TE Vwgh Erkenntnis 2019/1/31 Ro 2018/15/0005

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §205 Abs1;
BAO §205 Abs6 litb;
BAO §217 Abs8 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der M GmbH in R, vertreten durch die Mag. Günter Haslberger Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 4710 Grieskirchen, Roßmarkt 43, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. Dezember 2017, Zl. RV/5102184/2015, betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist im Baugewerbe tätig.

2 Nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts beantragte die Revisionswerberin am 18. Oktober 2007 die Auszahlung des sich auf ihrem Abgabenkonto befindlichen Steuerguthabens in Höhe von ca. 335.000 EUR. Aufgrund einer zu diesem Zeitpunkt anhängigen Außenprüfung und wegen der Vermutung, dass "Schwarzerlöse" erzielt worden seien und daraus Abgabennachforderungen im Ausmaß von ca. 8 Mio. EUR zu erwarten seien, erließ das Finanzamt am 16. November 2007 einen Sicherstellungsauftrag (Sicherstellung betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer, jeweils für Zeiträume 2001 bis 2006, sowie Umsatzsteuer 4/2006 bis 3/2007). Ein gegen diesen Bescheid eingebrachtes Rechtsmittel wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 7. Mai 2014 abgewiesen.

3 Am 21. November 2007 wurde vom Finanzamt vom sichergestellten Abgabenbetrag ein Betrag von ca. 248.000 EUR "auf Verwahrung gebucht". Am 12. Februar 2008 wurde ein weiteres Guthaben am Abgabenkonto von ca. 60.000 EUR in Verwahrung genommen.

4 Am 13. Juni 2008 wurden nach Abschluss der Außenprüfung vom Finanzamt neue Abgabenbescheide mit erheblichen Nachforderungen gegenüber den Erstbescheiden erlassen. Die Körperschaftsteuer 2006 wurde bei einem Einkommen von 1,861.823,08 EUR mit 455.205,85 EUR festgesetzt, wodurch sich eine Abgabennachforderung von

427.500 EUR ergab. Die aus dem Nachforderungsbetrag resultierenden Anspruchszinsen iSd § 205 BAO wurden hinsichtlich Körperschaftsteuer 2006 mit 15.722,60 EUR vorgeschrieben.

5 Mit Bescheid des Finanzamts vom 28. Jänner 2009 wurde das verwahrte Abgabenguthaben von ca. 301.000 EUR gepfändet. Eine weitere Verwahrung erfolgte durch das Finanzamt am 29. November 2010 über ca. 32.000 EUR.

6 Aufgrund der gegen die die Feststellungen der Außenprüfung berücksichtigenden Abgabenbescheide eingebrachten Berufungen (Beschwerden) der Revisionswerberin wurden sämtliche Nachforderungsbeträge gemäß § 212a BAO ausgesetzt.

7 Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. November 2014 wurde der Beschwerde der Revisionswerberin betreffend Körperschaftsteuer 2006 teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass das Einkommen mit 371.604,40 EUR und die Körperschaftsteuer mit 92.901,60 EUR ermittelt wurden. Unter Berücksichtigung eines einbehaltenen Steuerbetrages von 10.249,52 EUR ergab sich eine festgesetzte Körperschaftsteuer von 82.651,68 EUR.

8 Am 17. November 2014 wurden die vom Bundesfinanzgericht vermindert festgesetzten Abgabenbeträge vom Finanzamt auf dem Abgabenkonto der Revisionswerberin verbucht.

9 Mit Bescheid vom 17. November 2014 setzte das Finanzamt betreffend Anspruchszinsen 2006 eine Gutschrift in Höhe von 13.324,83 EUR fest. Die Körperschaftsteuer 2006 sei am 17. November 2014 mit 92.901,60 EUR festgesetzt worden; nach Gegenüberstellung mit dem bisher vorgeschriebenen Betrag ergebe sich eine Gutschrift von 362.304,25 EUR. Für den Zeitraum 1. Oktober 2007 bis 15. Juni 2008 ergäben sich sohin Zinsen zu Gunsten der Revisionswerberin von 13.324,83 EUR.

10 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie begehrte darin die Berücksichtigung der Finanzverwahrnisse in Höhe von 300.984,32 EUR bei der Berechnung der Anspruchszinsen. Es ergäben sich daraus für den "Maximalzeitraum" (§ 205 Abs. 2 BAO) von 48 Monaten (1. Oktober 2007 bis 30. September 2011) Zinsen zu ihren Gunsten in Höhe von insgesamt 87.144,18 EUR.

11 Mit weiterem Bescheid vom 12. Dezember 2014 setzte das Finanzamt eine weitere Gutschrift betreffend Anspruchszinsen 2006 fest. Die Körperschaftsteuer 2006 sei mit 82.651,68 EUR festgesetzt worden; gegenüber dem bisher vorgeschriebenen Betrag ergäbe sich daher eine Gutschrift von 10.249,92 EUR. Für den Zeitraum 1. Oktober 2007 bis 15. Juni 2008 ergäben sich daraus Zinsen in Höhe von 376,97 EUR.

12 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. September 2015 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Bescheid vom 17. November 2014 als unbegründet ab. Das Finanzamt führte hiezu aus, die mit Bescheiden vom 17. November 2014 und 12. Dezember 2014 gutgeschriebenen Anspruchszinsen verminderten zu Recht die ursprünglich mit Bescheid vom 13. Juni 2008 vorgeschriebenen Anspruchszinsen in Höhe von 15.722,60 EUR um jene Beträge (jeweils für 259 Tage), um die die zu Grunde liegende Körperschaftsteuer 2006 ursprünglich am 13. Juni 2008 zu hoch festgesetzt worden sei. Die Voraussetzungen für Gutschriftszinsen (§ 205 Abs. 5 BAO) lägen nicht vor, weil die ursprüngliche Körperschaftsteuervorschreibung nicht entrichtet worden sei, sondern gemäß § 212a BAO ausgesetzt worden sei. Das Gesetz sehe keine Verzinsung von "Finanzverwahrnissen" vor. Auf Grund eines Sicherstellungsauftrages erlegte bzw. gepfändete Beträge stellten auch keine Anzahlungen gemäß § 205 Abs. 3 und 4 BAO dar. Darüber hinaus sehe das Gesetz auch die Verzinsung von Anzahlungen nicht vor.

13 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

14 Im Zuge der Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht stützte die Revisionswerberin ihr Beschwerdebegehren auch darauf, dass nach § 205 Abs. 6 lit. b BAO ein Guthaben bestanden habe.

15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

16 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der von der Revisionswerberin monierten Beurteilung der auf Verwahrung gebuchten Beträge als Anzahlungen iSd § 205 Abs. 3 BAO sei zu entgegnen, dass insoweit entsprechende Anzahlungen tatsächlich entrichtet werden müssten. Bei einer durch einen bloßen Buchungsvorgang durchgeführten Verwendung durch das Finanzamt betreffend einen gepfändeten, auf Verwahrung gebuchten, und somit dem Zugriff des Abgabepflichtigen entzogenen Betrag könne keine Rede von einer Anzahlung sein. Zum Vorbringen der Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung, die auf Verwahrung gebuchten Beträge seien als Guthaben iSd § 205 Abs. 6 lit. b BAO zu beurteilen, sei zu bemerken, dass bis zur Buchung auf Verwahrung am 21. November 2007 ein aus einer Umsatzsteuervoranmeldung resultierendes Guthaben auf dem Abgabenkonto der Revisionswerberin bestanden habe. Durch den Verweis des § 205 Abs. 6 lit. b BAO auf § 215 Abs. 4 BAO ergebe sich aber, dass es sich hiebei um ein Guthaben in der Form handeln müsse, dass es nach § 239 BAO rückzahlbar sei bzw. über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umgebucht oder überrechnet werden könne.

Hievon sei im vorliegenden Fall nicht auszugehen: Vom Finanzamt auf Verwahrung gebuchte Beträge befänden sich auf einem Sammelkonto des Finanzamts, auf dem auch Abgabenbeträge anderer Steuerpflichtiger gebucht würden, sodass insoweit von einem Guthaben der Revisionswerberin nicht gesprochen werden könne. Die auf Verwahrung gebuchten Beträge seien jedwedem Zugriff des Abgabepflichtigen entzogen, sodass von einem disponiblen Guthaben nicht mehr gesprochen werden könne. Ein auf Verwahrung gebuchter Betrag könne sohin der Vorschreibung von Nachforderungszinsen nicht entgegenstehen.

17 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die (ordentliche) Revision.

18 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung eingebracht. 19 Als Revisionspunkt wird geltend gemacht, das angefochtene

Erkenntnis verletze die Revisionswerberin in ihrem in § 205 Abs. 6 lit. b BAO geregelten Recht auf Berücksichtigung des Guthabens bei der Bemessung der Anspruchszinsen.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge u.a. an Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).

22 Nach § 205 Abs. 6 lit. b BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ein Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) auf dem Abgabenkonto bestanden hat.

23 § 205 Abs. 6 BAO wurde ursprünglich eingefügt mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, und bezog sich nach dem damaligen Wortlaut auf "Anspruchszinsen", was sowohl Nachforderungszinsen (Zinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen, vgl. § 205 Abs. 4 BAO) als auch Gutschriftszinsen (Zinsen zu Gunsten des Abgabepflichtigen, vgl. § 205 Abs. 5 BAO) umfassen würde. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (686 BlgNR 22. GP 36) wurde dazu aber nur auf Nachforderungszinsen verwiesen. Mit dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, wurde § 205 Abs. 6 BAO neu gefasst und insbesondere lit. b - also jene Bestimmung, auf die sich die Revision nunmehr stützt - eingefügt. Diese Bestimmung bezieht sich nunmehr auch dem Wortlaut nach nur mehr auf Nachforderungszinsen.

24 Die Neufassung des § 205 Abs. 6 BAO mit BGBl. I Nr. 14/2013 trat mit 1. Jänner 2014 in Kraft und ist auch auf alle an diesem Tag unerledigten Berufungen und Devolutionsanträge anzuwenden (§ 323 Abs. 37 BAO). Als verfahrensrechtliche Bestimmung ist sie daher auch auf vor dem 1. Jänner 2014 liegende Zeiträume anzuwenden (vgl. hingegen die anders formulierte Inkrafttretens-Regelung etwa zu § 205a BAO in § 323 Abs. 29 BAO).

25 Zunächst ist zu bemerken, dass nach § 205 Abs. 1 BAO jeweils Differenzbeträge zu verzinsen sind, insbesondere jene, die sich aus einer Gegenüberstellung einer neuerlichen Abgabenfestsetzung mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben. Bei Abänderungen von Abgabenfestsetzungen ergibt sich der zinsenrelevante Differenzbetrag also aus der nunmehr vorgeschriebenen Abgabe abzüglich der bisher vorgeschriebenen Abgabe (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, 311 BlgNR 21. GP 196).

26 Es ist daher zutreffend, wenn das Finanzamt jeweils nach Abänderung der zugrunde liegenden Abgabe (Körperschaftsteuer 2006) neue (weitere) Anspruchszinsenbescheide erlassen hat (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 35; vgl. auch § 217 Abs. 8 lit. b BAO und hiezu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001, 311 BlgNR 21. GP 201; in Bezug auf § 205 Abs. 1 BAO liegt jeweils eine neue "Sache" vor). Der Gesamtbetrag der Anspruchsverzinsung dieser Abgabe ergibt sich damit aus einer Saldierung dieser mehreren Anspruchszinsenbescheide. Im vorliegenden Fall beträgt die Anspruchsverzinsung betreffend Körperschaftsteuer 2006 für den - vom Finanzamt ausschließlich berücksichtigten - Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 15. Juni 2008 daher (unter Berücksichtigung der Bescheide vom 13. Juni 2008, vom 17. November 2014 und vom 12. Dezember 2014) insgesamt 2.020,80 EUR (zu Lasten der revisionswerbenden Partei, also als Überhang der Nachforderungszinsen über die Gutschriftszinsen).

27 Ein Antrag iSd § 205 Abs. 6 lit. b BAO kann auch im Zuge eines Beschwerdeverfahrens gestellt werden (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 51; vgl. auch - zu einem Antrag nach § 217 Abs. 7 BAO - VwGH 24.1.2018, Ra 2017/13/0023). § 205 Abs. 6 lit. b BAO ermöglicht aber lediglich eine Herabsetzung von Nachforderungszinsen, nicht hingegen eine darüber hinausgehende Verzinsung eines Guthabens zugunsten des Abgabepflichtigen.

28 Der von der Revisionswerberin mit Beschwerde angefochtene Bescheid des Finanzamts vom 17. November 2014 setzte keine Nachforderungszinsen, sondern Gutschriftszinsen fest. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht waren sohin ausschließlich Gutschriftszinsen. Eine Herabsetzung (oder auch Erhöhung) von Gutschriftszinsen sieht § 205 Abs. 6 BAO aber nicht vor.

29 Damit erweist sich das angefochtene Erkenntnis im Ergebnis nicht als rechtswidrig. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150005.J00

Im RIS seit

22.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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