TE Vwgh Erkenntnis 2019/1/28 Ra 2018/01/0428

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Veröffentlicht am 28.01.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §62 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2018, Zlen. I405 2126534- 2/5E, I405 2126941-2/5E, I405 2126938-2/5E, I405 2126934-2/5E, betreffend ein im Verfahren nach AsylG 2005 erlassenes Einreiseverbot nach FPG (mitbeteiligte Parteien: 1. B Z S G,

2. A L H K, 3. M B Z S G und 4. E B Z S G, alle in G und vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Aufhebung des Spruchpunktes VII. des Bescheides der belangten Behörde vom 11. Juni 2018 betreffend Einreiseverbot nach FPG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorgeschichte

1 Die mitbeteiligten Parteien sind Staatsangehörige von Ägypten und stellten am 13. Februar 2018 die verfahrensgegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom 11. Juni 2018 wurden die Anträge der mitbeteiligten Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Weiters wurde - soweit im vorliegenden Revisionsverfahren maßgeblich - gegen die Mitbeteiligten ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Als Rechtsgrundlage wurde § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) angeführt.

3 Begründend führte die belangte Behörde zum verhängten Einreiseverbot aus, die Mitbeteiligten seien aus näher bezeichneten Gründen ihrer Rückkehrverpflichtung nach Art. 11 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG nicht nachgekommen. Zudem sei - wie näher dargelegt wird - der Tatbestand der Mittellosigkeit nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt.

4 Gegen diese Bescheide erhoben die Mitbeteiligten Beschwerde

an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Angefochtenes Erkenntnis

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Beschwerden der Mitbeteiligten mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der (so bezeichnete) "Spruchpunkt IV." behoben wurde (Spruchpunkt A). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

6 Begründend führte das BVwG zur Behebung des Einreiseverbotes aus, die belangte Behörde gehe zutreffend davon aus, dass die Aufzählung in § 53 Abs. 2 FPG lediglich demonstrativ sei. In weiterer Folge habe sich die belangte Behörde auf die Verletzung der Rückkehrverpflichtung nach Art. 11 der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG sowie auf den Tatbestand der Mittellosigkeit nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt.

7 Das BVwG verkenne nicht, dass die Mitbeteiligten ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen seien, jedoch könne aus der Aktenlage nicht erkannt werden, dass die Mitbeteiligten (gemeint: im Sinne des im Spruch zitierten § 53 Abs. 2 Z 3 FPG) wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden seien, weshalb das Einreiseverbot aufzuheben und auf die weiteren Beschwerdegründe nicht mehr einzugehen gewesen sei. 8 Mit (unangefochten gebliebenen) Beschluss vom 11. September 2018 wurde der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses durch das BVwG gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahingehend berichtigt, dass die Beschwerden der Mitbeteiligten mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen wurden, dass der (nunmehr so bezeichnete) "Spruchpunkt IIV." behoben wird.

9 Gegen dieses angefochtene Erkenntnis im Umfang der Behebung des von der belangten Behörde erlassenen Einreiseverbotes richtet sich die vorliegende Amtsrevision der belangten Behörde. 10 Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Aufwandersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

11 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, nach der eine offenkundige Unrichtigkeit - wie eine unzutreffende Bezeichnung der angewendeten Gesetzesstelle im Spruch - nicht nur einer Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG zugänglich sei, sondern auch ohne Berichtigung in dem (für alle Parteien erkennbaren) wahren Sinn zu verstehen sei.

12 Der Begründung der Bescheide der belangten Behörde sei zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde auf eine Verletzung von Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie sowie auf eine Mittellosigkeit nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt habe. Bei der Anführung des § 53 Abs. 2 Z 3 FPG im Spruch der Bescheide handle es sich offenkundig um einen Schreibfehler der belangten Behörde. Trotz des offensichtlichen Flüchtigkeitsfehlers habe das BVwG den diesbezüglichen Spruchpunkt VII. dieser Bescheide zu Unrecht für rechtswidrig befunden und aufgehoben.

13 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Berichtigungsfähige Unrichtigkeiten

14 Die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides hätten erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Bei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG kommt es letztlich auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile (z.B. Begründung) bzw. auf den Akteninhalt an (vgl. zu § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0006, mwN).

15 Handelt es sich um offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten, die nach § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätten berichtigt werden können, ist die Entscheidung auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen (vgl. zu § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG etwa VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, mwN).

Fallbezogene Anwendung

16 Diese Rechtsprechung hat das BVwG in der vorliegenden

Rechtssache nicht beachtet:

17 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das angefochtene Erkenntnis in der Fassung des (unangefochten gebliebenen) Berichtigungsbeschlusses des BVwG vom 11. September 2018 zu lesen ist (vgl. hiezu VwGH 4.7.2018, Ra 2017/10/0215-0216, mwN). 18 Im angefochtenen Erkenntnis wurde "Spruchpunkt IV." der Bescheide der belangten Behörde vom 11. Juni 2018 behoben. Mit dem genannten Berichtigungsbeschluss wurde "Spruchpunkt IIV." der genannten Bescheide behoben.

19 Der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zufolge sollte jedoch offenkundig Spruchpunkt VII. der Bescheide vom 11. Juni 2018, mit welchem ein Einreiseverbot gegen die Mitbeteiligten erlassen wurde, behoben werden. Sowohl bei der Anführung eines "Spruchpunktes IV." im angefochtenen Erkenntnis als auch bei der Anführung eines (nicht existenten) "Spruchpunktes IIV." im Berichtigungsbeschluss handelt es sich um offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten, die nach der oben angeführten Rechtsprechung auch durch den Verwaltungsgerichtshof bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen sind. 20 Es ist daher davon auszugehen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses der Spruchpunkt VII. der Bescheide der belangten Behörde aufgehoben wurde.

21 Das BVwG führte selbst in der Begründung dieser Aufhebung aus, dass die belangte Behörde die Verhängung des Einreiseverbotes zutreffend auf zwei Tatbestände des § 53 FPG stützen konnte, jedoch eine Begründung für den im Spruch angeführten Tatbestand (der Z 3 des § 53 Abs. 2 FPG) fehlte (vgl. zu den von der belangten Behörde herangezogenen Gründen für die Verhängung des Einreiseverbotes - Verletzung der Rückkehrverpflichtung und Mittellosigkeit - etwa VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0318, und 20.9.2018, Ra 2018/20/0349, jeweils mwN).

22 Bei der Anführung der Z 3 (des § 53 Abs. 2 FPG) im Spruchpunkt VII. der angeführten Bescheide handelt es sich - wie von der Amtsrevision vorgebracht - um eine offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeit, welche gemäß § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätte berichtigt werden können. Daher wäre dieser Spruchpunkt auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen gewesen.

23 Das BVwG hat dies verkannt und den Spruchpunkt VII. der Bescheide der belangten Behörde behoben. Damit hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Ergebnis

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang (Aufhebung des Spruchpunktes VII. der Bescheide der belangten Behörde vom 11. Juni 2018 betreffend Einreiseverbot nach FPG) in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 25 Der Mitbeteiligte hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz (vgl. etwa VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094).

Wien, am 28. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018010428.L00

Im RIS seit

21.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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