese bar bezahlt habe (dies als Abgeltung für früher erhaltene Unterstützung durch seine Eltern).
7 In rechtlicher Hinsicht vertrat der Bürgermeister die Auffassung, der Betrag von EUR 8.525,-- stelle sich - weil der Kläger die gesamte Summe überwiesen bekommen habe - "in der Mindestsicherung als Vermögen dar". Abzüglich des Freibetrages von EUR 4.222,30 (vgl. dazu § 6 Abs. 4 Z 4 Stmk. MSG) sei daher ein Restvermögen von EUR 4.302,70 in der Mindestsicherung einzusetzen. Auf die Überweisung "auf das elterliche Konto" werde "nicht eingegangen"; mit dem Restvermögen müsse der Kläger fünf Monate lang auskommen.
8 Unter der Überschrift "rechtliche Beurteilung" führte der Bürgermeister darüber hinaus begründend aus, der Kläger, welcher eine Leistung nach dem Steiermärkischen Betreuungsgesetz beziehe, habe aus diesem Grund gemäß § 4 Abs. 3 Z 4 Stmk. MSG keinen Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung.
9 3. Dieser Bescheid erweist sich als rechtswidrig. 10 3.1. Vorliegend sind folgende Bestimmungen des Stmk. Mindestsicherungsgesetzes - Stmk. MSG, LGBl. Nr. 14/2011 idF LGBl. Nr. 106/2016, in den Blick zu nehmen:
"§ 3
Erfasste Bedarfsbereiche
(1) Die Mindestsicherung wird durch pauschalierte Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, jeweils außerhalb von stationären Einrichtungen gemäß dem Stmk. Pflegeheimgesetz 2003 sowie § 18 Steiermärkisches Behindertengesetz sowie durch die bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen erbracht.
(...)
§ 4
Persönliche Voraussetzungen
(1) Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben
Personen, die
1. hilfebedürftig sind,
2. ihren Hauptwohnsitz oder in Ermangelung eines solchen
ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Steiermark haben und
3. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.
(...)
(3) Keinen Anspruch auf Leistungen der Mindestsicherung haben
insbesondere:
(...)
4. Personen, die Leistungen nach dem Steiermärkischen
Betreuungsgesetz geltend machen können.
§ 5
Subsidiarität
(...)
(2) Leistungen nach diesem Gesetz sind überdies nur so weit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf (§ 3) nicht durch den Einsatz der eigenen Mittel, den Einsatz der Arbeitskraft oder durch Geld- oder Sachleistungen Dritter gedeckt ist.
§ 6
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Bei der Bemessung von Leistungen der Mindestsicherung sind das Einkommen und das verwertbare Vermögen der Hilfe suchenden Person nach Maßgabe der folgenden Absätze zu berücksichtigen.
(...)
(4) Die Verwertung von Vermögen darf nicht verlangt werden, wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte. Dies ist insbesondere anzunehmen bei:
(...)
4. Ersparnissen bis zu einem Freibetrag in Höhe des
Fünffachen des jeweiligen Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1;
(...)"
11 3.2. Vorauszuschicken ist, dass die vom Bürgermeister getroffene Feststellung, der Kläger beziehe Leistungen "nach dem Steiermärkischen Betreuungsgesetz", vom Inhalt der Verwaltungsakten nicht gedeckt ist. In dem Beschwerdeverfahren zu dem gegenständlichen Bescheid vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark hat der Bürgermeister als belangte Behörde auf Anfrage des Verwaltungsgerichtes auch eingeräumt, die erwähnte Feststellung beruhe auf einem Versehen (Mail vom 8. Juni 2017). Feststellungen dahin, dass der Kläger die Voraussetzungen erfülle, um derartige Leistungen geltend machen zu können, wurden vom Bürgermeister nicht getroffen.
12 Die mit Bescheid vom 6. Februar 2017 vorgenommene Antragsabweisung konnte sich somit nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 3 Z 4 Stmk. MSG stützen.
13 3.3. Doch auch die Erwägungen des Bürgermeisters mit Blick auf die vom Kläger erhaltene Nachzahlung an Familienbeihilfe in Höhe von EUR 8.525,-- vermögen die vorgenommene Antragsabweisung nicht zu tragen:
14 Gemäß § 5 Abs. 2 Stmk. MSG sind Leistungen nach diesem Gesetz nur soweit zu erbringen, als der jeweilige Bedarf nicht (u.a.) durch den Einsatz der eigenen Mittel gedeckt ist. Unter den Begriff der "eigenen Mittel" fällt nach Maßgabe der näheren Bestimmungen des § 6 Stmk. MSG nach dessen Abs. 1 (u.a.) "das verwertbare Vermögen der Hilfe suchenden Person".
15 Der Bürgermeister vertritt im Bescheid vom 6. Februar 2017 die Rechtsauffassung, der vom Kläger ursprünglich erhaltene Nachzahlungsbetrag von EUR 8.525,-- sei ungeachtet dessen, dass der Kläger nach den getroffenen Feststellungen EUR 6.290,-- davon an seine Eltern bezahlt habe, zur Gänze "in der Mindestsicherung als Vermögen" zu berücksichtigen.
16 Diese Auffassung steht allerdings schon mit dem Gesetzeswortlaut nicht in Einklang, stellt doch § 5 Abs. 2 Stmk. MSG darauf ab, dass eigene Mittel (wie etwa Vermögen) nur soweit bei der Ermittlung des Anspruchs auf Mindestsicherung zu berücksichtigen sind, als damit einer der von der Mindestsicherung erfassten Bedarfe (vgl. dazu § 3 Stmk. MSG) gedeckt wird. Dies ist allerdings für jenen Teil der vom Kläger lukrierten Nachzahlung, über welchen dieser wegen der Zahlung an seine Eltern nicht mehr verfügte, zu verneinen, ist doch ein nicht mehr vorhandenes Vermögen keineswegs "verwertbar" (§ 6 Abs. 1 Stmk. MSG; vgl. weiters das zum NÖ MSG ergangene, auf die vorliegende Rechtslage übertragbare hg. Erkenntnis vom 9. August 2016, Ra 2015/10/0134).
17 Im Übrigen wurde auch nicht etwa festgestellt, der Kläger habe die Zahlungen an seine Eltern nur deshalb geleistet, um seine Hilfsbedürftigkeit herbeizuführen.
18 Der dem Kläger nach den Feststellungen des Bürgermeisters nach der Zahlung an seine Eltern verbleibende Restbetrag von EUR 2.235,-- lag unter dem Freibetrag des § 6 Abs. 4 Z 4 Stmk. MSG.
19 4. Nach dem Gesagten war gemäß § 67 VwGG die Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 6. Februar 2017 festzustellen.
Wien, am 30. Jänner 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:FE2018100001.H00Im RIS seit
27.02.2019Zuletzt aktualisiert am
04.03.2019