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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art140 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1984 geborenen MM in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1999, Zl. 309.181/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 24. Juli 1997, vertreten durch ihre Mutter, bei der Österreichischen Botschaft in Belgrad einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Vater. Im Verwaltungsverfahren wurden u.a. Schulbesuchsbestätigungen für die Beschwerdeführerin für das Schuljahr 1996/1997 sowie für das Schuljahr 1997/1998 vorgelegt, weiters eine Kopie des Reisepasses ihres Vaters, in dem auch die Beschwerdeführerin eingetragen war. Aus der Reisepasskopie ist ersichtlich, dass dem Vater der Beschwerdeführerin eine vom 20. Februar 1996 bis zum 20. Februar 1998 gültige Aufenthaltsbewilligung erteilt worden war. Anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme beim Amt der Wiener Landesregierung gab die Mutter der Beschwerdeführerin an, ihre Tochter halte sich seit September 1995 in Österreich auf, sie sei im Reisepass des Vaters eingetragen und habe daher an der Grenze "ohne Probleme" einreisen können, weil der Vater eine gültige Aufenthaltserlaubnis hatte. Seitdem lebe sie dauernd in Österreich und besuche bereits seit drei Jahren in Österreich die Schule.
Mit Bescheid vom 12. Juni 1998 wies der Landeshauptmann von Wien den als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) gewerteten Antrag der Beschwerdeführerin auf Grund sichtvermerksfreier Einreise nach Österreich gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 FrG 1997 ab. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei im Reisepass ihres Vaters miteingetragen und habe, da der Vater eine gültige Aufenthaltserlaubnis gehabt habe, "ohne Probleme" mit ihm einreisen können. Sie sei seit 18. Juli 1995 aufrecht im Bundesgebiet gemeldet und besuche im Schuljahr 1997/1998 die öffentliche Hauptschule in Wien.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei 1995 gemeinsam mit ihrem Vater in das Bundesgebiet "rechtmäßig eingereist". Es habe keinerlei Probleme beim Grenzübertritt gegeben. Die Beschwerdeführerin sei im Reisepass ihres Vaters miteingetragen. Die Eltern der Beschwerdeführerin sowie ein Bruder verfügten über sämtliche Niederlassungsbewilligungen. Der Antrag sei ordnungsgemäß vom Ausland aus eingebracht worden.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 25. Jänner 1999 gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es sei auf Grund der Aktenlage ersichtlich, dass der Antrag der Beschwerdeführerin am 24. Juli 1997 von ihrer Mutter bei der Österreichischen Botschaft in Belgrad gestellt worden sei, während sich die Beschwerdeführerin in Österreich aufgehalten habe. Diese Beurteilung werde vor allem durch die Tatsache bekräftigt, dass sie seit dem 18. Juli 1995 im österreichischen Bundesgebiet polizeilich aufrecht gemeldet sei und laut vorgelegter Schulbesuchsbestätigungen vom 24. Jänner 1997 und vom 3. Juni 1998 "zurzeit" die öffentliche Hauptschule in Wien besuche. Letztendlich habe ihre Mutter bei einer Einvernahme am 5. Juni 1998 den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet bestätigt. Somit habe sie sich zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung eindeutig im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten und sohin das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Auf Grund dieser Tatsache sei der Antrag "negativ zu finalisieren" gewesen. § 14 Abs. 2 FrG 1997 gleiche seiner Vorgängerbestimmung, nämlich § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG). Nach dem u. a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG werde für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, dass der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, dass die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird. Da dem Gesetzgeber des FrG 1997 - Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien - nicht zu unterstellen sei, dass die Beweggründe zur Erlassung des § 14 Abs. 2 FrG 1997 einen anderen Hintergrund hätten als diejenigen, die zur Erlassung des § 6 Abs. 2 AufG geführt hätten, sei die Antragstellung vor der Einreise vom Ausland aus als Erfolgsvoraussetzung zu werten, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung eines Antrages nach sich ziehe. Es könne davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
§ 7 Abs. 1 und 3, § 14 Abs. 2 und § 112 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als
1.
als Aufenthaltserlaubnis oder
2.
Niederlassungsbewilligung
erteilt.
....
(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die
1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben oder ... brauchen außer in denen Abs. 4 genannten Fällen eine Niederlassungsbewilligung.
...
§ 14.
...
(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; ...
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Soweit sich hiedurch die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergibt, ist die Sache ungeachtet ihres Verfahrensstandes der zuständigen Behörde erster Instanz abzutreten."
Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde erstmals vor, dass sich der Aufenthaltstitel ihres Vaters, in dessen Reisepass sie miteingetragen gewesen sei, bei ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 1995 auch auf sie erstreckt hätte. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass besondere Umstände vorlagen, auf Grund derer anzunehmen sei, dass sich der - nicht näher bezeichnete - Aufenthaltstitel des Vaters der Beschwerdeführerin auch auf sie erstreckte, unterliegt dieses Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot und ist daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beachten. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine bei Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet erteilte Aufenthaltsbewilligung ihres Vaters ihrem eindeutigen Wortlaut nach auch keinesfalls als Rechtsgrundlage für eine Einreise eines allenfalls im Reisepass miteingetragenen Kindes herangezogen werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/0574). Da schon aus der Antragstellung der Beschwerdeführerin zweifelsfrei ersichtlich ist, dass sie die Begründung eines inländischen Wohnsitzes in Österreich beabsichtigte, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den vorliegenden Antrag der Beschwerdeführerin, die noch nie über eine Aufenthaltsberechtigung verfügte, gemäß § 112 FrG 1997 als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung wertete, für den die Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 maßgebend ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/19/0269, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise vom Antragsteller in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist. Für die Beurteilung des Vorliegens der in Rede stehenden Erfolgsvoraussetzung ist ungeachtet des Zeitpunktes der Antragstellung die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich. § 14 Abs. 2 FrG 1997 ist auch auf Anträge, die vor Inkrafttreten des FrG 1997 gestellt wurden, anzuwenden.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die erkennbare Annahme der belangten Behörde, sie halte sich (auch) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bundesgebiet auf und besuche in Wien die Schule. Auf der Basis dieser unbestrittenen Bescheidfeststellung kann es jedoch nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde daraus folgerte, die Beschwerdeführerin habe die Erfolgsvoraussetzung des Abwartens der Entscheidung über ihren Antrag vom Ausland aus nicht erfüllt. War aber der Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 nicht Genüge getan, so hatte dies die Abweisung des Antrages zur Folge.
Soweit die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, die belangte Behörde hätte ihr ihre Ermittlungsergebnisse im gesamten Verwaltungsverfahren nicht vorgehalten, ist ihr zu entgegnen, dass ihr die belangte Behörde diejenigen Angaben, die die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren von sich aus machte (vgl. z.B. die beiden im Verwaltungsakt erliegenden, vorgelegten Schulbesuchsbestätigungen) nicht vorzuhalten brauchte.
Gegen dieses Ergebnis bestehen auch aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 auf die privaten und familiären Interessen derjenigen Fremden bereits Rücksicht genommen, die sich in Österreich rechtmäßig niedergelassen hatten. Andererseits ging der Gesetzgeber offenbar bewusst davon aus, dass jene Fremde, die noch nie im Bundesgebiet rechtmäßig niedergelassen waren, gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ihren Antrag vor einer Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen haben und die Entscheidung über ihren Antrag auch vom Ausland aus abzuwarten haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0283).
Aus Anlass des Beschwerdefalles sind auch keine Bedenken dahin entstanden, dass die Umschreibung der Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 zu eng wäre und damit ihrerseits gegen Art. 8 EMRK verstieße. Der Eingriff in ein gedachtes durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht der Beschwerdeführerin auf Neuzuwanderung zur Wahrung ihrer persönlichen Interessen im Bundesgebiet wäre gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK im Interesse der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführerin ein solches Recht überhaupt zusteht.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Juni 1999
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999190039.X00Im RIS seit
11.07.2001