TE Vwgh Beschluss 2019/1/31 Ra 2017/15/0021

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §22;
B-VG Art133 Abs4;
EStG 1988 §16;
EStG 1988 §28;
UStG 1994 §12;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der P in K, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Thomas Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 30. Dezember 2016, Zl. RV/3101035/2014, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2008 bis 2010, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin erzielte in den Streitjahren 2008 bis 2010 u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf Grund einer mit dem Ehemann getroffenen Fruchtgenussvereinbarung.

2 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts habe die Revisionswerberin die streitgegenständliche Liegenschaft mit Notariatsakt vom 11. Juni 2007 ihrem Ehemann Dr. C um einen Betrag von 78.000 EUR verkauft. In der Folge habe der Ehemann auf der Liegenschaft ein neues Wohngebäude errichtet.

3 Am 31. Jänner 2008 sei zwischen den Eheleuten ein weiterer Notariatsakt geschlossen worden, in dem festgehalten werde, dass Dr. C seiner Ehefrau in Abgeltung der (offenen) Kaufpreisschuld das "lebenslängliche, unentgeltliche, unbeschränkte und unbeschränkbare Recht der Fruchtnießung" an der übereigneten Liegenschaft einräume. Die Revisionswerberin sei mit dieser Art der Kontoglattstellung in Ansehung ihrer Forderung von 78.000 EUR einverstanden. Solange die Revisionswerberin das ihr eingeräumte Recht ausübe, habe sie die mit der Liegenschaft verbundenen Steuern, Gebühren und Abgaben sowie alle Betriebskosten, welcher Art auch immer, inklusive Versicherungen, selbst zu tragen.

4 Im Zuge einer Besprechung in der Kanzlei der steuerlichen Vertretung der Ehegatten am 15. April 2008 sei ein Aktenvermerk erstellt worden, in dem u. a. zum Ausdruck gebracht werde, dass der steuerliche Aspekt in der Vertragsurkunde über die Vereinbarung des Fruchtgenussrechtes vernachlässigt worden sei. Schon im Rahmen der Vorbesprechungen zum Vertrag sei es zwischen den Vertragsparteien klar gewesen, dass die sich aus der Bauführung ergebenden steuerlichen Begünstigungen beim Einräumenden verbleiben sollten (wie z. B. Vorsteuerabzugsmöglichkeit, Abschreibung). Aus steuerlicher Sicht sei festzustellen, dass es sich bei der Vereinbarung um einen Nettofruchtgenuss handle. Dies werde insbesondere durch entsprechende Rechnungslegungen zu dokumentieren sein. Hinsichtlich der für die Substanzabgeltung zu leistenden Zahlungen seien die Eheleute übereingekommen, dass die Revisionswerberin diese Zahlungen erst leisten müsse, wenn die aus dem Kaufvertrag bestehende Kaufpreisschuld von 78.000 EUR abgetragen sei.

5 Mit Übergabs- und Wohnungseigentumsvertrag vom 12. September 2008 habe Dr. C die streitgegenständliche Liegenschaft seinen beiden Söhnen JP und MP übergeben. Dabei sei festgehalten worden, dass die Fruchtgenussvereinbarung mit der Revisionswerberin durch die Übergabe nicht berührt werde.

6 Mit Rechnungsdatum vom 31.12.2008 hätten Dr. C, JP und MP an die Revisionswerberin unter Ausweis von Mehrwertsteuer Rechnungen über die "Weiterverrechnung Fruchtgenuss 2007 und 2008 lt. Fruchtnießungsvertrag vom 31.01.2008" gelegt, welche den Vermerk "Betrag dankend erhalten" und die Unterschrift des jeweiligen Rechnungslegers enthielten. Dr. C habe den Fruchtgenuss 2007 und 2008 mit einem Nettobetrag von 21.000 EUR weiterverrechnet; die beiden Söhne hätten für den Fruchtgenusses 2008 jeweils einen Betrag von netto 2.500 EUR (Anmerkung: MP richtig 2.800 EUR) in Rechnung gestellt. Für das Jahr 2009 hätten JP 8.100 EUR und MP 9.000 EUR am 31.12.2009 verrechnet. Für das Jahr 2010 seien gleichfalls Beträge von 8.100 EUR bzw. 9.000 EUR netto in Rechnung gestellt worden. Tatsächliche Zahlungen für die Substanzabgeltungen seien in den Streitjahren nicht erfolgt; vielmehr sei eine Verrechnung mit der Kaufpreisforderung der Revisionswerberin vorgenommen worden.

7 Die Revisionswerberin habe aus der Vermietung der Liegenschaft in den Jahren 2007 bis 2010 Einkünfte (unter Abzug der verrechneten Substanzabgeltungen) erklärt. Bereinige man die erklärten Überschüsse um die Substanzabgeltungen, ergäben sich Überschüsse von 1.888,40 EUR (2007), 35.901,34 EUR (2008), 48.941,89 EUR (2009) und 48.281,24 EUR (2010).

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht Beschwerden der Revisionswerberin gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 als unbegründet ab, mit denen das Finanzamt den Verrechnungen für Substanzabgeltungen die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten bzw. einen daraus geltend gemachten Vorsteuerabzug verweigert hatte. Begründend wird im angefochtenen Erkenntnis auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt, der Revisionswerberin sei es im gesamten Verfahren nicht gelungen nachzuweisen, dass die Verrechnung bzw. Zahlung von Substanzabgeltungen im Fruchtgenussvertrag vom 31.1.2008 oder schon zuvor (mündlich) vereinbart worden wäre. Dass ein Fremder aber nach Abschluss des Fruchtgenussvertrages nachträglich der Zahlung weiterer Aufwendungen in der Höhe der AfA zugestimmt hätte, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Hinzu komme, dass in der Eingabe vom 15. Juni 2016 ausgeführt werde, die Vereinbarung, wonach die Revisionswerberin Zahlungen für Substanzabgeltungen erst dann leisten müsse, wenn die Kaufpreisschuld von 78.000 EUR abgetragen sei, sei erst am 15. April 2008 in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters getroffen worden. Zudem habe die Revisionswerberin in der Niederschrift vom 1. September 2011 angegeben, die Einräumung des Fruchtgenussrechtes sei unentgeltlich erfolgt. Erstmals in der Vorhaltsbeantwortung vom 7. November 2016 sei eingewendet worden, dass der Begriff "unentgeltlich" zwar verwendet worden sei, dies jedoch dem wahren Parteiwillen nicht entspräche. Es treffe zwar zu - so das Bundesfinanzgericht -, dass in der Fruchtgenussvereinbarung davon die Rede sei, der Fruchtgenuss werde in Abgeltung der Kaufpreisschuld eingeräumt, was aber im Hinblick auf das Alter der Revisionswerberin nichts an der "Unentgeltlichkeit" ändere. Die Vertragsgestaltung sei unter Mitwirkung zweier Notare erfolgt, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass diese über jahrelange Erfahrung verfügenden Juristen nicht dazu in der Lage gewesen wären, den wahren Parteienwillen in der Vertragsurkunde zum Ausdruck zu bringen. Das Bundesfinanzgericht halte es für unglaubwürdig, dass sie hiezu erst der Assistenz des steuerlichen Vertreters bedurft und darüber hinaus ein entgeltliches Rechtsgeschäft fälschlich als unentgeltliches bezeichnet hätten. Die Verrechnung von Substanzabgeltungen sei erst nachträglich vereinbart worden. Eine derartige Vereinbarung halte einem Fremdvergleich nicht stand und sei daher steuerlich nicht anzuerkennen. Auch stehe aus der Verrechnung der Substanzabgeltungen kein Vorsteuerabzug zu, weil die Verrechnung nicht Ausdruck einer wirtschaftlichen Tätigkeit sei, sondern sich als Zuwendung familiärer Art darstelle. Die Fruchtgenusseinräumung sei unentgeltlich erfolgt. Ein Leistungsaustausch liege nicht vor.

9 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil im vorliegenden Fall ausschließlich Tatfragen zu beantworten gewesen seien und keine Rechtsfragen grundsätzlicher Art iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG berührt würden.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

11 Die Revisionswerberin erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Anerkennung der Abzugsfähigkeit von Substanzabgeltungen sowie in ihrem Recht auf Anerkennung von Vorsteuern aus den verrechneten Substanzabgeltungen verletzt.

12 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, es lägen gravierende Verfahrensmängel vor. Das Bundesfinanzgericht scheine zu übersehen, dass der Werbungskosten- und Vorsteuerabzug von der Frage abhänge, "um welche Art von Fruchtgenuss es sich handelt, der zwischen der Revisionswerberin und ihrem Ehegatten mit Vertrag vom 31.01.2008 vereinbart" worden sei. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, die für die Beantwortung dieser Frage maßgeblichen Beweismittel aufzunehmen. Es gehe vom Vorliegen eines Bruttofruchtgenusses aus. Das Verwaltungsgericht verkenne dabei nicht nur die Rechtsnatur eines Fruchtgenusses nach ABGB, sondern auch, dass Grundlage des vereinbarten Fruchtgenusses der zwischen der Revisionswerberin und ihrem Ehegatten abgeschlossene Fruchtnießungsvertrag vom 31.1.2008 sei, der zwingend im Zusammenhalt mit den Erklärungen laut Aktenvermerk vom 15.4.2008 zu lesen und zu verstehen sei. Danach sei zwischen der Revisionswerberin und ihrem Ehegatten zweifelsfrei eine Netto-Fruchtgenussvereinbarung im steuerlichen Sinne getroffen worden, sodass die Revisionswerberin hinsichtlich der Entgelte, die sie für die Substanzabgeltung für die Fruchtnießung an ihren Ehegatten und ihre Söhne entrichtet habe, sowohl die Vorsteuer abziehen als auch die entsprechenden Werbungskosten geltend machen könne. Das Bundesfinanzgericht verneine hingegen das Vorliegen eines Netto-Fruchtgenusses, indem es den Vertragsparteien ohne Aufnahme von Beweisen unterstelle, eine solche Vereinbarung weder beabsichtigt noch geschlossen zu haben. Das Bundesfinanzgericht wäre in diesem Zusammenhang verpflichtet gewesen, die Revisionswerberin und Dr. C direkt und unmittelbar einzuvernehmen. Bei Einvernahme dieser Personen hätte das Bundesfinanzgericht feststellen können und müssen, dass "mit Abschluss des Fruchtgenussvertrages vom 31.01.2008 von allem Anfang an ein Netto-Fruchtgenuss im steuerlichen Sinne vereinbart werden sollte". In weiterer Folge hätte das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Werbungskosten und des Vorsteuerabzuges bejahen müssen. Soweit zur Frage der Qualifikation des Fruchtgenusses Beweisergebnisse vorlägen, belegten diese die Einräumung eines Nettofruchtgenusses zugunsten der Revisionswerberin. Aus dem Aktenvermerk vom 15. April 2016 ergäbe sich zweifelsfrei der Inhalt dieser Vereinbarung als Nettofruchtgenuss. Das Verwaltungsgericht habe damit die zentrale, materiell-rechtliche Frage des vereinbarten Fruchtgenusses falsch beantwortet, ohne dass der Revisionswerberin die Möglichkeit gegeben gewesen wäre, auf diese erheblichen Verfahrens- und Begründungsmängel hinzuweisen bzw. diese zu rügen.

13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis u. a. ausgeführt, dass das Vorliegen eines Bruttofruchtgenussrechts auf Grund des Wortlautes des Fruchtnießungsvertrages ohnedies zu verneinen sei, sodass es der Erklärungen hiezu im Aktenvermerk des steuerlichen Vertreters gar nicht bedurft hätte. Aus dem Vertragstext ergebe sich zweifelsfrei, dass die Revisionswerberin Aufwendungen zu tragen habe und ihr nicht etwa - wie bei einem Bruttofruchtgenuss üblich -

die Bruttoeinnahmen aus der Vermietung verbleiben sollten, weil der Fruchtgenussbesteller die mit der Fruchtgenusssache verbundenen Aufwendungen trage.

18 Eine andere Frage sei aber, ob ursprünglich (also im Rahmen der Übertragung der Einkunftsquelle) auch vereinbart worden sei, dass die Revisionswerberin ihrem Ehemann Substanzabgeltungen zu leisten habe. Diese Frage verneinte das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Fruchtgenussvereinbarung und dem Aktenvermerk des steuerlichen Vertreters. Die Vereinbarung einer Substanzabgeltung sei erst anlässlich der Besprechung mit dem steuerlichen Vertreter am 15. April 2008 getroffen worden.

19 Das Bundesfinanzgericht hat diese Feststellung nach eingehenden Vorhalteverfahren und Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung getroffen. Es kam zum Ergebnis, dass die nachträglich - nach steuerlicher Beratung - geschlossene Vereinbarung einem Fremdvergleich nicht standhält und hat sie daher als durch das familiäre Naheverhältnis veranlasst beurteilt. Diese Feststellung und die sich daran anschließende rechtliche Beurteilung, es lägen insoweit keine (zum Vorsteuerabzug berechtigenden) Werbungskosten vor, begegnet auch vor dem Hintergrund des Revisionsvorbringens keinen Bedenken. Aus welchem Grund im Notariatsakt zwar Regelungen über die von der Revisionswerberin im Rahmen der Ausübung des Fruchtgenusses im Einzelnen zu tragenden Aufwendungen getroffen wurden, die revisionsgegenständliche "Substanzabgeltung" darin aber keine Erwähnung gefunden hat, wird im Zulässigkeitsvorbringen wie auch in den Revisionsgründen nicht plausibel gemacht.

20 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017150021.L00

Im RIS seit

25.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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