Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé als Vorsitzende sowie durch den Hofrat und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und Dr. Brenner in Gegenwart der Kontr. Gsellmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 16 Hv 33/11d des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 20. Dezember 2018, AZ 19 Bs 363/18y (ON 516 des Hv-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Wolfgang M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss vom 26. November 2018, GZ 16 Hv 33/11d-488, setzte das Landesgericht für Strafsachen Wien die über den Angeklagten Wolfgang M***** am 17. Juni 2018 verhängte (ON 342 f) und mehrfach fortgesetzte (ON 355, 363, 387 f, 404, 406, 429, 464, 475) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO neuerlich fort.
Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO zu entfallen habe, und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO an.
Dabei erachtete das Beschwerdegericht Wolfgang M***** dringend verdächtig, er habe in W***** und an anderen Orten
I./ in zahlreichen, im angefochtenen Beschluss detailliert aufgezählten Fällen (1./ bis 49./) im Einzelnen genannte Personen gewerbsmäßig (mit Ausnahme des Faktums I./49./) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen, nämlich der Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, teilweise unter Benützung eines falschen Beweismittels, zur Gewährung von Dienstleistungen oder zur Herausgabe von Waren, somit zu Handlungen verleitet oder zu verleiten versucht, die diese in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten und schädigen sollten;
III./ andere der Gefahr der behördlichen Verfolgung dadurch ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung falsch verdächtigte, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigungen falsch waren, und zwar,
2./ am 27. August 2014 Werner W***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB, indem er gegenüber Polizeibeamten angab, dieser habe ihn als LKW-Lenker mit dem Fahrzeug infolge Unachtsamkeit mit dem Außenspiegel an der rechten Schulter gestreift, wodurch er verletzt wurde;
3./ den Polizeibeamten Ferdinand G***** des mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, indem er am 12. Juli 2018 in der zu AZ 16 Hv 33/11d des Landesgerichts für Strafsachen Wien abgeführten Hauptverhandlung (a./) und am 30. Juli 2015 in einer Sachverhaltsdarstellung an die Oberstaatsanwaltschaft Wien (b./) behauptete, der Genannte habe aufgrund eines Naheverhältnisses zu Werner R***** nach dessen Entlassung Vorwürfe gegen den Angeklagten konstruiert, ihn schikaniert und absichtlich gegen ihn ermittelt, obwohl er unschuldig sei;
IV./ am 23. Mai 2014 eine fremde Sache beschädigt, indem er mit der flachen Hand gegen den rechten Außenspiegel des Lkws der D***** Handels GmbH schlug, wodurch der Spiegel abbrach;
V./ anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht (1./) und weggenommen (2./), und zwar:
1./ am 24. November 2016 Gewahrsamsträgern des Unternehmens M***** einen Lastentrolly;
2./ am 5. Juni 2018 Gewahrsamsträgern der V***** zwei Packungen Haarwuchstabletten;
VII./ am 12. September 2016 Bestandteile des Vermögens der V***** GmbH als deren Geschäftsführer beiseite zu schaffen und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger zu schmälern versucht, indem er beantragte, dass die von der genannten, zu dem Zeitpunkt bereits insolventen Gesellschaft geleistete Sicherheitsleistung von 4.800 Euro nicht an die Konkursmasse, sondern an eine andere Gesellschaft, nämlich die V***** Betriebs- und Handels UG, deren Gesellschafter er ebenfalls war, ausbezahlt werde, wobei er wahrheitswidrig angab, dass die Sicherheitsleistung von der letztgenannten Gesellschaft erlegt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Oberlandesgericht die nach der dringenden Verdachtslage verübten Handlungen als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 3, 148 zweiter Fall, (zu ergänzen:) 15 Abs 1 StGB (I./), der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (III./3./) und der betrügerischen Krida nach §§ 15 Abs 1, 156 Abs 1 StGB (VII./) sowie als Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (III./2./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (IV./) und des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs 1 StGB (V./).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Die Behauptung krankheitsbedingter Vollzugsuntauglichkeit (vgl § 5 StVG) ist nicht Gegenstand der Prüfung im Rahmen der Untersuchungshaft (RIS-Justiz RS0113913), womit sich ein Eingehen auf die darauf bezogenen Einwände des Beschwerdeführers erübrigt. Gesundheitlichen Bedenken wäre vielmehr durch ärztliche Betreuung, oder falls zur sachgemäßen Behandlung erforderlich, durch Überstellung in ein Krankenhaus zu begegnen (11 Os 141/14s).
Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0110146).
An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert der Beschwerdeführer, indem er den diesbezüglichen Tatsachenannahmen des Beschwerdegerichts bloß breit angelegt seine eigene (über weite Strecken den Vorwurf der Zahlungsunfähigkeit und -unwilligkeit bestreitende) Verantwortung entgegenhält und auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen die Richtigkeit der ihn belastenden Beweisergebnisse (Vernehmungen von Zeugen, Sachverständigengutachten) in Zweifel zieht. Ein formaler Begründungsmangel wird solcherart nicht angesprochen.
Eine unrichtige Beurteilung eines Haftgrundes liegt nur dann vor, wenn die Prognose willkürlich getroffen wurde, mit anderen Worten nicht oder offenbar unzureichend begründet ist (RIS-Justiz RS0117806). Das ist dann der Fall, wenn für diese Schlussfolgerung entweder überhaupt keine Gründe angegeben wurden oder die Gründe den Gesetzen der Logik oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen würden (Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 11.98).
Der Beschwerde zuwider hat das Oberlandesgericht den Umstand, dass sich der Großteil der Tatvorwürfe auf eine schon längere Zeit zurückliegende unternehmerische Tätigkeit des Angeklagten bezieht, ohnedies in seine Erwägungen miteinbezogen, aber mit Blick auf dessen neuerliche Delinquenz in jüngerer Vergangenheit (BS 38 f) willkürfrei auf das Vorliegen des Haftgrundes nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO geschlossen.
Die dem Angeklagten laut Anklage angelasteten Finanzvergehen erwiesen sich nach Verdachtsannahmen des Beschwerdegerichts als nicht hafttragend (vgl BS 4), sodass das darauf bezogene Rechtsmittelvorbringen auf sich beruhen kann.
Der Einwand, dass die Begehung von strafbaren Handlungen mit schweren Folgen nicht zu erwarten sei, geht gleichsam ins Leere, weil der Haftgrund des § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO eine solche Prognose nicht verlangt.
Der vom Oberlandesgericht gezogene Schluss von der Schwere der dem Angeklagten angelasteten Taten auf das weiterhin vorliegende ausgewogene Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (vgl BS 41) erweist sich ohne weiteres als vertretbar (RIS-Justiz RS0120790). Dem dazu erstatteten Vorbringen zuwider hat das Beschwerdegericht der Frage einer allfällig zu erwartenden bedingten Strafnachsicht zu Recht keine Bedeutung beigemessen (vgl RIS-Justiz RS0123343).
Die Kritik am Unterbleiben der Haftsubstitution durch gelindere Mittel scheitert schon daran, dass der Beschwerdeführer diese nicht konkret bezeichnet (vgl RIS-Justiz RS0116422). Der Verweis auf das Vorbringen in der Haftbeschwerde reicht hierfür nicht aus (vgl RIS-Justiz RS0100172; zur Einmaligkeit der Grundrechtsbeschwerde vgl RS0097055; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 11.99). Im Übrigen stellt auch die diesbezügliche Heranziehung der Intensität des Haftgrundes unter Berücksichtigung des (insgesamt langen) Tatzeitraums (BS 40) keine willkürliche Begründung dar.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss daher nicht im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde war somit ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
Textnummer
E124099European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00013.19G.0213.000Im RIS seit
21.02.2019Zuletzt aktualisiert am
21.02.2019