TE Vwgh Beschluss 2019/2/6 Ra 2018/02/0313

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Veröffentlicht am 06.02.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
VStG §24;
VStG §25;
VwGVG 2014 §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision des M in M, vertreten durch Mag. Gerold Schwarzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Falkestraße 1/9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. September 2018, Zl. LVwG-S-2509/001-2017, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) befand das Verwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig, er habe am 19. März 2016 um 20:30 Uhr auf einem näher bezeichneten Parkplatz als Lenker eines Fahrzeuges dieses bei einem Verkehrsunfall nicht sofort angehalten (Spruchpunkt 1.) und nicht die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt (Spruchpunkt 2.), obwohl das Verhalten am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand und ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt ist, das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet, obwohl dieses nicht zum Verkehr zugelassen war (Spruchpunkt 3.) und keine vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung bestand (Spruchpunkt 4.). Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach den §§ 4 Abs. 1 lit. a und 99 Abs. 2 lit. a StVO (Spruchpunkt 1.), den §§ 4 Abs. 5 und 99 Abs. 3 lit. b StVO (Spruchpunkt 2.), den §§ 36 lit. a und 134 Abs. 1 KFG (Spruchpunkt 3.) und den §§ 36 lit. d und 134 Abs. 1 KFG (Spruchpunkt 4.) begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von EUR 220,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 108 Stunden) (Spruchpunkt 1.), gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe in Höhe von EUR 150,-

- (Ersatzfreiheitsstrafe 69 Stunden) (Spruchpunkt 2.) und jeweils gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) (Spruchpunkte 3. und 4.) verhängt wurde.

2 Anlässlich der vom Verwaltungsgericht am 22. August 2018 infolge der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde durchgeführten Verhandlung erfolgten die Einvernahme des Revisionswerbers und der Geschädigten. Gemäß dem Verhandlungsprotokoll verzichtete der Rechtsvertreter des Revisionswerbers "auf die Verlesung des Verwaltungsakts und des Gerichtsaktes, die somit als verlesen gelten und in das Beweisverfahren miteinbezogen sind". Einen Antrag auf Einvernahme der beiden Anzeiger stellte der Revisionswerber nicht.

3 Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde des Revisionswerbers mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. September 2018 ab.

4 Es stellte fest, der Revisionswerber habe das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt und mit diesem einen Verkehrsunfall verursacht, indem er das beteiligte Fahrzeug beschädigt habe. Er habe es in weiterer Folge unterlassen, sofort anzuhalten, sowie die nächste Polizeidienststelle zu verständigen. Weiters habe das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls über keine Verkehrszulassung verfügt und sei auch nicht haftpflichtversichert gewesen.

5 Beweiswürdigend hielt das Verwaltungsgericht fest, es könne aufgrund der Aussagen der beiden Zeugen, welche den Unfall wahrgenommen hätten, festgestellt werden, dass das gegnerische Fahrzeug vom Fahrzeug des Revisionswerbers touchiert und beschädigt wurde. Die Zeugen hätten das Kennzeichen eruieren können und es bestehe kein Zweifel, dass es sich um das Fahrzeug des Revisionswerbers gehandelt habe, zumal keine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Kennzeichen bestehe. Auch sei der Lenker dabei beobachtet worden, dass er ausgestiegen und sich die Schäden angesehen habe, in weiterer Folge jedoch mit dem Fahrzeug weggefahren sei. Da keine andere Person in Betracht komme, die das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt haben hätte können und das Fahrzeug zweifelsfrei identifiziert worden sei, bestehe an der Lenkereigenschaft des Revisionswerbers kein Zweifel. Weiters habe die Geschädigte angegeben, das Fahrzeug unbeschädigt abgestellt zu haben und habe die Schäden beim Wiederauffinden des Fahrzeuges nachvollziehbar beschreiben können.

6 In rechtlicher Hinsicht erachtete das Verwaltungsgericht die objektiven und subjektiven Tatbestände der dem Revisionswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in Anbetracht des festgestellten Sachverhalts als erfüllt.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Der Revisionswerber erachtet die Revision im Hinblick auf die ihm zur Last gelegten Übertretungen der StVO als zulässig, weil das Verwaltungsgericht im Sinne des Amtswegigkeitsprinzips gehalten gewesen wäre, den objektiven Tatbestand von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen; die Beweislast treffe für den Fall, dass der Beschuldigte den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamkeitsdelikts bestreite, die Behörde. Das Verwaltungsgericht habe nur aufgrund der Aussagen der beiden Zeugen, die einen Unfall wahrgenommen haben, und aus der Haltereigenschaft des Revisionswerbers auf seine Täterschaft bzw. Lenkereigenschaft geschlossen. Seine Lenkerbzw. Tätereigenschaft habe der Revisionswerber aber stets bestritten. Eine Zulässigkeitsbegründung zu den dem Revisionswerber angelasteten Übertretungen des KFG fehlt.

12 Die Zulässigkeitsbegründung ist für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebend. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen (vgl. VwGH 23.10.2018, Ra 2018/02/0222). Die Revision war hinsichtlich der Übertretungen nach dem KFG zurückzuweisen, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt wurde.

13 Auch im Hinblick auf die Übertretungen nach der StVO erweist sich die Revision als nicht zulässig:

14 Mit seinen Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung wendet sich der Revisionswerber im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das trotz Bestreitung von seiner Täterschaft ausgegangen sei.

15 Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass der in der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0012).

16 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (VwGH 21.3.2018, Ra 2018/02/0063, mwN).

17 Solche Umstände hat der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr unter Würdigung der Zeugenaussagen und der Tatsache, dass kein Beweisergebnis vorliegt, nach dem jemand anderer als der Revisionswerber das Fahrzeug gelenkt hat, in schlüssiger Weise zu dem vorliegenden Ergebnis gelangt. Der Revisionswerber hat auch im Verfahren lediglich pauschal bestritten, dass er das auf ihn zugelassene Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls gelenkt habe, ohne dies zu konkretisieren oder durch Beweisanbote zu untermauern. Vom Zulassungsbesitzer, der das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat, kann aber erwartet werden, dass er konkret darlegen kann, dass er als Lenker ausscheidet (vgl. VwGH 27.5.2011, 2010/02/0129, mwN). Die Annahme der Lenkereigenschaft des Revisionswerbers durch das Verwaltungsgericht erscheint somit vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung der nicht bestrittenen Zeugenaussagen und auf Grund der Vernehmungen in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von den Vernommenen verschaffen konnte und auf dieser Basis die Beweise frei gewürdigt hat, vertretbar (vgl. auch VwGH 2.5.2018, Ra 2018/02/0124, mwH).

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Februar 2019

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020313.L00

Im RIS seit

21.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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