TE Vwgh Beschluss 2019/1/30 Ra 2018/12/0038

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Veröffentlicht am 30.01.2019
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Index

L22003 Landesbedienstete Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art20 Abs1
DPL NÖ 1972 §30a
DPL NÖ 1972 §31 Abs2
DPL NÖ 1972 §36 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Ing. J S in D, vertreten durch Dr. Hans Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 26. April 2018, Zl. LVwG-AV-1039/003-2016, betreffend Feststellungsanträge i.A. Weisungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.

2 Mit Schreiben der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Juni 2016 wurden ihm folgende Weisungen erteilt:

"1.        In Hinblick auf die im amtsärztlichen Gutachten von

Dr. X vom 20. Juni 2016 attestierte Dienstfähigkeit werden Sie

aufgefordert, sich sofort bei Ihrer Dienststelle ... zum

Dienstantritt zu melden.

2.        Sie haben Ihre physikalischen Therapien zeitlich so zu

gestalten, dass diese (inklusive Anfahrt bzw. Rückfahrt) außerhalb

der Dienstzeit stattfinden.

3.        Sie haben jede weitere krankheitsbedingte

Dienstverhinderung durch ein entsprechendes amtsärztliches Gutachten der Amtsärzte der Abteilung Gesundheitswesen beim Amt der NÖ Landesregierung (Haus 15b, Zimmer 314) ab dem ersten Tag der Dienstverhinderung nachzuweisen. Sollten Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, den Amtsarzt persönlich aufzusuchen, ist eine Bestätigung der ¿Transportunfähigkeit' von Ihrem Arzt (Hausarzt, Facharzt, ...) vorzulegen."

3 Zur weiteren Vorgeschichte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 13. September 2017, Ra 2017/12/0003, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof (u.a.) Spruchpunkt 5. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. November 2016, mit dem die Abweisung des Antrags des Revisionswerbers auf Feststellung betreffend die Rechtmäßigkeit des Punktes 2. der Weisung bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Entsprechend den in dem zuletzt genannten Erkenntnis dargelegten Erwägungen des Gerichtshofes ist - entgegen der vom Landesverwaltungsgericht (im ersten Rechtsgang) vertretenen Auffassung - die Möglichkeit der Verletzung subjektiver Rechte des Revisionswerbers durch die hier in Rede stehende Anordnung jedenfalls gegeben. Punkt 2. der Weisung betrifft die Abgrenzung zwischen privat (zur Absolvierung einer Therapie) nutzbarer Zeit und solcher, in welcher eine Verpflichtung zur Dienstleistung besteht. Er berührt daher subjektive Rechte des Beamten.

4 Im fortgesetzten Verfahren wies das Landesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis - unter dem im Revisionsfall ausschließlich verfahrensgegenständlichen Spruchpunkt 2. - die Beschwerde des Revisionswerbers betreffend die Abweisung seines Antrags auf Feststellung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Punktes 2. der Weisung erneut als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

5 Zu Spruchpunkt 2. seiner Entscheidung stellte das Gericht fest, am Dienstort des Revisionswerbers seien seit zumindest 20. Juni 2016 physikalische Therapeuten tätig, die medizinisch objektiv befähigt seien, seine gesundheitlichen Einschränkungen wirksam zu behandeln. Darunter befänden sich auch Therapeuten, die Behandlungszeiten außerhalb der planmäßigen Dienstzeit des Revisionswerbers anböten. Die Inanspruchnahme einer dieser Therapeuten sei ihm zumutbar. In diesem Fall müsse er nicht weniger wirksame Therapieleistungen, längere Wartezeiten oder höhere Kosten in Kauf nehmen als bei jenen Therapeuten, die er in der Nähe seines Wohnortes aufsuche. Auf die medizinische Wirksamkeit der Therapie wirke sich die Reihenfolge von Therapie einerseits und der Anreise zwischen Dienst- und Wohnort andererseits nicht aus.

6 Beweiswürdigend führte das Gericht aus, der Revisionswerber sei den Feststellungen der Behörde sowie den Ausführungen des sachverständigen Zeugen betreffend das am Dienstort vorhandene Angebot adäquater Therapieeinrichtungen nicht entgegengetreten. Er habe diesbezüglich lediglich sein völliges Desinteresse bekundet. Das Festhalten an den Therapeuten, die sich in der Nähe seines Wohnortes befänden, begründe der Revisionswerber ausschließlich mit dem zu diesen Therapeuten aus langjähriger Behandlung entstandenen Vertrauen. Daraus könne aber entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen kein objektivierbarer Grund für die Weigerung abgeleitet werden, das Therapieangebot am Dienstort zu nutzen. Vielmehr habe der Revisionswerber selbst eingeräumt, dass er seit jeher bei seinen gewohnten Therapeuten Wartezeiten von ca. drei Monaten und selbst in dringenden Fällen von bis zu 1,5 Monaten in Kauf zu nehmen habe. Betreffend Therapieeinrichtungen am Dienstort habe der Revisionswerber keine Erkundigungen eingeholt. Aus diesem Grund kenne er auch das am Dienstort bestehende Angebot nicht.

7 In rechtlicher Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht fest, es sei bei gesetzkonformer Interpretation der Weisung davon auszugehen, dass nur der im Anordnungszeitpunkt aufgrund der Gutachtenslage zu erwartende Typus von - nicht dringenden - physikalischen Therapien als Weisungsgegenstand zu betrachten sei und dem Vorgesetzten im Fall einer dringend notwendigen Behandlung auch Raum für die Würdigung der jeweiligen Situation als allenfalls gerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst verbleiben solle. Ein Vorgesetzter habe aus Anlass seiner Entscheidung über die ihm vorgelegte Meldung einer Dienstverhinderung bzw. aus Anlass des Ersuchens eines Beamten um Dienstfreistellung wegen eines Arztbesuches zu ermitteln, ob die Dienstabwesenheit im jeweiligen Fall gerechtfertigt sei oder nicht. Dies erfordere, dass die medizinische und terminliche Seite des Arztbesuches, und zwar beispielsweise durch Befragung des behandelnden Arztes oder des Beamten, abgeklärt werde. Die im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgenommene Feinprüfung der hier typischerweise zukünftig zu erwartenden physikalischen Therapien habe bis zum Schluss der Verhandlung keine objektivierbaren Zweifel daran hervorgebracht, dass dem Revisionswerber die Inanspruchnahme von physikalischen Therapien am Dienstort außerhalb der Dienstzeit möglich und zumutbar sei. Soweit der Revisionswerber als einziges Argument das zu seinem gewohnten Therapeuten bestehende Vertrauensverhältnis ins Treffen führe, zeige er damit weder eine objektive noch eine subjektive Unzumutbarkeit der Befolgung der Weisung auf. Die angefochtene Weisung verletze den Revisionswerber daher nicht in seinem subjektiven Recht auf Abgrenzung zwischen privat zur Absolvierung einer Therapie nutzbarer Zeit und solcher, in der eine Verpflichtung zur Dienstleistung bestehe. Aus diesem Grund sei der Beschwerde nicht stattzugeben gewesen. Von der Umformulierung des Spruchs des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides habe Abstand genommen werden können, weil der Spruch des dienstbehördlichen Bescheides in Verbindung mit der Bescheidbegründung eindeutig dahin zu verstehen sei, dass festgestellt werde, dass Punkt "I.2." der Weisung rechtskonform sei.

8 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses. Es werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis aus diesen Gründen (im bekämpften Umfang) aufzuheben.

9 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, es liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Dieser habe mit Erkenntnis vom 13. September 2017, Ra 2017/12/0003, hinsichtlich der den Revisionswerber betreffenden Anordnung des Inhaltes, es sei eine krankheitsbedingte Dienstverhinderung ab dem ersten Tag der Abwesenheit durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen, die Befolgungspflicht verneint. Vor dem Hintergrund der in § 31 Abs. 2 und § 36 Abs. 2 Niederösterreichische Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972), LGBl. Nr. 2200-0, getroffenen Regelungen bestehe nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Zuständigkeit zur Erweiterung der einen Beamten in diesem Zusammenhang treffenden Pflichten.

Im Übrigen sei allenfalls "in eventu" die Frage zu klären, inwieweit die Erteilung einer Weisung des in Rede stehenden Inhaltes unter Berücksichtigung der Entscheidungsfreiheit, die sich aus dem zu einem Therapeuten bestehenden Vertrauensverhältnis ergebe, zulässig und rechtmäßig sei. Der Revisionswerber gehe davon aus, dass das Gesetz auch hinsichtlich dieser Fragestellung eine abschließende Regelung enthalte, die keinen Spielraum für die Erteilung von Weisungen offen lasse.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13 Die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem in der Zulassungsbegründung angeführten Aspekt liegt schon deshalb nicht vor, weil Gegenstand des von der Revision bekämpften Spruchpunktes 2. des angefochtenen Erkenntnisses nicht die Anordnung ist, ein amtsärztliches Gutachten im Fall der krankheitsbedingten Abwesenheit vom Dienst vorzulegen, sondern die - ihrem Inhalt nach mit der zuletzt genannten Anordnung nicht vergleichbare - Weisung, physikalische Therapien außerhalb der Dienstzeit zu absolvieren.

14 Zudem sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem Erkenntnis vom 13. September 2017, Ra 2017/12/0003, auf die sich die Revision beruft, zur Frage der Befolgungspflicht bezüglich einer Anordnung (siehe Punkt 3. der Weisung vom 20. Juni 2016) ergangen, mit der die sich aus § 31 Abs. 2 und § 36 Abs. 2 DPL 1972 ergebenden Pflichten des Revisionswerbers im Fall der krankheitsbedingten Dienstabwesenheit erweitert wurden, ohne dass diesbezüglich eine abstrakte Befugnis des Vorgesetzten bestand. Die zu § 31 Abs. 2 und § 36 Abs. 2 DPL 1972 sowie zur Unwirksamkeit des dritten Punktes der Weisung vom 20. Juni 2016 angestellten Erwägungen des Gerichtshofes sind aber - wie sich bereits aus dem Vorerkenntnis vom 13. September 2017, Ra 2017/12/0003 ergibt - offenkundig nicht auf die hier zu prüfende (unter Punkt 2. der Weisung vom 20. Juni 2016 getroffene) Anordnung zu übertragen.

15 In dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich in Bezug auf die hier konkret in Rede stehende Anordnung, physikalische Therapien außerhalb der Dienstzeit zu absolvieren (siehe Punkt 2. der Weisung), und zur Frage der diesbezüglichen Befolgungspflicht festgehalten, dass diese Anordnung eine denkmögliche Konkretisierung der aus § 30a DPL 1972 ableitbaren Verpflichtung des Beamten, die vorgeschriebene Dienstzeit einzuhalten, darstellt (vgl. erneut VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0003; so hat der Gerichtshof mit dieser Entscheidung die im ersten Rechtsgang erhobene Revision insoweit zurückgewiesen, als die durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bejahte Befolgungspflicht betreffend Punkt 2. der Weisung vom 20. Juni 2016 bekämpft wurde). Anders als betreffend Punkt 3. der Weisung vom 20. Juni 2016 ist die Rechtmäßigkeit des hier zu prüfenden Punktes 2. der Weisung daher nicht schon zwangsläufig wegen mangelnder abstrakter Zuständigkeit des Vorgesetzten (und deshalb fehlender Befolgungspflicht) zu verneinen. Bereits aus diesem Grund gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, weshalb der unter Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses getroffene Ausspruch betreffend die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Punktes 2. der Weisung im Widerspruch zu dem hg. Erkenntnis vom 13. September 2017, Ra 2017/12/0003, stünde.

16 Überdies legte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der in Rede stehenden Anordnung, physikalische Therapien außerhalb der Dienstzeit zu absolvieren, ausgehend von einer einzelfallbezogenen und vertretbaren Auslegung (siehe auch dazu VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0003) einen eingeschränkten Inhalt zugrunde, der dringende Therapien nicht umfasste. Vor diesem Hintergrund beurteilte das Verwaltungsgericht sodann die in der vorliegenden Anordnung getroffene Abgrenzung von privat (zur Absolvierung einer Therapie) nutzbarer Zeit und solcher, in welcher eine Verpflichtung des Revisionswerbers zur Dienstleistung besteht, als rechtskonform. Dabei zog das Verwaltungsgericht auch das am Dienstort vorhandene Therapieangebot ins Kalkül, welches nach der Einschätzung des in der mündlichen Verhandlung beigezogenen medizinischen Sachverständigen eine adäquate Behandlung der gesundheitlichen Beschwerden des Revisionswerbers außerhalb der Dienstzeit ermögliche. Dass die diesbezügliche - noch der einzelfallbezogenen Rechtsanwendung zuzurechnende - verwaltungsgerichtliche Beurteilung unvertretbar im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG ist, vermag die Zulassungsbegründung mit den pauschalen Ausführungen zu dem zwischen Therapeuten und Patienten bestehenden Vertrauensverhältnis sowie mit dem Hinweis auf die "Entscheidungsfreiheit" des Patienten in Anbetracht der sich aus § 30a DPL 1972 ergebenden Dienstpflichten nicht stichhaltig aufzuzeigen.

17 Aus den dargelegten Erwägungen liegen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, weshalb die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nicht-öffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 30. Jänner 2019

Schlagworte

Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018120038.L00

Im RIS seit

20.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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