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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des BN in S, geboren am 4. Juli 1975, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Landesgerichtsstraße 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Oktober 1998 , Zl. 201.562/0-III/07/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Bundesrepublik Jugoslawien", der am 8. April 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 9. April 1997 die Gewährung von Asyl. Er wurde am gleichen Tag niederschriftlich einvernommen.
Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens. Er habe zuletzt in Voksa, Bezirk Decani, gewohnt. Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag mit dem Bescheid vom 11. April 1997 unter anderem mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer aufgrund Unglaubwürdigkeit seiner vorgebrachten Fluchtgründe in seinem Heimatstaat keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlinskonvention nicht glaubhaft gemacht habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Oktober 1998 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ab. Sie begründete den Bescheid damit, es habe sich die Unrichtigkeit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden betreffend seine behauptete Strafverfolgung herausgestellt, weil es den eine Urkunde fertigenden Richter bei diesem Gericht nicht gebe und unter der auf beiden Urkunden genannten Aktenzahl kein den Beschwerdeführer betreffendes Verfahren geführt werde. Auf entsprechenden Vorhalt habe der Beschwerdeführer dies nicht widerlegen können. Die belangte Behörde komme wie die Behörde erster Instanz zum Ergebnis, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen unglaubwürdig seien. Deshalb sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention drohe, weshalb ihm kein Asyl zu gewähren sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Es kann im gegenständlichen Fall dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zur Recht die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers verneinte.
Denn der Verwaltungsgerichtshof sieht es insbesondere aufgrund von Medienberichten als notorisch an, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der (bewaffneten) Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen hat. Diese Auseinandersetzungen gehen auch mit vermehrten Übergriffen insbesondere auf die albanische Zivilbevölkerung einher. Es ist gleichfalls allgemein bekannt, dass sich die Kampfhandlungen und die damit verbundenen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht auf das gesamte Gebiet des Kosovo erstreckten, sondern sich im Wesentlichen auf das Gebiet Zentralkosovo (Region Drenica bzw. "Drenicadreieck", wobei sich die Vorfälle von Srbica und Logovac bis Klina ausgedehnt haben) sowie westlich davon auf die Verwaltungsbezirke an der albanischen Grenze, vor allem Decani und Djakovica.
Derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, sind vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als Spezialbehörden jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen.
Eine Verfolgungsgefahr kann nicht nur aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, sie kann vielmehr auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0370, mwN). Bei einem ethnischen Albaner, der aus der oben genannten Region bzw. aus einem angrenzenden Gebiet kommt, auf das eine Ausweitung der Aktionen wahrscheinlich ist, kann daher - anders als für den Zeitraum vor dem 28. Februar 1998 - nicht von vornherein gesagt werden, dass die bloße Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe nicht ausreicht, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen. In einem solchen Fall ist es vielmehr erforderlich, bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft auch das genannte Amtswissen einzubeziehen. Dazu hat die Behörde dem Asylwerber - allenfalls im Rahmen einer gemäß § 67d AVG iVm Art. II Abs. 2 Z. 43a EGVG idF BGBl. I Nr. 28/1998 erforderlichen Verhandlung - Gelegenheit einzuräumen, sich auch zu den von Amts wegen zu berücksichtigenden Umständen zu äußern (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 96 wiedergegebene hg. Rechtsprechung zu § 45 Abs. 1 AVG). Eine asylrelevante Verfolgung wäre bereits dann zu bejahen, wenn sich dabei herausstellt, dass der Asylwerber aus einer Gegend stammt, in der Aktionen der genannten Art mit der für die Asylgewährung maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten sind und keine besonderen Umstände vorliegen, die es unwahrscheinlich machen, dass der Asylwerber davon betroffen sein könnte.
Der Beschwerdeführer stammt nach seinen Angaben aus einem Ort im Bereich des von den Vorgängen bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides betroffenen Gebietes. Seine Angaben zum Wohnort wurden von der belangten Behörde nicht als unglaubwürdig gewertet. Es ist daher offensichtlich, dass die belangte Behörde, hätte sie auf die genannten Vorfälle ab 28. Februar 1998 in der dargestellten Weise von Amts wegen Bedacht genommen, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287).
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999010072.X00Im RIS seit
20.11.2000