TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/7 I416 2210511-1

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Veröffentlicht am 07.12.2018
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Entscheidungsdatum

07.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §2
FPG §46
FPG §52
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs6
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2210511-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Dr. Josef HABERSACK, Roseggerkai 5/III, 8010 XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin wurde im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes am 05.10.2018 von einer Funkstreife fremdenpolizeilich überprüft. Dabei gab die Beschwerdeführerin gegenüber den handelnden Organen an, Staatsangehörige von Nigeria zu sein und legte einen Meldezettel lautend auf XXXX

</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person>und eine Bestätigung eines Rechtsanwalts aus XXXX vor, nach der sie beabsichtigte einen österreichischen Staatsangehörigen zu heiraten. Ausweisdokumente gab sie an, habe sie keine. In weiterer Folge wurde eine Anfrage an die italienischen Behörden durchgeführt und wurde von diesen am 06.10.2018 mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin über einen unbefristeten Aufenthaltstitel mit der Nr. XXXX verfügt und in einem weiteren E-Mail vom 23.10.2018 das es sich dabei um einen Aufenthaltstitel "MOTIVI FAMILIARI" handeln würde.

2. Am 24.10.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Hinsichtlich ihrer Identität legte sie die Kopie eines Reisepasses der Republik Nigeria mit der Nummer XXXX, ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Wien, gültig vom 02.08.2016 bis 01.08.2021, die Kopie einer Geburtsurkunde lautend auf den Namen XXXX

</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person>samt beglaubigter Übersetzung, die Kopie einer eidesstattlichen Erklärung samt beglaubigter Kopie, die Kopie einer Meldebestätigung vom 27.03.2018 und die Kopie einer Bestätigung des Rechtsanwaltes Dr. Habersack, darüber, dass die Beschwerdeführerin laut ihren Angaben beabsichtige, den österreichischen Staatsangehörigen XXXX zu heiraten und dass sie mit diesem schon seit geraumer Zeit zusammenleben würde. Die Beschwerdeführerin führte weiters aus, dass sie vor ca. 10 Jahren nach Europa gekommen sei und sich nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich für ca. 6 Jahre in Italien aufgehalten habe. In Österreich sei sie seit ca. 3 bis 4 Jahren. Sie führte weiters aus, dass sie weder irgendwo noch irgendwann einen Aufenthaltstitel besessen habe und führte befragt aus, dass sie in Italien als Prostituierte gearbeitet habe. In Österreich habe sie nicht gearbeitet, sie habe hier vor drei Jahren einen Mann kennengelernt, der sie jedoch jeden Tag geschlagen habe. Jetzt würde sie seit einem Jahr mit einem Mann zusammenleben, sie seien aber noch nicht verheiratet, da dieser erst nach Afrika fliegen müsse, um seine notwendigen Unterlagen dafür zu besorgen. Außer ihrem Lebensgefährten habe sie in Österreich oder einem sonstigen Staat der EU keine familiären, sozialen oder beruflichen Bindungen. Sie führte weiters aus, in Nigeria ihre beiden Kinder, 16. und 11. Jahre leben würden. Sie habe auch telefonischen Kontakt zu diesen und würde ihr Freund ihnen auch Geld für die Schule schicken. Sie gab weiters an, dass sie über keine finanziellen Mittel verfüge und dass ihre jetziger Freund alles bezahlen würde, gefragt, ob sie freiwillig in ihr Herkunftsland ausreisen würde, verneinte sie dies. Auf Vorhalt, dass sie in Italien einen Aufenthaltstitel haben würde, gab sie wörtlich an: "Alles ist gecancelt. Als ich XXXX kennengelernt habe. Er sagte, dass ich alles canceln soll. Und ich soll hierherkommen." Gefragt warum sie dort einen Aufenthaltstitel bekommen habe, führte sie wörtlich aus: "Weil ich dort gelebt habe. Ich hätte die Genehmigung verlängern lassen müssen, aber sie haben es nicht verlängert." Auf eine Stellungnahme zu den Länderberichten verzichtete die Beschwerdeführerin.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.10.2018, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt I.). "Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass ihre Abschiebung "gemäß § 46 FPG" nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und wurde "gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Zuletzt wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

4. Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 25.10.2018 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH, als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, in 1170 Wien als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

5. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 26.11.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verfahren mangelhaft abgeführt worden sei, da einerseits der Sachverhalt unzureichend festgestellt worden sei und auch die Beweiswürdigung mangelhaft sei, da die vorgebrachten Beweismittel nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Es wurde ausgeführt, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in XXXX</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person> befinden würde, sie unbescholten sei und sie sich stets wohlverhalten habe. Es wurde weiters ausgeführt, dass sie sobald sie heiraten werde, sobald die notwendigen Unterlagen ihres Mannes aus Nigeria vorliegen würden und wäre sie daher wohnversorgt und bedürfe keinerlei Mittel aus irgendwelchen sozialen Unterstützungen. Sie verfüge über einen gültigen Aufenthaltstitel in Italien und sei dieser als gleichwertig mit einem aus Österreich zu werten. Letztlich wurde ausgeführt, dass die Behörde entsprechende Nachforschungen in Italien hätte anstellen müssen und wurde die Beiziehung des Aufenthalts- und Asylaktes von Italien beantragt. Darüberhinaus bestehe keine Notwendigkeit ein Einreiseverbot zu erlassen, die Abschiebung nach Nigeria zu veranlassen oder die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid dergestalt abändern, dass meinem Antrag stattgegeben wird, oder den bekämpften Bescheid aufheben und zurückverweisen, oder zumindest dergestalt abzuändern, dass meine Abschiebung für unzulässig erklärt wird, oder von der Erlassung eines Einreiseverbotes abgesehen wird. Weiters werde eine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt und der Antrag gestellt der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

6. Mit Schriftsatz vom 29.11.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 03.12.2018, bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 06.12.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich bedenkenlos aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Nigeria, und somit Drittstaatsangehörige gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin ist seit 21.09.2015 durchgängig mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Der Beschwerdeführerin kommt kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Die Beschwerdeführerin verfügt über einen unbefristeten Aufenthaltstitel "MOTIVI FAMILIARI" der Republik Italien mit der Nr. XXXX.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nach Italien gewährt wurde.

Die Beschwerdeführerin geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit hach, wird finanziell von ihrem Lebensgefährten erhalten und erhält keinerlei finanzielle staatliche Unterstützung.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Akten des Bundesamtes sowie die des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht durch Vorlage des Reisepasses der Republik Nigeria mit der Nummer XXXX, ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Wien, gültig vom 02.08.2016 bis 01.08.2021 fest.

Die Feststellungen zum Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich und ihrem Aufenthaltstitel in Italien ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführerin nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, nach Italien auszureisen, ergibt sich aus dem Akt, insbesondere aus der niederschriftlichen Einvernahme vom 24.11.2018 (AS 37).

Die Feststellungen zu ihrem Privatleben ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 lauten:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.

(8) Durch die Aufhebung der angefochtenen Weisung tritt jener Rechtszustand ein, der vor der Erlassung der Weisung bestanden hat; infolge der Weisung aufgehobene Verordnungen treten jedoch dadurch nicht wieder in Kraft. Die Behörde ist verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 2 Abs. 4 Z 6, § 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 6 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

6. Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ): das Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, BGBl. III Nr. 90/1997;

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

Die maßgebliche Bestimmung des ÜBEREINKOMMEN zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, BGBl. III Nr. 90/1997lautet:

Artikel 23

(1) Der Drittausländer, der die im Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien geltenden Voraussetzungen für einen kurzen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, hat grundsätzlich unverzüglich das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien zu verlassen.

(2) Verfügt der Drittausländer über eine von einer anderen Vertragspartei ausgestellte gültige Aufenthaltserlaubnis oder über einen von einer anderen Vertragspartei ausgestellten vorläufigen Aufenthaltstitel, so hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei zu begeben.

(3) Soweit die freiwillige Ausreise eines solchen Drittausländers nicht erfolgt oder angenommen werden kann, daß diese Ausreise nicht erfolgen wird, oder soweit die sofortige Ausreise des Drittausländers aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung geboten ist, muß der Drittausländer nach Maßgabe des nationalen Rechts aus dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei abgeschoben werden, in dem er aufgegriffen wurde. Ist die Abschiebung nach nationalem Recht nicht zulässig, so kann die betroffene Vertragspartei dem Drittausländer den Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet gestatten.

(4) Der betroffene Drittausländer kann in seinen Herkunftsstaat oder in einen anderen Staat, in dem seine Zulassung insbesondere nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Rückübernahmeabkommen möglich ist, abgeschoben werden.

(5) Die nationalen asylrechtlichen Bestimmungen, die Bestimmungen der Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 über den Flüchtlingsstatus in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Jänner 1967, sowie Absatz 2 dieses Artikels und Artikel 33 Absatz 1 dieses Übereinkommens bleiben von den Bestimmungen des Absatzes 4 unberührt.

Zu A) Behebung des Bescheides:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung, vgl. etwa das Erkenntnis vom 10.04.2014, Zl. 2013/22/0310 dargelegt, dass § 52 FPG die Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie umsetzt (siehe dazu RV 1078 BlgNR 24. GP 29). Art. 6 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Schon aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu Letzterem ergibt sich unzweifelhaft, dass der Gesetzgeber damit die Umsetzung des Art 6 Abs 2 RückführungsRL beabsichtigte (vgl. 1078 BlgNR XXIV. GP, S. 29): "Im vorgeschlagenen Abs. 2 wird auf die Vorgaben der Art. 6 Abs. 2 iVm Art. 7 Abs. 4 und Art. 8 Abs. 1 der RückführungsRL Bedacht genommen, die anstelle des Art. 23 Abs. 2 und 3 SDP treten. Letztgenannte regelten die Verpflichtung des Drittstaatsangehörigen, sich in den Vertragsstaat zu begeben, der ihm einen Aufenthaltstitel ausgestellt hat sowie dessen Abschiebung bei Missachtung dieser Verpflichtung oder im Fall der Verletzung des ordrepublic sowie die ausnahmsweise Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis trotz Illegalität. In diesem Fall ergeht gegen den Drittstaatsangehörigen grundsätzlich keine Rückkehrentscheidung, sondern nur dann, wenn er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist."

Nun wurde im gegenständlichen Verfahren nicht aufgezeigt, dass von der Beschwerdeführerin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Zu einer - von der belangten Behörde allenfalls angenommenen - Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit im Sinne des § 52 Abs. 6 letzter Satz zweiter Fall FPG gibt es im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen.

Es wird vom erkennenden Richter nicht verkannt, dass die Beschwerdeführerin sich unberechtigt für mehrere Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hat - doch hat das BFA im gegenständlichen Fall trotz eigener Feststellung, dass die Beschwerdeführerin über einen Aufenthaltstitel von Italien verfügt, sie lediglich gefragt, ob sie freiwillig in ihren Herkunftsstaat Nigeria ausreisen würde. Ein Verfahren zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG durch das BFA, wäre jedoch erst dann zu führen gewesen, wenn die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren ihrer Ausreiseverpflichtung nach Italien nicht unverzüglich nachgekommen wäre. Diese Möglichkeit wurde der Beschwerdeführerin jedoch weder erläutert noch wurde ihr die Möglichkeit dazu gegeben.

In einem ähnlich gelagerten Fall wurde vom Verwaltungsgerichtshof kürzlich festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen, der im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist, nicht möglich ist, wenn er nicht zunächst aufgefordert wurde, sich in den betreffenden Mitgliedstaat zu begeben - mit Ausnahme der Fälle, in denen seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist oder er der Ausreiseaufforderung nicht nachgekommen war (VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0234). Nachdem, wie bereits dargelegt, im angefochtenen Bescheid keiner dieser zwei Ausnahmetatbestände vorliegt, hätte die belangte Behörde dieser im Hinblick auf den Aufenthaltstitel der Beschwerdeführerin in Italien gebotenen Anordnung nachkommen müssen.

Daher war die mit Spruchpunkt II. verhängte Rückkehrentscheidung ebenso zu beheben wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte III. bis VI., so dass der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben war.

Zu Spruchpunkt VI., der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, wird der Vollständigkeit halber noch ausgeführt, dass die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Spruch auf § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG gestützt. Dass dieser Tatbestände im gegenständlichen Fall vorliegen würden wurde weder in der rechtlichen Beurteilung dargelegt, noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte aus dem vorliegenden Akt. Wenn die belangte Behörde demgegenüber in ihrer rechtlichen Beurteilung die § 18 Abs. 2 Ziffer 2 als Begründung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung heranzieht, so ist grundsätzlich auszuführen, dass nur der Spruch rechtliche Geltung erlangen und somit nur dieser allenfalls rechtsverletzend sein kann. Die Begründung und somit die rechtliche Beurteilung eines Bescheides hat im Allgemeinen keine normative Kraft. Ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung (sofern dieser die Eindeutigkeit des Spruches verhindert) kann einen Bescheid inhaltlich rechtswidrig machen. Darüberhinaus darf ein klarer Spruch aus der Begründung nicht umgedeutet oder ergänzt werden. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im Spruch einen gänzlich anderen Tatbestand angeführt, als jenen, auf den sie sich in der Begründung letztlich stützt. Die Begründung hat aber die Beurteilung der Rechtsfrage zu enthalten und hat die Behörde demnach den Sachverhalt der anzuwendenden Norm zu unterstellen, was wiederum bedeutet, dass der festgestellte Sachverhalt dem gesetzlichen Tatbestand zuzuordnen ist, was eine Interpretation der anzuwendenden Norm voraussetzt. Dies war im gegenständlichen Fall aufgrund der obigen Ausführungen nicht möglich. Schon aus diesem Gesichtspunkt wäre daher Spruchpunkt VI. selbst für den Fall, dass der gegenständliche Bescheid aus den obgenannten Gründen nicht als Ganzes zu beheben gewesen wäre, jedenfalls ersatzlos zu beheben gewesen.

Auch in den Ausführungen hinsichtlich der Erlassung eines Einreiseverbotes, für dessen Erlassung sich die belangte Behörde darauf stützt, das die Beschwerdeführerin nicht nachzuweisen vermag, im Besitz der Mittel für ihren Unterhalt zu sein, wird lediglich textbausteinartig Judikatur der Höchstgerichte zitiert und aktenwidrig ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin einen unbegründeten und missbräuchlichen Asylantrag gestellt habe und an diesen festhalten würde. Auch dafür, dass die Beschwerdeführerin während ihres bisherigen Aufenthaltes Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung erhalten habe finden sich im Akt keine Hinweise.

Letztlich sind auch die Feststellungen der belangten Behörde zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Lichte der Judikatur des EGMR einer Beurteilung zu unterziehen und erscheinen diese weder schlüssig noch nachvollziehbar. Dies insbesondere da der Begriff des Familienlebens nicht auf Familien beschränkt ist, die sich auf eine Heirat gründen, sondern auch andere de facto Beziehungen ein schließt, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979). Dies wird die belangte Behörde im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen haben.

In einer Gesamtschau des vorliegenden Verfahrensaktes ist daher festzuhalten, dass abgesehen von den für die gegenständliche Behebung entscheidungsrelevanten Gründen, die gegenständliche Entscheidung so gravierende Mängel aufweist, dass diese für sich selbst gesehen, zu einer Behebung bzw. Zurückverweisung geführt hätten.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthalt im Bundesgebiet,
Aufenthaltstitel, Ausreiseverpflichtung, Behebung der Entscheidung,
berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot, fehlende
Sachverhaltsfeststellungen, Feststellungsmangel, freiwillige
Ausreise, Frist, Gefährdung der Sicherheit, Gesamtbetrachtung,
Mittellosigkeit, öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit,
Privat- und Familienleben, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I416.2210511.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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