TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/17 L524 2148280-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2018
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Entscheidungsdatum

17.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L524 2148280-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2017, Zl. 15-1066530010/150437258, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.06.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57 und § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er Araber und Moslem sei und aus Bagdad stamme. Im September 2013 habe er den Irak legal verlassen. Seinen Reisepass habe er mit der Post von der Türkei nach Hause geschickt. In der Türkei sei er bis April 2015 geblieben und dann nach Österreich weitergereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er ein Verhältnis mit der Frau seines Onkels gehabt habe und deshalb von der gesamten Familie ausgestoßen worden sei und ihm Blutrache angedroht worden sei.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 09.12.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er bisher die Wahrheit gesagt habe. Es sei alles richtig protokolliert und rückübersetzt worden, aber einen Reisepass habe er nicht zu seinen Eltern, sondern zu einem Freund geschickt. Der Beschwerdeführer legte seinen Personalausweis und seinen Staatsbürgerschaftsnachweis vor. Er habe bei der Polizei die Wahrheit gesagt und seine Angaben seien vollständig gewesen.

Er habe bis zu seiner Ausreise aus dem Irak in Bagdad gelebt, wo noch seine Eltern und seine Geschwister leben würden. Er habe von 1998 bis 2013 in Bagdad die Schule besucht bzw. studiert. Der Vater habe die Familie versorgt und es sei ihnen gut gegangen. Die Familie besitze zwei Häuser; in einem lebten sie und das andere sei vermietet. Alle vier Monate habe er Kontakt zu seiner Mutter über das Internet. Wenn er keine Probleme hätte, könnte er im Falle einer Rückkehr wieder bei seiner Familie leben. Er habe auch Freunde und Bekannte im Irak und stehe in Kontakt zu einem Freund. Von September 2013 bis April 2015 habe er in der Türkei als Gelegenheitsarbeiter gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er ein Verhältnis mit der Frau seines Onkels gehabt habe. Am 09.09.2013 habe das der Onkel mitbekommen, da er den Beschwerdeführer im Haus des Onkels gesehen habe. Der Onkel habe versucht, ihn zu schlagen, woraufhin er zu einem anderen Ort geflohen sei. Er sei ca. drei Tage bei einem Freund geblieben und habe dann seine Mutter angerufen. Sie habe ihn angeschrien und gesagt, dass er nicht im Land bleiben soll. Sie habe die Personaldokumente des Beschwerdeführers zu dessen Freund geschickt und daraufhin habe der Beschwerdeführer den Irak verlassen.

3. Mit Bescheid des BFA vom 03.02.2017, Zl. 15-1066530010/150437258, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der im Wesentlichen das Fluchtvorbringen wiederholt wurde.

5. Mit mehreren Schreiben wurden Unterlagen betreffend die Integration des Beschwerdeführers sowie Unterstützungsschreiben vorgelegt.

6. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 27.06.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer schilderte seinen Fluchtgrund. Weiters legte der Beschwerdeführer Dokumente betreffend seine Integration in Österreich vor. Dem Beschwerdeführer wurden im Rahmen der Verhandlung Berichte zur Lage im Irak ausgehändigt.

7. In seiner Stellungnahme bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Sicherheitslage im Irak prekär sei und es wird auf die Problematik der Blutrache sowie die Möglichkeit, dass Männer Opfer von Ehrverbrechen sein können, hingewiesen. Weiters erfolgen Ausführungen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Moslem. Seine Mutter ist Sunnitin und sein Vater ist Schiit. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer hat in Bagdad zwölf Jahre die Schule und eineinhalb Jahre die Universität besucht, hat aber keinen Studienabschluss. Bis zum Jahr 2013 hat der Beschwerdeführer studiert. Der Beschwerdeführer hat auch ein Restaurant betrieben und hatte dort auch Angestellte. In seiner Freizeit hat der Beschwerdeführer mit Freunden Fußball gespielt, ist mit ihnen spazieren gegangen oder ins Kaffeehaus.

Der Beschwerdeführer lebte gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Brüdern in einem Haus im Viertel XXXX in Bagdad. Dabei handelt es sich um ein gemischt sunnitisch-schiitisches Viertel. Die Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt in einem anderen Viertel in Bagdad. Der Beschwerdeführer steht zumindest mit seiner Mutter in Kontakt. Der Vater und die Brüder des Beschwerdeführers sind berufstätig. Der Beschwerdeführer hat ca. 35 Tanten, von denen ein Teil in Bagdad lebt. Die anderen Tanten leben in Basra, Hila und Kut.

Der Beschwerdeführer verließ ca. im September 2013 legal den Irak und hielt sich bis ca. April 2015 in der Türkei auf. Er reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 29.04.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich. Er hat eine Freundin, hat sich mit ihr verlobt und lebt mit ihr seit September 2017 in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht, das ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1 "befriedigend bestanden" und danach zwei Deutschkurse, Niveau B2.1 und B2.2 besucht. Er hat auch am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen, einen Rot-Kreuz-Kurs "Erste Hilfe" besucht und an einem Lehrgang "Begleitung von Menschen mit Demenz" teilgenommen. Der Beschwerdeführer ist seit Juli 2017 in einem Pflegeheim gemeinnützig tätig. Er erhält dafür ca. 240 Euro im Monat.

Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist gesund, er benötigt keine Medikamente. Im April 2018 wurde beim Beschwerdeführer eine Infektion mit einem Helicobacter pyl. diagnostiziert.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er ein Verhältnis mit der Frau seines Onkels väterlicherseits gehabt habe und deswegen von der Familie mit dem Umbringen bedroht worden sei bzw. Blutrache zu befürchten habe, wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seiner Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Nach einer Blitzkampagne von 10 Tagen erklärte Premier Abadi die vollständige Einnahme Tal Afars sowie der gesamten Provinz Niniveh durch die ISF. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul und wurde von 2000 IS-Kämpfern verteidigt. Die einfache Eroberung wird als Beweis für die Schwäche der Gruppe sowie die Präferenz im Untergrund weiterzukämpfen, verstanden.

Nach der erfolgreichen Einnahme von Mossul und Tal Afar durch die ISF, befürchten IS-Kämpfer ihre letzten Hochburgen im Irak zu verlieren. Familien von IS-Kämpfern fliehen Berichten zufolge täglich aus der Stadt al-Sharbat, südlich von Mossul gelegen, in unbekannte Destinationen. Die Stadt Hawija, welche 55 km südwestlich der erdölreichen Stadt Kirkuk liegt, ist voraussichtlich das nächste Ziel der ISF und der US-geführten Anti-IS-Koalition. Die verbliebenen IS-Kämpfer bestehen vor allem aus lokalen Kämpfern, welche beharrlich um die letzten Gebiete im Irak kämpfen werden. Unterdessen bereiten sich die ISF und kurdische Kräfte auf eine mögliche Entstehung von Post-IS Milizen vor und konzentrieren sich auf Überwachungsmaßnahmen durch Grenzkontrollen, Checkpoints und geheimdienstliche Aufklärung, aber auch auf Aufstandsbekämpfungen.

Es gab eine Reihe intensiver, hochgradig koordinierter Militäroffensiven, die von der Regierung gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) durchgeführt wurden, mit dem Ziel, den IS aus dem Land zu vertreiben. Diese Offensiven führten dazu, dass die territoriale Kontrolle des IS im Irak beendet wurde. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist der sichtbare Rückgang der Sicherheitsvorfälle in Gebieten, die bisher als IS-Hotspots in nichtumkämpften Gebieten ausgewiesen wurden. Dies ist einerseits auf die grundsätzlich schweren Verluste des IS und andererseits darauf zurückzuführen, dass IS-Kämpfer in umkämpfte Gebiete verlegt wurden.

Die Offensiven in Mossul, Tal Afar, Hawija und im westlichen Anbar haben erfolgreich dazu beigetragen, den IS zurückzudrängen und ihrer territorialen Kontrolle im Irak ein Ende zu bereiten. Die Sicherheitsvorfälle im Irak sind sichtbar zurückgegangen, unter anderem auch in Bagdad. Dies ist hauptsächlich auf die Intensität der Militäroffensiven zurückzuführen, was den IS dazu zwang viele IS-Kämpfer an der Front einzusetzen. Der IS kann seine Angriffe im ganzen Land nicht mehr so aufrechterhalten, wie es einmal war.

Das Gouvernement Anbar ist nach der Fallujah-Offensive im Juni 2017 weiterhin volatil. Nach der Befreiung Falludschas haben irakische Truppen und sunnitische Stammeskämpfer weiterhin IS-Städte geräumt und Territorien im Nordwesten gesichert, etwa in Haditha. Die Lage änderte sich allmählich während der Hawija-Offensive im September 2017, als sich die irakische Regierung dazu entschloss, die militärischen Operationen zu verstärken, um den IS im Westen von Anbar zu stoppen, mit dem Ziel, die IS-Truppen vollständig aus dem Irak zu vertreiben und der Wiederherstellung der irakisch-syrischen Grenze. Die irakischen Sicherheitskräfte konnten al-Qaim am 03.11.2017 zurückerobern. Militärische Fortschritte gab es danach in der Nachbarstadt Rawa, wo das letzte verbliebene IS-Gebiet am 11.11.2017 erobert und 10.000 Zivilisten befreit wurden.

In Bagdad ereignete sich im Juli 2016 die tödlichste Attacke seit 2003. Es gab danach eine Serie von Selbstmordanschlägen. Die Sicherheitslage verbesserte sich mit dem Beginn der Mossul-Offensive und nach einer kurzzeitigen Verschlechterung zu Beginn des Jahres 2017 verringerten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle wieder und nahmen mit der Niederlage des IS im Juli 2017 weiter ab. Im Juni 2017 wurden die wenigsten Angriffe verzeichnet. (Lifos, The Security Situation in Iraq: July 2016 - November 2017)

Im Jänner 2018 gab es im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad einen Doppelanschlag. Dabei sind nach offiziellen Angaben mindestens 38 Menschen getötet worden. Laut dem Innenministerium sprengten sich die Selbstmordattentäter am frühen Morgen mit Sprengstoffwesten in die Luft. Die Verantwortung für den Anschlag übernahm bisher niemand. Bei den meisten Opfern soll es sich um Tagelöhner handeln. Der Al-Tajjaran-Platz dient ihnen als Treffpunkt mit potenziellen Arbeitgebern und ist daher besonders am Morgen voller Menschen. Er war in der Vergangenheit wiederholt Ziel von Anschlägen. (Viele Tote bei Anschlägen in Bagdad, zeit.de, 15.01.2018)

Laut Polizeiangaben starben am 06.06.2018 durch eine Explosion in einer Moschee in Sadr-City, dem Hauptquartier von Sadr in Bagdad, 18 Menschen, 90 weitere wurden verletzt. Die Täter sind unbekannt. (Fact Sheet Irak Nr. 69, Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement)

Diyala besteht aus einer einzigartigen und vielfältigen ethnischen und religiösen Bevölkerung. Es leben dort Araber, Kurden, Turkmenen und sowohl Schiiten als auch Sunniten. Das Gouvernement Diyala wurde im Jänner 2015 als erstes vom IS befreit. Vom IS ausgeführte Angriffe richten sich meist gegen schiitische Milizen, etwa an Checkpoints, die dann Gegenangriffe auslösen. Angriffe finden meist im Zentrum und im Norden des Gouvernements statt. Die meisten sicherheitsrelevanten Angriffe gab es im Juli 2014. Seither ist ein deutlicher Rückgang zu vermerken.

In Kirkuk leben Kurden, Turkmenen und Araber. Die Provinz ist für 40 % der Erdölproduktion verantwortlich. Die Sicherheitslage war zwischen Juli 2016 und November 2017 weitgehend stabil, mit Ausnahme des Distrikts Hawija. Dieser Distrikt stand seit Juni 2014 unter Kontrolle des IS. Vor dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum gab es in der Stadt Kirkuk nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle.Nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum verschlechterte sich die Situation im September/Oktober 2017. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der KRG (KRI) in Erbil während des kurdischen Referendums im September 2017 verschärfte die Spannungen zwischen der ethnisch vielfältigen Bevölkerung in Kirkuk. Die irakischen Truppen haben im Oktober 2017 die Kontrolle über wichtige Regierungsgebäude in der Stadt Kirkuk, den Flughafen, die Militärbasis und ein Ölfeld übernommen. Am 20.09.2017 starteten die ISF eine Offensive in Hawija. Die Rückeroberung der Gebiete dauerte nur wenige Tage. Am 05.10.2017 verkündete der irakische Premier den Sieg. Nach dem Rückzug der Peshmerga aus dem Gouvernement ist die bewaffnete Konfrontation abgeklungen.

Im Gouvernement Ninewa begann im Oktober 2016 die Mossul-Offensive, die Anfang Juli 2017 endete. Nachdem Ost-Mossul im Jänner 2017 befreit wurde, folgte die Befreiung des bevölkerungsreicheren Westen Mossuls. Die Gewaltakte haben nachgelassen. Es gibt sporadische Selbstmordattentate gegen irakische Streitkräfte und Mitglieder der PMU/PMF. Die durchschnittliche Anzahl der täglichen Attacken in Ninewa bewegt sich zwischen zwei und fünf. Zwischen Jänner und April 2017 lag sie noch zwischen zehn und 15. Von April bis September 2017 sank die Zahl kontinuierlich auf ca. zwei. Nach der Mossul-Offensive erfolgte die Tal Afar-Offensive. Tal Afar liegt 80 km westlich von Mossul. In Tal Afar ist geteilt zwischen Sunniten und Schiiten und es leben dort hauptsächlich Turkmenen. Am 01.09.2017 erklärte Premier Abadi den Sieg über den IS in Tal Afar, der das Ende der Kontrolle des IS in Ninewa markierte.

Das Gouvernement Salah al-Din wurde in den frühen Stadien der Offensive der irakischen Streitkräfte gegen den IS befreit. Tikrit, Saddam Husseins Geburtsort, ist ein wichtiges Symbol der sunnitischen Herrschaft im Zentralirak. In Salah al-Din befindet sich auch der schiitische al-Askari Schrein in Samarra, eine der heiligsten Stätten im schiitischen Islam. Der Angriff auf den Schrein im Jahr 2006 löste eine gewaltwelle zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen aus, die sich auf andere Teile des Landes ausbreitete. Schiitische PMU-Milizen begannen im April 2015 die IS-Milizen aus der Stadt zu vertreiben. Die Sicherheitslage ist vergleichsweise stabil.

Die südlichen Gouvernements waren nicht direkt von den Konflikten in den nördlichen und zentralen Gouvernements betroffen. In relativ geringem Ausmaß gab es auch hier IS-Angriffe (durchschnittlich drei bis zehn pro Monat). Die Gouvernements Basra und Babil sind dabei in erster Linie betroffen. Bei den Vorfällen handelt es sich um IEDs, Autobomben oder Scheißereien. Im Nordwesten von Babil befindet sich die Stadt Jurf al-Sakhr, die einzige mehrheitlich sunnitische Stadt im Gouvernement ist. Die Stadt wurde 2014 vom IS befreit, aber anders als andere befreite Städte bleibt sie entvölkert und zwar wegen ihrer Lage. Die Stadt liegt an der Straße, die zu den heiligen schiitischen Städten im Süden führt - Najaf und Karbala. Im ölreichen Gouvernement Basra gibt es Kämpfe zwischen rivalisierenden Stämmen und Ackerland und Landbesitz.

Die Sicherheitslage in den nördlichen Gouvernements in der Region Kurdistan (KRI/KRG) ist stabil und in der Hand der kurdischen Behörden. Auch diese Gouvernements waren nicht direkt von den Militäroffensiven betroffen. Die Sicherheitslage ist nach dem Abzug kurdischer Peshmerga-Gruppen aus Kirkuk und anderen zuvor kontrollierten Gebieten unverändert. Die Peschmerga-Streitkräfte behalten weiterhin die Kontrolle über das Territorium der KRI. Der Grenzübergang zum Iran ist wieder geöffnet. Internationale Flüge von und nach KRI sind nicht möglich. Inlandsflüge zwischen Bagdad und der KRI sind weiterhin möglich. (Lifos, The Security Situation in Iraq: July 2016 - November 2017)

Im Zeitraum Jänner 2014 bis 31. Mai 2018 wurden 2 Millionen Binnenflüchtlinge (340.953 Familien) registriert, die sich auf 103 Bezirke und 3.377 Orte im Irak verteilten. Im selben Zeitraum wurden auch 3,8 Millionen Rückkehrer (638.293 Familien) ausgemacht. Insgesamt sank die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen um etwa 3 %. Rückgänge wurden in 17 von 18 Gouvernements des Irak verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer stieg im um 3 %. Dies zeigt einen anhaltenden Trend zu zunehmenden Rückkehrbewegungen. 61 % (1,3 Millionen) der Binnenvertriebenen werden privat untergebracht und 29 % (597.930) befinden sich in Flüchtlingslagern. Binnenvertriebene befinden sich vorwiegend in den Gouvernements Ninewa (30 %, 620.628), Dohuk (17 %, 350.232), Erbil (11 %, 222.738), Salah al-Din (9 %, 184.854) und Sulaymaniyah (8 %, 154.020). Die meisten Rückkehrer gibt es im Gouvernement Ninewa (37 %) und Anbar (33 %). Danach folgen Salah al-Din (14 %), Kirkuk (7 %), Diyala (6 %) und Bagdad (2 %). Insgesamt 83 % der 119.070 Rückkehrer im Mai 2018 befanden sich im Gouvernement Ninewa. Danach folgen die Gouvernements Anbar, Salah al-Din und Kirkuk. In Anbar gibt es die meisten Rückkehrer in Fallujah, Ramadi und Heet. In Salah al-Din erfolgt die Rückkehr hauptsächlich nach Tikrit und Al-Shirqat. (Displacement Tracking Matrix, Round 96, Mai 2018)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zum Aufenthalt in der Türkei, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren, den Verwaltungsakten. Die Feststellungen zum Wohnort seiner Familienangehörigen im Irak ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln.

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme an Deutschkursen und die Ablegung einer Deutschprüfung, ergeben sich aus den entsprechenden Dokumenten. Die Feststellung einer gemeinnützigen Tätigkeit in einem Pflegeheim ergibt sich aus einer diesbezüglichen Bestätigung und den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine Freundin hat, mit der in einem Haushalt lebt und mit der er verlobt ist, ergibt sich ebenso aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 26.06.2018.

Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht als Fluchtgrund an, dass er ein Verhältnis mit der Frau seines Onkels gehabt habe und diese Beziehung am 09.09.2013 entdeckt worden sei. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aber aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Schon vor dem BFA zeigte sich, dass der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund selbst nur wenig angeben konnte. Im Rahmen der freien Schilderung seines Fluchtgrundes erzählte er nur wenig zum fluchtauslösenden Ereignis und tätigte mehr Ausführungen zu den nachfolgenden Ereignissen, nachdem er von seinem Onkel entdeckt worden sei (AS 91). Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, seine Ausreisegründe aus dem Irak darzulegen. Der Beschwerdeführer tätigte nur drei Sätze zu seinem Fluchtvorbringen. Es war erforderlich, den Beschwerdeführer konkrete Fragen zu stellen, um eine etwas konkretere Schilderung seiner Beweggründe für seine Ausreise zu erhalten. Der Beschwerdeführer musste auch immer wieder aufgefordert werden zu erzählen, was weiter passiert sei, da er dies von sich aus nicht getan hat (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers, erst auf konkrete Fragen zu erzählen, was passiert sei, erweckt nicht den Eindruck als schildere der Beschwerdeführer tatsächlich Erlebtes. Es entsteht dadurch vielmehr der Eindruck, dass er ein Vorbringen erstattet, das er selbst nicht erlebt hat, sondern sich bloß eine Rahmengeschichte zurechtgelegt hat, weshalb es ihm dann auch nicht möglich war, konkrete Details von sich aus zu erzählen.

Es drängt sich auch geradezu der Verdacht auf, dass der Beschwerdeführer deshalb nur wenig zu seinem behaupteten Fluchtvorbringen schildert, um zu vermeiden, sich bei den einzelnen Einvernahmen in Widersprüche zu verwickeln. Insgesamt ist auf Grund des vagen Vorbringens des Beschwerdeführers aber der Eindruck entstanden, dass die von ihm präsentierte Geschichte nicht passiert ist.

Zudem war es dem Beschwerdeführer auch nicht möglich, sein Vorbringen vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmend darzulegen. Der Beschwerdeführer schilderte das Entdecken durch den Onkel im Schlafzimmer vor dem BFA anders als in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. So gab er vor dem BFA an, dass der Onkel versucht habe, den Beschwerdeführer zu schlagen, der Beschwerdeführer habe sich gewehrt und sei dann geflohen (AS 93). Dagegen meinte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er unter Schock gestanden sei, den Onkel zur Seite geschubst habe und davongelaufen sei (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Von einem Versuch des Onkels, den Beschwerdeführer zu schlagen, war vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Rede mehr.

Zudem waren schon die Angaben in der Einvernahme vor dem BFA zum Entdecken durch den Onkel widersprüchlich. Einerseits sprach er nämlich davon, dass der Onkel in das Schlafzimmer gekommen sei, versucht habe, den Beschwerdeführer zu schlagen, der Beschwerdeführer habe sich gewehrt und sei daraufhin geflohen. Nur kurz darauf behauptete er aber, dass der Onkel nichts zu ihm habe sagen können, als er in das Schlafzimmer gekommen sei, da der Beschwerdeführer sofort geflüchtet sei (AS 93). Diese sofortige Flucht ist nun nicht mit dem Vorbringen vereinbar, dass sich der Beschwerdeführer gewehrt habe. Außerdem ist auch nicht plausibel, dass der Onkel, obwohl er seine Frau mit seinem Neffen erwischt, nichts gesagt haben will.

Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer auch an, dass er, nachdem er vom Onkel erwischt worden sei, zu neu gebauten Häusern gelaufen sei, die sich in der Nähe von seinem Haus befinden würden (AS 93). Zwar erklärte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht auch, zu neu gebauten Häusern gelaufen zu sein, doch gab er hier nicht mehr an, diese würden sich in der Nähe seines Hauses befinden, sondern er brachte vor, er sei "zu einem Platz" gekommen, wo sich diese befänden (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Diese unterschiedlichen Angaben sprechen nicht dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächliche Begebenheiten schildert.

Der Beschwerdeführer äußerte sich auch dahingehend widersprüchlich, wie er seine Dokumente und das Geld von seiner Mutter erhalten habe. Vor dem BFA gab er an, dass seine Mutter die Dokumente und das Geld zum Freund des Beschwerdeführers in XXXX geschickt habe, wo sich der Beschwerdeführer aufgehalten hätte (AS 91 und 93). Vor dem Bundesverwaltungsgericht meinte er zunächst, seine Mutter habe gesagt, sie würde ihm alles nachschicken. Anders als noch vor dem BFA sprach er hier nun auch von Kleidung, die sie ihm schicken sollte. Danach erklärte der Beschwerdeführer aber, dass sich seine Mutter mit seinem Freund, bei dem sich der Beschwerdeführer aufgehalten habe, getroffen habe und ihm die Kleidung, Dokumente, etc. übergeben hätte (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch diese widersprüchlichen Angaben sprechen nicht dafür, dass das vom Beschwerdeführer Behauptete tatsächlich passiert ist.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte der Beschwerdeführer, dass die Frau seines Onkels keine Kinder hätte, weshalb immer jemand von der Familie bei ihnen vorbeischauen müsse (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen völlig unplausibel wirkt und nicht nachvollziehbar ist, weshalb dann gerade ein Neffe und zudem der jüngste der Neffen vorbeigeschickt wird und nicht etwa ein Schwager der Tante, behauptete der Beschwerdeführer dies vor dem Bundesverwaltungsgericht erstmalig. Vor dem BFA sprach er nämlich noch gänzlich anders, nämlich davon, dass er ab und zu seinen Onkel besucht habe (AS 92). Auch diese divergierenden Angaben sprechen nicht für die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers.

Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer auch an, dass ihn seine Tante immer verführt habe (AS 92), was er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr wiederholt hat. Hier sprach er nur davon, dass sie ihn immer besonders behandelt habe. Von einem Verführen war nicht mehr die Rede (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls).

Es ist auch nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer nichts über das Schicksal seiner Tante wisse und seine Mutter ihm nichts darüber erzählt hätte. Der Beschwerdeführer konnte hierfür keine überzeugende Begründung geben. Bei den Fragen über das Schicksal seiner Tante fällt auch auf, dass sich der Beschwerdeführer dazu nur sehr vage äußert und mehrmals angab, er könne nicht mehr dazu sagen (AS 94). Diese Antworten des Beschwerdeführers sprechen auch dafür, dass es das behauptete Verhältnis gar nicht gab, weshalb er auch nicht in der Lage war etwas über das angebliche Schicksal seiner Tante anzugeben. Auch dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers spricht nicht für einen Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen.

Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers und der vagen Antworten sowie des geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* Fact Sheet Irak Nr. 68 und Nr. 69

* Deutsches Auswärtige Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak vom 07.02.2017

* Artikel Zeit.de, Viele Tote bei Anschlägen in Bagdad, 15.01.2018

* UK Home Office, Irak: Return/internal relocation, September 2017

* UK Home Office, Irak Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

* DTM Round 96, May 2018

* Lifos, The Security Situation in Irak: Juli 2016 - Nov. 2017

* Länderinformationsblatt Irak, dt. BAMF und IOM, 2017

Es handelt sich dabei um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In der Stellungnahme bringt der Beschwerdeführer vor, dass die Sicherheitslage im Irak prekär sei, es wird auf die Problematik der Blutrache sowie die Möglichkeit, dass Männer Opfer von Ehrverbrechen sein können, hingewiesen. Damit wird den getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 16.11.2016, Ra 2016/18/0233). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, wonach er ein Verhältnis mit der Frau seines Onkels väterlicherseits gehabt habe und deswegen von der Familie mit dem Umbringen bedroht worden sei bzw. Blutrache zu befürchten habe, nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich die Ausführungen des Beschwerdeführers ausschließlich darauf beziehen, dass er mit der Frau seines Onkels ein Verhältnis gehabt habe, der Onkel das entdeckt habe und der Beschwerdeführer daraufhin von der Familie mit dem Umbringen bzw. mit Blutrache bedroht worden sei. Mit diesem Vorbringen wird - selbst bei Wahrunterstellung - keine Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ genannten Gründe - nämlich der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - vorgebracht und wurde eine solche Verfolgung bzw. Bedrohung auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Die Gefahr einer Blutrache (die sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers entnehmen lässt) ist nicht grundsätzlich asylrelevant, sondern nur dann, wenn die Gefahr, die aus einer möglichen Blutrache resultiert, auf einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten asylrelevanten Motive beruht (vgl. VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich sohin eindeutig, dass die Gefahr der Blutrache nur dann zu einer Asylgewährung führen kann, wenn diese auf einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründe beruht, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist und auch nicht behauptet wurde.

Zu dem in der Stellungnahme vom 11.07.2018 zitierten Bericht über Männer als Opfer von Ehrverbrechen in den kurdischen Gebieten ist auszuführen, dass dieser insofern nicht von Relevanz ist, als der Beschwerdeführer nicht aus der Kurdenregion, sondern aus Bagdad stammt. Davon abgesehen können Personen, denen Blutrache angedroht wurde, einer asylrelevanten Verfolgung unterliegen, nämlich dann, wenn es sich tatsächlich um eine asylrelevante - aus den Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung erfolgende - Verfolgung handelt, was allerdings im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Ebenso geht das Vorbringen in der Stellungnahme ins Leere, dass "davon auszugehen sei, dass einem Ehebrecher staatlicher Schutz vor Verfolgung" nicht gewährt werde. Einerseits handelt es sich dabei um die bloße Äußerung einer Vermutung, die durch keinerlei Berichte belegt ist; es wird auch eingeräumt, dass die Gesetzeslage nicht eruierbar gewesen sei. Andererseits ist mangelnde Schutzgewährung durch den Staat nur relevant, wenn ein in der Genfer Flüchtlingskonvention genannter Anknüpfungspunkt vorliegt, und zwar entweder im Zusammenhang mit den Motiven einer von Privaten ausgehenden Verfolgung selbst, was hier verneint wurde, oder wenn die Unterlassung der Schutzgewährung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund erfolgt, wofür aber hier auch kein Anhaltspunkt vorliegt.

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

Nach der Rechtsprechung ist in Bürgerkriegssituationen für die Gewährung von internationalem Schutz eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende Gruppenverfolgung erforderlich (VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN). In dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Konvention. Der Asylwerber müsste in diesem Zusammenhang jedoch behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 26.01.2006, 2005/01/0537 mwN).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden. Der Beschwerdeführer brachte selbst auch keine Verfolgungsgefahr auf Grund seiner Glaubensrichtung vor. Auch in Bezug auf seine gemischt sunnitisch-schiitische Herkunft brachte der Beschwerdeführer keinerlei Probleme vor.

Auch das deutsche Verwaltungsgericht München geht nicht von einer Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak aus (vgl. VG München, Urteil vom 22.05.2017, M 4 K 16.35780, Rz 18 und Urteil vom 28.03.2017, M 4 K 16.32031: Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak erforderliche Gefahrendichte liegt nicht vor. Es findet keine systematische Diskriminierung oder Verfolgung von religiösen und ethnischen Minderheiten durch Behörden statt. Auch wenn die Situation im Irak unübersichtlich und in einigen Gebieten durch Kampfhandlungen der ISIS gefährlich ist, reicht die abstrakte Gefahr, Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden, zur Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht aus).

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798, 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu verneinen wäre.

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt somit voraus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Irak mit sich bringen würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mit weiteren Nachweisen). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016, mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR vom 28. November 2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR vom 17. Juli 2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung² (2012), 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases") wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent") Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23. August 2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (v.a. RNr. 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. RNr. 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (RNr. 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (RNr. 98).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 Asyl 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH vom 17. Februar 2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite).

Nach der dargestellten Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des EuGH ist von einem realen Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte einerseits oder von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts andererseits auszugehen, wenn stichhaltige Gründe für eine derartige Gefährdung sprechen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, mwN).

Nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 5. September 2013, I. gg. Schweden, Nr. 61204/09). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden ist (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Unter Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse des Fremden (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) ist allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137 unter Hinweis auf VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).

Für den vorliegenden Fall bede

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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