TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/28 W245 2185523-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.12.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs6
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W245 2185524-1/7E

W245 2185521-1/7E

W245 2185523-1/7E

W245 2185518-1/7E

W245 2185506-1/7E

W245 2185516-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX ,

XXXX , XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird stattgegeben und XXXX (alias XXXX ) gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX (alias XXXX) damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , XXXX ,

XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und Abs. 6 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

IV. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und Abs. 6 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

V. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

VI. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2017, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und Abs. 6 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Erstbeschwerdeführer XXXX (alias XXXX ) (in der Folge kurz "BF1"), die Zweitbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge kurz "BF2"), der Drittbeschwerdeführer XXXX (in der Folge kurz "BF3"), der Viertbeschwerdeführer XXXX (in der Folge kurz "BF4") und die Fünftbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge kurz "BF5"), alle afghanische Staatsbürger, reisten illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellten am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der am 07.08.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gaben der BF1 und die BF2 gleichlautend an, aus Angst vor den Taliban und vor den Unruhen in Afghanistan ihre Heimat verlassen zu haben. Sie möchten in Sicherheit leben. Im Falle einer Rückkehr hätten sie Angst vor den Unruhen in Afghanistan. Die BF2 gab als gesetzliche Vertreterin für ihre Kinder (BF3, BF4 und BF5) weiters an, dass diese keine eigenen Asylgründe hätten.

I.3. Die Sechstbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge kurz "BF6") wurde am 29.07.2016 in Österreich geboren. Für die BF6 wurde am 09.06.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

I.4. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 25.04.2017 gab der BF1 im Wesentlichen an, dass in seinem Heimatdorf die Taliban seien. Er könne seine Ehefrau (BF2) nicht alleine außer Haus gehen lassen und seine Kinder hätten nicht zur Schule gehen können. Sie seien zweimal von den Taliban besucht worden, als er nicht zuhause gewesen sei. Die Taliban hätten seiner Frau befohlen, den Männern des Hauses zu sagen, dass sie ihnen helfen müssten. Weiters gab er an, dass seine Kinder keine eigenen Asylgründe hätten. Die BF2 führte aus, dass ihr Leben und das Leben ihrer Familie u.a. aufgrund der Sicherheitslage in Gefahr gewesen sei.

I.5. Mit den Bescheiden vom 19.12.2017 wies das BFA die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Ihnen wurde auf Grundlage des § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 19.12.2018 (Spruchpunkt III.) erteilt.

I.6. Mit Verfahrensanordnung vom 20.12.2017 wurde den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

I.7. Gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des BFA richteten sich die am 18.01.2018 fristgerecht erhobenen Beschwerden.

I.8. Die gegenständlichen Beschwerden und die bezugshabenden Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 07.02.2018 vom BFA vorgelegt.

I.9. Mit Ladung zur Beschwerdeverhandlung wurden den BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 11.09.2018), sowie weitere Länderberichte im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

I.10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 14.12.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der gegenständlich erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des BF1 und der BF2 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerden gegen die im Spruch genannten Bescheide des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende

Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

II.1.1. Zum sozialen Hintergrund der BF:

Der BF1 führt den Namen XXXX (alias XXXX ), geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Qizilbash und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF1 ist Dari. Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund. Die Mutter und ein Bruder des BF1 sind bereits verstorben. Der BF1 hat drei weitere Brüder und vier Schwestern. Ein Bruder lebt in Österreich, einer in Deutschland und einer in Afghanistan im Heimatdorf des BF1. Seine Schwestern leben in der Schweiz, in Deutschland, in Schweden und in Afghanistan. Weiters hat er noch einen Onkel mütterlicherseits, der in seinem Heimatdorf aufhältig ist. Der BF1 hat in seinem Herkunftsstaat acht Jahre die Grundschule besucht. Er hat in Afghanistan als Bauer und Verkäufer gearbeitet und führte ein eigenes Geschäft. Der BF1 ist in Österreich berufstätig.

Die BF2 führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, Angehörige der Volksgruppe der Qizilbash und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache der BF2 ist Dari. Sie ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund. Der Vater der BF2 ist verstorben. Sie hat eine Mutter, vier Brüder und zwei Schwestern. Weiters hat die BF2 drei Tanten und einen Onkel mütterlicherseits. Ihre Familienangehörigen leben, bis auf zwei Brüder, die in der Schweiz leben, in Afghanistan in ihrem Heimatdorf. Die BF2 hat in ihrem Herkunftsstaat nie die Schule besucht und konnte keine Berufserfahrungen sammeln. Sie war nicht in der Lage, sich selbst zu erhalten. Ihr älterer Bruder bzw. ihr Ehemann kamen für ihren Unterhalt im Herkunftsstaat auf. Sie war Hausfrau und kümmerte sich um die Kinder.

Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet.

Der BF3 führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Qizilbash und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Der BF3 ist nicht in der Lage, zu sprechen. Er ist gehörlos und zu 90% behindert. Dem BF wurde ein Behindertenpass, gültig bis zum 19.12.2018, ausgestellt.

Der BF4 führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Qizilbash und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF1 ist Dari. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund. In Afghanistan besuchte er keine Schule. In Österreich hat er die neue Mittelschule abgeschlossen und arbeitet als Metallbautechniker.

Die BF5 führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, Angehörige der Volksgruppe der Qizilbash und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache der BF2 ist Dari. In Österreich besucht sie die Schule.

Die BF6 führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in Österreich geboren. Sie ist Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan. Ihr Gesundheitszustand ist nicht stabil.

Der BF3, der BF4, die BF5 und der BF6 sind die gemeinsamen Kinder des BF1 und der BF2.

Der BF1, die BF2, der BF3, der BF4 und die BF5 wurde nach ihren Angaben im Dorf XXXX , Distrikt XXXX in der Provinz Maidan Wardak geboren. Sie haben bis zu seiner Ausreise im Heimatdorf gelebt.

Die BF begründen einen gemeinsamen Wohnsitz. Zwischen den Beschwerdeführern besteht ein aufrechtes Familienleben.

Die BF sind strafgerichtlich unbescholten. Nach ihren eigenen Angaben sind der BF1 und die BF2 in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatten keine Probleme mit Behörden und waren politisch nicht aktiv.

Die BF haben Afghanistan im Mai 2015 verlassen.

Die BF waren bis zum 19.12.2018 in Österreich subsidiär schutzberechtigt.

II.1.2. Zum Leben der BF2 in Österreich:

Die BF2 hält sich seit August 2015 in Österreich auf.

Die BF2 lebt mit den erwähnten Familienangehörigen in einem gemeinsamen Haushalt.

Darüber hinaus pflegt die BF2 in Österreich Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Intensive freundschaftliche Beziehungen konnten nicht festgestellt werden.

Sie führt den Haushalt und kümmert sich um die Kinder.

Die BF2 besucht zwischenzeitlich einen Deutschkurs. Ihre Deutschkenntnisse sind sehr gering.

Die BF2 hat kein eigenes Bankkonto.

Sie ist von ihrem Ehemann und der Caritas finanziell abhängig und hat kein eigenes Einkommen. Sie bestimmt die Entscheidungen des täglichen Lebens der Familie mit.

In ihrer Freizeit geht die BF2 spazieren, laufen, einkaufen und besucht ihre Freunde.

Die BF2 hat keine gemeinnützigen Aufgaben übernommen.

Die BF2 hat keine konkreten Berufsvorstellungen.

Die BF2 ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Nach ihren eigenen Angaben ist sie in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte keine Probleme mit Behörden.

II.1.3. Zum Leben der BF5 in Österreich:

Die BF5 hält sich seit August 2015 in Österreich auf.

Die BF5 lebt mit den erwähnten Familienangehörigen in einem gemeinsamen Haushalt.

Darüber hinaus pflegt die BF5 in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern. Sie hat auch eine afghanische Freundin.

Die BF5 besucht zurzeit die zweite Klasse der Neuen Mittelschule.

Die BF5 ist in der Lage, bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. zu reden. Darüber hinaus kann sie über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben. Ihre Deutschkenntnisse sind ausgezeichnet. Diese Fähigkeiten setzt sie auch für ihre Familienangehörigen ein.

Sie ist Mitglied eines Taekwondo-Vereins. Weiters trifft sie sich in ihrer Freizeit mit Freunden. Sie gehen manchmal etwas essen und spielen gemeinsam Fußball.

Sie möchte einmal Friseurin oder Fashion-Designerin werden.

II.1.4. Zu den Fluchtgründen der BF und einer Bedrohung oder Verfolgung im Falle einer Rückkehr:

Die BF stellten am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der BF1 und die BF2 begründeten ihren Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass sie aus Angst vor den Taliban und vor den Unruhen in Afghanistan ihre Heimat verlassen hätten. Sie möchten in Sicherheit leben. Im Falle einer Rückkehr hätten sie Angst vor den Unruhen in Afghanistan.

Dieses Vorbringen konnten die BF jedoch nicht glaubhaft machen, da es sich bei Gesamtbetrachtung sämtlicher im Verlauf des Verfahrens getätigten Angaben in entscheidenden Punkten insbesondere als widersprüchlich erwiesen hat.

In diesem Zusammenhang konnte nicht festgestellt werden, dass die BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt sind oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätten.

Die BF2 trug weder bei ihrer Einvernahme vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung ein Kopftuch. In der Beschwerdeverhandlung trug sie einen schwarz-weißen Pullover, eine kamel-beige Hose und Winterstiefel mit Absätzen. Zudem trug sie Schmuck und ihre Haare offen. Sie war geschminkt und hatte lackierte Fingernägel.

Die BF2 führt in Österreich kein selbstbestimmtes Leben und strebt die Führung eines solchen auch nicht an. Ihre persönliche Haltung über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht nicht im Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Die persönliche Wertehaltung der BF2 orientiert sich nicht an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild.

Die BF5 trug in der Beschwerdeverhandlung eine grüne Hose, ein weißes T-Shirt mit einem Schmetterlingsaufdruck und eine Weste mit Sternen. Weiters trug sie Schmuck und Turnschuhe. Sie trug kein Kopftuch. Ihr Erscheinungsbild entspricht einem dreizehnjährigen Mädchen in Österreich und weist einen typischen westlichen Charakter auf.

Die 13 1/2 - jährige BF5 ist bereits in der Pubertät. Sie hat eine persönliche Reife, die nicht ihrem Alter, sondern bereits einer jungen Erwachsenen entspricht.

Die BF5 tritt höflich, ehrlich und selbstbestimmt auf. Dieses wird durch ihr Auftreten und insbesondere durch ihre Körpersprache sichtbar. Ferner beherrscht die BF5 Deutsch bereits auf einem ausgezeichneten Niveau. Sie genießt in Österreich ihre Freiheiten insbesondere zur Schule gehen und ihre Zukunft selbst bestimmen zu können. Sie verlässt das Haus ohne Begleitung, um sich beispielsweise mit ihren Freunden zu treffen. Sie trägt kein Kopftuch.

Im Fall der BF5 liegt eine derart fortgeschrittene Persönlichkeitsentwicklung vor, aufgrund derer eine Verinnerlichung eines "westlichen Verhaltens" oder einer "westlichen Lebensführung" als wesentlicher Bestandteil angenommen werden kann.

Die persönliche Haltung der BF5 über die grundsätzliche Stellung von Mädchen bzw. Frauen in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Mädchen bzw. Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind.

Die BF5 ist von ihrer persönlichen Wertehaltung bzw. fortgeschrittene Persönlichkeitsentwicklung her überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Mädchen bzw. Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert.

Darüber hinaus konnte nicht festgestellt werden, dass die BF5 aus anderen Gründen einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

Im Fall der BF6 liegt aufgrund ihres Alters keine derart fortgeschrittene Persönlichkeitsentwicklung vor, aufgrund derer eine Verinnerlichung eines "westlichen Verhaltens" oder einer "westlichen Lebensführung" als wesentlicher Bestandteil angenommen werden kann.

II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

II.1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018).

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zur Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten