TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/16 97/01/1153

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Veröffentlicht am 16.06.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des BH in W, geboren am 18. Juni 1970, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11 (Vollmachtsverhältnis mit 18. November 1998 gelöst), gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juli 1997, Zl. 4.337.946/14-III/13/97, betreffend Feststellung nach dem Asylgesetz 1968, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die im gegenständlichen Fall ergangenen hg. Erkenntnisse vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0512 (Aufhebung wegen rechtswidriger Anwendung des Asylgesetzes 1991), und vom 19. März 1997, Zl. 96/01/0023 (Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grund, dass die belangte Behörde auf die behauptete differenzierte Behandlung bei Einberufung zum Militärdienst, während der Militärdienstleistung und im Falle strafrechtlicher Verfolgung wegen Verweigerung der Militärdienstleistung nicht näher eingegangen ist).

Im fortgesetzten Verfahren führte die belangte Behörde eine ergänzende Einvernahme (23. Juni 1997) durch, in welcher sie den Beschwerdeführer aufforderte, detailliert auszuführen, warum er als Angehöriger der albanischen Volksgruppe im Kosovo im Vergleich zu anderen in Bezug auf Militärdienstleistung (und den weiteren damit zusammenhängenden Umständen) in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenden Weise, benachteiligt worden wäre. Der Beschwerdeführer gab an, man habe ihn deshalb zur Militärdienstleistung aufgefordert, weil man ihn "in den Krieg nach Bosnien schicken" habe wollen. Er habe "einfach Angst" gehabt, "von dort nicht mehr zurückzukommen". Auf die Frage, zum Unterschied zwischen seiner Einberufung und der allgemeinen damaligen Einberufung, auch in Serbien, gab er an, "dass die Albaner im Krieg brutaler behandelt wurden. Ich ziehe den Schluss daraufhin aus den Umständen, dass die Studenten auf der albanischen Universität in Prishtina Misshandlungen von der Polizei ausgesetzt waren. Sie wurden willkürlich geschlagen. Deshalb hatte ich Angst, in den Militärdienst zu gehen, Angst vor Willkürlichkeiten dort gegen den Albaner". Dieses Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer nicht konkreter dargelegt.

Des Weiteren gab er nunmehr - im Gegensatz zu seinen Erstangaben, welche ihm vorgehalten wurden - an, er sei nur Student gewesen, er habe sich niemals politisch aktiv betätigt und wisse nicht, warum er das bei der Ersteinvernahme gesagt habe. Er sei auch nicht Mitglied der albanischen demokratischen Partei gewesen.

In weiterer Folge hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, dass das Parlament der Jugoslawischen Föderation am 18. Juni 1996 ein Amnestiegesetz erlassen habe, das am 22. Juni 1996 in Kraft getreten sei. Die belangte Behörde nannte die Beweisquelle (Amtsblatt der Jugoslawischen Föderation Nr. 2896 am 21. Juni 1996) und den wesentlichen Inhalt. Der Beschwerdeführer gab hiezu an, dass er "zu der Amnestie selbst nicht Stellung nehmen kann, ich habe aber weiterhin Angst vor Übergriffen auf die albanische Minderheit durch die Serben". Vor zwei Wochen sei der Sohn seines Onkels von Polizisten grundlos geschlagen worden und befinde sich im Krankenhaus. Zusammenfassend begründete der Beschwerdeführer seine "nunmehrige Furcht allgemein mit den möglichen Übergriffen der serbischen Polizei auf die Albaner". Er könne sich jedoch konkret auf keinen Umstand unmittelbar beziehen. Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 1997. Die belangte Behörde wies darin die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Feststellung der Behörde erster Instanz, dass er nicht Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen (Asylgesetz 1968) im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 idF BGBl. Nr. 796/1974 - GFK - sei, ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass auf Grund der Widersprüche zwischen der Erstangabe und den nunmehrigen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner politischen Tätigkeit Zweifel daran bestünden, dass seine diesbezüglichen Behauptungen mit der Wirklichkeit übereinstimmten und legte erkennbar als Sachverhalt ihrer Entscheidung den Inhalt der Aussage des Beschwerdeführers vom 23. Juni 1997 zugrunde.

In rechtlicher Sicht führte die belangte Behörde aus, dass Ausbildungsbeschränkungen und die vom Beschwerdeführer hinsichtlich seines Arbeitsbereiches geltend gemachte schlechte Situation mangels erforderlicher Intensität nicht asylrechtlich relevant seien.

Die vom Beschwerdeführer relevierte Einberufung zur Militärdienstleistung stelle mangels erforderlicher Verfolgungsmotivation keine Verfolgung dar. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass mit seiner Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen sei. Es bestehe in der Jugoslawischen Föderation, somit auch im Kosovo, grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, wobei nach den gesetzlichen Bestimmungen keine ethnischen Unterschiede vorgesehen seien. Auch bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen würden grundsätzlich keine Unterschiede gemacht. In der Strafverfolgung und -bemessung mache das Gesetz keinen Unterschied hinsichtlich ethnischer Kriterien. Des Weiteren sei das bereits oben zitierte Amnestiegesetz in Kraft getreten und betreffe den Fall des Beschwerdeführers.

Aus der neuerlichen Einvernahme des Beschwerdeführers sei nicht ableitbar, dass er wegen eines in der GFK genannten Grundes im Hinblick auf seine Volksgruppenzugehörigkeit eine unterschiedliche oder im Fall seiner Aufgreifung eine differenzierte Behandlung im Vergleich zu serbischen Staatsangehörigen zu erwarten habe.

Daraus ergebe sich, dass der Beschwerdeführer nicht Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen zu gewärtigen gehabt habe bzw. derzeit für den Fall einer etwaigen Rückkehr in seine Heimat zu befürchten habe, weshalb er nicht Flüchtling im Sinne der GFK sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Aus dem angefochtenen Bescheid ist zu erkennen, dass die belangte Behörde den anlässlich der Ersteinvernahme gemachten Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine politische Betätigung die Glaubwürdigkeit versagt hat, weil der Beschwerdeführer in der ergänzenden Einvernahme diesbezüglich konträre Aussagen tätigte. Der Beschwerdeführer rügt, dass Differenzen zwischen zwei Einvernahmen, zwischen welchen über fünf Jahre lägen, selbstverständlich seien. Er übersieht, dass es sich um einen derart gravierenden Widerspruch in wesentlichen Umständen handelt (zunächst politisch sehr aktive Tätigkeiten samt Zugehörigkeit zur LDK behauptet, nunmehr Verneinung jeglicher politischen Aktivität und Zugehörigkeit zur LDK), welcher dem Beschwerdeführer in der ergänzenden Einvernahme auch vorgehalten wurde, der nicht bloß mit der zwischen den Einvernahmen verstrichenen Zeitspanne erklärt werden kann. Auch in der Beschwerde lässt der Beschwerdeführer ungeklärt, welche seiner Versionen aus welchen Gründen aus seiner Sicht richtig sei. Dass die belangte Behörde nunmehr davon ausging, die politische Tätigkeit des Beschwerdeführers habe nicht vorgelegen, begegnet somit keinen Bedenken.

Abgesehen von der allgemein bekannten Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (17. Juli 1997) in Bosnien kein Krieg mehr herrschte, zeigte der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine konkreten Umstände auf, welche die von ihm allgemein befürchtete Schlechterstellung von Albanern aus dem Kosovo bei der Einberufung zur Armee, der Verwendung "im Krieg" (während der Militärdienstzeit) und der Strafverfolgung bei Dienstverweigerung im Unterschied zu Angehörigen anderer Volksgruppen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkennen ließen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die erstmalig in der Beschwerde erhobene Behauptung, das Amnestiegesetz werde in der Wirklichkeit nicht umgesetzt, dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 42 Abs. 1 VwGG unterläge, zumal die vom Beschwerdeführer beigelegte, aus einer Zeit nach Bescheiderlassung datierende Unterlage der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 2. September 1997 mangels näherer Nennung der den in diesem Bericht genannten Fälle zugrundeliegenden Umstände und auch mangels Darstellung der den Angehörigen anderer Volksgruppen im Falle der Verweigerung des Militärdienstes bzw. Desertion nach Gültigkeit des Amnestiegesetzes widerfahrenden Behandlung nicht in der Lage ist aufzuzeigen, dass die darin behauptete Benachteiligung der Kosovo-Albaner bei der Strafverfolgung entgegen der Ansicht der belangten Behörde gegeben wäre. Es ist keineswegs - wie der Beschwerdeführer vermeint - notorisch, dass das Amnestiegesetz ausschließlich zu Lasten der Angehörigen der albanischen Volksgruppe nicht umgesetzt werde.

Den Ausführungen im angefochtenen Bescheid betreffend Ausbildungsbeschränkungen und Benachteiligungen im Arbeitsbereich tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann diese Ausführungen nicht als rechtswidrig erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997011153.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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