TE OGH 2017/10/23 9Bs356/17x

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Veröffentlicht am 23.10.2017
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Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten DI Dr.Luger (Vorsitz), den Richter Mag.Ohrnhofer und die Richterin Maga.Berzkovics in der Strafvollzugssache des M***** H***** wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe nach § 46 StGB über dessen Beschwerden gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 12.September 2017, 19 BE 215/17h-6, und 19 BE 216/17f-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Den Beschwerden wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass die bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum frühestmöglichen Zeitpunkt am 31.Oktober 2017 (zu 19 BE 215/17h) sowie nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit am 7.November 2017 (zu 19 BE 216/17f) abgelehnt wird.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Der am 27.Juli 1992 geborene M***** H***** verbüßt derzeit in der Justizanstalt Graz-Jakomini die mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom 3.Juli 2017, 12 U 89/17y, wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB verhängte zweimonatige Freiheitsstrafe sowie aufgrund eines Widerrufs der bedingten Strafnachsicht aus Anlass der erstgenannten Verurteilung die mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-Ost vom 31.Mai 2013, 265 U 35/13g, wegen der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB verhängte zunächst bedingt nachgesehene sechswöchige Freiheitsstrafe. Der Strafgefangene hat die Strafen am 31.August 2017 angetreten. Errechnetes Strafende ist der 12.Dezember 2017. Die Hälfte der Strafzeit ist seit 21.Oktober 2017 vollzogen. Zwei Drittel werden am 7.November 2017 verbüßt sein.

Während Anlasstat der Verurteilung durch das Bezirksgericht Graz-West eine Erwachsenenstraftat war, hat der Strafgefangene jene Taten, die der Verurteilung durch das Bezirksgericht Graz-Ost zugrunde liegen, als junger Erwachsener begangen.

Die Anstaltsleitung der Justizanstalt Graz-Jakomini ging davon aus, dass bei dieser Konstellation die für die bedingte Entlassung maßgeblichen Sonderbestimmungen für Straftaten junger Erwachsener zur Anwendung gelangen würden, sodass gemäß §§ 19 Abs 2 iVm 17 JGG die mindestens zu verbüßende Strafzeit bloß einen Monat betrage. Inhaltlich sprach sie sich allerdings aufgrund des Vorlebens des Strafgefangenen gegen eine bedingte Entlassung sowohl zum errechneten Hälftestichtag als auch zum Zwei-Drittel-Stichtag aus (ON 1 AS 5 der jeweiligen Bezugsakten). Die Staatsanwaltschaft trat einer bedingten Entlassung zu beiden Stichtagen ebenfalls entgegen (ON 2 AS 1).

Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, dass aufgrund der Begehung (auch) einer Erwachsenenstraftat die in § 46 Abs 1 StGB – diese Bestimmung wurde auf Seite 4 des angefochtenen Beschlusses korrekt wiedergegeben – normierte Mindeststrafzeit von drei Monaten verbüßt werden müsse, sodass eine bedingte Entlassung frühestens am 30.November 2017 in Betracht komme.

Mit den angefochtenen gemeinsam ausgefertigten Beschlüssen vom 12.September 2017 (jeweils ON 6 der Bezugsakten) lehnte das Erstgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen sowohl „zum 1/2 Stichtag am 30.November 2017“ (zu 19 BE 215/17h) als auch „zum 2/3 Stichtag am 30.November 2017“ (zu 19 BE 216/17f) aus spezialpräventiven Gründen ab.

Gegen beide Beschlüsse richten sich die unausgeführten Beschwerden des Strafgefangenen (jeweils ON 5 AS 5 der Bezugsakten).

Die Beschwerden bleiben im Ergebnis erfolglos.

Rechtliche Beurteilung

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von der Wiedergabe der für eine bedingte Entlassung aus einer wegen einer Erwachsenenstraftat verhängten Freiheitsstrafe maßgebenden Bestimmungen (§ 46 Abs 1 bis Abs 4 StGB) zugunsten des Verweises auf deren Darlegung in der erstgerichtlichen Beschlussausfertigung Abstand genommen.

Diese Bestimmungen gelten für die bedingte Entlassung aus einer wegen einer Jugendstraftat verhängten Freiheitsstrafe mit der Maßgabe, dass die mindestens zu verbüßende Strafzeit jeweils einen Monat beträgt und dass außer Betracht bleibt, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 17 JGG). Dies gilt auch in Fällen, in denen die Tat vor Vollendung des 21.Lebensjahres und sohin als junger Erwachsener begangen wurde (§ 19 Abs 2 JGG).

Werden Freiheitsstrafen wegen einer Straftat eines jungen Erwachsenen und wegen einer Erwachsenenstraftat hintereinander vollzogen, richtet sich die Mindeststrafzeit primär nach der Freiheitsstrafe wegen der Erwachsenenstraftat (Schroll in WK², JGG § 17 Rz 4/1). Darauf wies auch das Erstgericht in seiner Entscheidung zutreffend hin. Seine Schlussfolgerung, die Strafzeit müsse daher auch im vorliegenden Fall mindestens drei Monate betragen, war jedoch in Anbetracht des Umstands, dass die wegen der Erwachsenenstraftat verhängte Freiheitsstrafe bloß zwei Monate beträgt, verfehlt.

Im vorliegenden Fall werden nämlich – wie bereits eingangs erwähnt – die wegen einer Erwachsenenstraftat verhängte zweimonatige Freiheitsstrafe und die wegen der Straftat eines jungen Erwachsenen verhängte sechswöchige Freiheitsstrafe hintereinander verbüßt. Demzufolge kann gemäß § 46 Abs 1 StGB eine bedingte Entlassung bereits nach zwei Monaten erfolgen, weil zu diesem Zeitpunkt die Erwachsenenstraftat zur Gänze vollzogen und die bei der Straftat eines jungen Erwachsenen mindestens zu verbüßende Strafzeit von einem Monat ebenfalls schon überschritten ist (vgl. Schroll in Festschrift für Udo Jesionek 197f).

Daraus ergibt sich, dass der Strafgefangene frühestens am 31.Oktober 2017 bedingt entlassen werden könnte. Der Zwei-Drittel-Stichtag liegt, wie von der Justizanstalt berechnet, am 7.November 2017.

Ausgehend von den korrigierten Stichtagen ist aber die Prognose des Erstgerichts, dass eine bedingte Entlassung sowohl zum frühestmöglichen Zeitpunkt als auch zum Zwei-Drittel-Stichtag den Strafgefangenen in Zukunft weniger wirksam von der Begehung strafbarer Handlungen abhalten würde als die weitere Haftverbüßung, nicht zu beanstanden.

Der Strafgefangene weist bereinigt um Zusatzstrafenverhältnisse vier Verurteilungen wegen Vermögensdelikten auf, wobei er sich in der Vergangenheit bereits einmal in Haft befunden hat. Er wurde nämlich mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 5.Juni 2015, 9 Hv 22/15d, zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, von der ein Teil von sechs Monaten bedingt nachgesehen wurde. Weiters wurde über ihn mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 9.April 2014, 13 Hv 28/14i, eine sechsmonatige Freiheitsstrafe verhängt, die zwar zunächst bedingt nachgesehen wurde, infolge des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht jedoch zu verbüßen war. Aus den zu vollziehenden Strafen bzw. Strafteilen in der Gesamtdauer von acht Monaten wurde er nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit am 22.Juni 2016 unter Anordnung der Bewährungshilfe sowie gegen die Weisung, eine stationäre Spielsucht- und Alkoholentwöhnungstherapie zu absolvieren, bedingt entlassen. Den diesbezüglichen Akten 19 BE 67/16t des Landesgerichtes für Strafsachen Graz ist zu entnehmen, dass er die aufgetragene Therapie bereits am 16.August 2016 erstmals abbrach, diese zwar am 12.September 2016 wieder aufnahm, in der Folge jedoch nach kurzer Zeit neuerlich beendete. Einer dritter Versuch, die Therapie aufzunehmen, schlug ebenfalls fehl. Eine aufgrund der intellektuellen Minderbegabung des Strafgefangenen nach Ansicht seiner Bewährungshelferin angezeigte Unterbringung in einer betreuten Wohneinrichtung scheiterte bisher an seiner fehlenden Kooperation. Vor seiner Inhaftierung war er zuletzt vorwiegend in einer Notschlafstelle aufhältig. Versuche der Bewährungshelferin, eine geeignete Tagesstruktur zu organisieren, blieben erfolglos. Schließlich wurde der Strafgefangene im April 2017 wieder rückfällig.

Daraus ist zu ersehen, dass weder das verspürte Haftübel noch die Unterstützung durch die Bewährungshilfe sowie die erteilten Weisungen den Strafgefangenen von der neuerlichen einschlägigen Rückfälligkeit abzuhalten vermochten. Eine günstige Zukunftsprognose kann für ihn nicht erstellt werden, weil derzeit weder seine Wohnversorgung gesichert ist, noch sonst erkennbar wäre, dass sich jene Verhältnisse, die in der Vergangenheit wiederholt zur Straffälligkeit führten, seit seiner Inhaftierung geändert hätten. Bei ihm ist daher für den Fall der bedingten Entlassung von einer hohen Rückfallsgefahr auszugehen.

Bei dieser Sachlage ist nicht anzunehmen, dass eine bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung von zwei Monaten der Strafzeit oder nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe, sei sie auch mit begleitenden Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB verbunden, eine zumindest gleichermaßen tatabhaltende Wirkung hätte wie der weitere Vollzug.

Den Beschwerden ist daher der Erfolg zu versagen, wobei die Stichtage für die bedingte Entlassung im Spruch richtig zu stellen waren.  

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 9

Textnummer

EG00159

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2017:0090BS00356.17X.1023.000

Im RIS seit

28.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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