TE Vfgh Beschluss 1997/6/10 G254/96

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.1997
beobachten
merken

Index

20 Privatrecht allgemein
20/02 Familienrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
FortpflanzungsmedizinG §3

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des FortpflanzungsmedizinG mangels unmittelbarer Betroffenheit der Antragstellerin

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit ihrem auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Individualantrag begehrt die Einschreiterin die Aufhebung der Abs1 und 3 des §3 des Fortpflanzungsmedizingesetzes, BGBl. Nr. 275/1992 (im folgenden: FMedG), in eventu die gänzliche Aufhebung des §3 leg.cit. Weiters wird beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge dem Gesetzgeber auftragen, "jene administrativ-prozeduralen Vorschriften, die zur Zeit nur im Zusammenhang mit der Samenspende stehen (vgl. §§16, 20 FMedG), auf die Eispende zu erstrecken".

2. Die angefochtenen Bestimmungen stehen im folgenden rechtlichen Zusammenhang:

Gemäß §1 Abs1 FMedG gilt als medizinisch unterstützte Fortpflanzung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Anwendung medizinischer Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr.

Diese Methoden werden im §1 Abs2 leg.cit. demonstrativ (arg. "insbesondere") aufgezählt. Als Methoden der medizinischen Fortpflanzung gelten demnach

"1. das Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau,

2. die Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau,

3. das Einbringen von entwicklungsfähigen Zellen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau und

4. das Einbringen von Eizellen oder von Eizellen mit Samen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau."

Die §§2 und 3 leg.cit. regeln die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Diese ist nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zulässig, wenn nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung alle anderen möglichen und zumutbaren Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr erfolglos gewesen oder aussichtslos sind.

§3 FMedG - die primär angefochtenen Bestimmungen (eventualiter wird die gänzliche Aufhebung dieser Norm beantragt) sind hervorgehoben - lautet wie folgt:

"§3.(1) Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen nur die Eizellen und der Samen der Ehegatten oder Lebensgefährten verwendet werden.

(2) Für die Methode nach §1 Abs2 Z1 darf jedoch der Samen Dritter verwendet werden, wenn der des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist.

(3) Eizellen und entwicklungsfähige Zellen dürfen nur bei der Frau verwendet werden, von der sie stammen."

Gemäß §8 FMedG darf eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung bei Ehegatten nur mit deren schriftlicher Zustimmung, bei Lebensgefährten nur bei Zustimmung in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsaktes erfolgen. Bei Verwendung von Samen eines Dritten bedarf die Zustimmung stets eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsaktes.

Nach §16 FMedG darf die Zurverfügungstellung von Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nicht Gegenstand eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts sein.

Nach §18 leg.cit. hat der Arzt, der eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchführt, die Namen, Geburtstage, Geburtsorte, Staatsangehörigkeit und Wohnorte der Beteiligten, also der Frau, ihres Ehemannes oder Lebensgefährten sowie hievon getrennt eines Dritten, dessen Samen allenfalls verwendet wird, schriftlich aufzuzeichnen.

§20 FMedG legt weiter fest:

"(1) Die Aufzeichnungen über einen Dritten, der Samen zur Verfügung gestellt hat, sind vertraulich zu behandeln.

(2) Dem mit dem Samen eines Dritten gezeugten Kind ist auf dessen Verlangen nach Vollendung des 14. Lebensjahrs Einsicht in die Aufzeichnungen nach §15 Abs1 zu gewähren und daraus Auskunft zu erteilen. Der gesetzliche Vertreter oder der Erziehungsberechtigte kann zum Wohl des Kindes in medizinisch begründeten Ausnahmefällen mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung Einsicht und Auskunft verlangen. In Ermangelung eines inländischen Pflegschaftsgerichts ist für die gerichtliche Genehmigung das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Krankenanstalt liegt, zuständig.

(3) Den Gerichten und Verwaltungsbehörden steht das Einsichts- und Auskunftsrecht zu, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Vollziehung dieses Bundesgesetzes unentbehrlich ist."

Durch ArtII FMedG wurden im ABGB die folgenden Bestimmungen neu eingefügt:

Ein neuer §137 b ABGB regelt die "Mutterschaft": Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.

Die Samenspende betreffende Regelungen enthalten die durch ArtII FMedG neu eingeführten bzw. geänderten §§155, 156 a und 163 ABGB.

3. Die Antragstellerin begründet ihre Antragslegitimation im wesentlichen wie folgt:

   "Die Antragstellerin ist ... unfruchtbar, da sie bereits im

Alter von 29 Jahren in den 'Wechsel' gekommen ist. Ihre

Monatsblutungen bleiben aus und es besteht keine Möglichkeit, daß

sie Mutter eines genetisch mit ihr verwandten Kindes werden

könnte. Für Fälle wie den ... hat die medizinische Wissenschaft

allerdings ... ein Verfahren entwickelt, daß es an sich sterilen

Frauen doch noch erlaubt, ein Kind zu gebären ...

...

§3 Abs1 u. 3 FMedG verbietet das entsprechende Verfahren nunmehr allerdings absolut, weil nach der zitierten Gesetzesbestimmung 'Eizellen und entwicklungsfähige Zellen.... nur bei der Frau verwendet werden (dürfen), von der sie stammen'.

Die Antragstellerin hat am 19.4.1991 vor dem Standesamt Wien - Brigittenau zu Standbuchnummer 254/1991 mit ... die Ehe geschlossen.

Die Antragstellerin und der Ehegatte leben in aufrechter ehelicher Gemeinschaft.

Die Antragstellerin ist sohin Normadressat der angefochtenen Bestimmungen. Es ist ihr Kraft §3 Abs3 FMedG nicht möglich, im Rahmen der in-vitro-Befruchtung schwanger zu werden und ein Kind gebären zu dürfen.

Die Antragstellerin ist von den angefochtenen Bestimmungen nicht bloß faktisch betroffen. Die Bestimmungen gestalten tiefgreifend ihre persönliche Rechtssphäre. Das Verbot schränkt ihr Privatleben bzw. ihre Fortpflanzungsfreiheit ein.

Der Rechtseingriff ist nach Art und Umfang durch das Gesetz selbst bestimmt. Es steht fest, daß das vorerwähnte Verfahren, welches der Antragstellerin zu einer Schwangerschaft verhelfen würde, durch §3 Abs3 FMedG verboten ist.

Die Antragstellerin ist 32 Jahre und hegt seit längerem den Wunsch, ein Kind zu gebären, dies ist ihr jedoch durch das Verbot des §3 Abs3 FMedG verwehrt und hängt weder von einem vorhergehenden gerichtlichen, noch verwaltungsbehördlichen Akt ab. Der Rechtseingriff, den §3 FMedG für die Antragstellerin bewirkt, ist somit aktuell und nicht nur potentiell. Der Antragstellerin steht kein anderer Weg zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit dieser Verbotsbestimmung offen. Es besteht nicht einmal die Möglichkeit, ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten, da die Strafbestimmung des §23 FMedG an den eingreifenden Arzt gerichtet ist und wäre auch, abgesehen davon, diese Vorgangsweise durch ständige höchstgerichtliche Judikatur nicht zumutbar."

Zur Bescheinigung ihres Vorbringens hat die Antragstellerin ihre Heiratsurkunde sowie einen Befund vorgelegt, demzufolge eine Eizellenspende für sie die einzige Möglichkeit wäre, ein Kind zu bekommen.

Im übrigen enthält der Antrag eine ausführliche Darlegung der gegen die bekämpften Bestimmungen sprechenden Bedenken.

4. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

5. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

5.1.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

5.1.2. Wie bereits oben unter Punkt 2. dargelegt, läßt §8 FMedG eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung bei Ehegatten nur dann zu, wenn eine schriftliche Zustimmung beider Partner vorliegt. Ein unmittelbarer Eingriff der bekämpften Gesetzesbestimmungen in die Rechtssphäre der Antragstellerin liegt somit nur dann vor, wenn ihr Ehemann der von ihr in Aussicht genommenen medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form der in-vitro-Befruchtung seine schriftliche Zustimmung erteilt. Im vorliegenden Antrag wird nicht dargetan, daß eine solche Zustimmung erteilt wurde. Derartiges wird nicht einmal behauptet. Nach dem Antragsvorbringen, von dem der Gerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Individualantrages auszugehen hat (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, VfGH 28.2.1996, G231/94), fehlt es somit an der Prozeßvoraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit der Antragstellerin durch die bekämpften Vorschriften.

Der Antrag auf Aufhebung der Abs1 und 3 des FMedG war daher, ebenso wie der Eventualantrag auf gänzliche Aufhebung des §3 leg.cit., mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen.

5.2. Auch das Begehren, der Verfassungsgerichtshof möge dem Gesetzgeber auftragen, den Anwendungsbereich bestimmter Vorschriften auf die Eispende zu erstrecken, ist unzulässig. Weder Art140 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis ein, dem Gesetzgeber aufzutragen, Regelungen eine weitergehende Wirksamkeit zu verleihen, als sie nach geltendem Recht angeordnet ist.

Der Antrag erweist sich sohin zur Gänze als unzulässig.

6. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Fortpflanzungsmedizin

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G254.1996

Dokumentnummer

JFT_10029390_96G00254_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten