TE Vfgh Beschluss 1997/6/10 G397/96

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Veröffentlicht am 10.06.1997
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/01 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
KartellG 1988 §42b

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung über die Bildung von Kartellen; Anrufung des Kartellgerichts möglich und auch erfolgt; Verpflichtung der Gerichte zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrags bei Vorliegen verfassungsrechtlicher Bedenken; Unzumutbarkeit der Beschreitung des Gerichtsweges auch nicht aufgrund zwischenzeitiger Durchführung des Zusammenschlusses

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Antrag vom 11. Dezember 1996 (beim Verfassungsgerichtshof am 12. Dezember 1996 eingelangt) begehren die antragstellenden Gesellschaften - gestützt auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG -, "§42 b (1) Kartellgesetz 1988 als verfassungswidrig aufzuheben".

Die angefochtene Bestimmung wurde durch die Kartellgesetznovelle 1993, BGBl. 693, in das Kartellgesetz 1988 (KartG 1988), BGBl. 600, eingefügt und blieb seit damals unverändert. Angesichts dieses Umstandes kann es nicht zweifelhaft sein, daß die antragstellenden Gesellschaften die Aufhebung des §42b KartG 1988 idF BGBl. 693/1993 begehren.

2. Diese Bestimmung steht in folgendem rechtlichen Zusammenhang:

Gemäß §42a Abs1 KartG 1988 bedürfen Zusammenschlüsse (vgl. §41 leg.cit.) der Anmeldung beim Kartellgericht, wenn die beteiligten Unternehmer bzw. Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluß insgesamt mindestens Umsatzerlöse von 3,5 Milliarden Schilling und mindestens zwei Unternehmer bzw. Unternehmen jeweils Umsatzerlöse von mindestens 5 Millionen Schilling erzielten. Gemäß §42a Abs4 ist die Durchführung von anmeldungsbedürftigen Zusammenschlüssen vor Ausstellung einer Bestätigung nach §42b Abs1 oder 5 oder dem rechtskräftigen Ausspruch, daß der Zusammenschluß nicht untersagt wird (§42b Abs3 bis 5), verboten und sind Verträge, soweit sie diesem Verbot widersprechen, unwirksam. Gemäß §42a Abs5 leg.cit. hat das Kartellgericht auf Antrag festzustellen, ob ein Zusammenschluß in verbotener Weise durchgeführt wurde. Diesbezüglich kommt unter anderem jedem Unternehmer, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Zusammenschluß berührt werden, ein Antragsrecht zu.

§42b KartG 1988 (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben) hat folgenden Wortlaut:

"Prüfung von Zusammenschlüssen

§42 b. (1) Die Amtsparteien (§44) können binnen vier Wochen ab Zustellung der Gleichschrift der Anmeldung die Prüfung des Zusammenschlusses beantragen. Wenn kein Prüfungsantrag gestellt wird oder alle gestellten Prüfungsanträge zurückgezogen werden, hat das Kartellgericht hierüber unverzüglich eine Bestätigung auszustellen.

(2) Wenn die Prüfung des Zusammenschlusses nach Abs1 beantragt wurde, hat das Kartellgericht

1.

falls kein Zusammenschluß nach §41 vorliegt, dies auszusprechen;

2.

den Zusammenschluß zu untersagen, wenn zu erwarten ist, daß durch den Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung (§34 Abs1 und 2) entsteht oder verstärkt wird; oder, wenn dies nicht der Fall ist,

3.

auszusprechen, daß der Zusammenschluß nicht

untersagt wird.

(3) Trotz Vorliegens der Untersagungsvoraussetzungen nach Abs2 hat das Kartellgericht auszusprechen, daß der Zusammenschluß nicht untersagt wird, wenn

1.

zu erwarten ist, daß durch den Zusammenschluß auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen, oder

2.

der Zusammenschluß zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen notwendig und volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist.

(4) Wenn die Voraussetzungen sonst nicht gegeben sind, kann das Kartellgericht den Ausspruch, daß der Zusammenschluß nicht untersagt wird, mit entsprechenden Beschränkungen oder Auflagen verbinden. ...

(5) Das Kartellgericht darf den Zusammenschluß nur binnen fünf Monaten nach dem Einlangen der Anmeldung untersagen; nach dem Ablauf der Frist hat es hierüber unverzüglich eine Bestätigung auszustellen. ..."

Amtsparteien im Sinne des bezogenen §44 KartG 1988 sind der Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur, die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs.

3. a) Die antragstellenden Gesellschaften bringen vor, daß nach der von ihnen angefochtenen Bestimmung des §42b Abs1 KartG 1988 lediglich Amtsparteien hinsichtlich der Prüfung eines Zusammenschlusses antragsberechtigt seien; Unternehmer, deren rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Zusammenschluß berührt würden, sei kein Antragsrecht zuerkannt. In der Verweigerung des Antragsrechtes im Verfahren über anmeldebedürftige Zusammenschlüsse sei eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, des Rechtes auf Zugang zu einem Gericht (Art6 EMRK) sowie die Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit, der vom Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums mitgeschützten Privatautonomie und des Rechtsstaatsprinzips zu erblicken.

b) Zur Antragslegitimation führen sie aus:

"Die Antragsteller betreiben den Einzelhandel mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs, wobei die Billa Aktiengesellschaft rund 750 Supermärkte und die Merkur Warenhandels Aktiengesellschaft rund 60 Verbrauchermärkte betreiben. Aktueller Anlaß des gegenständlichen Antrages ist der Erwerb der familia-Gruppe durch die SPAR Österreichische Warenhandels-Aktiengesellschaft, welcher Erwerb gemäß §42 a KartG ... beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht angemeldet wurde. Die familia-Gruppe betreibt den Einzelhandel mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfes, und zwar primär in Vorarlberg, mit untergeordneter Bedeutung auch in Tirol. In diesen Bundesländern verfügt die SPAR-Gruppe bereits über eine marktbeherrschende Stellung, während die Antragsteller in Vorarlberg zusammen einen Marktanteil von rund 5 % und in Tirol einen Marktanteil von rund 8 % haben. Durch den Erwerb der familia-Gruppe durch SPAR würde die SPAR-Gruppe in Vorarlberg einen Marktanteil von über 60 % (!) erlangen. Die Antragsteller und deren konzernverbundene Unternehmen waren und sind gleichfalls am Erwerb der Familia-Gruppe interessiert, ...

Die Antragsteller sind durch die bekämpfte Norm aus den vorgenannten Gründen unmittelbar und aktuell betroffen, da §42 b

(1) KartG verhindert, daß die Antragsteller die Prüfung des dargestellten Zusammenschlusses durch das Kartellgericht beantragen; diese Prüfung würde gemäß §42 b KartG zwingend in einer Untersagung des Zusammenschlusses münden. Auch nach der Judikatur des EuGH wäre die unmittelbare Betroffenheit der Antragsteller zu bejahen (vgl. Körber, Konkurrentenklagen in der europäischen Fusionskontrolle, EuZW 1996, 267 ff mwN). Ein zumutbarer Umweg zur Relevierung der Verfassungswidrigkeit des §42 b (1) KartG steht den Antragstellern nicht zur Verfügung, da mit dem - zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Antrages zu vermutenden - unbenutzten Verstreichen der den Amtsparteien eingeräumten Frist von vier Wochen das Kartellgericht gemäß §42 b (1) KartG eine Bestätigung auszustellen hat und somit gemäß §42 a (4) KartG der gegenständliche Zusammenschluß wirksam wird und durchgeführt werden darf. Eine Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht kommt nicht in Betracht, da dieses im Zusammenschlußverfahren als Gericht erster Instanz tätig wird und somit gemäß Art140 (1) B-VG keine Antragslegitimation hat."

c) Im Anschluß daran legen die antragstellenden Gesellschaften ihre Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §42b Abs1 KartG 1988 im einzelnen dar.

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.

II. Der Antrag ist nicht zulässig:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, 13871/1994).

2. Ein solcher anderer zumutbarer Weg ist im vorliegenden Fall gegeben:

Es stand den Antragstellern frei zu versuchen, sich am Prüfungsverfahren betreffend des gegenständlichen Zusammenschlusses zu beteiligen. Wie aus der Äußerung der Bundesregierung hervorgeht, haben sie dies auch getan, indem sie innerhalb der vierwöchigen Frist des §42b KartG 1988 einen Prüfungsantrag im Sinne der angeführten Bestimmung gestellt und gegen den diesen Antrag zurückweisenden Beschluß des Kartellgerichtes Rekurs an den Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht unter gleichzeitiger Anregung, einen Antrag auf Aufhebung des §42b Abs1 KartG 1988 beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, erhoben haben. Gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG wäre der Oberste Gerichtshof, sofern er - gleich den Antragstellerinnen - Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes hegt, zur entsprechenden Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet gewesen (vgl. zB VfSlg. 8552/1979, 11480/1987, 12777/1991).

Auch der von den antragstellenden Gesellschaften ins Treffen geführte Umstand, daß das Kartellgericht infolge Verstreichens der den Amtsparteien eingeräumten Frist von vier Wochen eine Bestätigung auszustellen hat und somit der gegenständliche Zusammenschluß wirksam wird und durchgeführt werden darf, macht die Beschreitung des soeben aufgezeigten Weges - entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen - nicht unzumutbar. Daß solche, das Verfahren vor einem Gericht regelnden Bestimmungen und die geschilderte Wirkung der gerichtlichen Entscheidung nicht beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden können, hat seinen Grund nicht nur in der Subsidiarität des Individualantrages nach Art140 B-VG, sondern ist auch die Folge der Unanfechtbarkeit gerichtlicher Akte beim Verfassungsgerichtshof (vgl. VfSlg. 13815/1994). Es liegt an den Gerichten, die von ihnen anzuwendenden Normen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und bei Bedenken einen das Verfahren unterbrechenden Antrag auf Aufhebung zu stellen. In einem laufenden gerichtlichen Verfahren kann daher die Anwendung verfassungswidriger Gesetze regelmäßig nicht durch einen Individualantrag nach Art140 B-VG verhindert werden.

Gerade der vorliegende Fall zeigt, daß die vom Gericht in einem anhängigen Verfahren bereits angewendete Vorschrift auch durch ein aufhebendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für das abgeschlossene Verfahren nicht mehr wirksam gemacht werden könnte, da der Verfassungsgerichtshof selbst durch einen Ausspruch über die Nichtanwendung der aufgehobenen Vorschrift auf bereits verwirklichte Tatbestände (Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG) nur auf noch laufende, nicht aber auf bereits von einem Gericht entschiedene Verfahren Einfluß nehmen könnte.

Die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der die Antragsberechtigung beschränkenden Bestimmung des §42b Abs1 KartG 1988 sind daher, wenn der Oberste Gerichtshof die Bedenken der Antragsteller teilt, durch diesen aufzugreifen, können aber nicht durch die Antragstellerinnen selbst an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.

3. Angesichts dessen war der Antrag mangels Legitimation zur Antragstellung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Kartellrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G397.1996

Dokumentnummer

JFT_10029390_96G00397_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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