TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/9 I415 2206083-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §52
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §8a

Spruch

I415 2206083-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Marokko, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23.04.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dies erfolgte nach einer ersten Asylantragsstellung in Frankreich XXXX und vor Stellung eines weiteren Asylantrages in der Schweiz XXXX. Im Zuge des Verfahrens verwendete er insgesamt fünf Aliasidentitäten.

2. Vom 24.04.2013 bis zum 21.05.2013 befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft im PAZ XXXX.

3. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2013, Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgewiesen.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 13.11.2014, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtmittelhandels nach §§ 28a Abs. 1 2. und 5. Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 3, 28 Abs. 1 1. und 2. Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Höhe von 3 Jahren verurteilt. Von 12.05.2014 bis zum 31.05.2016 befand sich der Beschwerdeführer in Strafhaft in der JA XXXX. Er wurde unter Bestimmung einer 3-jährigen Probezeit bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen.

5. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 23.08.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

6. Am 10.04.2017 wurde der Beschwerdeführer im Zuge eines Dublin-Verfahrens von der Schweiz rückübernommen. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen einer Einvernahme durch die Schweizer Behörden an, weder in Frankreich noch in Österreich ein Asylgesuch gestellt zu haben; in Italien einen Sohn zu haben (italienischer Staatsbürger, litauische Mutter); in Österreich einen Unfall gehabt zu haben und dort operiert worden zu sein; eigentlich in Bozen gelebt zu haben; mehrmals in Österreich gewesen zu sein wegen der Behandlung (letztmals Oktober oder November 2016); am 16.12.2016 von Österreich in die Schweiz eingereist zu sein. Gem. Art. 18.1b bzw. Art. 18 1d Dublin-III-VO wurde der Beschwerdeführer von Österreich rückübernommen.

7. Mit Parteiengehör vom 18.05.2017 (zugestellt am 21.05.2017) informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer, dass aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in der Höhe von 10 Jahren beabsichtigt sei. Dem Beschwerdeführer wurde eine 2-wöchige Frist zur Erstattung einer Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schreiben vom 30.05.2017 wie folgt Stellung: "Es wird beabsichtigt, gegen mich eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und ich solle Gründe anführen, die dagegen sprechen. Ich habe einen Bruder in Österreich, sein Name ist XXXX. Er ist Asylwerber und hatte im Dezember 2016 einen schweren Unfall, bei dem ihm beide Füße abgetrennt wurden. Er ist derzeit in einem Krankenheim in Bruck an der Mur aufhältig. Er steht jedoch aufgrund des Verlustes seiner Beine unter einem sehr großen psychischen und auch gesundheitlichen Druck. Er selbst ist natürlich nicht mobil, ich versuche, ihn so gut wie möglich zu unterstützen. Ich bin die einzige familiäre Unterstützung, die er hier in Österreich hat. Ich bin selbst auch Opfer einer Körperverletzung geworden und habe seither eine Platte unter meinem linken Auge. Diese muss operativ entfernt werden, in der Justizanstalt wurde mir jedoch die entsprechende Behandlung verweigert. Ich habe in den nächsten Monaten einen Termin in der Klinik, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Aufgrund meiner eigenen Situation und des schweren Schicksalsschlages, den mein Bruder getroffen hat und der meine ganze Unterstützung braucht ersuche ich, von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot anzusehen."

8. Am 22.09.2017 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle beamtshandelt. Da nach dem Beschwerdeführer für eine Beschuldigtenvernehmung zu einem Raub gefahndet wurde, wurde er festgenommen und ins PAZ XXXX überstellt.

9. Mit Mandatsbescheid vom 22.09.2017, Zl. XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Am 04.11.2017 wurde aufgrund ärztlicher Empfehlung, Haftunfähigkeit-Hungerstreik, die Schubhaft aufgehoben.

10. Am 20.03.2018 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle angehalten und aufgrund von offenen Verwaltungsstrafen zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe in das PAZ XXXX eingeliefert.

11. Dem Beschwerdeführer wurde am 21.03.2018 wurde ein Parteiengehör zur beabsichtigten Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung zugestellt, wobei er nicht innerhalb der vorgegebenen Frist zum Sachverhalt Stellung nahm.

12. Am 27.03.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgrund massiver Probleme mit seinen Zähnen aus der Verwaltungsstrafhaft entlassen und war danach für die belangte Behörde nicht mehr erreichbar, bis er am 16.04.2018 von der PI Steinach in einem von Italien kommenden Zug am Brenner bei der illegalen Einreise betreten wurde.

13. Der Beschwerdeführer wurde am 19.04.2018 von der marokkanischen Botschaft identifiziert und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt.

14. Am 27.04.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag erlassen, da er im zentralen Melderegister nicht gemeldet war und nicht zu einem Kontrolltermin beim Amtsarzt erschienen war.

15. Er vereitelte eine Abschiebung nach Marokko am 06.05.2018 durch sein Untertauchen.

16. Am 20.07.2018 wurde der Beschwerdeführer bei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in XXXX aufgegriffen. Er wurde aufgrund mehrerer offener Verwaltungsstrafen festgenommen und ins PAZ XXXX überstellt. Am selben Tag wurde er von Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes vernommen, und erklärte, Österreich seit dem Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Verwaltungsstrafhaft am 21.03.2018 nicht verlassen zu haben. Er habe lediglich seinen in Graz bzw. Bruck an der Mur lebenden Bruder besucht und diesem helfen wollen, weil er nach einem Unfall auf den Bahngleisen beide Füße verloren habe. Er habe nach seiner Entlassung auch die Klinik XXXXaufgesucht, um sich die Platte in seinem Gesicht operativ entfernen zu lassen, was jedoch mangels Versicherung nicht möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in den letzten viereinhalb Monaten durchgehend (mit Ausnahme des kurzen Besuchs in Graz) im Heim in XXXX Unterkunft genommen. Er sei dort auch einmal von der Polizei kontrolliert worden und deswegen der Meinung gewesen, sich nicht im zentralen Melderegister melden zu müssen.

17. Mit Bescheid des BFA vom 20.07.2018, Zl. XXXX, wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 06.08.2018, Zl. W112 2202365-1/14z als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

18. Am 09.08.2018 wurde ihm im Stande der Schubhaft ein Parteiengehör zur beabsichtigten Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zugestellt. Er bezog dazu nicht binnen der ihm gewährten 2-wöchigen Frist Stellung.

19. Mit Schreiben vom 29.08.2018 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen "Abschiebeauftrag - Luftweg" für den 27.09.2018 und wurde der Beschwerdeführer über die bevorstehende Abschiebung informiert.

20. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz erlassen (Spruchpunkt II.) Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen ihn ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

21. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 31.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

22. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 21.09.2018 Beschwerde in vollem Umfang wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit an das Bundesverwaltungsgericht. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und aussprechen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem Beschwerdeführer eine "Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang der Spruchpunkte II., III. und IV. beheben; in eventu das Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.) ersatzlos beheben; in eventu die Dauer des Einreiseverbotes herabsetzen; in eventu dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise einräumen. Darüberhinaus wurde der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 8 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit a bis d ZPO gestellt.

23. Am 27.09.2018 erfolgte die Überstellung des Beschwerdeführers nach Marokko (Marrakesch) auf dem Luftweg.

24. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.09.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Marokkos. Seine Identität steht fest. Er führt den Namen XXXX, ist Staatsbürger von Marokko und am XXXX geboren.

Der genaue Zeitpunkt seiner erstmaligen Einreise in das österreichische Bundesgebiet steht nicht fest. Er stellte am 23.04.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2013, Zl. XXXX, abgewiesen wurde. Zugleich wurde er nach Marokko ausgewiesen. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Am 27.09.2018 wurde der Beschwerdeführer auf dem Luftweg nach Marokko abgeschoben.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und leidet weder an einer schweren Krankheit, noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Sein Gesundheitszustand steht seiner (bereits erfolgten) Rückkehr nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer ist ledig und ohne Sorge- bzw. Unterhaltspflichten. Er verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer verwendete zur Verschleierung seiner Identität verschiedene Aliasidentitäten in verschiedenen Staaten. Er verfügte

-

abgesehen von seinen Aufenthalten in polizeilichen Anhaltezentren

-

nie über einen gemeldeten Wohnsitz in Österreich, kam seiner Mitwirkungspflicht im Asylverfahren nicht nach und entzog sich mehrfach dem Verfahren.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Er verfügte in Österreich über keine Sozial- und Krankenversicherung, befand sich bis zu seiner Wegweisung nur zwei Tage in Grundversorgung ging keiner erlaubten und gemeldeten Erwerbstätigkeit nach, weshalb er als mittellos anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer wurde wiederholt straffällig, sodass er die folgenden rechtskräftigen Verurteilungen aufweist:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXXvom 13.11.2014, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtmittelhandels nach §§ 28a Abs. 1 2. und 5. Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 3, 28 Abs. 1

1. und 2. Fall und Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Höhe von 3 Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 23.08.2018, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

1.2. Zur Situation in Marokko:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 31.08.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Marokko vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Marokko ist ein sicherer Herkunftsstaat. Es ist politisch wie sicherheitspolitisch ein stabiles Land. Marokko ist fähig und willig, seine Bürger zu schützen. Justiz und Sicherheitsapparate funktionieren. Die Justiz ist gemäß der geltenden Verfassung unabhängig. Ein rechtsstaatliches, faires Verfahren mit dem Recht, Berufung einzulegen, ist gesetzlich gewährleistet. Über Beeinflussung der Gerichte durch Korruption oder durch außergerichtliche Einflussmaßnahmen wird berichtet. Der Sicherheitsapparat besteht aus Polizei- und paramilitärischen Organisationen. Eine zivile Kontrolle über Sicherheitskräfte ist abgesehen von Einzelfällen effektiv. Folter steht unter Strafe, wobei Berichte über Folterungen und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen bestehen. Die in Marokko verbreitete Korruption steht unter Strafe, welche aber nicht effektiv vollzogen wird. Eine Reform der Korruptionsbekämpfungsbehörde ist geplant, aber noch nicht verwirklicht.

Marokko verfügt über einen umfassenden Grundrechtebestand, lediglich das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit fehlt. Die Grundrechte werden durch den Vorbehalt in Bezug auf die Monarchie, den islamischen Charakter von Staat und Gesellschaft und die territoriale Integrität beschränkt. Ferner fehlen zT Durchführungsgesetze. Allgemein bestehen grundrechtliche Probleme hinsichtlich der Sicherheitskräfte sowie schlechter Haftbedingungen. Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer religiösen Überzeugung können nicht festgestellt werden. Die Haftbedingungen sind generell schlecht und entsprechen nicht internationalen Standards. Hygienische Verhältnisse und die medizinische Versorgung in Gefängnissen sind nicht gut. Gefängnisse sind in Marokko überbelegt. Es existieren Berichte über folterähnliche Praktiken in Gefängnissen. Die Todesstrafe wird weiterhin in Marokko verhängt. Seit 1993 wurden aber keine Todesstrafen mehr vollstreckt.

Eine nach Marokko zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Der Beschwerdeführer hat den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert bestritten, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der vorgenommenen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund eines Heimreisezertifikates des marokkanischen Botschaft Nr. XXXX fest.

Die Feststellungen zu seiner Einreise sowie seinem Aufenthalt in Österreich, zu seinem Asylverfahren und zur erfolgten Abschiebung lassen sich dem vorliegenden Verwaltungsakt und dem am 01.10.2018 eingeholten ZMR-Auszug entnehmen.

Die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Aktenlage sowie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung und auch keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorbrachte. Die Beschwerde moniert unrichtige Feststellungen der belangten Behörde in Bezug auf die Gesundheit des Beschwerdeführers und beruft sich dabei auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Wien vom 06.08.2018, Zl. W112 2202365-1/14z, vorgenommene Befragung des Amtsarztes XXXX. Dieser gab zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers folgendes zu Protokoll: "Beim BF besteht eine Benzodiazepin Abhängigkeit und immer wieder auftretende Impulsausbrüche laut Psychiatrischen Befund." Allerdings wird hierbei außer Acht gelassen, dass der Amtsarzt im Zuge seiner Befragung ebenso erklärte, dass der Beschwerdeführer haftfähig sei und auf dem Luftweg abgeschoben werden könne. Auch aus einem am 26.09.2018 erstellten polizeiamtsärztlichen Gutachten sind keinerlei Hinweise auf schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich resultieren aus dem Verwaltungsakt.

Der Beschwerdeführer machte von der ihm am 09.08.2018 eingeräumten Möglichkeit, eine Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben abzugeben, keinen Gebrauch und brachte auch in der gegenständlichen Beschwerde keine konkreten Angaben vor, welche die Annahme einer Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht rechtfertigen würden. Auch aus der Beschwerde gehen keine Hinweise auf ein schützenswertes Privat- und Familienleben oder erfolgte Integrationsschritte des Beschwerdeführers in Österreich hervor.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers leiten sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 01.10.2018 sowie den sich im Akt befindlichen Strafurteilen ab.

2.3. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Marokko ist gemäß § 1 Ziffer 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung BGBl. II Nr. 177/2009, idgF, ein sicherer Herkunftsstaat.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Marokko ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120, Zugriff 31.7.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2018a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 31.7.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

-

AA - Auswärtiges Amt (8.8.2018): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080#content_0, Zugriff 8.8.2018

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (8.8.2018): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 8.8.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (8.8.2018): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 8.8.2018

-

FD - France Diplomatie (8.8.2018): Conseils aux Voyageurs - Maroc

-

Sécurité,

https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/, Zugriff 8.8.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2017b): Marokko - Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224118, Zugriff 8.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook

-

Morocco,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mo.html, Zugriff 8.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (11.7.2018): The World Factbook

-

Western Sahara,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/wi.html, Zugriff 8.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (7.2018a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 8.8.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 1.8.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

-

USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430366.html, Zugriff 1.8.2018

-

AI -Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Morocco/Western Sahara,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425081.html, Zugriff 1.8.2018

-

TI - Transparency International (21.2.2018): Corruptions Perceptions Index 2017,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 17.8.2018

-

HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Morocco and Western Sahara,

http://www.ecoi.net/local_link/334712/476546_de.html, Zugriff 3.8.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436851.html, Zugriff 7.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2018b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 7.8.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (10.2017c): Marokko - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/wirtschaft/224082, Zugriff 7.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (7.2018c): Marokko - Wirtschaft, http://liportal.giz.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 7.8.2018

-

DIS - Danish Immigration Service (2.2017): Morocco - Situation of Unaccompanied Minors,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1490253625_morocco-situationofunaccompaniedminors-06032017.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

VB - Verbindungsbeamter des BMI in Rabat (30.5.2017):

Anfragebeantwortung Kinder und Jugendliche, nach direkter Rücksprache mit einem Mitarbeiter der NGO "Association Marocaine des Droits Humains" (AMDH), sowie mit Frau Saida SAGHER von der Organisation "BAYTI" (übersetzt "mein Haus") in Casablanca, einer Organisation, die sich speziell für Straßenkinder einsetzt; übermittelt per E-Mail vom 30.5.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen sind § 10 Abs. 2 sowie § 57 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018 (AsylG), und § 50, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 sowie § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018 (FPG) sowie § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (BFA-VG).

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Abs. 1 FPG lautet:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde."

Es bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Beschwerdeführer habe sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und es sei daher der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erfüllt. Der Beschwerdeführer konnte keinerlei Visum vorlegen und verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung für den Raum der Europäischen Union. Seit 20.09.2016 besteht gegen den Beschwerdeführer ein von der Schweiz ausgeschriebenes Einreiseverbot. Auch in der Beschwerde wurde der Umstand des unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht bestritten.

§ 10 Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

"§ 10. (2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden."

Daher ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein schützenswertes Familienleben in Österreich: Der Bruder des Beschwerdeführers stellte bereits am 14.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.09.2014 abgewiesen wurde. Sein Folgeantrag vom 05.02.2016 wurde mit Bescheid vom 05.10.2016 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gegen ihn besteht seit 20.09.2016 ein Einreiseverbot in den Schengenraum ausgeschrieben von der Schweiz. Sein zweiter Folgeantrag vom 17.10.2016 wurde mit Bescheid vom 22.11.2016 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Sein vierter Asylantrag vom 14.08.2017 wurde mit Bescheid vom 24.01.2018 abgewiesen. Gegen den Bruder des Beschwerdeführers wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein Einreiseverbot. Am 07.03.2018 stellte der dreifach vorbestrafte Bruder des Beschwerdeführers seinen fünften Asylantrag.

Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Im Hinblick auf die Zeitspanne, seit der sich der (eigenen Angaben nach) April 2013 eingereiste Beschwerdeführer in Österreich aufhält, kann eine von Art. 8 EMRK geschützte Aufenthaltsverfestigung noch nicht angenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; vgl. auch VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, eine feste soziale Integration, gute Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keine Familienangehörige geltend machen konnte, in einer Interessensabwägung keine derartige "verdichtete Integration" zugestanden wurde, da der Aufenthalt "letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte"; ähnlich auch VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zkl. 2008/21/0533; VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354).

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von insgesamt rund fünf Jahren, wobei der Beschwerdeführer den überwiegenden Großteil dieser Zeit im Gefängnis verbrachte, davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.

Hinweise, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde, liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer hat keinen Deutschkurs besucht, hat in Österreich an keinen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen, hat keine nachgewiesene legale Erwerbstätigkeit ausgeübt und hat aktuell keine engen Bezüge zu ÖsterreicherInnen. Er hat weder gemeinnützige Tätigkeiten ausgeübt, noch konnte er andere außergewöhnliche Umstände ins Treffen führen. Unterlagen, die für eine verfestigte Integration sprechen würden, wurden nicht vorgelegt.

Die verfügte Rückkehrentscheidung stellt insofern keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaige wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt aber nicht vor; beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben.

Dagegen bestehen nach wie vor Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat Marokko, zumal er dort einen großen Teil seines Lebens verbracht hat und dort hauptsozialisiert wurde, er seine Muttersprache spricht und durchaus mit den regionalen Sitten und Gebräuchen der marokkonischen Kultur vertraut ist. Im gegenständlichen Fall kann nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers gesprochen werden.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als ein Fremder, der seinen Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch seine Einreise und durch die Stellung eines letztlich unbegründeten Asylantrages erzwingt. Dies würde in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl VwGH11.12.2003, 2003/07/0007; vgl dazu auch VfSlg 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde.").

Dazu kommen die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 13.11.2014 sowie vom 23.08.2018, wegen des Verbrechens des Suchtmittelhandels nach §§ 28a Abs. 1 2. und 5. Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 3, 28 Abs. 1 1. und 2. Fall und Abs. 3 SMG, sowie wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. Wie der aktuelle Auszug des Strafregisters belegt, konnte den Beschwerdeführer seine erste strafgerichtliche Verurteilung nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten.

Es ist unbestritten, dass aufenthaltsbeendigende Maßnahmen auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen sind. Es besteht kein Zweifel, dass es sich bei der Suchtmittelkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt.

Vor diesem Hintergrund gefährdete der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Es überwiegen folglich die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des massiv strafrechtlich in Erscheinung getretenen Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in sein Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Marokko keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt. Daher war kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Asylgesetz zu erteilen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2.3. Zur Zulässigkeit der erfolgten Abschiebung (Spruchpunkt III. de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten