Entscheidungsdatum
22.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W189 2010795-1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2014, Zl. 722492708-2106905, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.10.2018, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9 FPG und § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, stellte nach illegaler Einreise am 29.07.2002 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. In seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er unter falschen Namen an, er sei geflüchtet, da es die Jugend in Tschetschenien nicht leicht habe. Das russische Militär nehme willkürliche Misshandlungen vor. Der Beschwerdeführer habe am rechten Fuß eine Schussverletzung aus dem Jahr 1999. Zwei seiner Onkel seien im Krieg getötet worden.
2. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.08.2002 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen vor, dass in Tschetschenien Krieg herrsche und man dort nicht leben könne. Im Jahr 2000 habe der Beschwerdeführer begonnen, mit seinem Onkel gegen die Russen zu kämpfen. Der Onkel habe den Beschwerdeführer aber nach acht Monaten nach Hause geschickt, da der Krieg nichts für den Beschwerdeführer gewesen sei. Er habe Angst vor dem Krieg und auch keine Arbeit gehabt. Im Falle einer Rückkehr könne es sein, dass der Beschwerdeführer an die russischen Behörden ausgeliefert werde. Es sei bereits eine Fahndung nach dem Beschwerdeführer eingeleitet worden.
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.08.2002, FZ. 02 20.319-BAE, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29.07.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 AsylG 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt.
Mit Schriftsatz vom 29.08.2002 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 26.08.2002 (eine als Berufung eingebrachte) Beschwerde.
Mit Schriftsatz vom 04.09.2002 übermittelte das Bundesasylamt dem unabhängigen Bundesasylsenat ein als "Meldung" betiteltes Schreiben eines Sicherheitswacheorgans, demzufolge der Beschwerdeführer im Polizeianhaltezentrum einer Flüchtlingsbetreuerin mitgeteilt habe, wie sein richtiger Name laute. Weiters legte das Bundesasylamt eine in russischer Handschrift verfasste Berufungsergänzung vor, in welcher der Beschwerdeführer u.a. seine neuen Identitätsangaben bestätigte.
Der unabhängige Bundesasylsenat stellte das Berufungsverfahren mit Aktenvermerk vom 03.04.2003 gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 mangels Feststellbarkeit des maßgeblichen Sachverhaltes wegen der Abwesenheit des Beschwerdeführers (mit Hinweis auf eine ZMR-Auskunft) ein.
4. Bereits am 05.09.2002 hatte der Beschwerdeführer unter einem anderen Namen einen weiteren, seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das Verfahren hinsichtlich eines vom Beschwerdeführer unter einer anderen Identität gestellten, dritten Asylantrages, war vom Bundesasylamt wegen unbekannten Aufenthaltes zwischenzeitlich eingestellt worden.
Das mit dem zweiten Asylantrag vom 05.09.2002 eingeleitete Asylverfahren stellte das Bundesasylamt mit Aktenvermerk vom 05.02.2003 (ebenfalls) gemäß § 30 AsylG 1997 wegen Abwesenheit des Beschwerdeführers ein, um es nach Ermittlung einer ladungsfähigen Zustelladresse - formlos - durch Übermittlung einer mit 06.11.2003 datierten Ladung zur Einvernahme wieder fortzusetzen. In seiner Einvernahme am 11.08.2004 bestätigte der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit seiner Identitätsangaben, die er anlässlich seines ersten Asylantrages gemacht hatte. Weiters legte er einen Schülerausweis sowie eine Berufsschulbesuchsbestätigung vor. Er gab an, sein Vater sei 2001 ermordet worden, weshalb er selbst flüchten habe müssen.
5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.08.2004, FZ. 02 24.927-BAL, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 05.09.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 festgestellt; weiters wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet (ohne Zielstaatsbezogenheit) ausgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer (ebenfalls) eine (als Berufung eingebrachte) Beschwerde.
6. Der Beschwerdeführer wurde
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mit Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom XXXX2005, Zl. XXXX, wegen §§ 15, 127 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (Jugendstraftat) im Ausmaß von 3 Wochen,
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mit Urteil des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom XXXX2005, Zl. XXXX, wegen § 229 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (junger Erwachsener) im Ausmaß von 2 Monaten und
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mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX2007, Zl. XXXX, wegen §§ 127, 129 Abs. 1, 130 (2. Satz 2. Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt.
7. Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11.06.2007 auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.
8. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 09.03.2010 wurde zur Zl. D6 230751-3/2010/17E die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.08.2002, Zl. 02 20.319-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.03.2010 gemäß § 63 Abs. 5 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG als unzulässig zurückgewiesen, da die belangte Behörde von der Richtigkeit der damaligen Angaben des Beschwerdeführers - der behauptet hatte, volljährig zu sein - ausgegangen war, und sie den angefochtenen Bescheid folglich dem Beschwerdeführer selbst, nicht jedoch dem örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger als dessen gesetzlichem Vertreter zugestellt hatte. Die Rechtsmittelfrist nach § 63 Abs. 5 AVG hatte mangels rechtsgültiger Zustellung des angefochtenen Bescheides vom 26.08.2002 somit nie zu laufen begonnen, da der Bescheid nicht erlassen worden war. Im Rahmen der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 02.03.2010 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, seine Angaben im Rahmen der bisherigen Einvernahmen würden der Wahrheit entsprechen. Er habe schon angegeben, dass sein Vater im Jahr 2001 ermordet und der Beschwerdeführer vier oder fünf Tage später mitgenommen worden sei. Er habe keine Dokumente aus der Heimat. Im Rahmen der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, im Rahmen der Antragstellung ein falsches Geburtsdatum angegeben zu haben. Er legte eine gefaxte Meldebestätigung und einen Studienausweis vor.
9. Im fortgesetzten Verfahren führte das Bundesasylamt am 10.05.2010 eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers durch, im Zuge welcher der Beschwerdeführer zusammengefasst angab, er sei ledig und alleinstehend. In Österreich würden drei Onkel und ein Cousin leben, die der Beschwerdeführer oft besuche. Der Beschwerdeführer habe weiters regelmäßig telefonischen Kontakt zu seinen in Tschetschenien lebenden Angehörigen, seiner Mutter und einem Bruder. Der Beschwerdeführer spreche schon gut Deutsch, habe aber aktuell keine legale Beschäftigung mangels Arbeitsbewilligung. An einem weiteren gesellschaftlichen Leben in Österreich nehme er nicht teil. Er sei im Verfahren rechtsfreundlich vertreten. Befragt, ob sich Änderungen im Hinblick auf sein bisheriges Vorbringen ergeben hätten, gab er an, seine Verletzung stamme gar nicht von einer Schussverletzung, sondern von einem Eisennagel. Seine weiteren bisherigen Angaben zum Reiseweg würden ebenfalls nicht der Wahrheit entsprechen. Der Beschwerdeführer habe im Jahr 2002 schon einmal in der Slowakei einen Asylantrag gestellt. Die bisherigen Angaben zu den Ausreisegründen würden ebenfalls nicht stimmen. Er habe in der Heimat mit seiner Mutter gemeinsam mit Lebensmitteln gehandelt. Im Jahr 2001 sei der Vater getötet worden, da er Widerstandskämpfer mit Lebensmitteln unterstützt habe. Danach sei der Beschwerdeführer mitgenommen und nach den Freunden seines Vaters befragt worden. Da er deren Namen aber nicht gekannt habe, sei er freigekauft worden und habe dann Tschetschenien verlassen. Er sei von unbekannten Maskierten abgeholt und drei Tage in einer Zelle angehalten, befragt und geschlagen worden. Nach der Freilassung seien erneut mehrfach Leute zu ihrem Haus gekommen und hätten den Beschwerdeführer gefragt, ob er jetzt Namen nennen könne. Es gäbe auch keine Fahndungsliste, auf der der Name des Beschwerdeführers stehe. Auch die diesbezüglichen Angaben im bisherigen Verfahren seien nicht richtig. Beweismittel für sein Vorbringen habe er keine.
9. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.07.2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29.07.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 festgestellt (Spruchpunkt II.); weiters wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers auf Grund der zahlreichen Widersprüche nicht glaubhaft seien.
10. Mit Schriftsatz vom 02.08.2010 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, worin der Bescheid vom 20.07.2010 zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Widersprüche zwischen den Angaben der einzelnen Einvernahmen gegenüberstelle. Der Beschwerdeführer habe übereinstimmend angegeben, von den Russen verfolgt zu werden und sei der Grund dafür, dass sein Vater Widerstandskämpfer mit Medikamenten und Lebensmitteln versorgt habe. Aus diesem Grund sei der Vater getötet worden und fünf Tage später der Beschwerdeführer selbst festgenommen, drei Tage angehalten und geschlagen worden. Es sei der Behörde freigestanden, durch entsprechende Erhebungen die Widerstandtätigkeit des Vaters durch Recherchen zu erheben. Was die Ausstellung des Inlandspasses anbelange, so könne dieser ohne weiteres bei Bezahlung entsprechender Gebühren erlangt werden. Es fehle an geeigneten Erhebungsergebnissen und Tatsachenfeststellungen.
Am 22.10.2013 fand vor dem Asylgerichtshof eine mündliche Verhandlung statt, an welcher das Bundesasylamt entschuldigt nicht teilnahm, da die Teilnahme eines Vertreters gemäß Schreiben vom 26.09.2013 aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich gewesen sei und wurde zugleich die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt. Auf Grund der erfolgten ordnungsgemäßen Ladungen wurde eine Verhandlung in Abwesenheit gemäß § 42 Abs. 4 AVG durchgeführt.
Auch nach der Verhandlung sei keinerlei Entschuldigung bzw. Erklärung für das unentschuldigte Fernbleiben von der Verhandlung erfolgt, und zwar weder seitens des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers, noch seitens der geladenen Zeugin.
Am 28.01.2014 führte das - nunmehr zuständige - Bundesverwaltungsgericht eine neuerliche ZMR-Abfrage durch, wonach der Beschwerdeführer seit 14.01.2014 über keine aufrechte Wohnsitzmeldung mehr verfüge.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2014 wurde dieser Umstand dem zustellbevollmächtigten Rechtsanwalt des Beschwerdeführers zur Kenntnis gebracht sowie dieser aufgefordert, Angaben zum derzeitigen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers zu tätigen sowie bekannt zu geben, ob die derzeitige Vollmacht noch aufrecht erhalten werde. Weiters wurde nochmals darauf hingewiesen, dass gegen den Beschwerdeführer ein nach wie vor aufrechtes Rückkehrverbot bestehe und bereits am 22.10.2013 auf Grund der unentschuldigten Abwesenheit des Beschwerdeführers in dessen Abwesenheit verhandelt werden habe müssen.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2014 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 AsylG 2005 vorläufig eingestellt. Der Beschwerdeführer blieb der anberaumten Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 22.10.2013 trotz ordnungsgemäßer Ladung fern und wurde mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 30.01.2014 bekanntgegeben, dass das Vollmachtsverhältnis erloschen sei. Weitere Angaben, etwa zum Aufenthaltsort oder zum Fernbleiben von der Verhandlung, wurden nicht getätigt.
Mit Eingabe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2014 wurde dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht, dass der Beschwerdeführer im Zuge einer sicherheitsbehördlichen Kontrolle am 01.02.2014 nach dem FPG festgenommen worden sei. Nach durchgeführter Melderegisterabfrage wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.03.2014 das Beschwerdeverfahren wieder fortgesetzt.
11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.05.2014, Zl. W133 1230751-3/20E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.07.2010, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.05.2014, hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 7 AsylG 1997 und 8 Abs. 1 AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt II.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine ihm konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. für eine aktuelle drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechende Gründe glaubhaft vorgebracht habe und könne im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handle, kein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt erkannt werden. Dieser Umstand des mehr als sechs Jahre dauernden unrechtmäßigen Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet und der weitere Verbleib des Beschwerdeführers trotz eines bestehenden Rückkehrverbotes könne schon nicht zu Gunsten der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet ins Treffen geführt werden. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wurde stark zu Lasten seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet bewertet, dass der Beschwerdeführer sein von ihm vorgebrachtes Familienleben zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, als er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen: Sowohl die strafgerichtlichen Verurteilungen, als auch die bescheidmäßige Anordnung des Rückkehrverbotes hätten sich vor Begründung des Familienlebens zur Tochter, welche am 13.11.2011 geboren worden sei, ereignet. Auch habe sich der Beschwerdeführer bislang nicht um die Aufhebung seines bis 09.02.2019 geltenden Rückkehrverbotes bemüht. Überdies habe der Beschwerdeführer eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen vom 03.12.2013 bis zum 31.01.2014 in Haft verbüßt. Schließlich sei die lange Dauer seines Asylverfahrens auch durch das eigene Verhalten des Beschwerdeführers mit verursacht worden, da er insgesamt drei verschiedene Anträge unter unterschiedlichen Identitäten in Österreich gestellt habe. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller genannten Umstände sei die Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers nicht auf Dauer unzulässig, weshalb gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 das Verfahren in diesem Umfang zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückzuverweisen gewesen sei.
12. Am 27.04.2014 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er befragt an, dass im Bundesgebiet drei Brüder seiner Mutter und ein Cousin mütterlicherseits leben würden, zu denen er in Kontakt stehe und die er wöchentlich treffe. Sie würden nicht gemeinsam wohnen, aber würde ihm jeder Geld geben, wenn der Beschwerdeführer welches brauche. Ansonsten gebe es keine Personen in Österreich, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen würde. Auch seien keine nennenswerten Freundschaften während des Aufenthaltes entstanden. Der Beschwerdeführer führe eine Beziehung und habe eine Tochter im Bundesgebiet, die er regelmäßig besuche und würden er und seine Lebensgefährtin ein weiteres Kind erwarten. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache und gehe momentan einem Erwerb nach. Er besuche keine Schule, die Universität oder Kurse und sei auch nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen. Zum Tagesablauf führte der Beschwerdeführer an, dass er Lagerarbeiter sei und auch sonst versuche, alle Arten von Arbeiten auszuführen. Ohne Arbeitsbewilligung sei es sehr schwierig für ihn. Er selber wohne in Wien und seine Lebensgefährtin in Wr. Neustadt. Er sei im Jahr 2012 für zwei Tage in Deutschland gewesen, aber wieder überstellt worden. Zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass seine Mutter und sein Bruder in Gudermes, und die Geschwister seiner Eltern in verschiedenen Städten leben würden. Der Beschwerdeführer habe über Skype telefonischen Kontakt mit seinen Verwandten. Weiters gab er befragt zu Protokoll, dass er früher verurteilt worden sei, er ein Kind und übermütig gewesen sei und das jetzt nicht mehr mache. Der Beschwerdeführer sei gesund.
13. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden dem Beschwerdeführer Aufenthaltstitel gemäß § 57,55 AsylG 2005 nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG festgestellt (Spruchpunkt I.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bemessen (Spruchpunkt II.).
Begründend führte die Behörde aus, dass nach einer erfolgten individuellen Abwägung der betroffenen Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der öffentlichen Interessen andererseits, der Eingriff durch die erlassene Rückkehrentscheidung als verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK angesehen werden könne. Zwar halte sich der Beschwerdeführer seit nunmehr 12 Jahren im Bundesgebiet auf, habe hier eine Tochter sowie Verwandte, spreche Deutsch und gehe einem Erwerb nach, jedoch sei er während seines Aufenthaltes drei Mal verurteilt worden und bestehe gegen ihn ein aufrechtes Rückkehrverbot, um dessen Aufhebung er sich auch niemals bemüht habe. Seit dessen Erlassung durch die BPD Wien am 21.06.2007 verfüge der Beschwerdeführer über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung, sondern lediglich über einen faktischen Abschiebeschutz, womit ihm kein rechtmäßiger Aufenthalt mehr zukomme. Auch sei die lange Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet durch die Stellung von insgesamt drei Asylanträgen unter Angaben unterschiedlicher Identitäten verursacht worden. Schließlich sei das Familienleben entstanden, als der Beschwerdeführer sich des unsicheren Aufenthaltes bewusst hätte sein müssen. Im Hinblick darauf, dass er ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung gearbeitet habe, stehe außer Zweifel, dass die Einhaltung der österreichischen Gesetze eine untergeordnete Bedeutung habe. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
15. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges insbesondere moniert, dass er sich seit nunmehr 12 Jahren im Bundesgebiet aufhalte, er eine Lebensgefährtin habe, die schwanger sei und mit welcher er bereits eine Tochter habe. Auch spreche er fließend Deutsch, verfüge über ein breites Netz an sozialen Kontakten und wäre er in der Lage, im Falle einer Aufenthaltsberechtigung, sich am österreichischen Arbeitsmarkt einzugliedern. Beim Beschwerdeführer sei jedenfalls eine gemäß höchstgerichtlicher Judikatur maßgebliche Integration gegeben und müsse die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt werden. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
16. Mit Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom XXXX2014, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.
17. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX2016, Zl.XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.
18. Mit Straferkenntnis der LPDWien vom XXXX2017, Zl. XXXX, wurde über den Beschwerdeführer wegen Verletzung von § 52 lit. A Z 10a StVO, § 102 Abs. 1 iVm § 36 lit.a KFG und § 44 Abs. 4 KFG eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von insgesamt 990,- Euro verhängt.
19. Mit Schreiben vom 05.10.2018 wurde die Polizeiinspektion Bruck/Leitha im Wege der Amtshilfe um sachdienliche Erhebung an der Meldeadresse des Beschwerdeführers ersucht, ob dieser dort tatsächlich wohnhaft ist, da ein hg. erstelltes Schreiben am 02.10.2018 mit dem Postvermerk "nicht behoben" retourniert sei.
Mit Schreiben der LPD Niederösterreich vom 11.10.2018 wurde berichtet, dass der Beschwerdeführer nicht an der besagten Adresse, sondern laut neuerlicher ZMR-Auskunft in Wien wohnhaft sei.
20. Am 16.10.2018 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt, zu welcher der Beschwerdeführer und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Im Rahmen dessen wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten, ausführlich zu einem etwaig entstandenen Privat- und Familienleben Stellung zu beziehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete mit Schreiben vom 13.09.2018 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und ist ein Vertreter der Behörde entschuldigt nicht erschienen. Vorgelegt wurde in der Verhandlung ein als Einstellungszusage bezeichnetes Schreiben vom 10.10.2018, laut welchem dem Beschwerdeführer eine mögliche Einstellung als Fahrer zugesagt wird.
20. Am 18.10.2018 brachte die rechtsfreundliche Vertretung einen aktuellen Versicherungsdatenauszug sowie Fotos des Beschwerdeführers mit seinen Kindern.
21. Mit Parteiengehör vom 23.10.2018 wurde der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers das aktuelle Länderinformationsblatt zur Lage in der Russischen Föderation übermittelt und eine einwöchige Frist für die Abgabe einer etwaigen Stellungnahme gewährt. Mit Schreiben vom 30.10.2018 verzichtete die Beschwerdeführervertretung auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakte des Beschwerdeführers, insbesondere beinhaltend die Vorverfahren des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.05.2014, Zl. W133 1230751-3/20E, die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.10.2018, und schließlich durch Einsicht in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS und IZR sowie durch Einsichtnahme in das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation (Stand 31.08.2018) sowie Einsicht in die Strafakte des Beschwerdeführers.
1. Feststellungen:
1.1. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger der Russischen Föderation sowie Zugehöriger der tschetschenischen Volksgruppe ist und sich zum muslimischen Glauben bekennt. Er spricht die Sprachen Russisch und Tschetschenisch. Im Herkunftsstaat, wo der Beschwerdeführer etwa neun Jahre die Schule besuchte, lebte er mit seiner Mutter und seinem Bruder. Danach absolvierte er die Berufsschule und machte die Berufslenkerprüfung "als Kraftfahrer und Chauffeur". Sie hatten ein kleines Lebensmittelgeschäft und die Mutter des Beschwerdeführers arbeitete als Verkäuferin am Markt. Ihnen ist es wirtschaftlich nicht schlecht gegangen. Der Beschwerdeführer ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 29.07.2002 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 26.08.2002, FZ. 02 20.319-BAE, wies das Bundesasylamt den Antrag vom 29.07.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 ab und stellte gemäß § 8 AsylG 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation fest. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 09.03.2010, Zl. D6 230751-3/2010/17E gemäß § 63 Abs. 5 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG als unzulässig zurückgewiesen, da der Bescheid nicht an den gesetzlichen Vertreter zugestellt worden war und die Rechtsmittelfrist des angefochtenen Bescheides niemals zu laufen begonnen hatte.
Am 05.09.2002 hatte der Beschwerdeführer unter einem anderen Namen einen weiteren, seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das Verfahren hinsichtlich eines vom Beschwerdeführer unter einer anderen Identität, gestellten dritten Asylantrages war vom Bundesasylamt wegen unbekannten Aufenthaltes zwischenzeitlich eingestellt worden. Mit Bescheid vom 30.08.2004, FZ. 02 24.927-BAL, wies das Bundesasylamt den Antrag vom 05.09.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 ab und stellte die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 fest; weiters wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet (ohne Zielstaatsbezogenheit) ausgewiesen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.07.2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29.07.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 festgestellt (Spruchpunkt II.); weiters wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.05.2014, Zl. W133 1230751-3/20E wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.07.2010, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.05.2014, hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 7 AsylG 1997 und 8 Abs. 1 AsylG 1997 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt II.).
Das behördliche Asylverfahren sowie auch das Beschwerdeverfahren mussten mehrmals eingestellt werden, da der Beschwerdeführer keine zustellfähige Adresse bekannt gegeben hatte und über keine ordnungsgemäße Wohnsitzmeldung verfügte. Auch gab er, wie bereits angeführt, im Zuge der Antragstellungen falsche Identitäten an, bis er Identitätsbezogene Unterlagen vorlegte. Tatsächlich führt der Beschwerdeführer die im Spruch genannte Identität.
Der Beschwerdeführer hat vier Kinder im Bundesgebiet. Er hat zwei Töchter, die ungefähr 13 und 11 Jahre alt sind, welche er im Jahr 2011 zuletzt gesehen hat. Es besteht kein Kontakt zu diesen zwei Töchtern und zahlt der Beschwerdeführer keinen Unterhalt für sie. Weiters hat der Beschwerdeführer mit einer anderen Frau, die er im Jahr 2010 traditionell heiratete, eine Tochter, die 7 Jahre alt ist, und einen Sohn, der 3 Jahre alt ist. Zu diesen zwei Kindern hat der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt; er sieht sie am Wochenende. Mit der Mutter seiner zwei jüngeren Kinder ist er nicht mehr zusammen. Der Beschwerdeführer zahlt keine Unterhaltsleistungen an seine Kinder und es besteht kein gemeinsamer Wohnsitz mit ihnen. Weiters hat der Beschwerdeführer drei Onkel im Bundesgebiet, von denen einer die Staatsbürgerschaft hat und zwei, die asylberechtigt sind. Auch hat er einen Cousin. Er hat Kontakt zu seinen Verwandten in Österreich und unterstützen ihn diese gelegentlich. Der Beschwerdeführer steht in keinem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Verwandten im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer verfügt über einen Vorvertrag für eine Anstellung als Fahrer. Der Beschwerdeführer verfügt auch über recht gute Deutschkenntnisse sowie über Bekannte und Freunde in Österreich. Er hat während seinem Aufenthalt keine Ausbildung gemacht. Seit 2015 wird der Beschwerdeführer gelegentlich als Vertrauensperson im Bereich für organisierte Verbrechen, Schlepper und Suchtgiftkriminalität, sowie in der Terrorismusbekämpfung XXXX eingesetzt. Dabei wird er im tschetschenischen Milieu eingesetzt und bekommt der Beschwerdeführer hier eine Entlohnung.
Im Herkunftsstaat leben noch die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers, sowie eine große Verwandtschaft, die ihm für den Fall einer Rückkehr unterstützend zur Seite stehen kann.
Mit Strafantrag der Finanzpolizei, Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln, vom 07.05.2014, Zl. XXXX, wurde der Arbeitgeber des Beschwerdeführers wegen Beschäftigung von Ausländern ohne arbeitsmarktrechtlicher Bewilligung entgegen § 3 Abs. 1 AuslBG zur Anzeige gebracht.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht unbescholten:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom XXXX2005 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (Jugendstraftat) im Ausmaß von 3 Wochen, verurteilt.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom XXXX2005 wurde der Beschwerdeführer wegen § 229 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (junger Erwachsener) im Ausmaß von 2 Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX2007 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 127, 129 Abs. 1, 130 (2. Satz 2. Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt vom XXXX2014, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX2016, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.
Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 11.06.2007 auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen ein Rückkehrverbot erlassen. Der Beschwerdeführer kümmerte sich niemals um die Aufhebung bzw. Herabsetzung dieses Rückkehrverbotes. Das Rückkehrverbot ist bis 09.02.2019 gültig.
Über den Beschwerdeführer wurde wegen Verletzung von § 52 lit. A Z 10a StVO, § 102 Abs. 1 iVm § 36 lit.a KFG und § 44 Abs. 4 KFG eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von insgesamt 990,- Euro verhängt. Aus diesem Grund verbüßte der Beschwerdeführer eine Ersatzfreiheitsstrafe und befand sich vom 03.12.2013 bis zum 31.01.2014 in Haft.
Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.
1.2. Zum Herkunftsstaat wird folgendes festgestellt:
Allgemeine Menschenrechtslage
Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und burgerliche Freiheiten. Prasident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemuhungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europaische Gerichtshof fur Menschenrechte in Strasburg kann die im funfstelligen Bereich liegenden ausstandigen Verfahren gegen Russland kaum bewaltigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstarkung des Gerichtshofs (GIZ 7.2018a). Die Verfassung der Russischen Foderation vom Dezember 1993 postuliert, dass die Russische Foderation ein "demokratischer, foderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehorigkeit, Nationalitat, Sprache, Herkunft und Vermogenslage durfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung fuhren (Art. 19 Abs. 2). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Art. 15 Abs. 4 der russischen Verfassung aufgefuhrt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Volkerrechts und die internationalen Vertrage der Russischen Foderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Ubereinkommen gebunden:
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Internationales Ubereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1969)
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Internationaler Pakt fur burgerliche und politische Rechte (1973) und erstes Zusatzprotokoll (1991)
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Internationaler Pakt fur wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1973)
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Ubereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1981) und Zusatzprotokoll (2004)
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Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1987)
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Kinderrechtskonvention (1990), deren erstes Zusatzprotokoll gezeichnet (2001)
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Behindertenrechtskonvention (ratifiziert am 25.09.2012) (AA 21.5.2018).
Der Europarat auserte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Foderation. Vor dem Europaischen Gerichtshof fur Menschenrechte (EGMR) waren 2016 knapp 10% der anhangigen Falle Russland zuzurechnen (77.821 Einzelfalle). Der EGMR hat 2016 228 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit fuhrte Russland die Liste der verhangten Urteile mit grosem Abstand an (an zweiter Stelle Turkei mit 88 Urteilen). Die EGMR-Entscheidungen fielen fast ausschlieslich zugunsten der Klager aus (222 von 228 Fallen) und konstatierten mehr oder wenige gravierende Menschenrechtsverletzungen. Zwei Drittel der Falle betreffen eine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit. [Zur mangelhaften Anwendung von EGMR-Urteilen durch Russland vgl. Kapitel 4. Rechtsschutz/Justizwesen] (AA 21.5.2018).
Die Rechte auf freie Meinungsauserung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wurden 2017 weiter eingeschrankt. Menschenrechtsverteidiger und unabhangige NGOs sahen sich nach wie vor mit Schikanen und Einschuchterungsversuchen konfrontiert (AI 22.2.2018). Auch Journalisten und Aktivisten riskieren Opfer von Gewalt zu werden (FH 1.2018). Staatliche Repressalien, aber auch Selbstzensur, fuhrten zur Einschrankung der kulturellen Rechte. Angehorige religioser Minderheiten mussten mit Schikanen und Verfolgung rechnen. Das Recht auf ein faires Verfahren wurde haufig verletzt. Folter und andere Misshandlungen waren nach wie vor weit verbreitet. Die Arbeit unabhangiger Organe zur Uberprufung von Haftanstalten wurde weiter erschwert. Im Nordkaukasus kam es auch 2017 zu schweren Menschenrechtsverletzungen (AI 22.2.2018).
Die allgemeine Menschenrechtslage in Russland ist weiterhin durch nachhaltige Einschrankungen der Grundrechte sowie einer unabhangigen Zivilgesellschaft gekennzeichnet. Der Freiraum fur die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschrankt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurden restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhangigen Zivilgesellschaft ausuben. Inlandische wie auslandische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hurden in ihrer Arbeit eingeschrankt und erfahren in manchen Fallen sogar reale Bedrohungen fur Leib und Leben (OB Moskau 12.2017, vgl. FH 1.2018, AA 21.5.2018). Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im Marz 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog. "funfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland ist derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten ausgesetzt. Laut einer Umfrage zum Stand der Menschenrechte in Russland durch das Meinungsforschungsinstitut FOM glauben 42% der Befragten nicht, dass die Menschenrechte in Russland eingehalten werden, wahrend 36% der Meinung sind, dass sie sehr wohl eingehalten werden. Die Umfrage ergab, dass die russische Bevolkerung v.a. auf folgende Rechte Wert legt: Recht auf freie medizinische Versorgung (74%), Recht auf Arbeit und gerechte Bezahlung (54%), Recht auf kostenlose Ausbildung (53%), Recht auf Sozialleistungen (43%), Recht auf Eigentum (31%), Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (31%), Recht auf eine gesunde Umwelt (19%), Recht auf Privatsphare (16%), Rede- und Meinungsfreiheit (16%). Der Jahresbericht der foderalen Menschenrechtsbeauftragten Tatjana Moskalkowa fur das Jahr 2017 bestatigt die Tendenz der russischen Bevolkerung zur Priorisierung der sozialen vor den politischen Rechten. Unter Druck steht auch die Freiheit der Kunst, wie etwa die jungsten Kontroversen um zeitgenossisch inszenierte Produktionen von Film, Ballett und Theater zeigen (OB Moskau 12.2017).
Menschenrechtsorganisationen sehen ubereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskraften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. (AA 21.5.2018). Auch 2017 wurden aus dem Nordkaukasus schwere Menschenrechtsverletzungen gemeldet, wie Verschwindenlassen, rechtswidrige Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen von Haftlingen sowie ausergerichtliche Hinrichtungen (AI 22.2.2018). Die Menschenrechtslage im Nordkaukasus wird von internationalen Experten weiterhin genau beobachtet. Im Februar 2016 fuhrte das Komitee gegen Folter des Europarats eine Mission in die Republiken Dagestan und Kabardino-Balkarien durch. Auch Vertreter des russischen prasidentiellen Menschenrechtrats bereisten im Juni 2016 den Nordkaukasus und trafen sich mit den einzelnen Republiksoberhauptern, wobei ein Treffen mit Ramzan Kadyrow abgesagt wurde, nachdem die tschetschenischen Behorden gegen die Teilnahme des Leiters des Komitees gegen Folter Igor Kaljapin protestiert hatten (OB Moskau 12.2017).
Der konsultative "Rat zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte" beim russischen Prasidenten unter dem Vorsitz von M. Fedotow ubt auch offentlich Kritik an Menschenrechtsproblemen und setzt sich fur Einzelfalle ein. Der Einfluss des Rats ist allerdings begrenzt (AA 21.5.2018).
Quellen:
-AA - Auswartiges Amt (21.5.2018): Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Foderation
-AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html, Zugriff 8.8.2018
-FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 8.8.2018
-GIZ - Deutsche Gesellschaft fur Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 8.8.2018
-OB Moskau (12.2017): Asyllanderbericht Russische Foderation
Tschetschenien
NGOs beklagen weiterhin schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Falschung von Straftatbestanden. Entsprechende Vorwurfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen geniesen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefahrdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten. Die unabhangige Novaya Gazeta berichtete im Sommer 2017 uber die angebliche ausergerichtliche Totung von uber zwei Dutzend Personen zu Beginn des Jahres im Zuge von Massenfestnahmen nach dem Tod eines Polizisten. Seitens Amnesty International wurde eine umfassende Untersuchung der Vorwurfe durch die russischen Behorden gefordert. Im Herbst 2017 besuchte das Komitee gegen Folter des Europarates neuerlich Tschetschenien und konsultierte dabei auch die russische Ombudsfrau fur Menschenrechte. Ihre nachfolgende Aussage gegenuber den Medien, dass das Komitee keine Bestatigung ausergerichtlicher Totungen oder Folter gefunden habe, wurde vom Komitee unter Hinweis auf die Vertraulichkeit der mit den russischen Behorden gefuhrten Gesprache zuruckgewiesen (OB Moskau 12.2017).
Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist unzureichend. Recherchen oder Befragungen von Opfern vor Ort durch NGOs sind nicht moglich; Regimeopfer mussen mitsamt ihren Familien aus Tschetschenien herausgebracht werden. Tendenzen zur Einfuhrung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen. Ende 2015 wurden nach Angaben von Memorial mehrere hundert Menschen aufgrund oberflachlicher "Verdachtsmerkmale" wie zu kurzer Barte tagelang in Behordengewahrsam genommen, ohne dass den Angehorigen hierzu Auskunft erteilt wurde (AA 21.5.2018). 2017 kam es zur gezielten Verfolgung von Homosexuellen durch staatliche Sicherheitskrafte (AA 21.5.2018, vgl. HRW 18.1.2018), wo die Betroffenen gefoltert und einige sogar getotet wurden [vgl. Kapitel 19.4. Homosexuelle] (HRW 18.1.2018).
Gewaltsame Angriffe, die in den vergangenen Jahren auf Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien verubt worden waren, blieben nach wie vor straffrei. Im Januar 2017 nutzte der Sprecher des tschetschenischen Parlaments, Magomed Daudow, seinen Instagram-Account, um unverhohlen eine Drohung gegen Grigori Schwedow, den Chefredakteur des unabhangigen Nachrichtenportals Kaukasischer Knoten, auszusprechen. Im April erhielten Journalisten von Novaya Gazeta Drohungen aus Tschetschenien, nachdem sie uber die dortige Kampagne gegen Schwule berichtet hatten. Auch Mitarbeiter des Radiosenders Echo Moskwy, die sich mit den Kollegen von Novaya Gazeta solidarisch erklarten, wurden bedroht. Die Tageszeitung Novaya Gazeta berichtete uber die rechtswidrige Inhaftierung zahlreicher Personen seit Dezember 2016 und die heimliche Hinrichtung von mindestens 27 Gefangenen durch Sicherheitskrafte am 26. Januar 2017 in Tschetschenien (AI 22.2.2018).
In den vergangenen Jahren haufen sich Berichte von Personen, die nicht aufgrund irgendwelcher politischer Aktivitaten, sondern aufgrund einfacher Kritik an der sozio-okonomischen Lage in der Republik unter Druck geraten. So musste ein Mann, der sich im April 2016 in einem Videoaufruf an Prasident Putin uber die Misswirtschaft und Korruption lokaler Beamter beschwerte, nach Dagestan fluchten, nachdem sein Haus von Unbekannten in Brand gesteckt worden war. Einen Monat spater entschuldigte sich der Mann in einem regionalen Fernsehsender. Im Mai 2016 wandte sich Kadyrow in einem TV-Beitrag mit einer deutlichen Warnung vor Kritik an die in Europa lebende tschetschenische Diaspora: Diese werde fur jedes ihrer Worte ihm gegenuber verantwortlich sein, man wisse, wer sie seien und wo sie leben, sie alle seien in seinen Handen, so Kadyrow. Gegenuber der Nachrichtenagentur Interfax behauptete Kadyrow am 21. November 2017, dass der Terrorismus in Tschetschenien komplett besiegt sei, es gebe aber Versuche zur Rekrutierung junger Menschen, fur welche er die subversive Arbeit westlicher Geheimdienste im Internet verantwortlich machte (OB Moskau 12.2017).
Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht uber den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrucklich, dass die Sicherheitslage fur gewohnliche Burger zwar stabil ist, Aufstandische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Masnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind. Verschiedene Menschenrechtsorganisationen, darunter Memorial und Human Rights Watch, prangern die seitens der regionalen Behorden praktizierte Sippenhaft von Familienangehorigen in Tschetschenien an. Im Fall des Menschenrechtsaktivisten und Leiter des Memorial-Buros in Tschetschenien Ojub Titijew wurde seitens Memorial bekannt, dass Familienangehorige Tschetschenien verlassen mussten (AA 21.5.2018).
Quellen:
-AA - Auswartiges Amt (21.5.2018): Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Foderation
-AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Russian Federation, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425086.html, Zugriff 8.8.2018
-HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422501.html, Zugriff 8.8.2018
-OB Moskau (12.2017): Asyllanderbericht Russische Foderation
Tschetschenien
Die Bevolkerung gehort der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an, wobei traditionell eine mystische Form des Islam, der Sufismus, vorherrschend ist (BAMF 10.2013). Beim Sufismus handelt es sich um eine weit verbreitete und zudem auserst facettenreiche Glaubenspraxis innerhalb des Islams. Heutzutage sind Sufis sowohl innerhalb des Schiitentums als auch unter Sunniten verbreitet (OIF 2013).
In Tschetschenien setzt Ramzan Kadyrow seine eigenen Ansichten bezuglich des Islams durch. Frauen mussen sich islamisch kleiden und konnen in polygame Ehen gezwungen werden. Anhanger eines "nicht traditionellen" Islams, oder Personen mit Verbindungen zu Aufstandischen konnen Opfer von Verschwindenlassen durch die Sicherheitskrafte werden (USCIRF 4.2018). Kadyrow nutzt den traditionellen Sufismus politisch und als Instrument seines Antiterrorkampfes, um mit dem "guten" sufistischen Islam dem von weiten Teilen der heute in der Republik aktiven Kampfern propagierten "schlechten" fundamentalistischen Islam, dem oft auch Wahhabismus genannten Salafismus, entgegenzuwirken. Diese Strategie hatte bereits sein Vater unter Maschadow - relativ erfolglos - anzuwenden versucht. Diese politische Instrumentalisierung der Religion fuhrt aus mehreren Grunden zu heftiger Kritik: Durch die kadyrowsche Islamisierung werden zunehmend Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, beschnitten. Innerhalb der tschetschenischen Bevolkerung empfinden viele die von Kadyrow angeordneten Verhaltensnormen als nicht gerechtfertigten (und schon gar nicht durch tschetschenische Tradition zu rechtfertigenden) Eingriff in ihr Privatleben. Einige der aufgrund der (Re-)Islamisierung erfolgten Erlasse und Aussagen des Republikoberhauptes, wie etwa die Kopftuchpflicht fur Frauen in offentlichen Gebauden oder seine Befurwortung der Polygamie, widersprechen zudem russischem Recht. Beobachter der Lage sind sich gemeinhin einig, dass all dies von foderaler Seite geduldet wird, weil und solange es Kadyrow gelingt, die relativ stabile Sicherheitslage zu erhalten (BAA Staatendokumentation 19.5.2011).
Mutmasliche Dschihadisten werden in Tschetschenien inhaftiert, und es kann zu Folterungen und ausergerichtlichen Totungen kommen (HRW 18.1.2018).
Quellen:
-BAA Staatendokumentation (19.5.2011): Analyse zu Russland: Religion in der Republik Tschetschenien: Sufismus
-BAMF - Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Foderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nurnberg
-HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422501.html, Zugriff 21.8.2018
-OIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam, S. 111-113
-USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom(4.2018): 2018 Annual Report., Russia, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435641/1226_1529394241_tier1-russia.pdf, Zugriff 21.8.2018
Dagestan
Die meisten Muslime Dagestans gehoren dem Sufismus an, einer gemasigt-mystischen Richtung im Islam. Sie horen auf Scheichs, religiose Fuhrer, die zwischen Gott und den Menschen vermitteln. Die Scheichs treten auch als Fursprecher der Glaubigen vor Politikern auf. Der Sufismus ist seit vielen Jahrhunderten in Dagestan zuhause. Die zweitgroste Gruppe der Muslime in Dagestan sind die Salafisten. Diese ultrakonservative Stromung breitet sich seit den 1990er-Jahren in der Region aus. Zunachst wurden sie als Wahabiten bezeichnet. In Dagestan gibt es Schatzungen zufolge zehntausende Salafisten und sie haben ihre eigenen Moscheen. Die Salafisten wollen ein Kalifat errichten, einen Gottesstaat. Die Sufis hingegen haben sich mit dem russischen Staat arrangiert. Die Radikalen unter den Salafisten wollen das Kalifat mit Gewalt durchsetzen und kampfen dafur. In Dagestan gibt es einen bewaffneten islamistischen Untergrund. Seit Jahren veruben die Terroristen Anschlage gegen russische Sicherheitskrafte, es gab Hunderte Todesopfer. Sie ermordeten auch mehrere geistliche Fuhrer der Sufis, die sich offen gegen die Ideologie der Salafisten aussprachen. Viele Salafisten in Dagestan fuhlen sich zu Unrecht von den Behorden verdachtigt. Sie werden immer wieder von der Polizei festgehalten, mussen stundenlang Fragen beantworten, Speichel- und Blutproben abgeben. Salafisten werden oft mit den Terror-Kampfern des sogenannten Islamischen Staates gleichgesetzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).
In Republiken wie Inguschetien und Dagestan wurde versucht, einen Dialog zwischen Regierung und offizieller Geistlichkeit auf der einen Seite und islamistischer Opposition auf der Gegenseite zu fuhren. Derzeit befindet sich die Regierung in Dagestan aber wieder in Konfrontation mit salafistischen Gemeinden. Der "Krieg gegen Wahhabiten", der dort schon 1999 ausgerufen worden war, hat allerdings dazu gefuhrt, dass immer mehr junge Leute sich zu einem puristischen, streng konservativen Islam bekennen. Im Jahr 2011 ordneten sich bei Umfragen 20% der jungen Dagestaner einem moderaten Salafismus zu (SWP 4.2017). Wahrend in der Vergangenheit sehr viele junge Manner auf eine "Wahabiten-Liste" gesetzt wurden (SWP 4.2017), haben die Behorden im Juni 2017 verlautbart, dass keine Anhanger vom "nicht-traditionellen Islam" auf Polizeilisten gesetzt werden. Trotzdem geht die Verfolgung von salafistischen Muslimen weiter (HRW 18.1.2018).
Quellen:
-Deutschlandfunk (28.6.2017): Salafisten contra Sufis, https://www.deutschlandfunk.de/die-religioese-landschaft-dagestans-salafisten-contra-sufis.886.de.html?dram:article_id=389688, Zugriff 27.8.2018
-HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422501.html, Zugriff 27.8.2018
-SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 27.8.2018
Ethnische Minderheiten
Russland ist ein multinationaler Staat, in dem Vertreter von mehr als hundert Volkern leben. Die Russen stellen mit 79,8% die Mehrheit der Bevolkerung. Grosere Minderheiten sind die Tataren (4,0%), die Ukrainer (2,2%), die Armenier (1,9%), die Tschuwaschen (1,5%), die Baschkiren (1,4%), die Tschetschenen (0,9%), die D