TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/10 B3229/96 - B5015/96

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.06.1997
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §15, §16 und §16a Tir RaumOG 1994 idF der Tir RaumOG-Nov 1996, LGBl 4, mit E v 12.03.97, G114/96 ua.

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 11. März 1996 wurde das Bauansuchen der Beschwerdeführerin auf Erweiterung ihres Freizeitwohnsitzes in Tirol gemäß §16a des Gesetzes vom 6. Juli 1993 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. 81/1993 idF der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. 4/1996, abgewiesen. Nach Abweisung ihrer dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde auch ihre in der Folge erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

2. In ihrer gegen diesen Vorstellungsbescheid gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Über Anträge des Verwaltungsgerichtshofes prüfte der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit der §§15, 16 und 16a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 idF der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. 4/1996. Mit Erkenntnis vom 12. März 1997, G114/96 ua., hat er ausgesprochen, daß die genannten Bestimmungen verfassungswidrig waren.

III. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG

wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).

2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G114/96 ua. begann am 28. Februar 1997. Die vorliegende Beschwerde ist bereits am 4. Oktober 1996 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig.

Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

3. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig befundenen §§15ff des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 idF der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. 4/1996, an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt wurde, sowie daß der Bescheid aufgehoben wird (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 14.6.1994, B376/94, 27.11.1995, B314/95).

IV. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,- enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B3229.1996

Dokumentnummer

JFT_10029390_96B03229_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten