TE Vfgh Beschluss 1997/6/10 B4839/96

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Veröffentlicht am 10.06.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
ZPO §35 Abs1
ABGB §1022

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde mangels Legitimation der vor Einbringung der Beschwerde verstorbenen Beschwerdeführerin; Erlöschen der dem einschreitenden Rechtsanwalt vor Einleitung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens erteilten Vollmacht durch den Tod des Machtgebers gemäß ABGB

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Oktober 1996, Z BauR-011711/2-1996 Stö/Lg, wurde ua. der Vorstellung der Beschwerdeführerin als Nachbarin gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 12. April 1996, mit welchem der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Aufstockung und den Umbau des Hofgebäudes auf GST-NR 1937 und 1938/1, je KG Linz, erteilt wurde, keine Folge gegeben.

2. Mit der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde vom 4. Dezember 1996, eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am 5. Dezember 1996, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Oktober 1996 rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des Bebauungsplanes M 01/09/01/00 des Magistrates der Landeshauptstadt Linz.

3. Die belangte Behörde und der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz haben jeweils unter Aktenvorlage Äußerungen erstattet und ua. darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin bereits am 9. September 1996 verstorben ist. Auch der Bauwerber erstattete als mitbeteiligte Partei eine Äußerung und beantragte die Ablehnung, Zurückweisung bzw. Abweisung der Beschwerde sowie Ersatz der Kosten für die Äußerung.

4. Mit Schriftsatz vom 17. März 1997 bestätigten die drei Erben nach der Beschwerdeführerin, daß diese am 9. September 1996 verstorben ist. Sie seien nunmehr infolge Einantwortung Eigentümer der zuvor der Beschwerdeführerin gehörenden Nachbarliegenschaft EZ 3418, GB 45203 Linz. Das Beschwerdeverfahren sei daher auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger umzustellen. "Ausdrücklich erklären die Erben, dieses Verfahren fortsetzen zu wollen bzw. auch mit der Einleitung dieses Verfahrens einverstanden gewesen zu sein. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde am 04.12.1996 war Frau Mag. E H bereits verstorben. Dies ändert aber nichts daran, daß die erteilte Vollmacht weiter aufrecht war und ist und der Vertreter zum Einbringen der VfGH-Beschwerde bevollmächtigt und ermächtigt war. Die Einbringung der Beschwerde wurde auch in diesem Sinn mit den nunmehrigen Erben besprochen und vereinbart."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin ist am 9. September 1996, sohin vor Einbringung der Beschwerde am 4. Dezember 1996 verstorben. Die Legitimation zur Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art144 Abs1 B-VG hat die Rechts- bzw. Parteifähigkeit des Beschwerdeführers zur Voraussetzung (vgl. VfSlg. 13543/1993). Mit dem Tod der Beschwerdeführerin endete auch ihre Parteifähigkeit. Namens der Beschwerdeführerin konnte daher nach ihrem Tod nicht mehr wirksam Beschwerde erhoben werden. Eine Richtigstellung der Parteibezeichnung auf die Verlassenschaft nach der Beschwerdeführerin (bzw. in weiterer Folge auf ihre Erben) kommt nicht in Betracht. Die Wirkung des Todes auf die Geltung einer - allenfalls von der Beschwerdeführerin dem einschreitenden Rechtsanwalt erteilten - Prozeßvollmacht ist im VerfGG 1953 nicht geregelt. Es ist daher gemäß §35 Abs1 VerfGG 1953 die Zivilprozeßordnung sinngemäß anzuwenden. Nach §35 Abs1 ZPO wird die Prozeßvollmacht durch den Tod des Vollmachtgebers nicht aufgehoben. Allein diese Bestimmung kann nur auf eine als Prozeßvollmacht bereits wirksam gewordene Vollmacht, daher auf den Fall eines bereits eingeleiteten Prozeßverfahrens Anwendung finden. Bis zum Beginn der Einleitung eines Rechtsstreites (hier des verfassungsgerichtlichen Verfahrens) werden hingegen die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über die Fortdauer des Vollmachtsverhältnisses durch diese verfahrensrechtliche und ihrer Wirkung nach auf das Verfahren beschränkte Bestimmung des §35 ZPO nicht berührt. Gemäß §1022 ABGB erlischt jedoch die Vollmacht durch den Tod des Machtgebers (so SZ. XXVI 164; SZ. VII 29). Wenn auch §1022 ABGB dem Gewalthaber gestattet, unter Umständen ein angefangenes Geschäft zu vollenden, so kann doch mit der Vollmacht des Verstorbenen nicht ein Verfahren eingeleitet werden. Die Vertretung im Verwaltungsverfahren ist gegenüber der Erhebung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde kein angefangenes Geschäft im Sinne des §1022 ABGB (vgl. VfSlg. 4559/1963, 6823/1972, 13543/1993).

2. Die Beschwerde war daher wegen Mangels der Legitimation der Beschwerdeführerin zurückzuweisen. Dem Bauwerber als mitbeteiligte Partei war der Ersatz der Kosten für die Äußerung nicht zuzusprechen (vgl. VfSlg. 10228/1984).

3. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG bzw. §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, VfGH / Prozeßvollmacht, Zivilrecht, Rechts- und Handlungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B4839.1996

Dokumentnummer

JFT_10029390_96B04839_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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