Entscheidungsdatum
28.11.2018Norm
B-VG Art.133 Abs9Spruch
W128 2208930-1/3Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX undXXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas LANGER, LLM, 4020 Linz, Landstraße 84, gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 22.10.2018, Zl. 003.103/0104-PAEXT/2018, beschlossen:
A)
Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG iVm. Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, § 11 Abs. 2a sowie in Abs. 3 die Wortfolge "oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist" des Bundesgesetzes über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985) BGBl. Nr. 76/1985 (WV) idF BGBl. I Nr. 35/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführer sind Eltern der minderjährigen XXXX (Kind), geb. 23.09.2005. Sie sind türkische Staatsbürger.
2. Mit Bescheid vom 22.10.2018 untersagte der Stadtschulrat für Wien die Teilnahme des Kindes am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Schuljahr 2018/2019 gemäß § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) (Spruchpunkt 1). Unter einem wurde angeordnet, dass das Kind gemäß § 11 Abs. 2a SchPflG eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes (SchOG) einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung iSd § 5 SchPflG zu besuchen habe (Spruchpunkt 2) und dass die Beschwerdeführer gemäß §§ 5 und 24 SchPflG verpflichtet seien, für einen solchen Schulbesuch zu sorgen (Spruchpunkt 3). Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Überprüfung des schulpflichtigen Kindes ergeben habe, dass dieses ungenügende bzw. mangelhafte Kenntnisse der deutschen Unterrichtssprache iSd § 4 Abs. 2 lit. a Schulunterrichtsgesetz (SchUG) habe und daher gemäß § 11 Abs. 2a SchPflG eine Deutschförderklasse oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 2 bzw. Abs. 3 SchOG an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung iSd § 5 SchPflG zu besuchen habe.
3. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachten dabei im Wesentlichen vor, die in § 11 Abs. 2a SchPflG, BGBl. Nr. 76/1985 (WV) idF BGBl. I Nr. 35/2018, normierte Beschränkung der Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht durch den Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht sei gemäß Art. 17 StGG verfassungswidrig, verstoße gegen den Gleichheitssatz und gegen Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. Das Kind besuche am Evangelischen Realgymnasium Donaustadt einen Deutschförderkurs im Sinne des § 8h Abs. 3 SchOG. Es erfülle daher die allgemeine Schulpflicht gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG iVm §11 Abs. 1 und Abs. 2a SchPflG. Dem Evangelischen Realgymnasium Donaustadt könne gemäß § 15 PrivSchG derzeit das Öffentlichkeitsrecht jeweils nur für ein Schuljahr verliehen werden. Dieses führe jedoch eine gesetzlich geregelte Schulart. Aufgrund des Unterrichtserfolgs und der fortdauernden Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen sei davon auszugehen, dass dem Evangelischen Realgymnasium Donaustadt nach dem Schuljahr 2018/2019 das Öffentlichkeitsrecht dauerhaft verliehen werde, weil nach Abschluss des laufenden Schuljahres der volle lehrplanmäßige Ausbau erreicht sein werde.
Die Beschwerdeführer bringen konkret vor, dass sie aufgrund des gegenständlichen Bescheids in ihren "verfassungsgesetzlich gewährleisteten (Grund)rechten auf Privatschulfreiheit gemäß Art. 17 StGG und Gleichbehandlung gemäß Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG, Art 20, 21 EGC verletzt" würden. Während das Recht auf "Privatschulfreiheit" ein Staatsbürgerrecht sei und mangels Staatsvertrags mit der Türkei gemäß § 2a Privatschulgesetz (PrivSchG) den Beschwerdeführern im gegenständlichen Verfahren nicht offenstehe, sei das "Recht auf Gleichbehandlung" ein allgemeines Menschenrecht, dass jedermann zustehe.
Des Weiteren sei zu beachten, dass Art. 1 BVG über die Rechte von Kindern besage, dass jedes Kind Anspruch auf Schutz und Fürsorge seines Wohlergehens sowie auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung habe. Bei allen Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen müsse das Wohl des Kindes die vorrangige Erwägung sein. Art. 7 BVG über die Rechte von Kindern besage, dass eine Beschränkung dieses Artikels 1 nur zulässig sei, wenn es sich um eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme handle, welche in der demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sei. Da eine solche Notwendigkeit hier nicht vorliege, widerspreche der gegenständliche Bescheid nicht nur dem "Gleichbehandlungsgrundsatz", sondern auch dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zu Spruchpunkt A)
1.1. Rechtslage
Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.
Art. 17 Abs. 2 und 5 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) lautet:
"Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu ertheilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.
[...]
Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu."
Gemäß § 3 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, idF BGBl. I Nr. 35/2018, ist als ordentlicher Schüler ist [...] aufzunehmen, wer
a) die gesetzlichen Aufnahmsvoraussetzungen für die betreffende Schulart und Schulstufe erfüllt,
b) die Unterrichtssprache der betreffenden Schule soweit beherrscht, dass er dem Unterricht zu folgen vermag, und
c) die Eignung für die betreffende Schulart besitzt, zu deren Feststellung im Zweifelsfalle ein Gutachten des Schularztes oder des Amtsarztes einzuholen ist.
Gemäß § 4 Abs. 2 lit. a SchUG sind der allgemeinen Schulpflicht unterliegende Kinder nur dann als außerordentliche Schüler aufzunehmen, wenn [...] ihre Aufnahme als ordentliche Schüler wegen mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache nicht zulässig ist.
§ 22 Abs. 11 SchUG lautet:
"Schulpflichtigen außerordentlichen Schülerinnen und Schülern ist am Ende des Unterrichtsjahres, wenn sie aber vor Ende des Unterrichtsjahres ausscheiden, im Zeitpunkt ihres Ausscheidens eine Schulbesuchsbestätigung über das Unterrichtsjahr bzw. über die Dauer ihres Schulbesuches sowie gegebenenfalls über den Besuch einer Deutschförderklasse auszustellen. Eine Schulbesuchsbestätigung über das Unterrichtsjahr oder über die Dauer des Schulbesuches hat
1. die Beurteilung der Leistungen in den einzelnen Pflichtgegenständen oder,
2. wenn gemäß § 18a eine Information über die Lern- und Entwicklungssituation zu erfolgen hat, eine auf den Zeitpunkt des Ausscheidens bezogene schriftliche Information
zu enthalten. Z 1 gilt nicht in den Fällen des § 4 Abs. 2 lit. a, wenn und insoweit die Schülerin oder der Schüler wegen mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. b die erforderlichen Leistungen nicht erbringt."
Gemäß § 8h Abs. 1 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962, idF BGBl. I Nr. 35/2018, sind Schülerinnen und Schülern von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren und höheren Schulen, die gemäß § 4 Abs. 2 lit. a oder Abs. 5 SchUG wegen mangelnder Kenntnis der Unterrichtssprache als außerordentliche Schülerinnen oder Schüler aufgenommen wurden, nach Maßgabe der Testergebnisse gemäß den §§ 4 Abs. 2a und 18 Abs. 14 SchUG in Deutschförderklassen und Deutschförderkursen jene Sprachkenntnisse zu vermitteln, die sie befähigen, dem Unterricht der betreffenden Schulstufe zu folgen.
§ 11 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, idF BGBl. I Nr. 35/2018, lautet (auszugsweise):
"Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht
§ 11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann - unbeschadet des § 12 - auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
[...]
(2a) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.
(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht dem Landesschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Landesschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.
(4) [...]"
§ 11 Privatschulgesetz (PrivSchG), BGBl. Nr. 244/1962 idF BGBl. I Nr. 43/2018 lautet:
"§ 11 Bewilligungspflicht.
(1) Die Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung durch Privatschulen ist nur mit Bewilligung der zuständigen Schulbehörde zulässig.
(2) Die Bewilligung ist auf Ansuchen des Schulerhalters zu erteilen, wenn
a) die Organisation einschließlich des Lehrplanes und die Ausstattung der Privatschule im wesentlichen mit gleichartigen öffentlichen Schulen übereinstimmt und an der Schule nur schulbehördlich approbierte Lehrbücher, soweit eine solche Approbation vorgesehen ist, verwendet werden,
b) der Leiter und die Lehrer die Lehrbefähigung für die betreffende Schulart besitzen, wobei jedoch die zuständige Schulbehörde vom Nachweis der Lehrbefähigung für Lehrer absehen kann, wenn Mangel an entsprechend lehrbefähigten Lehrern besteht und ein sonstiger ausreichender Befähigungsnachweis erbracht wird, und
c) glaubhaft gemacht wird, daß die Führung der Privatschule für mehrere Jahre mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit sichergestellt ist.
(3) Bei Gebietskörperschaften, gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts wird die Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 2 lit. c von Gesetzes wegen angenommen.
(4) Um die Bewilligung zur Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung kann gleichzeitig mit der Anzeige der Errichtung der Privatschule (§ 7) angesucht werden.
Gemäß § 13 Abs. 1 Privatschulgesetz, BGBl. Nr. 244/1962 idF BGBl. I Nr. 43/2018 wird durch die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes einer Privatschule das Recht übertragen, Zeugnisse über den Erfolg des Schulbesuches auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen ausgestattet sind wie Zeugnisse gleichartiger öffentlicher Schulen."
§ 14 PrivSchG lautet (auszugsweise):
"§ 14. Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes.
(1) Privatschulen, die gemäß § 11 eine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen, ist das Öffentlichkeitsrecht zu verleihen, wenn
a) der Schulerhalter (bei juristischen Personen dessen vertretungsbefugte Organe), der Leiter und die Lehrer Gewähr für einen ordnungsgemäßen und den Aufgaben des österreichischen Schulwesens gerecht werdenden Unterricht bieten und
b) der Unterrichtserfolg jenem an einer gleichartigen öffentlichen Schule entspricht.
[...]
(3) Bei Gebietskörperschaften, gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts wird die Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und des Abs. 2 lit. a von Gesetzes wegen angenommen."
Gemäß § 15 PrivSchG darf das Öffentlichkeitsrecht an Privatschulen vor ihrem lehrplanmäßig vollen Ausbau jeweils nur für die bestehenden Klassen (Jahresstufen) und jeweils nur für ein Schuljahr verliehen werden. Nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues kann das Öffentlichkeitsrecht nach Maßgabe der Unterrichtserfolge auch auf mehrere Schuljahre verliehen werden. Wenn Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen besteht, ist das Öffentlichkeitsrecht nach Erreichung des lehrplanmäßig vollen Ausbaues der Schule auf die Dauer der Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen zu verleihen.
1.2. Präjudizialität und Anfechtungsumfang
Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 und Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG berechtigt, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegt.
Den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten kommt im Verfahren nach dem Schulpflichtgesetz Parteistellung zu (siehe Jonak/Kövesi Das Österreichische Schulrecht14, Anm. 2 zu § 6 SchPflG, S. 491).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Kind der Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 2a iVm Abs. 3 SchPflG die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Schuljahr 2018/2019 untersagt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden verwaltungsbehördlichen Handelns zu überprüfen. Aus diesem Grund hat auch das Bundesverwaltungsgericht die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, die daher präjudiziell im Sinne des Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG sind.
Letztlich ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Gesetzesbestimmung derart abzugrenzen, dass die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg. 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003). Ein untrennbarer Zusammenhang ist anzunehmen, wenn sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der vom Verfassungsgerichtshof anzuwendenden Bestimmungen nicht ohne Mitberücksichtigung weiterer Bestimmungen beantworten lässt, insbesondere deshalb, weil sich ihr (gegebenenfalls verfassungsrechtlich bedenklicher) Inhalt erst mit Blick auf diese weiteren Bestimmungen erschließt. Ein solcher Zusammenhang kann sich aber auch daraus ergeben, dass diese weiteren Bestimmungen durch die Aufhebung der verfassungsrechtlich bedenklichen Normen einen völlig veränderten Inhalt erhielten (vgl. VfSlg. 8155/1977, 8461/1978 uva).
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Bereinigung der - wie folgend unter Punkt 1.3. dargelegt wird - verfassungswidrigen Rechtslage die Aufhebung sowohl des § 11 Abs. 2a SchPflG als auch in Abs. 3 die Wortfolge "oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist" leg. cit. notwendig, weil die darin enthaltenen Bestimmungen in untrennbarem Zusammenhang zu einander stehen und auf einander Bezug nehmen. Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen, dass durch die Aufhebung "mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall bildet", so wird auf die jüngste Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach eine zu weite Fassung eines Antrags diesen nicht in jedem Fall unzulässig macht. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen erfasst, führt dies - ist der Antrag in der Sache begründet - im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfGH 8.10.2014, G 83/2014 u.a.; 9.12.2014, G 136/2014 u.a.; 10.3.2015, G 203/2014 u. a.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies - wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind - im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrags und nicht mehr zur Zurückweisung des gesamten Antrags (VfGH 9.12.2014, G 136/2014 u.a.; 10.3.2015, G 203/2014 u.a.).
1.3. Verfassungsrechtliche Bedenken
Das schulpflichtige Kind wurde für das Schuljahr 2018/2019 als außerordentliche Schülerin am Evangelischen Realgymnasium Donaustadt aufgenommen und besucht dort einen im Sinne des § 8h Abs. 3 SchOG eingerichteten Deutschförderkurs. Das Evangelische Realgymnasium Donaustadt ist eine Privatschule, welche die gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung "Realgymnasium" führt. Da diese Privatschule derzeit noch nicht voll ausgebaut ist, darf ihr gemäß § 15 PrivSchG das Öffentlichkeitsrecht jeweils nur für ein Schuljahr verliehen werden. Wobei die zuletzt erfolgte Verleihung mit Bescheid des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 28. Mai 2018, Zl. BMBWF-32.049/0002-BS/5/2018, erfolgte und das Schuljahr 2017/2018 betraf. Für das Schuljahr 2018/2019 ist bis dato noch keine Verleihung erfolgt. Da der Schulerhalter die Evangelische Kirche ist, wird gemäß § 14 Abs. 3 PrivSchG von Gesetzes wegen angenommen, dass die vertretungsbefugten Organe des Schulerhalters, der Leiter und die Lehrer Gewähr für einen ordnungsgemäßen und den Aufgaben des österreichischen Schulwesens gerecht werdenden Unterricht bieten. Dennoch liegt bis zur Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes für das Schuljahr 2018/2019 eine Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht vor.
Die nunmehr seit 01.09.2018 in Geltung stehenden, angefochtenen Bestimmungen greifen in die bisher gemäß § 11 Abs. 3 iVm Abs. 1 SchPflG vorzunehmende ex ante Prüfung eines mit einem an einer im § 5 leg. cit. genannten Schule gleichwertigen Unterrichts derart ein, dass eine solche Prüfung zu unterbleiben hat, und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 des SchOG zu besuchen haben, von vorne herein vom Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichem Unterricht (§ 11 Abs. 2 SchPflG) ausgeschlossen werden. Die Formulierung, "Der Landesschulrat kann..." in Zusammenhang mit dem letzten Halbsatz des § 11 Abs. 3 SchPflG ist dabei nicht als Ermessensentscheidung zu verstehen, da nach dem klaren Wortlaut des Abs. 2a leg. cit. Schüler ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen haben.
Nach der mit VfSlg. 13. 836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14. 650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16. 080/2001 und 17. 026/2003) enthält Art. l Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBI. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Die angefochtenen Bestimmungen führen im Ergebnis dazu, dass Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einen Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 SchOG zu besuchen haben, was schon auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung überwiegend Fremde betrifft, eine kirchliche Privatschule besuchen können, der das Öffentlichkeitsrecht auf Dauer verliehen wurde, jedoch keine sich im Aufbau befindliche kirchliche Privatschule, die nach einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung eingerichtet ist und der das Öffentlichkeitsrecht gemäß § 15 PrivSchG jeweils nur für ein Schuljahr verliehen werden darf, obwohl die Gleichwertigkeit des Unterrichts gemäß § 14 Abs. 3 PrivSchG gesetzlich angenommen wird. Zwischen einer Schule, der das Öffentlichkeitsrecht auf mehrere Schuljahre (bzw. auf Dauer) verliehen wurde, weil sie sich im Vollausbau befindet und einer Schule, der das Öffentlichkeitsrecht jeweils nur für ein Schuljahr zu verleihen ist, bei der jedoch von Gesetzes wegen angenommen wird, dass sie einen ordnungsgemäßen und den Aufgaben des österreichischen Schulwesens gerecht werdenden Unterricht bietet, bestehen in Bezug auf die angefochtenen Bestimmungen keine wesentlichen Unterschiede im Tatsächlichen. Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt der Verleihung des Öffentlichkeitsrechts von der Behörde zu einem willkürlich bestimmten Zeitpunkt, für gewöhnlich vor Ablauf des Schuljahres rückwirkend erfolgt. Für die Anwendung der angefochtenen Bestimmungen macht es hier jedoch einen sachlich nicht begründbaren Unterschied, ob das Öffentlichkeitsrecht bereits verliehen wurde oder nicht.
Eine Trennung der angefochtenen Bestimmungen, mit einer Beschränkung nur auf den häuslichen Unterricht ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht möglich, da es sich beim Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslichem Unterricht gemäß § 11 SchPflG um ein einheitliches System handelt, dass aus einer ex ante Prüfung mit abschließenden ex post Prüfung besteht, bei der jeweils für sich genommen zu prüfen ist, ob der Schüler im darauffolgenden Schuljahr eine Schule iSd § 5 SchPflG zu besuchen hat, wobei es unerheblich ist, ob der Schüler seine Schulpflicht durch den Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder des häuslichem Unterrichts erfüllt, da beide Fälle der "Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht" (so die Überschrift zum Abschnitt C des SchPflG 1985) dienen (vgl. VwGH vom 24.04.2018, Ro 2018/10/0004).
In diesem Sinne liegt auch eine Verletzung von Art. 17 Abs. 3 StGG vor, da durch die angefochtenen Bestimmungen eine Beschränkung des häuslichen Unterrichts vorgenommen wird. Durch § 11 Abs. 2a SchPflG kommt eine ex ante Prüfung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. von vorne herein nicht in Frage und wird unabhängig davon, ob der häusliche Unterricht jenem an einer im § 5 leg. cit. genannten Schule gleichwertig ist oder nicht, die Teilnahme an einem solchen grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch unterliegt nach der Verfassungsbestimmung des Art. 17 StGG der häusliche Unterricht überhaupt keinen Beschränkungen. Daraus ergibt sich, dass weder die Bundesgesetzgebung noch die Landesgesetzgebung für den häuslichen Unterricht Beschränkungen irgendwelcher Art, insbesondere auch nicht durch Festlegung des Erfordernisses einer fachlichen Befähigung für die Erteilung eines solchen Unterrichtes, festlegen darf. In dieser Hinsicht ist daher weder eine Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung noch eine Zuständigkeit der Landesgesetzgebung gegeben (siehe VfGH vom 22.06.1954, KII-6/54).
Durch die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen wird auch ihr Zweck nicht beseitigt, da nach den verbleibenden Bestimmungen weiterhin ex ante zu prüfen ist, ob ein gleichwertiger Unterricht, auch im Zusammenhang mit einer Deutschförderklasse gemäß § 8h Abs. 2 oder einem Deutschförderkurs gemäß § 8h Abs. 3 SchOG gegeben ist.
Aus diesen Gründen erscheint nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes die beantragte Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof geboten.
2. Zu Spruchpunkt B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm. § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.
Schlagworte
außerordentlicher Schüler, Deutschförderklasse, Deutschförderkurs,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W128.2208930.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.02.2019