TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/7 W192 2194635-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2018
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Entscheidungsdatum

07.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 2168000-1/32E

W192 2167998-1/15E

W192 2194635-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.)

XXXX , alle StA. Georgien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 28.07.2017, Zl. 1137826109-161677755,

2.) vom 28.07.2017, Zl. 1137826305-161677963 und 3.) vom 30.03.2018, Zl. 1169158010-171113196, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer und seine Ehegattin, die Zweitbeschwerdeführerin, reisten illegal in das Bundesgebiet ein und stellten am 14.12.2016 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Bei der am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgehaltenen Erstbefragung gab der Erstbeschwerdeführer an, er gehöre der Volksgruppe der Kaukasus-Georgier an, bekenne sich zum Christentum östlich-orthodoxer Ausrichtung, habe im Herkunftsstaat die Grundschule und ein College absolviert und den Beruf eines Sängers ausgeübt. Seine Eltern, sein minderjähriger Sohn und ein Bruder würden sich unverändert in Georgien aufhalten. Der Erstbeschwerdeführer leide an Hepatitis C und Leberzirrhose und habe Österreich aufgrund der hier guten medizinischen Behandlung als sein Zielland gewählt. Er habe seinen Herkunftsstaat Mitte Dezember 2016 gemeinsam mit seiner Frau unter Mitführung ihrer georgischen Reisepässe und durch Griechenland ausgestellter Visa auf dem Luftweg verlassen. Ihre Reisepässe hätten sie nach Ankunft in Österreich weggeworfen. Zum Grund seiner Flucht führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass es in Georgien keine gute medizinische Behandlung gegen die bei ihm bestehenden Krankheiten geben würde und er im Herkunftsland daher wahrscheinlich bald gestorben wäre, zumal sein Immunsystem nicht mehr so gut arbeiten würde. Hier erhoffe er sich eine gute medizinische Behandlung, sodass sein Leben noch länger andauern werde.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer am gleichen Tag abgehaltenen Erstbefragung an, ebenfalls der Volksgruppe der Kaukasus-Georgier sowie dem orthodoxen Christentum anzugehören. Sie habe in Georgien die Grundschule sowie ein Universitätsstudium im Fach Geschichte absolviert und sei zuletzt Hausfrau gewesen. Im Herkunftsstaat hielten sich die Mutter, ein Bruder, eine Schwester sowie der minderjährige Sohn der Zweitbeschwerdeführerin auf. Ihre Reisebewegung und den Fluchtgrund schilderte sie in Übereinstimmung mit den Angaben des Erstbeschwerdeführers. Für den Fall einer Rückkehr befürchte sie, dass ihr Mann in Georgien keine ausreichende Behandlung bekommen würde und sehr schnell sterben könnte.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin legten jeweils ihren georgischen Personalausweis im Original vor. Ein Abgleich mit dem VIS-Informationssystem des Bundesministeriums für Inneres ergab, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Einreise im Besitz gültiger griechischer Schengen-Visa der Kategorie B gewesen sind.

Nach Zulassung ihrer Verfahren erfolgten am 06.06.2017 niederschriftliche Einvernahmen der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Der Erstbeschwerdeführer gab zusammengefasst zu Protokoll, er fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage und habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet. Der Erstbeschwerdeführer sei mit der Zweitbeschwerdeführerin standesamtlich verheiratet und habe mit dieser einen gemeinsamen minderjährigen Sohn, der aus finanziellen Gründen bei den Eltern des Erstbeschwerdeführers in Georgien verblieben wäre. Der Erstbeschwerdeführer stehe aufgrund Hepatitis C und Leberzirrhose in ärztlicher Behandlung, zudem habe er einen Tumor an der Leber. In Georgien sei er bereits seit dem Jahr 2006 bis zu seiner Ausreise in Behandlung gestanden. Dort seien ebenfalls die Diagnosen Hepatitis C und Leberzirrhose gestellt worden und er sei aufgrund dieser Erkrankungen behandelt worden. Er habe Tabletten erhalten und sei vor seiner Ausreise am Hals operiert worden; außerdem sei er zweimal mit dem sogenannten "amerikanischen Programm" behandelt worden, welches eine Behandlung mit näher bezeichneten Medikamenten und Infusionen beinhalte. Trotz der erhaltenen Behandlung habe er sich zur Ausreise entschieden, da er gehört habe, dass die Medizin in Österreich besser sei; in Georgien sei es ihm schlechter gegangen als hier. In Georgien hätten sie alles probiert; da sie ihn nicht heilen hätten können, sei er hierhergekommen. Der Erstbeschwerdeführer habe zuletzt gemeinsam mit seiner Frau, seinem Sohn und seinen Eltern in einem Eigentumshaus in einer näher bezeichneten Stadt in Zentralgeorgien gelebt. Seinen Eltern und seinem Sohn ginge es momentan sehr gut. Der Erstbeschwerdeführer habe bis 1996 als Schauspieler und Sänger an einem Theater gearbeitet, im Anschluss sei er zwei Jahre bei der Armee und danach arbeitslos gewesen. Ab 2006 habe er krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten können und eine Invaliditätsrente, zuletzt in der Höhe von 180 Lari, bezogen. Seine Frau sei Hausfrau gewesen und hätte nie gearbeitet. Seine Eltern hätten sie in dieser Zeit unterstützt. Seine wirtschaftliche Situation hätte sich gegen Ende aufgrund der kostenintensiven Behandlung als schlecht dargestellt. Grund seiner Asylantragstellung in Österreich seien seine gesundheitlichen Probleme und der Wunsch nach einer Behandlung. Seine Frau sei gemeinsam mit ihm hierhergekommen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht; er sei nie von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt worden und habe keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses gehabt. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, an seiner Krankheit zu sterben.

In Österreich lebe er gemeinsam mit seiner Frau von Mitteln der Grundversorgung. Er habe hier keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte, besuche einen Deutsch-Anfängerkurs und sei in keinem Verein Mitglied.

Der Erstbeschwerdeführer legte seine Heiratsurkunde (inkl. Übersetzung ins Deutsche) sowie ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen aus Georgien und Österreich vor. Einem Bericht einer österreichischen Krankenanstalt vom 26.05.2017 lassen sich insbesondere die Diagnosen eines hochgradigen Verdachts auf HCC, Z.n. Hepatitis C (CHILD B), Z.n. Harvoni und Ribvarin, Portale Hypertension mit Z.n. Varzien, Leukozytopenie und Thrombozytopenie sowie Z.n. Drogenabusus vor neun Jahren entnehmen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme im Wesentlichen zu Protokoll, sie fühle sich psychisch und physisch zur Durchführung der Befragung in der Lage, habe bislang wahrheitsgemäße Angaben erstattet und sei mit Ausnahme von Venenbeschwerden gesund. Sie habe im Herkunftsstaat gemeinsam mit ihrem Mann, ihrem Sohn und ihren Schwiegereltern gelebt, darüber hinaus würden unverändert ihre Mutter und zwei Geschwister in Georgien leben; sie stünde zu den genannten Familienmitgliedern in Kontakt, diesen ginge es gut. Die Zweitbeschwerdeführerin sei Hausfrau gewesen, ihr Mann sei zunächst Künstler gewesen, sei jedoch bereits seit 2006 krank und habe zuletzt eine Rente bezogen.

Zu den Gründen ihrer Antragstellung gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie seien wegen der Krankheit ihres Mannes nach Österreich gekommen. Mittlerweile leide dieser auch an einem Tumor an der Leber und würde deshalb sowie wegen der Leberzirrhose und der Hepatitis C in Österreich behandelt. Ihr Mann benötige eine Lebertransplantation, wofür laut Ärzten jedoch ein aufenthaltsrechtlicher Status erforderlich wäre. Die Zweitbeschwerdeführerin habe keine weiteren Fluchtgründe, sie sei nie von staatlicher Seite bedroht oder verfolgt worden und habe keine Probleme aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder ihres Religionsbekenntnisses gehabt. Sie habe Angst um ihren Mann gehabt.

In Österreich lebe sie von Mitteln der Grundversorgung, lerne Deutsch und kümmere sich um ihren Mann.

In einer seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Behandelbarkeit von HCC (Leberzellkarzinom/Leberkrebs) sowie der Verfügbarkeit von Lebertransplantationen in Georgien vom 20.07.2017 wurde zunächst die Erhältlichkeit diverser näher bezeichneter Medikamente dargelegt sowie ausgeführt, dass Lebertransplantationen in zwei georgischen Klinken durchgeführt werden könnten; die diesbezüglichen Kosten würden sich auf umgerechnet ca. 50.550 EUR belaufen und würden zum Teil durch die staatliche Krankenversicherung getragen.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.07.2017 wurden die Anträge der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkte I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkte II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien jeweils eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass deren Abschiebung gem. § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkte III.) und die Frist für deren freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien hätten Georgien aufgrund des Gesundheitszustandes des Erstbeschwerdeführers verlassen und seien nach Österreich gereist, da die medizinische Versorgung hier besser als in ihrer Heimat wäre. Die Zweitbeschwerdeführerin habe keine darüberhinausgehenden individuellen Gründe ins Treffen geführt. Die beschwerdeführenden Parteien seien im Falle einer Rückkehr nach Georgien keiner Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt, Georgien sei ein sicheres Herkunftsland. Der Erstbeschwerdeführer leide an Hepatitis C, Leberzirrhose und es bestünde ein hochgradiger Verdacht auf HCC. Dieser würde jedoch an keiner akut lebensbedrohlichen Krankheit leiden, welche einer Rückkehr nach Georgien entgegenstehen würde. Der gemeinsame Sohn des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sowie die Eltern des Erstbeschwerdeführers würden unverändert an der früheren Anschrift der beschwerdeführenden Parteien leben, zudem hielten sich in Georgien die Mutter und Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin und ein Bruder des Erstbeschwerdeführers auf. Die beschwerdeführenden Parteien würden in Georgien in keine existenzielle Notlage geraten, zumal sie bereits bisher von der Invaliditätsrente des Erstbeschwerdeführers sowie durch finanzielle Unterstützung seiner Eltern gelebt hätten. Die medizinische Versorgung des Erstbeschwerdeführers in Georgien sei gewährleistet. Die bei ihm diagnostizierten Krankheitsbilder seien in Georgien behandelbar und die medizinische Behandlung für eine rückkehrende Person sofort zugänglich. Der Erstbeschwerdeführer sei in Georgien bereits seit zehn Jahren wegen Hepatitis C und Leberzirrhose in Behandlung gestanden, zudem seien laut eingeholter Anfragebeantwortung auch die zur Behandlung einer HCC-Erkrankung inkl. Leukozytopenie und Thrombozytopenie benötigten Medikamente zur Gänze in Georgien verfügbar. Auch Lebertransplantationen seien in Georgien mittlerweile durchführbar. Bezüglich der Erkrankung des Erstbeschwerdeführers sei in rechtlicher Hinsicht festzuhalten, dass es nicht Aufgabe eines Mitgliedstaates sei, Ungleichheiten im medizinischen Fortschritt durch die Gewährleistung von kostenloser und unbeschränkter Gesundheitsversorgung für alle Fremden ohne Aufenthaltsrecht auszugleichen. Dies gelte auch, wenn die physische oder psychische Krankheit eine verringerte Lebenserwartung verursache und eine spezielle Behandlung erfordere, die im Herkunftsland nicht ohne weiteres oder nur zu beträchtlichen Kosten erhältlich sei. Im Allgemeinen habe kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver ist, sei unerheblich, solange es grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten im Zielland bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Dies sei im gegebenen Fall anhand der vorliegenden Länderberichte auszuschließen.

Die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien seien in Österreich nicht berufstätig, würden ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung bestreiten und bereits aufgrund ihrer erst kurzen Aufenthaltsdauer keine nachhaltige Integration im Bundesgebiet aufweisen.

3. Gegen die dargestellten Bescheide wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit für den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gleichlautendem Schriftsatz vom 10.08.2017 fristgerecht Beschwerde eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien betreffenden individuellen Umstände davon ausgegangen werden könne, dass diese im Fall einer Rückkehr nach Georgien einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wären. Nach geltender Rechtslage sei eine Überstellung ins Heimatland dann unzulässig, wenn deren Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufes oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde. Der Erstbeschwerdeführer leide an Hepatitis C, Leberzirrhose und einem Leberzellkarzinom. Nach letztem Stand befinde sich das Karzinom im BCLC-Stadium A, weshalb eine Lebertransplantation als erforderlich erachtet werde. Ebenso leide der Genannte an Ösophagusvarzien (Krampfadern in der Speiseröhre), portaler Hypertension (Pfortaderhochdruck) sowie unter Leukozytopenie und Thrombozytopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen und Blutplättchen). Die gesamte Behinderung wurde wegen seines Krankheitsbildes auf 80% geschätzt. Aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes des Erstbeschwerdeführers und der dringlichen regulären Weiterbehandlung würde die Durchführung einer Abschiebung eine massive Verschlechterung seines Krankheitsverlaufs hervorrufen, die weiteren Heilungschancen unterbinden und für ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen.

Beiliegend wurden eine Kopie des Behindertenpasses des Erstbeschwerdeführers, ein durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstelltes Sachverständigengutachten sowie aktuelle ärztliche Befunde betreffend den Erstbeschwerdeführer übermittelt.

Mit Eingabe vom 22.08.2017 wurden ein handschriftliches Schreiben des Erstbeschwerdeführers sowie ein Tumorboardprotokoll vom 03.05.2017 übermittelt, aus welchem sich im Wesentlichen ergibt, dass der Erstbeschwerdeführer an einem Leberzellkarzinom (C22.0) leidet.

4. Am 25.09.2017 stellte die Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin des zwischenzeitlich unter Mitführung seines georgischen Reisepasses ins Bundesgebiet gelangten minderjährigen Sohns des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz für den nunmehrigen Drittbeschwerdeführer. Bei der am gleichen Datum durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, ihr Sohn suche um internationalen Schutz an, da seine Eltern im Jahr 2016 2016 hier um Asyl angesucht hätten und der Minderjährige bei seinen Eltern sein wolle. Weitere Gründe habe er nicht.

Am 09.10.2017 wurden im Verfahren des Erstbeschwerdeführers zwei weitere ärztliche Schreiben übermittelt.

Mit Eingaben vom 23.11.2017 und vom 14.12.2017 wurden im Verfahren des Erstbeschwerdeführers Befundberichte mit der Diagnose Anpassungsstörung F43.2 sowie Bestätigungen über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin übermittelt.

Mit Eingabe vom 01.01.2018 wurde im Verfahren des Erstbeschwerdeführers ein aktueller Kurzbericht einer österreichischen Krankenanstalt übermittelt.

Am 26.03.2018 wurde die gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Drittbeschwerdeführers niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, ihr Sohn sei gesund und stünde nicht in ärztlicher Behandlung. In Georgien habe er die Schule besucht und nach Ausreise der Eltern bei seinen Großeltern väterlicherseits gelebt. Da er sie sehr vermisst hätte, sei er nunmehr zu seinen Eltern nachgereist. Eigene Gründe für die Antragstellung habe er nicht. In Österreich besuche der Drittbeschwerdeführer die Schule.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.03.2018 wurde der Antrag des minderjährigen Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den minderjährigen Drittbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass dessen Abschiebung gem. § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt V.) und die Frist für dessen freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer Georgien verlassen habe, da seine Eltern aufgrund der Erkrankung seines Vaters als Asylwerber in Österreich aufhältig wären. Für den Minderjährigen sei kein darüberhinausgehendes eigenes Fluchtvorbringen erstattet worden. Eine persönliche Verfolgung oder Bedrohung des minderjährigen Drittbeschwerdeführers, welcher an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leide, habe nicht festgestellt werden können. Dieser würde in Georgien in keine existenzielle Notlage geraten, sondern dort weiterhin im Familienverband mit seiner Kernfamilie leben. Auch in den Verfahren seiner Eltern hätten sich keine Gründe für die Zuerkennung internationalen Schutzes ergeben, weshalb auch die Gewährung eines Status im Rahmen des Familienverfahrens ausgeschlossen sei.

6. Gegen den dargestellten Bescheid des minderjährigen Drittbeschwerdeführers wurde mit Eingabe vom 30.04.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben, zu deren Begründung auf den Inhalt des im Verfahren seiner Eltern eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes verwiesen wurde.

7. Ebenfalls am 30.04.2018 wurde im Verfahren des Erstbeschwerdeführers ein fachpsychiatrischer und fachpsychotherapeutischer Befund vom 06.01.2018 übermittelt, welchem sich die Diagnosen eines organischen Psychosyndroms im Zusammenhang mit der Leberzirrhose im Endstadium (ICD 10 F 07.8), einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD 10.F43.1) sowie einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen (ICD 10 F 32.3).

Mit Eingaben vom 07.05.2018, vom 26.06.2018, vom 12.07.2017, vom 18.07.2018, vom 14.08.2018, vom 17.08.2018 und vom 17.09.2018 wurden jeweils weitere aktuelle ärztliche Unterlagen und Befunde betreffend die physischen Erkrankungen des Erstbeschwerdeführers übermittelt.

Am 11.05.2018 langte das Ergebnis einer seitens der damals zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Finanzierung von Lebertransplantationen in Georgien ein.

Mit Eingabe vom 25.09.2018 wurde ein Schreiben der Zweitbeschwerdeführerin übermittelt, in welcher sie auf die schwierige gesundheitliche Lage ihres Mannes verwies, welcher an Leberkrebs und Leberzirrhose leiden und dringend eine Transplantation der gesamten Leber benötigen würde. Eine solche Transplantation der gesamten Leber würde es in Georgien nicht geben.

Mit Eingabe vom 04.10.2018 wurde ein Schreiben der "Georgian Association of Transplantologists" übermittelt, in dem bestätigt wird, dass es in Georgien keine Lebertransplantationen von verstorbenen Personen geben würde.

Im Rahmen einer am 08.10.2018 seitens der gewillkürten Vertretung der beschwerdeführenden Parteien übermittelten "Beschwerdeergänzung" wurde unter Bezugnahme auf eine beim Erstbeschwerdeführer dringend erforderliche (postmortale) Lebertransplantation darauf verwiesen, dass eine solche in Georgien momentan nicht durchgeführt werde. Lebende Spenderinnen oder Spender müssten Familienmitglieder oder nahe Verwandte sein, die für die Prozedur einen äußerst strengen, aufwendigen Regelablauf befolgen müssten; zudem sei zu berücksichtigen, dass der Krankheitsverlauf im Falle des Erstbeschwerdeführers schon so weit fortgeschritten sei, dass die Teiltransplantation der Leber eines Familienmitgliedes nicht ausreichen würde. Da als einzige angemessene Therapie eine volle Lebertransplantation in Frage kommen würde, welche in Georgien derzeit nicht durchgeführt werde, würde eine Rückführung des Erstbeschwerdeführers massiv gegen seine Rechte nach Art. 3 EMRK verstoßen.

Mit Eingaben vom 10.10.2018 sowie vom 29.10.2018 wurden weitere aktuelle Ambulanzberichte über den Behandlungsverlauf des Erstbeschwerdeführers übermittelt. Mit Eingabe vom 22.10.2018 wurde überdies eine Mitteilung des "Georgischen Verbands für Transplantologen" nachgereicht, in welcher bestätigt wurde, dass eine postmortale Leberspende von einer Angehörigen des Erstbeschwerdeführers in Georgien nicht möglich wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

1.1.1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Georgien und Angehörige der georgischen Volksgruppe sowie der christlich-orthodoxen Religionsgemeinschaft. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet, der minderjährige Drittbeschwerdeführer ist deren gemeinsamer Sohn. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind gemeinsam illegal in das Bundesgebiet eingereist und haben am 14.12.2016 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer ist unter Mitführung seines georgischen Reisedokuments zu seinen Eltern ins Bundesgebiet nachgereist und hat am 29.09.2017 durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Die beschwerdeführenden Parteien haben zuletzt in einer Stadt in Zentralgeorgien im Elternhaus des Erstbeschwerdeführers gemeinsam mit den Eltern des Erstbeschwerdeführers gelebt. Außerdem halten sich im Herkunftsstaat nach wie vor die Mutter, ein Bruder und eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin sowie ein Bruder des Erstbeschwerdeführers auf.

1.1.2. Beim Erstbeschwerdeführer wurden ein Leberzellkarzinom bei vorbekannter Leberzirrhose bei Zustand nach Hepatitis C, portale Hypertension, Ösophagusvarizen, Zustand nach Drogenabusus sowie Leuko- und Thrombozytopenie diagnostiziert. In Österreich wurde aufgrund der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein Grad der Behinderung iHv 80% festgestellt. Im psychischen Bereich wurden darüber hinaus ein organisches Psychosyndrom (ICD 10 F 07.8), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10 F 32.3), eine schwere depressive Episode (ICD 10 F 32.3) sowie eine Anpassungsstörung diagnostiziert. Der Erstbeschwerdeführer stand bereits seit dem Jahr 2006 bis zu seiner Ausreise in Georgien aufgrund der Leberzirrhose sowie der Hepatitis C in ärztlicher Behandlung. Bezüglich des in Österreich diagnostizierten Leberzellkarzinoms wurde der Erstbeschwerdeführer durch transarterielle Chemoembolisation sowie durch Mikrowellenablation behandelt. Aus einer Tumorboard-Empfehlung vom 12.09.2018 ergibt sich, dass zuletzt kein Nachweis für weitere/neuere HCC suspekte Herde vorgelegen hat.

Der Erstbeschwerdeführer, welcher sich nicht in dauernder stationärer Behandlung befindet, hat nicht dargetan, dass er zum Entscheidungszeitpunkt eine Form der Lebertransplantation benötigen würde, welche in Georgien nicht erhältlich oder für ihn nicht individuell zugänglich ist. Die vom Erstbeschwerdeführer derzeit eingenommenen Medikamente (Spirobene Tbl 50mg, Dialtrend Tbl 12,5mg, Pantoloc Ftbl 40mg, Sirdalud Tbl 2mg, Zoldem Ftbl 10mg, Oleovit D3 Tr sowie Neuromultivit Ftbl.) sind in Georgien gleichermaßen erhältlich.

Die Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährige Drittbeschwerdeführer leiden an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben vorgebracht, ihren Herkunftsstaat ausschließlich aufgrund des Wunsches nach einer qualitativ hochwertigen Behandlung für den Erstbeschwerdeführer verlassen zu haben und keine darüberhinausgehenden Rückkehrbefürchtungen aufzuweisen. Die beschwerdeführenden Parteien haben keine Furcht vor individueller Verfolgung behauptet.

Es kann auch von Amts wegen nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Falle einer Rückkehr nach Georgien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wären.

1.1.3. Es besteht für die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Georgien jeweils keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Die beschwerdeführenden Parteien liefen jeweils nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die wirtschaftliche Situation der Familie - auch unter Berücksichtigung allenfalls künftig für den Erstbeschwerdeführer notwendig werdender Behandlungs- und Medikamentenkosten - als derart desolat erwiesen hätte, als dass die beschwerdeführenden Parteien, welche im Herkunftsstaat enge familiäre Anknüpfungspunkte haben, im Falle einer Rückkehr Gefahr liefen, in eine Existenz bedrohende Notlage zu geraten. Die Zweitbeschwerdeführerin ist zu einer uneingeschränkten Teilnahme am Erwerbsleben fähig, der Erstbeschwerdeführer ist in Georgien Bezugsberechtigter einer Invaliditätsrente; es wäre den beschwerdeführenden Parteien zudem möglich, wieder an ihrer früheren Anschrift Wohnsitz zu nehmen, wo sie durch ihre im gleichen Haushalt lebenden Angehörigen auch auf Unterstützung im Alltag zurückgreifen könnten.

Im Falle des Drittbeschwerdeführers ergibt sich keine aus seiner Minderjährigkeit resultierende erhöhte Gefahr, Opfer eines Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit zu werden oder in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

1.1.4. Die unbescholtenen beschwerdeführenden Parteien leben in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt und bestreiten ihren Lebensunterhalt aus Mitteln der Grundversorgung. Die beschwerdeführenden Parteien verfügen außerhalb ihrer Kernfamilie über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, sie haben Kontakte zu Nachbarn geknüpft, darüber hinaus verfügen sie über keine sozialen Bezugspersonen in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen, sie haben sich keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse angeeignet, sind keiner Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen und in keinem Verein Mitglied. Der neunjährige Drittbeschwerdeführer hat im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht die Schule in Österreich besucht, darüber hinaus verfügt er über keine Bindungen im Bundesgebiet.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

...

KI vom 30.3.2017, Visafreiheit (relevant für Abschnitt 19/ Bewegungsfreiheit)

Für Georgien ist am 28.3.2017 der visumfreie Reiseverkehr mit der Europäischen Union in Kraft getreten. Nach den neuen Regeln dürfen georgische Bürger die Länder des Schengen-Abkommens bis zu 90 Tage ohne ein Visum besuchen. Vorangegangen waren mehrjährige Verhandlungen (DW 28.3.2017). Die Einreise georgischer Staatsbürger in die Europäische Union ist auch nach der neuen Regelung an bestimmte Auflagen gebunden, wie an das Vorhandensein eines biometrischen Passes und den Nachweis ausreichender finanzieller Mittel für den Aufenthalt im Mitgliedstaat der EU, nachgewiesen etwa durch Kreditkarten oder Bargeld (GS o.D.).

Der georgische Innenminister, Giorgi Mghebrishvili, kündigte am 27.3.2017 an, dass die georgischen Grenzbeamten georgische Reisende in den Schengenraum detailliert befragen werden, um einen Missbrauch des Visaregimes und folglich dessen mögliche Suspendierung durch die EU zu verhindern. Bei Überschreitung des Aufenthaltes, der auf 90 Tage innerhalb von 180 Tagen beschränkt ist, würden laut Innenminister die EU-Mitgliedsstaaten proaktiv informiert werden. Überdies gab Mghebrishvili bekannt, dass Georgien am 4.4.2017 ein Partnerschaftsabkommen mit EUROPOL unterzeichnen werde (Civil.ge 28.3.2017).

Quellen:

-

Civil.ge (28.3.2017): Government Speaks on Safeguards against Visa-Waiver Abuse, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=29970, Zugriff 30.3.2017

-

DW - Deutsche Welle (28.3.2017): Georgier dürfen ohne Visum in die EU reisen,

http://www.dw.com/de/georgier-d%C3%BCrfen-ohne-visum-in-die-eu-reisen/a-38164800, Zugriff 30.3.2017

-

GS - Georgienseite (o.D.): Visafreiheit für georgische Staatsangehörige,

http://www.georgienseite.de/startseite/magazin-georgien-nachrichten-bilder-galerien/georgien-nachrichten-news-tbilissi-magazin/informationen-der-deutschen-botschaft/, Zugriff 30.3.2017

2. Politische Lage

In Georgien leben mit Stand 1.1.2016 laut georgischem Statistikamt 3,72 Mio. Menschen. 2014 waren es noch rund 4,49 Mio. Menschen auf

69.700 km² (GeoStat 2017).

Georgien ist eine demokratische Republik. Das politische System hat sich durch die Verfassungsreform 2013 von einer semi-präsidentiellen zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt, (AA 11.2016a). Staatspräsident ist seit 17.11.2013 Giorgi Margvelashvili (RFE/RL 17.11.2013). Regierungschef ist seit dem überraschenden Rücktritt von Irakli Garibaschwili Giorgi Kvirikashvili (seit 29.12.2015) (RFE/RL 29.12.2015). Beide gehören der Partei bzw. dem Parteienbündnis "Georgischer Traum" an.

Georgien besitzt ein Einkammerparlament mit 150 Sitzen, das durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht für vier Jahre gewählt wird. Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei, "Georgischer Traum", sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze im Parlament gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR u.a. 30.10.2016). Transparency International - Georgia beurteilte den Wahlgang als ruhig. Obgleich 70 relativ ernsthafte prozedurale Verstöße festgestellt wurden, hatten diese keinen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang (TI-G 31.10.2016).

Die Opposition warf dem Regierungslager Wahlmanipulationen vor. Unter anderem sollen Wähler unter Druck gesetzt und Stimmen gekauft worden (Standard 31.10.2016, vgl. CK 31.10.2016).

Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2013 konnte sich der Kandidat von "Georgischer Traum", Georgi Margwelaschwili, mit klarer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang gegen den Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten Michail Saakaschwili (Vereinte Nationale Bewegung), durchsetzen. Saakaschwili, zuletzt umstritten, durfte nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht mehr zur Wahl antreten. Diese Wahl brachte den ersten demokratischen Machtwechsel an der georgischen Staatsspitze seit dem Zerfall der Sowjetunion (FAZ 27.10.2013).

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" sicherte sich infolge eines überwältigenden Sieges bei den Gemeinderatswahlen im Sommer 2014 die Kontrolle über die lokalen Selbstverwaltungskörperschaften. Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) berichteten, dass es im Vorwahlkampf angeblich Druck auf oppositionelle Kandidaten gab, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Überdies sei es zu Störungen von Versammlungen der Opposition und zu etlichen Vorfällen von Gewalt gegen Wahlaktivisten gekommen. Obschon diese den Behörden bekannt waren, blieb eine amtliche Verfolgung aus (HRW 29.1.2015).

Am 27.6.2014 unterzeichneten die EU und Georgien ein Assoziierungsabkommen. Das Abkommen soll Georgien in den Binnenmarkt integrieren, wobei die Prioritäten in der Zusammenarbeit in Bereichen wie Außen- und Sicherheitspolitik sowie Justiz und Sicherheit liegen. Russland sah sich hierdurch veranlasst, seinen Druck auf die Regierung in Tiflis zu erhöhen. Am 24. November 2014 unterzeichneten Russland und das abtrünnige georgische Gebiet Abchasien eine Vereinbarung über eine "strategische Partnerschaft", mit der Moskau seine militärische und wirtschaftliche Kontrolle in Abchasien erheblich ausweitete (EP 5.12.2014).

Die EU würdigte im Juni 2016 im Rahmen ihrer Globalen Strategie zur Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik die Rolle Georgiens als friedliche und stabile Demokratie in der Region. Am 1.7.2016 trat das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Georgien in Kraft, wodurch laut der EU die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration zwischen Georgien und der Union merkbar gestärkt werden. Georgien hat seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit konsolidiert und die Respektierung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten sowie der Anti-Diskriminierung gestärkt (EC 25.11.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016a): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

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CK - Caucasian Knot (31.10.2016): In Georgia, "UNM" Party claims mass violations at elections,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/37376/, Zugriff 21.2.2017

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Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,

http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 21.2.2017

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EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 21.2.2017

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EP - Europäisches Parlament (5.12.2014): Assoziierungsabkommen EU-Georgien,

http://www.europarl.europa.eu/EPRS/EPRS-AaG-542175-EU-Georgia-Association-Agreement-DE.pdf, Zugriff 21.2.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.10.2013): Georgi Margwelaschwili gewinnt mit klarer Mehrheit, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/praesidentschaftswahl-in-georgien-georgi-margwelaschwili-gewinnt-mit-klarer-mehrheit-12636443.html, Zugriff 21.2.2017

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GeoStat - National Statistics Office of Georgia (2017):

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http://www.geostat.ge/index.php?action=page&p_id=473&lang=eng, Zugriff 21.2.2017

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/295489/430521_de.html, Zugriff 21.2.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 21.2.2017

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3. Sicherheitslage

Die Lage in Georgien ist - mit Ausnahme der Konfliktgebiete Abchasien und Südossetien - insgesamt ruhig. Beide genannte Gebiete befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung in Tiflis. In den Gebieten und an ihren Verwaltungsgrenzen sind russische Truppen stationiert (AA 20.3.2017a).

Im Zuge der Auflösung der UdSSR erhöhten sich die Spannungen innerhalb Georgiens in den Gebieten Abchasien und Südossetien, als der autonome Status der Provinzen von georgischen Nationalisten in Frage gestellt wurde. Nach der georgischen Unabhängigkeit führten heftige Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung 1992 zu Unabhängigkeitserklärungen Südossetiens und Abchasiens, die aber von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden. Der Einfluss des nördlichen Nachbarlandes wuchs kontinuierlich, unter anderem durch Ausgabe russischer Pässe an die abchasische und südossetische Bevölkerung. Nach zahlreichen blutigen Zwischenfällen und Provokationen aller Seiten eskalierte der Konflikt um Südossetien am 7. August 2008 nach einem Vorstoß georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali zu einem georgisch-russischen Krieg, der nach fünf Tagen durch einen von der EU vermittelten Waffenstillstand beendet wurde. Am 26. August 2008 erkannte Russland Abchasien und Südossetien, einseitig und unter Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der territorialen Integrität Georgiens, als unabhängige Staaten an und schloss wenig später mit diesen Freundschaftsverträge ab, die auch die Stationierung russischer Truppen in den Gebieten vorsehen. Infolge des Krieges wurden nach Schätzungen internationaler Hilfsorganisationen bis zu 138.000 Personen vorübergehend zu Vertriebenen und Flüchtlingen. Etwa 30.000 Georgier aus Südossetien konnten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die zivile EU-Beobachtermission EUMM nahm Anfang Oktober 2008 in Georgien ihre Arbeit auf. Das OSZE-Mandat lief Ende 2008 aus, UNOMIG endete im Juni 2009. EUMM ist damit die einzige verbliebene internationale Präsenz zur Stabilisierung in Georgien (AA 11.2016b).

Ein wichtiges diplomatisches Instrument zur Deeskalation des Konflikts sind die sogenannten "Geneva International Discussions - GID" (Genfer Internationale Gespräche). Diese finden seit 2008 unter Beteiligung der involvierten Konfliktparteien unter dem gemeinsamen Vorsitz von Vertretern der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der OSZE statt. Aus den Genfer Gesprächen resultierte der "Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM)" sowie die Involvierung der EUMM, sodass die lokalen Sicherheitsbehörden der Konfliktparteien vor Ort in Kontakt treten können bzw. ihnen die Möglichkeit zum Dialog eröffnet wird (OSCE 6.11.2014).

Abchasien und Südossetien bleiben außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung und werden von mehreren tausend russischen Truppen und Grenzpolizisten unterstützt. Russische Grenzschutzbeamte beschränken die Bewegung der örtlichen Bevölkerung. Die Behörden beschränken die Rechte, vor allem von ethnischen Georgiern, am politischen Prozess teilzuhaben, in Eigentumsfragen oder bei der Registrierung von Unternehmen. Überdies ist die Reisefreiheit eingeschränkt. Die südossetischen Behörden verweigern den meisten ethnischen Georgien, die während und nach dem Krieg von 2008 vertrieben wurden, nach Südossetien zurückzukehren. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang zu Südossetien, um humanitäre Hilfe zu leisten. Die Russische "Grenzziehung" der administrativen Grenzen der besetzten Gebiete setzte sich während des Jahres fort, trennte die Bewohner aus ihren Gemeinden und untergrub ihren Lebensunterhalt (USDOS 3.3.2017).

Die Vereinten Nationen zeigten sich Ende Jänner 2017 besorgt darüber, dass die angekündigten Schließungen von Grenzübertrittsstellen seitens der abchasischen Behörden negative Konsequenzen für die Bevölkerung beidseits der administrativen Grenze haben werden. Für die Menschen in Abchasien wird es schwieriger sein, auf grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitswesen und Bildung in Georgien zurückzugreifen und an Wirtschaftsaktivitäten und gesellschaftlichen Veranstaltungen jenseits der Grenze teilzunehmen. Auch wird der Zugang zu Schulbildung für Kinder mit georgischer Muttersprache, die aus Abchasien kommend die Grenze nach Georgien überqueren, behindert (UN 26.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (20.3.2017a): Georgien, Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8108DEE44ECFAF67827A2F89BA2ACDB3/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GeorgienSicherheit_node.html, Zugriff 20.3.2017

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AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

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OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (6.11.2014): Geneva International Discussions remain unique and indispensable forum, Co-chairs tell OSCE Permanent Council, http://www.osce.org/cio/126442, Zugriff 21.2.2017

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UN - United Nations in Georgia (27.1.2017): Statement of Niels Scott, Resident Coordinator, on behalf of the United Nations Country Team regarding announced closure of crossing points along the Inguri River,

http://www.ungeorgia.ge/eng/news_center/media_releases?info_id=507, Zugriff 22.2.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016,

http://www.ecoi.net/local_link/337143/466903_en.html, 17.3.2017

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justiz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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