Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des DT in Wien, geboren am 24. Dezember 1972, vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorferstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. April 1998, Zl. 201.818/0-VII/20/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reiste am 9. Dezember 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 17. Dezember 1997 Asyl.
Anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29. Dezember 1997 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, er sei irakischer Staatsangehöriger und habe in Bagdad gewohnt. Am 22. oder 23. September 1997 sei ein Freund seines Vaters bei ihm erschienen und habe ihm gesagt, sein Vater wäre beschuldigt worden, zur Unterstützung der Kurden in den Nordirak Geld geschmuggelt zu haben. Sein Vater wäre von anderen Händlern zu Unrecht dieses Deliktes beschuldigt worden, um ihn wirtschaftlich zu schädigen. Der Konkurrenzdruck zwischen den Händlern wäre sehr groß. Zwei Tage später sei der Beschwerdeführer von uniformierten Polizisten aufgesucht und zum Aufenthaltsort seines Vaters befragt worden. Er habe wahrheitsgemäß ausgesagt, dass sein Vater zum Zwecke der ärztlichen Behandlung seiner Mutter mit dieser gemeinsam nach Jordanien gefahren sei. Die Polizisten hätten ihm keinen Glauben geschenkt. Zwei Tage später seien wiederum Polizisten erschienen und hätten ihn wieder zum Vorwurf der Geschäftsverbindungen seines Vaters zum Nordirak befragt. Der Freund seines Vaters habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, der Beschwerdeführer würde von Organen des Sicherheitsdienstes beobachtet werden und seine Verhaftung anstelle des Vaters stünde bevor. Er sei daher geflüchtet. Im Falle seiner Rückkehr in den Irak befürchte er, festgenommen und zum Tode verurteilt zu werden, weil er sein Heimatland illegal verlassen und in Österreich um Asyl angesucht habe. Er würde anstelle seines Vaters wegen der zu Unrecht erhobenen Beschuldigung zum Tode verurteilt und hingerichtet werden.
Mit Bescheid vom 21. Jänner 1998 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG als unbegründet ab, sprach aber zugleich aus, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak sei gemäß § 8 AsylG nicht zulässig. Dieser Ausspruch nach § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG erwuchs in Rechtskraft.
Gegen die Abweisung des Asylantrages erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin führte er aus:
"Ich protestiere gegen die Ablehnung meines Asylantrages aus menschlichen Gründen und hoffe, dass Sie mir helfen wollen, und mir eine Chance zu geben, ein ruhiges Leben in Freiheit zu haben. ... Ich möchte hinzufügen, dass mein Vater und meine Mutter derzeit in Amerika in Detroit Michigan sind. Dies habe ich telefonisch von meiner Tante aus Amerika erfahren."
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung im Wesentlichen wie folgt:
"Die nochmalige - unabhängig von den Berufungsausführungen - von Seiten des unabhängigen Bundesasylsenates durchgeführte Prüfung des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens hat jedoch ergeben, dass das Bundesasylamt den rechtlich erheblichen Sachverhalt umfassend erhoben hat, zutreffende Feststellungen vornahm und den festgestellten Sachverhalt auch einer richtigen rechtlichen Beurteilung unterzog:
Auch bei seiner Ersteinvernahme, welche von der Erstbehörde richtigerweise als maßgebliche Grundlage für den erstinstanzlichen Bescheid herangezogen wurde, hat der Asylwerber nicht dartun können, dass das Vorgehen der Sicherheitsorgane in seinem Heimatland auf in der GFK aufgelistete Gründe zurückzuführen ist. Darüber hinaus jedoch ist auch festzuhalten, dass bloße Befragungen nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht dem Erfordernis der Verfolgungsintensität entsprechen. Auch aus diesem Grunde kann dem Asylbegehren nicht Rechnung getragen werden.
Der unabhängige Bundesasylsenat erhebt daher die vom Bundesasylamt vorgenommene Begründung zur Gänze zur eigenen."
Die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete die belangte Behörde nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid "wegen der dargelegten Rechtswidrigkeit" aufzuheben. Die Beschwerde wird im Wesentlichen damit begründet, dass "sich aus den Mitteilungen der Tagespresse sowie Fernsehen schlüssig ergibt", dass das Vorgehen der Polizeibehörden "gegen meine Volksgruppe von größter Härte und Brutalität gekennzeichnet" sei. Allein die Tatsache, "dass ein Familienmitglied (im konkreten Fall mein Vater) verdächtigt wird, mit Kurden zusammenzuarbeiten bedeutet bereits für die gesamte Familie eine folgenschwere Sanktion". Dies habe bedeutet, dass
"sie ab sofort in größter Lebensgefahr sind. Gerade diese Tatsache aber, die jedermann bekannt ist, führt dazu, dass wohl auch mit diesem ersten Gespräch die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nach den bestehenden Vorschriften gegeben ist. Dass die belangte Behörde sehr wohl sich der Schwere der Situation bewusst war, ergibt sich, dass sie im nicht angefochtenen Teil dieses Bescheides ein Abschieben von mir in den Irak als nicht zulässig qualifiziert".
Die belangte Behörde beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, das Bundesasylamt habe den "rechtlich erheblichen Sachverhalt umfassend erhoben, zutreffende Feststellungen (vorgenommen) und den festgestellten Sachverhalt auch einer richtigen rechtlichen Beurteilung" unterzogen. Im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der bloße Befragungen "nicht dem Erfordernis der Verfolgungsintensität" entsprächen, erhebe der unabhängige Bundesasylsenat die Begründung des Bundesasylamtes "zur Gänze zur eigenen".
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047 und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722).
Anders als die belangte Behörde vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht klar zu erkennen, welche Feststellungen die Behörde erster Instanz jeweils dem Ausspruch gemäß § 7 AsylG und § 8 AsylG zugrunde legte.
Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung gemäß § 8 AsylG damit, dass der Beschwerdeführer "eine solche Gefährdung (nämlich eine den Beschwerdeführer betreffende konkrete Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG) glaubhaft gemacht" habe und daher die Unzulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak "somit - auch im Hinblick auf die allgemeine Situation in Ihrem Heimatland - festgestellt" werde. Durch welchen konkreten Teil des Vorbringens des Beschwerdeführers diese Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG verwirklicht worden sei, wird aber in dem den Ausspruch gemäß § 8 AsylG betreffenden Spruchteil II des erstinstanzlichen Bescheides nicht näher ausgeführt. In dem die Begründung für die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG enthaltenen Teil des erstinstanzlichen Bescheides wird ausgeführt, dass das Bundesasylamt zu folgenden Feststellungen gelange:
"Der Irak ist ein totalitärer Staat. Eine Gewaltenteilung nach westlichem Vorbild existiert trotz des Parlamentes nicht. Das Regime des Staats- und Regierungschefs stützt sich vor allem auf die republikanischen Garden, den Sicherheitsapparat und die Strukturen der Baath-Partei. Sie besitzen keinen Identitätsnachweis. Ihre Person steht nicht fest."
Im weiteren heißt es, dass
"die angebliche Befragung durch Polizisten hinsichtlich des Aufenthaltsortes Ihres Vaters und der Geschäftsverbindung Ihres Vaters mit den Kurden im Nordirak, wegen des gegen Ihren Vater, ausgelöst durch die Anzeige mit Ihrem Vater konkurrierender Geschäftsleute, vorliegenden Verdachtes des Geldschmuggels in den Nordirak, bewegen sich im Rahmen der Ermittlungstätigkeit der Behörden und entsprechen somit keinem der in der Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen. Vielmehr sind Sie von den Sicherheitsorganen im Zuge polizeilicher Nachforschungen betreffend Ihren Vater als Auskunftsperson in Anspruch genommen worden. Insofern ist nicht ersichtlich, dass die Polizisten in dieser Angelegenheit aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen an Sie herangetreten sind.
Der Warnung Ihres Bekannten, dass Sie nun bald verhaftet würden, mangelt es jeder objektiven Grundlage, zumal die Polizei Sie bereits zweimal befragt hat, ohne dass weitere Konsequenzen gesetzt wurden. Weiters haben Sie bis zur Bescheiderlassung weder Dokumente, mit denen Sie Ihre Identität nachweisen noch andere Beweismittel vorgelegt, mit denen Sie Ihre Identität glaubhaft machen konnten. Aufgrund Ihres Vorbringens allein ist die Behörde nicht in der Lage, Ihre Angaben zu Ihrer Person mit der für das Asylverfahren notwendigen Verlässlichkeit festzustellen.
Das Bundesasylamt gelangt nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft ist, dass Ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht und ist Ihr Asylantrag aus diesem Grund abzuweisen."
Aus diesen Ausführungen der Behörde erster Instanz lässt sich nicht klar ableiten, ob nun die Behörde erster Instanz dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gänze die Glaubwürdigkeit versagte oder aber (lediglich) meinte, mangels Ausweispapieren (nur) nicht den Namen und die Geburtsdaten feststellen zu können. Die Wortformulierungen "die angebliche Befragung" sowie "es ist nicht glaubhaft, dass Ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht" und der Hinweis, "aufgrund ihres Vorbringens allein ist die Behörde nicht in der Lage, ihre Angaben zu ihrer Person in der für das Asylverfahren notwendigen Verlässlichkeit festzustellen" sprechen dafür, dass die Behörde erster Instanz der Verfolgungsschilderung insgesamt die Glaubwürdigkeit versagte. Andererseits hat die Behörde erster Instanz ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückreise einer Bedrohungssituation im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ausgesetzt gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hat aber gerade mit seinem Vorbringen, als Sohn seines wegen Geldschmuggels zu den Kurden im Nordirak beschuldigten Vaters einer solchen Gefährdungssituation ausgesetzt gewesen zu sein ("aufgrund der von Willkür und Gewalt geprägten Situation im Irak, vermute ich, dass ich im Falle meiner Rückkehr in den Irak, anstelle meines Vaters, wegen der gegen meinen Vater zu Unrecht erhobenen Beschuldigungen, zum Tode verurteilt und hingerichtet würde") das Vorliegen der Voraussetzungen des Ausspruches gemäß § 8 AsylG begründet. Denkbar wäre, allerdings mit den Angaben des Beschwerdeführers ihrem Sinn nach in dieser Form nicht vereinbar, dass die Behörde erster Instanz ihrem Ausspruch gemäß § 8 AsylG die Passage im Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde legte, wonach er "im Falle einer Rückkehr in den Irak festgenommen, zum Tode verurteilt und hingerichtet" würde, "weil ich mein Heimatland illegal verlassen habe und in Österreich um Asyl angesucht habe" und allein davon ausgehend annahm, unter Betrachtung der "allgemeinen Situation" im Irak würde eine Gefährdung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG vorliegen. Ein derartiges Verständnis kann dem Bescheid der Behörde erster Instanz aber nicht ohne weiteres zugemessen werden , weil der Beschwerdeführer diesen Aussageteil unzweifelhaft in einem Zusammenhang mit dem gegen seinen Vater erhobenen Verdacht gestellt hat, wofür er zur Rechenschaft hätte gezogen werden sollen. Während die Behörde erster Instanz überdies die Identitätsangaben des Beschwerdeführers offensichtlich bezweifelte, hatte wiederum die belangte Behörde insoweit - anderes ist jedenfalls nicht erkennbar - keine Zweifel. Indem die belangte Behörde aber wiederum vermeinte "festzuhalten, dass bloße Befragungen nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht dem Erfordernis der Verfolgungsintensität entsprechen", nahm sie - unter Außerachtlassung des Zusammenhanges dieser Befragungen mit den nach den Behauptungen des Beschwerdeführers auf ihn durchschlagenden Ermittlungen der irakischen Behörden gegen seinen Vater an, der Beschwerdeführer sei aufgrund der behaupteten Verfolgung seines Vaters nicht einer lebensbedrohenden Gefahr ausgesetzt (gewesen).
Angesichts der aufgezeigten Unklarheiten über die den Ausspruch der Behörde erster Instanz tragenden Gründe - auf die im angefochtenen Bescheid undifferenziert verwiesen wird - und der dazu teilweise widersprüchlichen Annahmen im angefochtenen Bescheid selbst hat die belangte Behörde diesen mit einem Begründungsmangel belastet.
Sollte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren davon ausgehen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der ihm drohenden Verfolgung wegen des gegen seinen Vater erhobenen Verdachtes anlässlich seiner Einvernahme im Verfahren erster Instanz grundsätzlich als glaubhaft anzusehen sei, so wird sich die belangte Behörde damit vor dem Hintergrund der Erwägungen im hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0431, auseinander zu setzen haben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 17. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998200495.X00Im RIS seit
20.11.2000