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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11997E234 EG Art234;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 7. Oktober 1998, Zl. 17.758/11-I A 7a/98, betreffend Erklärung des Verfalles einer Sicherheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat am 23. Jänner 1998 die Lizenz für die Ausfuhr von 500 Stück nach der Kombinierten Nomenklatur näher umschriebener Rinder (u.a. reinrassige Zuchttiere) beantragt. Als Bestimmungsland gab der Beschwerdeführer Kroatien an; der Gesamtbetrag der Sicherheit betrug S 306.867,--, als letzter Tag der Gültigkeit der Lizenz scheint der 7. April 1998 auf. Weiters findet sich unter "Besondere Bedingungen" der Vermerk "Erstattung gültig für 500 Stk." und das Datum der im Voraus festgesetzten Erstattung mit 16. Jänner 1998.
Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria vom 23. April 1998 wurde die vom Beschwerdeführer geleistete Sicherheit für die erwähnte Lizenz vom 23. Jänner 1998 in Höhe von S 140.851,95 zu Gunsten des Bundes für verfallen erklärt (Spruchpunkt 1) und der Beschwerdeführer gleichzeitig aufgefordert, den verfallenen Betrag binnen einer Frist von 30 Tagen nach Zustellung des Bescheides auf ein näher angeführtes Konto der Agrarmarkt Austria zu überweisen; erfolge die Zahlung nicht fristgerecht, werde die Bankgarantie in Höhe des Verfallsbetrages in Anspruch genommen (Spruchpunkt 2).
Der Beschwerdeführer habe die Lizenz, die nicht ausgenützt worden sei, mit Schreiben vom 10. April 1998 zurückgestellt und die Anerkennung eines Falles "höherer Gewalt" beantragt: Die Rechtsvorschriften im Einfuhrland (Kroatien) hätten sich derart geändert, dass es dem Handelspartner des Beschwerdeführers unmöglich gemacht worden sei, die Lieferung anzunehmen. In der Begründung ihres Bescheides verwies die Behörde auf die einschlägigen Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft und berechnete den sich daraus ergebenden (der Höhe nach nicht strittigen) Rückzahlungsbetrag. Ein Fall "höherer Gewalt" liege nicht vor; nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bilde die Änderung von Rechtsvorschriften eines Drittlandes einen Fall des gewöhnlichen Geschäftsrisikos.
In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer vor allem aus, nicht das Verhalten seines Vertragspartners sondern das Importverbot durch das kroatische Landwirtschaftsministerium hätte ihn an der Erfüllung der Verpflichtung zur Ausfuhr gehindert. Bei dem verhängten Importstop handle es sich um außergewöhnliche Umstände, die außerhalb des Einflussbereiches der beteiligten Wirtschaftsteilnehmer gelegen seien und - auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH - einen Fall höherer Gewalt begründeten. Mittlerweile sei das kroatische Importverbot auch wieder aufgehoben worden und würden die Exporte des Beschwerdeführers regelmäßig durchgeführt.
Mit ihrem Bescheid vom 7. Oktober 1998 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Im von der Berufungsbehörde ergänzten Beweisverfahren habe der Beschwerdeführer erklärt, er habe nach Verhängung des Importstops durch die kroatischen Behörden 94 (tatsächlich 95) Stück Zuchtrinder nach Bosnien-Herzegowina exportiert. Eine Verlagerung der Ausfuhr von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina sei nur in diesem Ausmaße möglich gewesen, da der dortige Importeur nicht mehr übernommen habe. Es sei nach der Geschäftserfahrung des Beschwerdeführers zu dieser Zeit kaum möglich gewesen, zu "wahrscheinlich vernünftigen Preisen" andere Märkte zu erschließen. Das Hauptbestreben des Beschwerdeführers sei daher gewesen, eine Aufhebung des kroatischen Importstops zu erreichen. Hiezu habe er sich zu Gesprächen im kroatischen Landwirtschaftsministerium "befunden". Der Beschwerdeführer habe nach seinen Angaben in den Jahren 1996 und 1997 im Durchschnitt monatlich zwischen 400 und 500 Stück Zuchtrinder exportiert. Seine bisherige Geschäftsgebarung zeige, dass er ohne Verhängung des kroatischen Importstops in der Lage gewesen wäre, die geforderte Anzahl von Tieren innerhalb der Gültigkeitsdauer der Lizenz zu exportieren. Die zu exportierenden Rinder hätten sich zum Zeitpunkt des Importstops bereits in seinem Besitz befunden und jederzeit nach Kroatien exportiert werden können.
Zur streitentscheidenden Frage der "höheren Gewalt" vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen die Ansicht, es sei dem in diesem Begriff enthaltenen subjektiven Element nicht genüge getan, insbesondere habe der Beschwerdeführer Bemühungen, Exporte in andere Länder durchzuführen, nicht unternommen.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 1998, B 2180/98-3, lehnte der zunächst angerufene Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Vor diesem erachtet sich der Beschwerdeführer in seiner - ergänzten - Beschwerde durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Unterbleiben der Erklärung des Verfalls der von ihm geleisteten Sicherheit infolge Vorliegens "höherer Gewalt" verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Art. 22 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 der Kommission vom 22. Juli 1985 mit gemeinsamen Durchführungsbestimmungen zur Regelung der Sicherheiten für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl L 205 vom 03/08/1985, verfällt eine Sicherheit in voller Höhe für die Menge, für die eine Hauptpflicht nicht erfüllt wurde; eine Hauptpflicht gilt dann als nicht erfüllt, wenn, abgesehen von Fällen höherer Gewalt, der entsprechende Nachweis innerhalb der hiefür vorgeschriebenen Frist nicht erbracht wird. Unbestritten ist, dass der Nachweis der Erfüllung der Hauptpflicht im Sinne der Art. 30 Abs. 1 lit. b und 31 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) Nr. 3719/88 der Kommission vom 16. November 1988 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie Vorausfestsetzungsbescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl L 331 vom 02/12/1988, nicht erbracht wurde und die Berechnung des Verfallsbetrages im Sinne des Art. 33 Abs. 2 der zuletzt zitierten Verordnung zutreffend erfolgt ist. Allein strittig ist im Beschwerdefall, ob ein Fall "höherer Gewalt" vorliegt.
Im Hinblick auf die zahlreiche Rechtsprechung des EuGH zu diesem Begriff erscheint die diesbezügliche Rechtslage - soweit dies für den Beschwerdefall entscheidend ist - klar, sodass sich der Gerichtshof nicht zu einer Vorlage im Sinne des Art. 234 EG veranlasst sieht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. hiezu nur etwa das Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-136/93, Transafrica SA gegen Administracion del Estado Espanol, Slg. 1994, I-5757, RNr. 14, mwN) trägt der Begriff der "höheren Gewalt" im Bereich der Agrarverordnungen der besonderen Natur der öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern und der nationalen Verwaltung sowie der Zweckbestimmung dieser Regelung Rechnung. Folglich ist der Begriff der "höheren Gewalt" nach dieser Rechtsprechung nicht auf eine absolute Unmöglichkeit beschränkt, sondern im Sinne von ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen zu verstehen, die vom Willen des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers unabhängig sind und deren Folgen trotz aller aufgewandten Sorgfalt nur um den Preis unverhältnismäßiger Opfer vermeidbar gewesen wären. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. die Zusammenfassung in der Mitteilung C (88) 1696 der Kommission über den Begriff "höhere Gewalt" im Landwirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaften (88/C 259/07)) enthält der Begriff der höheren Gewalt daher ein objektives Element (ungewöhnliche, vom Willen des Betroffenen unabhängige Umstände) sowie ein subjektives Element (trotz aller aufgewandten Sorgfalt unvermeidbare Folgen). Hinsichtlich des objektiven Elements kommt es auf die Definition des Begriffs "ungewöhnliche, vom Willen des Betroffenen unabhängige Umstände" an. Hier ist zwischen den gewöhnlichen unternehmerischen Risiken, die bei allen vergleichbaren Geschäften bestehen, und außergewöhnlichen Risiken zu unterscheiden. "Ungewöhnlich" ist danach ein Umstand, der als unvorhersehbar anzusehen ist oder zumindest als derart unwahrscheinlich, dass ein sorgfältiger Kaufmann davon ausgehen kann, dass das Risiko vernachlässigt werden kann (beispielsweise: Blitzschlag, Eisgang auf Schifffahrtskanälen, Lawinenverschüttung von Straßen, die im Winter normalerweise passierbar sind). Ein Umstand ist "vom Willen des Betroffenen unabhängig", wenn er im weiteren Sinne außerhalb seines Einflussbereiches liegt; nicht vom Willen des Betroffenen unabhängig sind die Handlungen seiner Vertragspartner, auch wenn sie strafbar sind, da es dem Marktteilnehmer obliegt, seine Geschäftspartner sorgfältig auszuwählen und sie mit genügendem Nachdruck zur Beachtung der Vertragsklauseln anzuhalten.
Das subjektive Element enthält die Verpflichtung, die Folgen des ungewöhnlichen Ereignisses mit allen geeigneten Mitteln zu begrenzen (mit Ausnahme unverhältnismäßiger Opfer). Insbesondere muss der Unternehmer die Vertragsabwicklung sorgfältig beobachten und sofort reagieren, wenn er eine Anomalie feststellt; er muss insbesondere alle erforderliche Sorgfalt walten lassen, um die in den maßgeblichen Vorschriften vorgesehenen Fristen einzuhalten (vgl. zu all dem die bereits erwähnte Mitteilung C (88) zu 1696 der Kommission).
In dem bereits erwähnten Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 hat dieser zwar die offizielle Bekanntmachung eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika sowie den Abschluss dieses Abkommens als vom Willen des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers unabhängige Umstände angesehen. Er hat jedoch die fraglichen Ereignisse als keineswegs ungewöhnliche und unvorhersehbar für Wirtschaftsteilnehmer beurteilt, die sich unter Leistung einer Sicherheit verpflichtet hatten, subventionierten Mais zu den in der Verordnung Nr. 3593/86 festgelegten Bedingungen nach Spanien einzuführen. In Anbetracht der damals verfügbaren Informationen hätte sich vielmehr jeder normal informierte Wirtschaftsteilnehmer klar machen können, dass die Frage der Einfuhr von Mais nach Spanien einer der wichtigen Punkte der Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika war und dass intensiv nach Übereinkunft gesucht worden sei, um einen Handelsstreit zu verhindern. Im Übrigen sei der Anfang 1987 auf dem spanischen Markt eingetretene Preisrückgang, der keine unvermittelte und unvorhersehbare Reaktion auf die Bekanntmachung des Abkommens gewesen sei, als ein gewöhnliches Geschäftsrisiko anzusehen, das die Abfertigung des subventionierten Maises zum freien Verkehr in Spanien nicht absolut unmöglich gemacht habe.
Der Beschwerdeführer hat mit der von ihm beantragten Ausfuhrlizenz (auch) die Verpflichtung übernommen, die darin erwähnte Anzahl von 500 Stück Rindern fristgerecht auszuführen. Unbestritten ist, dass Kroatien als Bestimmungsland für den Export nicht verpflichtend vorgegeben war. Es lag daher am Beschwerdeführer im Rahmen der Berufung auf "höhere Gewalt" die Unvorhersehbarkeit des die Ausfuhr hindernden Ereignisses schlüssig darzulegen und dabei insbesondere zu erläutern, dass er sich ausreichend über die Einfuhrbedingungen (und deren allenfalls vorhersehbare Änderung) im Zielland informiert habe. Hiebei ist vom Maßstab eines sorgfältigen Kaufmannes auszugehen. Entsprechende Darlegungen aber sind weder den Akten des Verwaltungsverfahrens noch dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen. Aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Übersetzung eines Schreibens des kroatischen Landwirtschaftsministeriums vom 16. März 1998 ergibt sich nur, dass im Jahr 1998 Genehmigungen für die Einfuhr von Rindern nur an Unternehmen oder deren befugte Importeure ausgestellt werden, die im Bereich der Molkereien oder Fleischindustrien tätig seien; mit dieser Maßnahme wollte die kroatische Regierung - dies ist dem vorerwähnten Schreiben weiters zu entnehmen - das genetische Potential im Rahmen der Viehzucht verbessern.
Es wäre weiters am Beschwerdeführer gelegen gewesen, schlüssig darzulegen, dass ein sorgfältiger Kaufmann mit der Möglichkeit von Importrestriktionen nicht zu rechnen gehabt hätte. Diesbezüglich befindet sich in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden ein Fax des Österreichischen Handelsdelegierten für Kroatien vom 6. April 1998, in dem dieser dem Bundesgremium des Viehhandels und des Fleischgroßhandels mitteilte, dass die vom kroatischen Veterinäramt am 26. März 1998 verfügte Einfuhrsperre nur lebende Schweine und Schweinefleisch betroffen habe; Lebendrinderimporte seien keineswegs betroffen.
Schließlich wäre es - wenn auch die Obliegenheiten des Exporteurs bei der Ausfuhr in Drittländer nicht überspannt werden dürfen - noch Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, im Hinblick auf den Begriff "unverhältnismäßige Opfer" nähere Angaben zur Aufnahmefähigkeit und Preisgestaltung auf Drittmärkten zu machen. Zwar ist es dem Beschwerdeführer gelungen, eine beträchtliche Anzahl Rinder nach Bosnien-Herzegowina zu exportieren, doch hat er im Verwaltungsverfahren nur vorgebracht, dass es nach seiner Geschäftserfahrung zu dieser Zeit kaum möglich gewesen wäre, zu "wahrscheinlich vernünftigen Preisen" andere Märkte zu erschließen. Konkrete Angaben über "unverhältnismäßige Opfer" die - zumindest nach Lage des Falles - nur der Beschwerdeführer hätte machen können, sind dem jedenfalls nicht zu entnehmen.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.
Wien, am 21. Juni 1999
Gerichtsentscheidung
EuGH 61993J0136 Transafrica / Administracion del Estado EspanolSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 höhere GewaltDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 höhere GewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998170362.X00Im RIS seit
09.11.2001Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011