TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/11 98/19/0282

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.1999
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §140 impl;
ABGB §21;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §9 Abs3 idF 1995/351 impl;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §18;
FrG 1997 §19;
FrG 1997 §20 Abs2;
FrG 1997 §20;
FrG 1997 §21 Abs3;
FrG 1997 §21 Abs4;
FrG 1997 §21 Abs5;
FrG 1997 §21;
FrG 1997 §22;
FrG 1997 §8;
IPRG §24;
IPRG §25 Abs2;
IPRG §5 Abs1;
NLV 1998;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1979 geborenen MA in T, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. April 1998, Zl. 122.625/3-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die am 3. April 1979 geborene Beschwerdeführerin beantragte am 29. Februar 1996 (Einlangen beim Amt der Burgenländischen Landesregierung am 1. April 1996) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab sie einerseits den Schulbesuch in einem Gymnasium, andererseits die Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater an.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf namens des Landeshauptmannes von Burgenland vom 9. Mai 1997 wurde dieser Antrag gemäß § 3 Abs. 1 und 5 und § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe keine Beweismittel über ihren derzeitigen Ausbildungsstand beigebracht. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die Beschwerdeführerin in der Lage sei, dem Unterricht in einem Gymnasium in Österreich folgen zu können, zumal Angaben über den Stand der Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin fehlten. Schließlich scheine die Erteilung der Bewilligung deshalb als problematisch, weil die Zahl der arbeitslosen Absolventen höherer Schulen in Österreich ständig im Steigen begriffen sei. Für das Jahr 1997 werde eine weit höhere Anzahl von Anträgen als die festgelegte Zahl der Bewilligungen erwartet. Es sei daher notwendig, beim Familiennachzug Prioritäten zu setzen. Demnach seien Mütter mit Kleinkindern sowie sonstige Personen, bei denen besonders triftige Gründe für eine rasche Erledigung des Antrages vorlägen, bevorzugt zu behandeln.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie machte insbesondere geltend, sie habe ihm Rahmen des Unterrichts im türkischen "Lyzeum", das der österreichischen Form der allgemein bildenden höheren Schule entspreche, sowie in Privatkursen ausreichende Deutschkenntnisse erworben, um sich in Österreich problemlos integrieren zu können. Sie plane auch nach Abschluss der Ausbildung im Gymnasium nicht in das Berufsleben einzusteigen, sondern ein Hochschulstudium zu beginnen. Es sei einzusehen, dass die erstinstanzliche Behörde Mütter mit Kleinkindern bevorzugt zu behandeln beabsichtige. Die Vorsorge für andere, nicht näher bestimmte Personenkreise rechtfertige jedoch die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. April 1998 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14 Abs. 3, § 21 Abs. 3 und § 113 Abs. 10 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 sei der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Unter den in § 113 Abs. 10 FrG 1997 näher umschriebenen Voraussetzungen könne darüber hinaus bestimmten minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Drittstaatsangehöriger zusätzlich Bewilligungen erteilt werden. Die Beschwerdeführerin sei jedoch mittlerweile großjährig, sodass auch in Anwendung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 eine Bewilligung nicht erteilt werden könne. Sodann gab die belangte Behörde den Wortlaut des § 8 Abs. 1 und 3 FrG 1997 wieder. Schließlich stellte sie fest, die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft sei im Falle der Beschwerdeführerin vor allem auch deshalb ausgeschlossen, weil eine gesetzliche Verpflichtung ihres Vaters auf Unterhaltsleistung "bei einer derartigen Fallkonstellation" nicht gegeben sei. Ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug aus Art. 8 MRK bestehe grundsätzlich nicht. Es liege daher im Ermessen der Behörde, den Antrag nach den Kriterien des § 8 Abs. 3 FrG 1997 zu beurteilen. Der "angeführte Zweck" für einen Aufenthaltstitel sei "ohne gesetzliche Grundlage". Schließlich sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die anderen möglichen Aufenthaltszwecke nach dem FrG 1997 im Hinblick auf die Vielzahl der Bewilligungswerber "nur mäßig oder überhaupt nicht" erfülle. Demnach überwögen die öffentlichen Interessen die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7, § 8 Abs. 1 und 3, § 10 Abs. 2 Z. 1, § 18 Abs. 1 Z. 3, Abs. 2 und 4, § 19 Abs. 1 und 5, § 20 Abs. 1 und 2, § 21 Abs. 3, § 22, § 112 und § 113 Abs. 10 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als

1.

Aufenthaltserlaubnis oder

2.

Niederlassungsbewilligung

erteilt.

...

(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die

1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben

...

brauchen außer in den in Abs. 4 genannten Fällen eine Niederlassungsbewilligung.

(4) Drittstaatsangehörige brauchen eine Aufenthaltserlaubnis, wenn

1. ihr Aufenthalt ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung dient;

...

§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ...

...

(3) Die Behörde hat bei der Ausübung des in Abs. 1 eingeräumten Ermessens jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthaltes des Fremden ausgehend

1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes,

2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange, die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und die Volksgesundheit und

3. auf die besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes Bedacht zu nehmen.

...

§ 10. ...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

...

§ 18. (1) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen festzulegen, die

...

3. Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben,

höchstens erteilt werden dürfen (Niederlassungsverordnung). Die Bundesregierung hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und in der Verordnung die Bewilligungen so auf die Länder aufzuteilen, wie es deren Möglichkeiten und Erfordernissen entspricht.

(2) ... Den Ländern ist die Möglichkeit zu geben, konkrete Vorschläge für die Zahl der im jeweiligen Bundesland benötigten Niederlassungsbewilligungen zu erstatten (Abs. 1 Z 1 bis 3); die Länder haben hiefür die bestehenden Möglichkeiten im Schul- und Gesundheitswesen sowie - nach Anhörung der maßgeblichen Gemeinden - die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt und - nach Anhörung der Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf Landesebene - die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen.

...

(4) In der Niederlassungsverordnung hat die Bundesregierung schließlich die Höchstzahl jener Niederlassungsbewilligungen von Drittstaatsangehörigen festzulegen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen dürfen. Die Bundesregierung hat auch diese Bewilligungen so auf die Länder aufzuteilen, wie es deren Möglichkeiten und Erfordernissen entspricht.

...

§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).

...

(5) ... Drittstaatsangehörigen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, wird eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt; sie gilt für jeglichen Aufenthaltszweck außer für Erwerbstätigkeit.

...

§ 20. (1) Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, ist auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ...

(2) Für das Ende der Minderjährigkeit gemäß Abs. 1 ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Kindes österreichisches Recht maßgeblich (§ 21 ABGB).

§ 21. ...

...

(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. ...

...

§ 22. Eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung darf nur erteilt werden, wenn die für den Fremden samt dem Familiennachzug nach § 21 Abs. 2 erforderlichen Bewilligungen in dem Land der beabsichtigten Niederlassung nach der Niederlassungsverordnung noch zur Verfügung stehen. Wird die Erstniederlassungsbewilligung erteilt, so vermindert sich diese Zahl entsprechend. Ist die Zahl bereits ausgeschöpft, so ist die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und über die danach einlangenden Anträge, denen im Falle noch zur Verfügung stehender Bewilligungen stattzugeben wäre, so lange aufzuschieben, bis in einer nachfolgenden Niederlassungsverordnung auf sie Bedacht genommen werden kann. § 73 AVG und § 27 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, sind nur insoweit anwendbar, als die Zeit des zulässigen Aufschubes überschritten wird.

...

§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. ...

§ 113. ...

...

(10) Bei Erlassung der Niederlassungsverordnung für die Jahre 1998 bis 2000 kann die Bundesregierung zusätzlich eine Anzahl an Niederlassungsbewilligungen festlegen, die minderjährigen unverheirateten Kindern Drittstaatsangehöriger im Rahmen des Familiennachzuges zusätzlich erteilt werden dürfen, sofern diese Drittstaatsangehörigen sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen haben, die Kinder das 14. Lebensjahr vollendet haben und erwiesen ist, dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand. ..."

§ 2, § 3 Abs. 1 Z. 2 und § 9 Abs. 3 AufG lauteten auszugsweise:

"§ 2. (1) Die Bundesregierung hat, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates, für jeweils ein Jahr mit Verordnung die Anzahl der Bewilligungen festzulegen, die höchstens erteilt werden dürfen. Sie hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und auf den Wohnungsmarkt, die Möglichkeiten, insbesondere im Bereich des Schul- und Gesundheitswesens, auf die allgemeine innerstaatliche demographische Entwicklung sowie auf die Zahl der Fremden, die sich in Österreich bereits niedergelassen haben, auf die Zahl der Asylwerber und auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit Bedacht zu nehmen. Die Zahl der Personen, denen im jeweils vorangegangenen Jahr Asyl gewährt wurde, und der Personen, denen sonst ein dauerndes Aufenthaltsrecht eingeräumt wurde, ist bei der Festlegung der Zahl anzurechnen.

(2) Die Bundesregierung hat in dieser Verordnung im Interesse einer den Möglichkeiten und Erfordernissen (Abs. 1) der einzelnen Länder entsprechenden Verteilung von Fremden im Bundesgebiet die Bewilligungen auf die Länder aufzuteilen. ...

...

§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,

ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

...

§ 9. ...

...

(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl von Bewilligungen für eine in der Verordnung bestimmte Gruppe erreicht ist, dürfen für solche Personen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und danach einlangenden Anträge ist bis zum Inkrafttreten einer nachfolgenden Verordnung gemäß § 2 aufzuschieben, die für solche Personen eine neue Zahl von Bewilligungen vorsieht. § 73 AVG und § 27 VwGG ist in diesem Fall nicht anwendbar."

Art. 261 und Art. 315 des türkischen bürgerlichen Gesetzbuches vom 17. Februar 1926 lauten:

"Art. 261. Die Eltern tragen die Kosten für den Unterhalt und

die Erziehung des Kindes gemäß ihrem Güterrecht.

...

Art. 315. Jeder ist seinen Verwandten in auf- und absteigender Linie sowie seinen Brüdern und Schwestern unterhaltspflichtig, wenn sie ohne diese Unterstützung in Not geraten würden."

§ 140 Abs. 1 und 3 ABGB lauten:

"§ 140. (1) Die Eltern haben zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen.

...

(3) Der Anspruch auf Unterhalt mindert sich insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist."

Die Beschwerdeführerin war zwar nicht im Zeitpunkt der Genehmigung, wohl aber in jenem der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung am 8. April 1998) volljährig im Sinne des § 20 Abs. 2 FrG 1997 in Verbindung mit § 21 ABGB. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 20, 21 Abs. 3 bis 5 FrG 1997 war daher auch unter dem Gesichtspunkt des § 113 Abs. 10 FrG 1997 nicht möglich, weil auch diese Bestimmung die Minderjährigkeit des Antragstellers im Bescheiderlassungszeitpunkt voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 98/19/0236).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführt, ist es nach dem FrG 1997 auch für volljährige Fremde nicht ausgeschlossen, die Anwesenheit von Familienangehörigen im Bundesgebiet als Grund für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ins Treffen zu führen.

Die Beschwerdeführerin hat sich daher vorliegendenfalls in - grundsätzlich tauglicher - Weise zur Begründung ihres Antrages auf die Anwesenheit ihres Vaters im Bundesgebiet und auf ihre Absicht, in Österreich zur Schule zu gehen, gestützt.

Eine Fortführung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als solchen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wäre aber nur dann geboten gewesen, wenn der Aufenthalt ausschließlich dem Zweck einer Schulausbildung hätte dienen sollen (oder bereits feststünde, dass eine Niederlassungsbewilligung aus den von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Gründen in ihrer Gesamtheit nicht erteilt wird). Die belangte Behörde wertete daher den vorliegenden Antrag zu Recht als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung, weil die Beschwerdeführerin auch die Aufnahme des Familienlebens mit ihrem Vater beabsichtigte. Die belangte Behörde hatte daher von Amts wegen die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Gründe für die angestrebte Niederlassungsbewilligung - ihr Vorliegen vorausgesetzt - einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen gesetzlichen Aufenthaltszweck zu subsumieren und den Antrag im Rahmen der für diesen Zweck vorgesehenen Niederlassungsquote zu behandeln. War aber nach dem Vorgesagten die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 schon am 1. Jänner 1998, eine Berücksichtigung der Beschwerdeführerin im Rahmen der gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 festgelegten Quote hingegen seit 3. April 1998 (der Volljährigkeit der Beschwerdeführerin), nicht mehr möglich, so war die belangte Behörde bei Bescheiderlassung am 8. April 1998 gehalten, den Antrag der Beschwerdeführerin im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 festgelegten Quote für Drittstaatsangehörige, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, zu behandeln (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 98/19/0236).

Die belangte Behörde war daher gehalten, in Anwendung der §§ 8, 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob der Beschwerdeführerin im Rahmen dieser Quote eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen war. Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus dem Grunde der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich aufhältigen Vater sei vor allem deshalb ausgeschlossen, weil dieser zur Leistung von Unterhalt im Falle der Familienzusammenführung nicht gesetzlich verpflichtet wäre.

Diese Ausführungen erweisen sich aus folgenden Überlegungen als unzutreffend:

Gemäß §§ 24 und 25 Abs. 2 IPRG sind die Wirkungen der Ehelichkeit und der Unehelichkeit eines Kindes nach dessen Personalstatut zu beurteilen. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmungen erstreckt sich grundsätzlich auf den gesamten Inhalt des Eltern-Kind-Verhältnisses. Hiezu zählen insbesondere auch die wechselseitigen Unterhalts- und Versorgungsansprüche (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zlen. 98/19/0139, 0140). In Ermangelung einer gemäß § 5 Abs. 1 IPRG zu beachtenden Rückverweisung durch das internationale Privatrecht der Türkei wäre gemäß §§ 24 und 25 Abs. 2 IPRG Art. 261 und 315 des türkischen bürgerlichen Gesetzbuches vom 17. Februar 1926 für die Frage des Bestehens eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches der Beschwerdeführerin gegen ihren Vater maßgebend gewesen. Nach diesen Bestimmungen ist aber die Unterhaltspflicht der Eltern nicht bloß auf minderjährige Kinder beschränkt. Gleiches würde im Übrigen auch für den österreichischen Rechtsbereich gemäß § 140 ABGB gelten.

Schließlich vermag auch die Darlegung im angefochtenen Bescheid, die Beschwerdeführerin erfülle "die Voraussetzungen für die anderen möglichen Aufenthaltszwecke nach dem FrG 1997 im Hinblick auf die Vielzahl der Bewilligungswerber nur mäßig oder überhaupt nicht", eine negative Ermessensentscheidung nicht zu tragen:

Zunächst ist nicht ersichtlich, ob die belangte Behörde in diesem Zusammenhang überhaupt von der Möglichkeit der Bedachtnahme auch auf den Aufenthalt des Vaters der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ausging oder aber diese Möglichkeit in Verkennung des Regelungsgehaltes der §§ 19 Abs. 5 und 21 Abs. 3 FrG 1997 verneinte (und damit ihre Ermessensentscheidung ausschließlich im Hinblick auf den geltend gemachten Grund des Schulbesuches traf).

Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass die belangte Behörde auch die durch die Anwesenheit des Vaters der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet begründeten Interessen in ihre Erwägungen miteinbezogen hätte, erwiese sich der angefochtene Bescheid als nicht begründet:

Wenn die "Vielzahl der Bewilligungswerber" ins Treffen geführt wird, so ist eingangs festzuhalten, dass dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung einer zu hohen Zahl von Zuwanderern zunächst durch die Ausgestaltung der in der Niederlassungsverordnung festgelegten Zuwanderungsquoten Rechnung getragen ist.

Insoweit die Begründung des angefochtenen Bescheides darauf abzielen sollte, dass (im Rahmen der Quote für Private) dringendere Anträge vorlägen als jener der Beschwerdeführerin, ist Folgendes festzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1998, Zl. 97/19/1564) zur Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) ausgeführt, dass die Aufenthaltsbehörde bei der Reihenfolge der Vergabe offener Quotenplätze gehalten war, nach pflichtgebundenem Ermessen vorzugehen. Eines der dabei zu beachtenden Kriterien war der Zeitpunkt der Antragstellung. Auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Bestimmung des § 3 Abs. 5 AufG hatte das Vorhandensein dringlicherer anderer Anträge nicht die Abweisung des weniger dringlichen Antrages, sondern lediglich das Hintanreihen seiner Behandlung zur Folge. Die Auffassung, schon das Vorhandensein dringlicherer Anträge rechtfertige eine abweisende Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG, belastete einen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Diese Rechtsprechung hat auch für die - insofern vergleichbare - Situation nach Inkrafttreten des FrG 1997 zu gelten, zumal die maßgeblichen Erwägungen hiefür auch im Bereich des FrG 1997 anwendbar sind. Insbesondere sieht § 22 FrG 1997, ebenso wie § 9 Abs. 3 AufG idF BGBl. Nr. 351/1995, die Möglichkeit vor, nach Quotenerschöpfung die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und über die danach einlangenden Anträge, denen im Falle noch zur Verfügung stehender Bewilligungen stattzugeben wäre, aufzuschieben, bis in einer nachfolgenden Niederlassungsverordnung auf sie Bedacht genommen werden kann. Damit ist aber - wie schon gemäß § 9 Abs. 3 AufG idF BGBl. Nr. 351/1995 - die Abweisung eines Antrages unter Hinweis auf dringendere andere Anträge auch bei offener Quote ausgeschlossen (vgl. hiezu insbesondere auch das ebenfalls zur Rechtslage vor Inkrafttreten des FrG 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zlen. 95/19/0629 bis 0631).

Sollte die belangte Behörde aber schließlich mit ihren Ausführungen die Auffassung vertreten, die von der Beschwerdeführerin insgesamt ins Treffen geführten Gründe für eine positive Ermessensentscheidung seien so geringfügig, dass ihr selbst dann eine Bewilligung nicht zu erteilen wäre, wenn sie unter Berücksichtigung der Zahl der übrigen Bewerber in der Quote durchaus Platz fände (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer auf dieses Argument gestützten abweislichen Ermessensentscheidung im Geltungsbereich des Aufenthaltsgesetzes das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0338), so wäre diese Auffassung zumindestens ohne nähere Begründung nicht unmittelbar einsichtig, hat die Beschwerdeführerin doch nicht unerhebliche Gründe für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet (Anwesenheit ihres Vaters, erst seit kurzem erreichte Volljährigkeit, Absicht, in Österreich zur Schule zu gehen, ausreichende Deutschkenntnisse) ins Treffen geführt. Schließlich wäre im Rahmen einer solchen Ermessensentscheidung aber auch insbesondere darauf Bedacht zu nehmen gewesen, ob der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Antragstellung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zustand, dessen Durchsetzung lediglich dadurch unterblieb, dass die belangte Behörde eine Entscheidung über diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erließ, zu dem eine Niederlassungsbewilligung weder gemäß §§ 20, 21 Abs. 3 bis 5, noch gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 erteilt werden konnte (der angefochtene Bescheid wurde am Tag vor dem 19. Geburtstag der Beschwerdeführerin genehmigt und kurz danach zugestellt). Bejahendenfalls wäre dieser Umstand zugunsten der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich hinsichtlich der Auffassung, es bestünde keine gesetzliche Verpflichtung des Vaters der Beschwerdeführerin auf Unterhaltsleistung, als inhaltlich rechtswidrig. Die (darüber hinausgehende) Begründung der Ermessensentscheidung der belangten Behörde ist aus den oben dargestellten Gründen mangelhaft. Infolge des Prävalierens der inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes können Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht zuerkannt werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687, wiedergegebene Judikatur).

Wien, am 11. Juni 1999

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998190282.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten