TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/16 98/01/0411

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Veröffentlicht am 16.06.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §69 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des B J in W, vertreten durch Dr. Lukas Kozak, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 47-49, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 13. Jänner 1998, Zl. MA61/IV - J 262/95, betreffend Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 3. Jänner 1994 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 4. März 1993 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem jugoslawischen Staatsverband erbringe.

Mit Schreiben vom 4. April 1997 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass der Widerruf dieser Zusicherung beabsichtigt sei, weil er am 6. September 1995 und am 9. Jänner 1997 jeweils wegen vorsätzlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt und im August 1995 zweimal wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung bestraft worden sei. Er wurde aufgefordert, binnen zwei Wochen hiezu schriftlich Stellung zu nehmen. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer am 21. April 1997 an der von ihm im Verwaltungsverfahren (und in der vorliegenden Beschwerde) angegebenen Adresse durch Hinterlegung zugestellt. Der Beschwerdeführer hat dieses Schreiben allerdings nicht behoben. Eine Stellungnahme langte innerhalb der gesetzten Frist bei der belangten Behörde nicht ein. Mit Bescheid vom 10. Juli 1997 hat die belangte Behörde daraufhin die Zusicherung der Verleihung gemäß § 20 Abs. 2 StbG widerrufen und den Verleihungsantrag gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29. Juli 1997 zugestellt.

Das an die belangte Behörde gerichtete Schreiben des Beschwerdeführers vom 12. August 1997, zur Post gegeben am 22. August 1997, hat folgenden Inhalt:

"Betreff: Ersuchen um Wiederaufnahme des Einbürgerungsverfahrens MA 61/IV-J 262/95

Sehr geehrte Frau P.!

Bezugnehmend auf Ihren Bescheid vom 10. Juli 1997, mir zugestellt am 29. Juli 1997, ersuche ich um Wiederaufnahme meines Einbürgerungsverfahrens.

Ich lebe seit meinem dritten Lebensjahr in Österreich, habe hier die Schulpflicht absolviert und war anschließend berufstätig. Da ich keine privaten oder beruflichen Bindungen zu meinen Geburtsland Jugoslawien habe, stellte ich den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Ich bin in die hiesige Gesellschaft voll integriert und betrachte die Republik Österreich als meinen eindeutigen Lebensmittelpunkt.

Zu den von Ihnen angeführten Hinderungsgründen zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft möchte ich Sie darauf hinweisen, dass diese von mir bedauerten Übertretungen der StVO während meiner Berufsausübung als Berufskraftfahrer begangen wurden, dies aber bereits zwei Jahre zurückliegt.

Die Strafverfügungen wegen § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) kamen wegen damaliger Streitigkeiten mit meiner Lebensgefährtin, Frau J.T., geb. 24.1.1978, österr. Staatsbürgerin, zustande.

Ich bin mir meines Fehlverhaltens bewusst, doch bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass ich mit meiner Lebensgefährtin seither ein ausgezeichnetes und konfliktfreies Verhältnis habe. Wir haben eine gemeinsame Tochter, Danica, geb. 20.5.1995, österr. Staatsbürgerin, und planen in den kommenden Wochen zu heiraten.

Wie Sie sehen können, beabsichtige ich ein geordnetes Familienleben in Österreich zu führen.

Weiters bitte ich Sie in Betracht zu ziehen, dass ich bereits aus dem jugoslawischen Staatsverband ausgeschieden bin und mein jugoslawischer Reisepass, in dem sich meine Aufenthaltsgenehmigung befindet, nächstes Jahr abläuft und es mir auf Grund der jugoslawischen Rechtslage unmöglich ist, mein Reisedokument zu verlängern. Da mir ab dem nächsten Jahr somit die Staatenlosigkeit bzw. die Zerstörung meiner Existenz durch den Verlust des Arbeitsplatzes droht, bitte ich Sie um Revision Ihrer Entscheidung. Ich ersuche Sie, nicht nur in meinem Sinn, sondern auch zum Wohle meiner österreichischen Lebensgefährtin und meiner Tochter, die Existenz und glückliche Entwicklung einer Familie nicht zu verhindern.

Da ich bereit bin, mich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und als zukünftiger Staatsbürger alle dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Vorschriften beachten will, stelle ich den Antrag

auf Wiederaufnahme des Einbürgerungsverfahrens.

Mit der Bitte um Berücksichtigung der besonderen Umstände und der Hoffnung auf Ihre positive Entscheidung verbleibe ich ..."

Die belangte Behörde hat dieses Schreiben als Antrag auf Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens gewertet und mit Bescheid vom 13. Jänner 1998 abgewiesen.

Der vorliegend einzig in Betracht kommende Wiederaufnahmsgrund des Hervorkommens neuer Tatsachen oder Beweismittel, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, liege nicht vor, weil im Vorbringen des Beschwerdeführers keine neuen Tatsachen oder Beweismittel erblickt werden könnten. Unabhängig davon sei auch nicht ersichtlich, welchen Einfluss der Umstand, dass der Beschwerdeführer Berufskraftfahrer gewesen sei, auf die Beurteilung der Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung haben solle. Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich mit seiner Lebensgefährtin wieder versöhnt habe und sogar eine Hochzeit geplant sei, ändere nichts daran, dass zwei rechtskräftige Verurteilungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung vorlägen. Zum Vorbringen, dass die Staatenlosigkeit drohe, sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer selbst einen Bescheid des serbischen Innenministers vorgelegt habe, aus dem hervorgehe, dass sein Antrag auf Entlassung aus dem Staatsverband abgelehnt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 69 Abs. 1 und 2 AVG hat folgenden Wortlaut:

"§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat."

Vorliegend kommt sachverhaltsbezogen nur der Wiederaufnahmsgrund des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG in Betracht. Dieser Grund liegt nur vor, wenn Tatsachen und Beweismittel hervorkommen, die bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, aber ohne Verschulden der Partei erst nachträglich verwertet werden können, wobei es nicht erheblich ist, welchen Grad das Verschulden der Partei hat (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 19a ff zu § 69 Abs. 1 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, dass die im Schreiben vom 12. August 1997 geltend gemachten Tatsachen nicht bereits im Verwaltungsverfahren hätten vorgebracht werden können. Das Beschwerdevorbringen, das - durch Hinterlegung wirksam zugestellte, von ihm jedoch nicht behobene - Schreiben der belangten Behörde vom 4. April 1997 betreffend die Einräumung von Parteiengehör zur Frage des Widerrufs der Zusicherung sei ihm tatsächlich nicht zugekommen, ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer damit keinen Umstand aufzeigt, der ihn ohne sein Verschulden an der Erstattung eines entsprechenden Vorbringens gehindert hätte. Im Übrigen wäre die Verletzung des Parteiengehörs nicht durch einen Wiederaufnahmsantrag, sondern durch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, RZ 588 und die bei Hauer/Leukauf, a.a.O., E 19e zitierte hg. Judikatur).

Es sei hinzugefügt, dass das Schreiben des Beschwerdeführers vom 12. August 1997 keine Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmsantrages enthält und daher schon aus diesem Grund - ohne Einleitung eines Verbesserungsverfahrens - zurückzuweisen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer wurde jedoch durch die Abweisung des Antrages anstelle der Zurückweisung nicht in Rechten verletzt (vgl. die bei Hauer/Leukauf, a.a.O., E 1 ff zu § 69 Abs. 2 AVG zitierte hg. Judikatur).

Weiters macht der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel geltend, dass ihn die belangte Behörde nicht zum "Themenkreis Verfahrenswiederaufnahme und/oder Neuantragstellung" belehrt habe. Aus seinem Schreiben vom 12. August 1997 gehe lediglich eindeutig hervor, dass es dem Beschwerdeführer um die Verleihung der Staatsbürgerschaft gehe. Dieses Schreiben hätte daher nicht nur als Wiederaufnahmsantrag, sondern auch als neuer Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft angesehen werden können. Dazu hätte die belangte Behörde Erhebungen durchführen müssen.

Damit bekämpft der Beschwerdeführer die - unbedenkliche - Ansicht der belangten Behörde, dass es sich bei dem im "Betreff" als "Ersuchen um Wiederaufnahme des Einbürgerungsverfahrens" bezeichneten Schreiben vom 12. August 1997, das mit den Worten "... stelle ich den Antrag auf Wiederaufnahme des Einbürgerungsverfahrens" endet, jedenfalls auch um einen Wiederaufnahmsantrag handelt, nicht. Sollte der Beschwerdeführer mit diesem Schreiben auch die Stellung eines neuen Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft bezweckt haben, könnte er den Umstand, dass über diesen Antrag bisher noch nicht entschieden wurde, nicht in der vorliegenden, gegen den die Wiederaufnahme ablehnenden Bescheid gerichteten Beschwerde geltend machen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 16. Juni 1999

Schlagworte

Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010411.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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