TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/11 L524 2134584-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.2018
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Entscheidungsdatum

11.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L524 2134584-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2016, Zl. 1073831509-150687157, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.05.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 iVm § 11, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 18.06.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei sunnitischer Moslem und Kurde. Seinen Ausreiseentschluss habe er vor vier Jahren gefasst und am 15.08.2014 sei er aus dem Irak ausgereist. Sein Reisepass habe er auf der Fahrt mit dem Schlauchboot verloren. Für die Reise habe er 6.500 Dollar bezahlt. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er Schauspieler in mehreren Fernsehserien gewesen sei. Eine Serie habe die schlimme Lage im Irak gezeigt. Er sei mehrmals von unbekannten Personen über das Telefon per SMS mit dem Tod bedroht worden. Kurdische Milizen hätten ihn zum Militärdienst einziehen wollen. Seine Heimatstadt Kirkuk sei vor ca. einem Jahr von den IS-Truppen abgesperrt worden. Daher habe er seine Heimat verlassen.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 30.06.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt habe und alles richtig rückübersetzt und protokolliert worden sei. Die Daten zu seiner Familie würden aber nicht stimmen und er möchte mehr zu seinen Fluchtgründen erzählen. Seine gesamte Familie lebe in Kirkuk; er habe fünf Brüder und vier Schwestern. Sein Vater sei bereits 2005 verstorben. Er habe als Schauspieler, Maler und Schmied gearbeitet. Als Schauspieler habe er von 2010 bis 2014gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er als Schauspieler in zwei Serien mitgespielt habe. Diese Arbeit sei für seine Familie eine Schande gewesen und sie habe seine Arbeit nicht akzeptiert. In seinem Stamm sollen alle Männer kämpfen und eine Waffe tragen. Sein Bruder XXXX sei beim irakischen Militär, XXXX sei Peschmerga und XXXX sei bei der militärischen Akademie. Sie hätten zu ihm gesagt, dass er die Arbeit als Schauspieler nicht machen solle. Er sei telefonisch von diversen unbekannten Personen bedroht worden. Anfang 2014 sei er entführt und zu einem Haus gebracht worden, wo er geschlagen und beschimpft worden sei. Als sich die Augenbinde etwas verschoben habe, habe er seinen Bruder erkannt. Sie hätten auch seine Tätowierung gesehen, die er 2010/2011 habe machen lassen, und diese mit einer Art Skalpell entfernt. Er sei etwa acht bis neun Stunden bei ihnen geblieben. Sie hätten zu ihm gesagt, dass er als Peschmerga kämpfen oder sich dem irakischen Militär anschließen solle. Er hätte beim Militär als Offizier arbeiten sollen, weil er einen Studienabschluss habe. Aus Angst, getötet zu werden, habe er das akzeptiert und sei daraufhin nach Hause gebracht worden. Seine Brüder hätten zu ihm gesagt, er solle zu Hause und bei der Polizei sagen, dass er von unbekannten Personen entführt worden wäre. In einem Krankenhaus sei ihm Haut von seinem Oberschenkel transplantiert worden. Nach einem Tag habe er das Krankenhaus verlassen und er hätte sich danach mindestens drei Monate zu Hause ausruhen sollen. Dies sei vor dem Einmarsch des IS gewesen. Im August 2014 habe er seine Familie gefragt, ob er spazieren gehen könne. Er habe zweimal das Haus verlassen und sei beim dritten Mal geflohen. Nach der Entführung sei er von der Regierung bedroht worden. Sie seien jeden Tag zu ihm nach Hause gekommen. Sie hätten von ihm verlangt, dass er einrücken solle, sobald er gesund werde. Die Personen kenne er nicht namentlich; er wisse nur, dass sie von der Regierung seien.

3. Mit Bescheid des BFA vom 16.08.2016, Zl. 1073831509-150687157, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der das Fluchtvorbringen wiederholt und vorgebracht wird, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft sei.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 22.05.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde als Zeugin einvernommen. Dem Beschwerdeführer wurden Berichte zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht und ihm eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme hierzu eingeräumt.

6. In seiner Stellungnahme führte der Beschwerdeführer aus, dass die Lage im Irak katastrophal sei und eine Rückkehr nicht in Frage komme. Weiters wird zum Privat- und Familienleben Stellung genommen. Mit weiteren Schreiben wurden Unterlagen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Kurden an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte mit seinen Eltern und Geschwistern in Kirkuk in einem Haus. Der Beschwerdeführer hat insgesamt fünf Brüder und vier Schwestern. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereites 2005 verstorben.

Der Beschwerdeführer hat zehn Jahre die Schule und fünf Jahre die Kunstschule besucht. Seine Schulbildung hat er ca. 2011 abgeschlossen. Der Beschwerdeführer hat als Metallverarbeiter und Schweißer gearbeitet. Er hat auch als Schauspieler gearbeitet. Im Jahr 2011 oder 2012 hat er diese Tätigkeit zuletzt ausgeübt und danach nicht mehr gearbeitet. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch und Kurdisch.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im August 2014 legal den Irak, hielt sich danach in der Türkei und in Griechenland auf und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 16.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Von ca. Oktober 2016 bis März 2017 hielt sich der Beschwerdeführer in Deutschland auf. Danach kehrte der Beschwerdeführer nach Österreich zurück und hält sich seitdem im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer hat am XXXX XXXX, eine marokkanische Staatsangehörige, geheiratet. Diese verfügt über einen Aufenthaltstitel (Daueraufenthalt - EU). Am XXXX wurde die gemeinsame Tochter des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau geboren. Die Tochter ist marokkanische Staatsangehörige und verfügt über einen Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot Karte plus). Die Ehefrau des Beschwerdeführers spricht Arabisch und Deutsch. Die Ehefrau ist berufstätig. Sie befindet sich für die Dauer eines Jahres in Mutterschaftskarenz. Im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau lebt auch die älteste Tochter der Ehefrau des Beschwerdeführers, deren Vater jedoch nicht der Beschwerdeführer ist.

Von Juni bis Oktober 2016 wurde für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung als Abwäscher erteilt. Von Juli bis September 2016 hat er diese Tätigkeit auch ausgeübt. Der Beschwerdeführer ist seit ca. März 2017 ehrenamtlich im Verein XXXX tätig. Der Beschwerdeführer hat von September 2015 bis Mai 2016 drei Deutschkurse (Niveau A1.1, A1.2 und A2.1) besucht und im Juli 2016 die Prüfung "ÖSD Grundstufe Deutsch A2" bestanden. Am 22.06.2018 hat der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau B1) und zu Werte- und Orientierungswissen bestanden. Der Beschwerdeführer legte auch eine Gewerbeanmeldung vom 02.07.2018 für Sprachdienstleistungen (insbes. Übersetzen, Dolmetschen), vor.

Der Beschwerdeführer bezog von Juni 2015 bis August 2106 und von März 2017 bis September 2017 Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist seit September 2017 bei seiner Ehefrau in der Sozialversicherung mitversichert.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er wegen seiner Tätigkeit als Schauspieler bedroht und entführt worden sei und sich den Peschmerga oder dem irakischen Militär hätte anschließen sollen, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Es gab eine Reihe intensiver, hochgradig koordinierter Militäroffensiven, die von der Regierung gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführt wurden, mit dem Ziel, den IS aus dem Land zu vertreiben. Diese Offensiven führten dazu, dass die territoriale Kontrolle des IS im Irak beendet wurde. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist der sichtbare Rückgang der Sicherheitsvorfälle in Gebieten, die bisher als IS-Hotspots in nichtumkämpften Gebieten ausgewiesen wurden. Dies ist einerseits auf die grundsätzlich schweren Verluste des IS und andererseits darauf zurückzuführen, dass IS-Kämpfer in umkämpfte Gebiete verlegt wurden.

Die Offensiven in Mossul, Tal Afar, Hawija und im westlichen Anbar haben erfolgreich dazu beigetragen, den IS zurückzudrängen und ihrer territorialen Kontrolle im Irak ein Ende zu bereiten. Die Sicherheitsvorfälle im Irak sind sichtbar zurückgegangen, unter anderem auch in Bagdad. Dies ist hauptsächlich auf die Intensität der Militäroffensiven zurückzuführen, was den IS dazu zwang viele IS-Kämpfer an der Front einzusetzen. Der IS kann seine Angriffe im ganzen Land nicht mehr so aufrechterhalten, wie es einmal war.

Das Gouvernement Anbar ist nach der Fallujah-Offensive im Juni 2017 weiterhin volatil. Nach der Befreiung Falludschas haben irakische Truppen und sunnitische Stammeskämpfer weiterhin IS-Städte geräumt und Territorien im Nordwesten gesichert, etwa in Haditha. Die Lage änderte sich allmählich während der Hawija-Offensive im September 2017, als sich die irakische Regierung dazu entschloss, die militärischen Operationen zu verstärken, um den IS im Westen von Anbar zu stoppen, mit dem Ziel, die IS-Truppen vollständig aus dem Irak zu vertreiben und der Wiederherstellung der irakisch-syrischen Grenze. Die irakischen Sicherheitskräfte konnten al-Qaim am 03.11.2017 zurückerobern. Militärische Fortschritte gab es danach in der Nachbarstadt Rawa, wo das letzte verbliebene IS-Gebiet am 11.11.2017 erobert und 10.000 Zivilisten befreit wurden.

In Bagdad ereignete sich im Juli 2016 die tödlichste Attacke seit 2003. Es gab danach eine Serie von Selbstmordanschlägen. Die Sicherheitslage verbesserte sich mit dem Beginn der Mossul-Offensive und nach einer kurzzeitigen Verschlechterung zu Beginn des Jahres 2017 verringerten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle wieder und nahmen mit der Niederlage des IS im Juli 2017 weiter ab. Im Juni 2017 wurden die wenigsten Angriffe verzeichnet.

Diyala besteht aus einer einzigartigen und vielfältigen ethnischen und religiösen Bevölkerung. Es leben dort Araber, Kurden, Turkmenen und sowohl Schiiten als auch Sunniten. Das Gouvernement Diyala wurde im Jänner 2015 als erstes vom IS befreit. Vom IS ausgeführte Angriffe richten sich meist gegen schiitische Milizen, etwa an Checkpoints, die dann Gegenangriffe auslösen. Angriffe finden meist im Zentrum und im Norden des Gouvernements statt. Die meisten sicherheitsrelevanten Angriffe gab es im Juli 2014. Seither ist ein deutlicher Rückgang zu vermerken.

In Kirkuk leben Kurden, Turkmenen und Araber. Die Provinz ist für 40 % der Erdölproduktion verantwortlich. Die Sicherheitslage war zwischen Juli 2016 und November 2017 weitgehend stabil, mit Ausnahme des Distrikts Hawija. Dieser Distrikt stand seit Juni 2014 unter Kontrolle des IS. Vor dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum gab es in der Stadt Kirkuk nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle.Nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum verschlechterte sich die Situation im September/Oktober 2017. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der KRG (KRI) in Erbil während des kurdischen Referendums im September 2017 verschärfte die Spannungen zwischen der ethnisch vielfältigen Bevölkerung in Kirkuk. Die irakischen Truppen haben im Oktober 2017 die Kontrolle über wichtige Regierungsgebäude in der Stadt Kirkuk, den Flughafen, die Militärbasis und ein Ölfeld übernommen. Am 20.09.2017 starteten die ISF eine Offensive in Hawija. Die Rückeroberung der Gebiete dauerte nur wenige Tage. Am 05.10.2017 verkündete der irakische Premier den Sieg. Nach dem Rückzug der Peshmerga aus dem Gouvernement ist die bewaffnete Konfrontation abgeklungen.

Im Gouvernement Ninewa begann im Oktober 2016 die Mossul-Offensive, die Anfang Juli 2017 endete. Nachdem Ost-Mossul im Jänner 2017 befreit wurde, folgte die Befreiung des bevölkerungsreicheren Westen Mossuls. Die Gewaltakte haben nachgelassen. Es gibt sporadische Selbstmordattentate gegen irakische Streitkräfte und Mitglieder der PMU/PMF. Die durchschnittliche Anzahl der täglichen Attacken in Ninewa bewegt sich zwischen zwei und fünf. Zwischen Jänner und April 2017 lag sie noch zwischen zehn und 15. Von April bis September 2017 sank die Zahl kontinuierlich auf ca. zwei. Nach der Mossul-Offensive erfolgte die Tal Afar-Offensive. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul. In Tal Afar ist geteilt zwischen Sunniten und Schiiten und es leben dort hauptsächlich Turkmenen. Am 01.09.2017 erklärte Premier Abadi den Sieg über den IS in Tal Afar, der das Ende der Kontrolle des IS in Ninewa markierte.

Das Gouvernement Salah al-Din wurde in den frühen Stadien der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den IS befreit. Tikrit, Saddam Husseins Geburtsort, ist ein wichtiges Symbol der sunnitischen Herrschaft im Zentralirak. In Salah al-Din befindet sich auch der schiitische al-Askari Schrein in Samarra, eine der heiligsten Stätten im schiitischen Islam. Der Angriff auf den Schrein im Jahr 2006 löste eine gewaltwelle zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen aus, die sich auf andere Teile des Landes ausbreitete. Schiitische PMU-Milizen begannen im April 2015 die IS-Milizen aus der Stadt zu vertreiben. Die Sicherheitslage ist vergleichsweise stabil.

Die südlichen Gouvernements waren nicht direkt von den Konflikten in den nördlichen und zentralen Gouvernements betroffen. In relativ geringem Ausmaß gab es auch hier IS-Angriffe (durchschnittlich drei bis zehn pro Monat). Die Gouvernements Basra und Babil sind dabei in erster Linie betroffen. Bei den Vorfällen handelt es sich um IEDs, Autobomben oder Scheißereien. Im Nordwesten von Babil befindet sich die Stadt Jurf al-Sakhr, die einzige mehrheitlich sunnitische Stadt im Gouvernement ist. Die Stadt wurde 2014 vom IS befreit, aber anders als andere befreite Städte bleibt sie entvölkert und zwar wegen ihrer Lage. Die Stadt liegt an der Straße, die zu den heiligen schiitischen Städten im Süden führt - Najaf und Karbala. Im ölreichen Gouvernement Basra gibt es Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen und Ackerland und Landbesitz.

Die Sicherheitslage in den nördlichen Gouvernements in der Region Kurdistan (KRI/KRG) ist stabil und in der Hand der kurdischen Behörden. Auch diese Gouvernements waren nicht direkt von den Militäroffensiven betroffen. Die Sicherheitslage ist nach dem Abzug kurdischer Peshmerga-Gruppen aus Kirkuk und anderen zuvor kontrollierten Gebieten unverändert. Die Peschmerga-Streitkräfte behalten weiterhin die Kontrolle über das Territorium der KRI. Der Grenzübergang zum Iran ist wieder geöffnet. Internationale Flüge von und nach KRI sind nicht möglich. Inlandsflüge zwischen Bagdad und der KRI sind weiterhin möglich.

Die International Organization for Migration (IOM) schreibt in ihrem Community Stabilization Handbook 2015-2016 vom Jänner 2017, dass die Provinz Sulaymaniya nicht von der Gruppe Islamischer Staat (IS) angegriffen worden sei, als diese große Teile des Nordwestens des Irak im Jahr 2014 überrannt habe. Die Sicherheitslage in Sulaymaniya wird als im Allgemeinen stabil bezeichnet. Es habe sehr wenige Sicherheitszwischenfälle gegeben, darunter eine Schießerei beim Führungsrat der Kurdistan Democratic Party (KDP) und ein Kampf im Chavy Land Amusement Park während der Newroz-Feierlichkeiten. Es habe auch einige Demonstrationen für die Bezahlung der Beamten und für bessere Wasserversorgung gegeben.

Nach einer Blitzkampagne von 10 Tagen erklärte Premier Abadi die vollständige Einnahme Tal Afars sowie der gesamten Provinz Niniveh durch die ISF. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul und wurde von 2000 IS-Kämpfern verteidigt. Die einfache Eroberung wird als Beweis für die Schwäche der Gruppe sowie die Präferenz im Untergrund weiterzukämpfen, verstanden.

Nach der erfolgreichen Einnahme von Mossul und Tal Afar durch die ISF, befürchten IS-Kämpfer ihre letzten Hochburgen im Irak zu verlieren. Familien von IS-Kämpfern fliehen Berichten zufolge täglich aus der Stadt al-Sharbat, südlich von Mossul gelegen, in unbekannte Destinationen. Die Stadt Hawija, welche 55 km südwestlich der erdölreichen Stadt Kirkuk liegt, ist voraussichtlich das nächste Ziel der ISF und der US-geführten Anti-IS-Koalition. Die verbliebenen IS-Kämpfer bestehen vor allem aus lokalen Kämpfern, welche beharrlich um die letzten Gebiete im Irak kämpfen werden. Unterdessen bereiten sich die ISF und kurdische Kräfte auf eine mögliche Entstehung von Post-IS Milizen vor und konzentrieren sich auf Überwachungsmaßnahmen durch Grenzkontrollen, Checkpoints und geheimdienstliche Aufklärung, aber auch auf Aufstandsbekämpfungen.

Projekt: Verbesserung des Zugangs für Binnenvertriebenen, Flüchtlinge und Bevölkerung in aufnehmenden Gemeinden zu Bildung, beruflicher Bildung und Einkommensgenerierung; in den Provinzen Erbil und Dohuk (Laufzeit: 05/2016 bis 12/2018):

Seit dem Ausbruch der Syrienkrise und dem Vormarsch des sogenannten islamischen Staates haben mehr als eine Million Binnen-vertriebene und 250.000 Syrer in der autonomen Region Kurdistan im Nordirak Zuflucht gesucht. Die Mehrheit der Menschen leben in den aufnehmenden Gemeinden, 40 Prozent in Camps. Die kurdische Regionalregierung stößt an ihre Grenzen, die immense Zahl der meist mittelosen Menschen zu versorgen.

Die Schulen sind überfüllt, es fehlen Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem im Niedriglohnbereich, junge Leute haben keine Chance eine Ausbildung zu absolvieren und die Spannungen zwischen Einheimischen und Vertriebenen steigen.

Gemeinsam mit dem Bildungsministerium und der Bildungsbehörde der kurdischen Regionalregierung wählt das Projektteam aufnehmende Gemeinden und Camps aus, wo der Bedarf an zusätzlichen Klassenräumen am dringlichsten ist. Hier entstehen neue Schulen, alte werden erweitert oder instandgesetzt. Die komplette Ausstattung der Klassenräume gehört ebenfalls mit dazu.

Damit die Lehrkräfte Klassengrößen von bis zu 60 Kindern unterrichten können, bekommen sie methodische und didaktische Fortbildungen.

Um den Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen, konzipiert das Projektteam Kurzzeitausbildungen, in denen die Teilnehmer technische und handwerkliche Fähigkeiten erwerben. Eine Arbeitsmarktstudie sorgt dafür, dass die Ausbildungen auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zugeschnitten sind.

Neue Arbeitsplätze entstehen häufig in kleinen und mittleren Betrieben oder bei Start-ups. Managementausbildungen für Unternehmer und Unterstützung von Existenzgründern bergen die Chance, mehr Menschen Einkommen und Beschäftigung zu geben.

Durch gemeinsame Aktivitäten und Gespräche kommen sich die Bevölkerung der aufnehmenden Gemeinden, die Binnenvertriebenen und Flüchtlinge näher. Sport, Spiel, kulturelle Events und moderierte Dialoge in Gemeindezentren machen Kindern und Erwachsenen Spaß und helfen, einander besser zu verstehen. Für Sozialarbeiter, Lehrkräfte und Verantwortliche aus Gemeinden und Camps organisiert die Universität Dohuk Schulungen zur Konfliktlösung.

Acht Schulen in acht Camps wurden bereits im Jahr 2015/16 gebaut. Hier erhalten mehr als 3.000 Kinder von Binnenvertriebenen Unterricht. Weitere drei Schulen entstanden in aufnehmenden Gemeinden.

Im Rahmen dieses Vorhabens werden weitere 13 Schulen in Camps und aufnehmenden Gemeinden errichtet. 10 davon sind bereits Anfang 2017 fertiggestellt, die Festschulbauten werden für das nächste Schuljahr 2017/18 zur Verfügung stehen. 3.000 Lehrer werden zudem an Fortbildungen teilnehmen. Dazu bildet das Projektteam mit der Erziehungsbehörde etwa 20 Lehrkräfte als Ausbilder weiter. Von einem erweiterten Unterrichtsangebot und besser ausgebildeten Lehrkräften profitieren 26.000 Kinder und Jugendliche.

Anhand einer Arbeitsmarktanalyse identifizierte das Projektteam die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und die erforderlichen Fähigkeiten, die potenzielle Arbeitskräfte mitbringen müssen. Gemeinsam mit privaten Schulungsanbietern wurden entsprechende Fortbildungen entwickelt und mit staatlichen Berufsbildungszentren und dem Ministerium für Arbeit und Soziales abgestimmt. Arbeitssuchende finden ein Angebot von Kursen über einen oder drei Monate und können in Schulwerkstätten und Schulbetrieben praktisches Wissen erwerben. Bis zum Ende des Projektes sollen 6.000 Menschen an beruflichen Qualifizierungen teilnehmen.

Unternehmer- und Managementkurse unterstützen Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen, Potenziale ihrer Betriebe zu erkennen und neue Absatzmärkte oder Produkte zu finden. Bis zu 800 Interessenten haben die Möglichkeit an Wochenendseminaren teilzunehmen, wo sie für Start-ups die wesentlichen Grundlagen der Unternehmensgründung vermittelt bekommen.

In sechs Gemeindezentren bietet die Nicht-Regierungsorganisation Harikar als Partner der GIZ Rechtsberatung, psychosoziale Unterstützung und zahlreiche Aktivitäten für die Menschen aus den Camps und den aufnehmenden Gemeinden an. Auf dem Programm stehen Näh-, Computer-, Alphabetisierungs- oder Englischkurse. Sozialarbeiterinnen in den Zentren sind vor allem für junge Mädchen und Frauen Ansprechpartnerinnen bei Problemen und unterstützen sie durch die Verweisung an Trauma-experten, zu denen die Frauen sonst keinen Zugang hätten.

Diese Aktivitäten werden künftig noch professioneller wahrgenommen. Sport-, Kultur- und Dialogveranstaltungen wird Harikar für 25.000 Menschen in Camps und aufnehmenden Gemeinden organisieren. Dabei kommen die betroffenen Menschen nicht nur selbst zu Wort, sie nehmen aktiv an der Durchführung teil. Auch die Organisation Friends of Waldorf bietet als Partner der GIZ Schulungen für Lehrer, Eltern und Gemeindevertreter zur Notfallpädagogik an.

In der Universität Dohuk werden derzeit Studierende zu Konflikt-beratern ausgebildet. Diese sollen künftig dazu beitragen, Konflikte in ihrer Gemeinde zu lösen.

Medizinische Grundversorgung für Binnenvertriebene, Flüchtlinge und der Bevölkerung in aufnehmenden Gemeinden; Projektregion: Provinz Dohuk (Laufzeit: 05/2016 - 05/2019):

Gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und den zuständigen Behörden arbeitet das Projektteam daran, die Gesundheits-versorgung der Binnenvertriebenen, der Flüchtlinge und der Bewohner in den aufnehmenden Gemeinden zu verbessern. Dienstleistungskapazitäten werden gestärkt und die Notfallversorgung ausgebaut.

Sechs Basisgesundheitszentren wurden bereits 2015 errichtet und ausgestattet. Vier dieser Zentren werden im Rahmen dieses Vorhabens weiter unterstützt, um die medizinische Grundversorgung von Binnenvertriebenen zu sichern. Hierfür wurden die beiden internationalen Nichtregierungsorganisationen IMC und ME-DAIR, sowie die kurdische NRO Heevie mit der Leitung der Zentren beauftragt, die eng mit der Gesundheitsbehörde zusammenarbeiten. Zahlreiche Mitarbeiter der Betreiber und des medizinischen Personals rekrutieren sich aus Binnenvertriebenen und Flüchtlingen. Die Gesundheitszentren bieten sowohl den Bewohnern der Camps als auch der umliegenden Gemeinden unentgeltlich eine medizinische Grundversorgung.

Die Basisgesundheitszentren werden auch in Bezug auf ihr Leistungsangebot erweitert. So wurde im Camp Kabarto eine Geburtenstation eingerichtet und mit modernen medizinischen Geräten ausgestattet. Dadurch werden nächstgelegene Krankenhäuser, in denen Frauen normalerweise entbinden, entlastet.

Anhand von Bedarfsanalysen werden Weiterbildungsmaßnahmen für das medizinische Personal definiert und erforderliches Material ermittelt. Darauf aufbauend veranstaltet das Projektteam Schulungen und bietet entsprechende Unterstützung an.

Um für Notfälle besser gerüstet zu sein, wird die Abteilung für Notfallversorgung im Azadi-Lehrkrankenhauses in Dohuk vergrößert. Mithilfe baulicher Maßnahmen wird die Kapazität von 20 auf 100 Betten aufgestockt, um insbesondere medizinische Notfälle, wie z.B. schwere Unfälle, Herzinfarkte oder Schlaganfälle entsprechend behandeln zu können.

Das Angebot an psychosozialer Unterstützung für Flüchtlinge und Binnenvertriebene wird weiter ausgebaut. Das Projektteam berät das vom Gesundheitsministerium eingesetzte Komitee bei der Entwicklung einer Strategie zur Verbesserung der psychosozialen Unterstützung. Außerdem wird medizinisches Fachpersonal entsprechend geschult. Damit werden Kapazitäten für die Betreuung von bis zu 130.000 Personen geschaffen.

Mit der Unterstützung von vier Basisgesundheitszentren in vier IDP Camps ist die medizinische Grundversorgung von rund 65.000 Binnenvertriebenen vorübergehend gesichert. Durch die Finanzierung ist nun ein 24-Stunden Dienstleistungsservice möglich, außerdem werden 75 Arbeitsplätze erhalten.

Mit dem substanziellen Ausbau des Azadi-Lehrkrankenhauses im Bereich der Notfallversorgung werden anstatt 550 künftig 4160 Behandlungen von Notfällen möglich sein. Das Krankenhaus arbeitet jetzt schon mit einer neuen Sauerstoffversorgungsanlage.

Um medizinische Abfälle fachgerecht entsorgen zu können, wurde im Rozana Krankenhaus in Amediya ein Mikrowellen-Shredder installiert.

Das Zahnlabor an der medizinischen Fakultät in Dohuk wurde mit 10 Zahnbehandlungsstühlen ausgestattet, damit wurden gute Voraussetzungen für eine adäquate Ausbildung geschaffen.

Das Projektteam wird eine Krankenhaus-Partnerschaft zwischen dem Azadi Lehrkrankenhaus und einer deutschen Universitätsklinik initiieren. Auch zwischen dem medizinischen Lehrstuhl der Universität Dohuk und äquivalenten Abteilungen in Deutschland werden Kooperationen aufgebaut, um die Entwicklung der medizinischen Ausbildung und Forschung in der Region zu fördern.

Für einen effizienten Arbeitsablauf in den Krankenhäusern, die nun mit einer erhöhten Patientenzahl konfrontiert sind, wurden 22 Fachkräfte (Distrikt-, Krankenhaus und Direktorats- Management) im Gesundheitsmanagement über einen Zeitraum von 4 Monaten geschult. Zudem wurden sechs Fachkräfte im Bereich Health Information System ausgebildet.

Die psychologische Versorgung von Binnenvertriebenen und Flüchtlingen steht ebenfalls im Fokus der Aktivitäten. Im Bereich der psychosozialen Beratung haben 225 medizinische Fachkräfte mit einer dreimonatigen Ausbildung begonnen. Weitere 1350 Personen aus dem Gesundheitswesen, schulischen Einrichtungen und aus dem sozialen Bereich werden in psychologischer Ersthilfe geschult.

Binnenvertriebenen erreichen die Autonome Region Kurdistan über den Luftweg. Irakische Staatbürger können ohne Sponsor einreisen. Ethnische Kurden, auch aus Kirkuk, können in die Autonome Region Kurdistan einreisen, benötigen keinen Sponsor für den Aufenthalt. Ethnische Kurden mit langem Aufenthalt in Kirkuk erhalten Zugang zur Autonomen Region Kurdistan und können sich dort niederlassen.

Im Zeitraum Jänner 2014 bis 31. März 2018 wurden 2,2 Millionen Binnenflüchtlinge (367.542 Familien) registriert, die sich auf 97 Bezirke und 3.533 Orte im Irak verteilten. Im selben Zeitraum wurden auch 3,6 Millionen Rückkehrer (605.933 Familien) ausgemacht. Insgesamt sank die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen um etwa 5 % (-112.446 Personen). Rückgänge wurden in allen 18 Gouvernements des Irak verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer stieg im um 4 % (123.996 Personen). Dies zeigt einen anhaltenden Trend zu zunehmenden Rückkehrbewegungen. 60 % (1,3 Millionen) der Binnenvertriebenen werden privat untergebracht und 28 % (616.000) befinden sich in Flüchtlingslagern. Binnenvertriebene befinden sich vorwiegend in den Gouvernements Ninewa (30 %, 665.910), Dohuk (16 %, 354.432), Erbil (11 %, 232.164), Salah al-Din (9 %, 205.182) und Sulaymaniyah (8 %, 165.630). Die meisten Rückkehrer gibt es im Gouvernement Ninewa (35 %) und Anbar (34 %). Danach folgen Salah al-Din (14 %), Kirkuk (8 %), Diyala (6 %) und Bagdad (2 %). Insgesamt 91 % der 123.996 Rückkehrer im März 2018 verteilen sich auf vier Gouvernements:

Anbar, Kirkur, Ninewa und Salah al-Din. Alleine in Ninewa wurden 86 % (107.292) der neuen Rückkehrer verzeichnet, von denen wiederum

77.166 in den Distrikt Mossul zurückkehrten. In Anbar wurden die meisten der 7.146 Rückkehrer im zurückeroberten Gebiet West Anbars registr In Salah al-Din, wo insgesamt 4.530 neue Rückkehrer registriert wurden, kehrten viele in die rückeroberten Distrikte Al-Shirqat (3.114 Personen) und Baiji (642) zurück. In Kirkuk, wurden ca. 2.760 neue Rückkehrer registriert, von den 2.442 in den zurückeroberten Distrikt Hawija zurückkehrten, da sich dort die Sicherheit verbesserte.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme an Deutschkursen, einer Deutschprüfung, zur Integrationsprüfung, der ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Verein, der beruflichen Tätigkeit in Österreich und der Mitversicherung bei der Ehefrau, ergeben sich aus den entsprechenden Dokumenten. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen in Österreich ergeben sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde und der Geburtsurkunde.

Die Feststellung zum Aufenthalt in Deutschland ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und einer Mitteilung des BFA.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 22.05.2018.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Dem Beschwerdeführer ist es im gesamten Verfahren nicht gelungen, seinen Fluchtgrund übereinstimmend zu schildern. Er brachte in der Erstbefragung vor, dass er wegen seiner Tätigkeit als Schauspieler mehrmals von unbekannten Personen per SMS bedroht worden sei (AS 11). Auch in der Einvernahme vor dem BFA gab er an, dass er von "diversen unbekannten Personen" telefonisch bedroht worden sei. In welcher Form er konkret bedroht worden sei, nämlich per SMS oder mündlich, erläuterte der Beschwerdeführer nicht (AS 137). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete der Beschwerdeführer sodann, dass er Drohbriefe und am Telefon bedroht worden sei. Auf Nachfrage meinte er jedoch, dass er mit Drohbriefen "elektronische Briefe", nämlich SMS gemeint hätte. Außerdem sei er auch mündlich bedroht worden und habe aufgelegt, sobald er beschimpft worden sei (Seiten 8 und 10 des Verhandlungsprotokolls). Damit zeigt sich nun einerseits, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung im Vergleich zur Erstbefragung zusätzlich auch mündliche Bedrohungen am Telefon behauptete. Andererseits äußerte sich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst widersprüchlich, da er zunächst von Drohbriefen sprach, später aber behauptete, er hätte "elektronische" Briefe damit gemeint. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer von Drohbriefen sprechen soll, wenn er tatsächlich aber SMS meint. Es ist daher nicht glaubhaft, dass es diese Bedrohungen tatsächlich gegeben hat. Zudem waren die weiteren Angaben des Beschwerdeführers zu diesen Bedrohungen in der mündlichen Verhandlung völlig vage und unkonkret. So konnte er nicht einmal annähernd angeben, wann der diese SMS bekommen habe. Er brachte lediglich vor, dass es vor seiner Entführung gewesen sei. Er konnte auch nur ungefähr angeben, wie viele SMS er bekommen habe. Auch zu den nur in der mündlichen Verhandlung behaupteten Drohanrufen konnte er keine präzisen Angaben machen. Weder konnte er angeben, wer ihn angerufen habe, noch von wem er die SMS bekommen habe. Er sprach stets nur von "Unbekannten". Auch auf Grund dieser vagen Angaben konnte der Beschwerdeführer die angeblichen Bedrohungen nicht glaubhaft machen.

Der Beschwerdeführer schilderte auch eine Entführung, doch ist es ihm auch diesbezüglich nicht gelungen, diese im gesamten Verfahren gleichbleibend darzustellen. Der Beschwerdeführer erwähnte diese Entführung sowohl vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. In der Erstbefragung brachte er diese jedoch mit keinem Wort vor, was angesichts dieses gravierenden Vorfalls nicht nachvollziehbar ist. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung die Entführung noch nicht erwähnt hat.

Zur Entführung selbst machte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht andere Angaben als noch vor dem BFA. Vor dem BFA erklärte er, dass er Anfang 2014 und zwar ca. im März 2014 entführt worden sei (AS 137 und 138). Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht meinte er zunächst noch, dass er Anfang 2014 entführt worden sei. Auf Nachfrage erklärte er aber, dass er den genauen Monat nicht nennen könne. Es sei zwischen dem dritten und dem fünften Monat gewesen, genau wisse er es nicht (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Unvermögen des Beschwerdeführers, ein derart schwerwiegendes Ereignis wie eine Entführung, das ihn schließlich zur Ausreise aus seiner Heimat veranlasst hat, zeitlich nicht konkret einordnen zu können, spricht nicht dafür, dass dieses auch tatsächlich stattgefunden hat.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fiel zuerst auf, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers zur Entführung wesentlich detaillierter waren als noch in der Einvernahme vor dem BFA. So schilderte der Beschwerdeführer nun die näheren Umstände seiner Entführung, etwa die Fahrt mit dem Auto, das Haus, in das er gebracht wurde und die Entfernung seiner Tätowierung auf eine Art, wie er es vor dem BFA nicht einmal ansatzweise getan hat. Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Es ist nämlich nicht plausibel, dass Schilderungen zu einem Ereignis detaillierter werden, je länger dieses zurückliegt. Schon aus diesem Grund ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich entführt worden ist.

Auch jene Vorfälle, die sich bei der Entführung ereignet hätten, konnte der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens nicht gleichbleibend schildern, wie im Folgenden aufgezeigt wird: Vor dem BFA gab er an, dass ihm die Augen verbunden worden seien und er dann in ein Auto eingestiegen sei und sie hätten ihn zu einem Haus gebracht (AS 137). In der mündlichen Verhandlung erklärte er, dass ihn jemand mit einer Pistole in der Hand aufgefordert habe, in ein Auto einzusteigen. Im Auto seien ihm die Hände verbunden und auch die Augen verbunden worden. Nach kurzer Fahrt sei er vom Inneren des Autos in den Kofferraum gesteckt worden, sie seien weitergefahren und er sei dann zu einem Haus gebracht worden (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch über die Zahl der Personen, die ihn geschlagen hätten, machte er divergierende Angaben. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, dass er im Haus geschlagen und beschimpft worden sei. Die Personen habe er nicht sehen können. Eine Person habe ihn geschlagen und als sich die Augenbinde verschoben habe, habe er seinen Bruder erkannt (AS 137). Dagegen meinte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er in das Haus gebracht worden sei und dort sei er weitergeschlagen und beschimpft worden. Kurz darauf seien weitere Leute in das Haus gekommen und diese hätten ihn auch geschlagen. Einer habe ihn derart geschlagen, dass die Augenbinde etwas verrückt sei und er habe dann seinen Bruder gesehen (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch die Entdeckung und Entfernung seiner Tätowierung schilderte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht detaillierter und anders als noch vor dem BFA. Vor dem BFA gab er nur an, dass die Leute seine Tätowierung gesehen und sie dann mit einer Art Skalpell entfernt hätten. Dies sei sehr schmerzhaft gewesen (AS 137). Dagegen schilderte er vor dem Bundesverwaltungsgericht nun anlässlich der Entdeckung seiner Tätowierung einen Dialog zwischen ihm und seinem Bruder bzw. den Leuten. Außerdem behauptete er, dass sein Bruder die Tätowierung mit einem Skalpell entfernt habe. Sein Bruder hätte versucht, seine Haut zu zerreißen, sie hätten auch an der Haut gezogen und der Beschwerdeführer sei aus Angst ohnmächtig geworden. Nach viel weinen, betteln und bitten, hätten sie schließlich aufgehört (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer machte auch unterschiedliche Angaben dahingehend, was die Leute von ihm gewollt hätten. Er erklärte vor dem BFA, sie hätten zu ihm gesagt, er solle als Peschmerga kämpfen oder sich dem irakischen Militär anschließen. Sie hätten gesagt, weil er einen Studienabschluss habe, solle er beim Militär als Offizier arbeiten. Aus Angst, getötet zu werden, habe er das akzeptiert (AS 137). Hingegen meinte er vor dem Bundesverwaltungsgericht, sie hätten zu ihm gesagt, wenn er weitermache wie bisher, würden sie ihn wieder hierherbringen und dann umbringen. Er habe ihnen dann versprochen, das zu tun, damit sie ihn nicht umbringen würden. Weder brachte der Beschwerdeführer vor, sie hätten von ihm verlangt er solle als Peschmerga kämpfen noch beim Militär arbeiten, weil er einen Studienabschluss habe. Der Beschwerdeführer brachte nur vor, dass seine drei Brüder alle zur Waffe gegriffen hätten und sich den Peschmerga bzw. dem Militär angeschlossen hätten und die Brüder von den Parteien unterstützt würden. Diese Unterstützung durch die Parteien schilderte er vor dem BFA noch nicht. Vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er dann auch, dass die Parteien Stützpunkte in allen Stadtvierteln hätten und man ihn gefragte habe, wie es ihm gehe und ob er in der Lage wäre, sich ihnen anzuschließen und zur Waffe zu greifen (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). In diesem Zusammenhang ist auch auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung hinzuweisen. Dort behauptete er nämlich, dass kurdische Milizen von ihm gewollt hätten, dass er zum Militärdienst einrücke (AS 11).

Der Beschwerdeführer zeigte zwar Bilder, auf dem seine Verletzungen am Oberkörper zu sehen sind, ob diese allerdings deshalb entstanden sind, weil ihm eine Tätowierung mit einem Skalpell entfernt worden sei, lässt sich anhand der Bilder nicht feststellen. Dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Narben des Beschwerdeführers in der von ihm geschilderten Art und Weise entstanden sind und sich darunter ein Tattoo befunden habe, war nicht nachzukommen, da nicht festgestellt werden kann, ob die Haut mit einem Skalpell entfernt wurde und ob sich darunter ein Tattoo befunden hat. Aber selbst wenn eine solche Feststellung möglich wäre, stünde damit nicht fest, dass die Entfernung der Haut - wie vom Beschwerdeführer geschildert - anlässlich einer Entführung und gegen den Willen des Beschwerdeführers erfolgt ist.

In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer auch an, dass ihm die Entführer gesagt hätten, er solle zu Hause und zur Polizei sagen, dass er von unbekannten Personen entführt worden sei (AS 137). Dagegen behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht, sie hätten zu ihm gesagt, er solle zu allen Leuten, die sähen, was ihm passiert sei, sagen, dass er entführt worden sei und die tatsächlichen Entführer ihn gerettet hätten (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls).

Widersprüchlich ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA, wo er zunächst angab, dass seine Brüder zu ihm gesagt hätten, er solle zu Hause sagen, er wäre von unbekannten Personen bedroht worden, aber auf die Frage, wer von seiner Familie von der Entführung gewusst habe, antwortete, dass alle seine Familienmitglieder gewusst hätten, dass seine Brüder ihn entführt hätten. Das Verlangen der Brüder zu behaupten, er wäre von unbekannten Personen entführt worden, ist damit ohne jeden Sinn (AS 137f).

Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer auch an, dass er nach der Entführung direkt von der Regierung bedroht worden sei. Sie seien jeden Tag zu ihm nach Hause gekommen. Sie hätten ihn verbal bedroht und verlangt, dass er einrücke, sobald er gesund sei. Die Personen kenne er nicht namentlich; er wisse nur, dass sie von der Regierung seien (AS 139). Derartige Vorfälle schilderte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Erst nach Rückübersetzung des Verhandlungsprotokolls gab der Beschwerdeführer an, dass Leute zu ihm nach Hause gekommen wären und sich nach ihm erkundigt hätten (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Vorbringen gleicht aber nicht einmal annähernd jenem Vorbringen, das er vor dem BFA tätigte.

Auch die Flucht von seiner Familie schilderte der Beschwerdeführer nicht gleichbleibend. In der Beschwerde gab er nämlich an, dass er Geld und alle Papiere eingesteckt habe, sich ein Stück vom Haus entfernt und ein Taxi angehalten habe (AS 257). Hingegeben brachte er vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass er seine Privatsachen gepackt, zum Busterminal gegangen sei und von dort nach Zacho gefahren sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer gab zwar übereinstimmend vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er vor seiner Flucht zwei Mal Spaziergänge absolviert habe und wieder nach Hause zurückgekehrt sei, doch war der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht in der Lage anzugeben, wann diese Spaziergänge gewesen seien. Er gab dazu nur vage an, dass er diese Spaziergänge "ca. zwei Monate" bzw. "nachdem meine Wunden etwas geheilt" gewesen seien, absolviert hätten (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Auch angesichts dieser unkonkreten Angaben ist es nicht glaubhaft, dass sich das vom Beschwerdeführer Behauptete tatsächlich ereignet hat.

Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Familie seine Arbeit als Schauspieler als Schande betrachtet hätte. Seine Brüder hätten auch zu ihm gesagt, dass er die Arbeit nicht machen solle. Dass der Beschwerdeführer deswegen von Unbekannten bedroht und 2014 entführt worden sei (Seite 137 und Seite 9 des Verhandlungsprotokolls), ist aber nicht nachvollziehbar und somit nicht glaubhaft, da der Beschwerdeführer auch erklärte, dass er die letzte Fernsehserie 2011 oder 2012 beendet habe und danach nicht mehr gearbeitet hätte (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Dass der Beschwerdeführer zwei bzw. drei Jahre nach seiner letzten Tätigkeit als Schauspieler deswegen von der Familie bzw. von Unbekannten bedroht bzw. entführt wird, ist somit nicht plausibel.

Zudem gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung an, dass er seinen Ausreiseentschluss "vor vier Jahren" gefasst habe, was somit ca. 2011 gewesen wäre (AS 7). Auch angesichts dieser Angaben ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft.

Schließlich machte der Beschwerdeführer auch unterschiedliche Angaben zu seinem Reisepass. In der Erstbefragung gab er nämlich an, dass er diesen auf der Fahrt mit dem Schlauchboot verloren hätte (AS 7). Dagegen gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er diesen am "Fluchtweg" verloren hätte, aber nicht genau wisse, wo dies passiert sei. Auf den Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung meinte er nur, dass im Boot viele Sachen verloren gegangen seien. Es sei nur eine Vermutung von ihm gewesen (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Auch dies zeigt, dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist, wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Das Vorbringen, den Reisepass (und zwar nur dieser und nicht auch andere Dokumente sowie das Mobiltelefon) verloren zu haben, ist ein bei Asylwerbern übliches Vorbringen und keinesfalls glaubhaft, da es - wie die Erfahrung zeigt - schon vielfach vorgekommen ist, dass die angeblich im Meer verlorenen Reisepässe anlässlich einer freiwilligen Rückkehr (unter Gewährung von Rückkehrhilfe) in den Herkunftsstaat den Behörden vorgelegt werden (zB L524 2152692).

Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers, seines Aussageverhaltens, des Umstands, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers in jeder Einvernahme detaillierter wurden und das obwohl damit Ereignisse geschildert wurden, die umso länger zurücklagen je länger das Verfahren dauerte, geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* Fact Sheet Irak Nr. 64, Nr. 65 und Nr. 68

* UK Home Office, Irak: Return/internal relocation, September 2017

* DTM Round 92, March 2018

* IOM AVRR Newsletter, Frühling und Sommer 2017

* Accord Anfragebeantwortung- Sicherheitslage in Kurdistan, 06.11.2017

* Lifos, The Security Situation in Irak: Juli 2016 - Nov. 2017

* BAMF, Länderinformationsblatt Irak 2017

* DTM, Returns Dashboard, March 2018

* Arbeitsplätze schaffen Perspektiven, BMZ

* Bessere Chancen für alle, GIZ

* Gesundheit im Fokus, GIZ

* Wasser und Abwasser im Griff, GIZ

* Anfragebeantwortung, Kirkuk: Sicherheitslage, Wirtschaftslage, Zugang aus Kirkuk in die KRI, 21.04.2017

* ACCORD, Einberufungsbefehle zum Militärdienst, 22.08.2016

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In seiner Stellungnahme führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die Lage im Irak katastrophal sei und eine Rückkehr nicht in Frage komme. Den Feststellungen wird damit nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, wonach er wegen seiner Tätigkeit als Schauspieler bedroht und entführt worden sei und sich den Peschmerga oder dem irakischen Militär hätte anschließen sollen, nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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