TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/3 G304 2195069-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G304 2195069-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.07.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen Spruchpunkt IV.), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und dem BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG für die freiwillige Ausreise eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt langte am 14.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

4. Am 08.06.2018 langte beim BVwG eine Bestätigung von Mai 2018 über eine in Österreich aufgenommene ehrenamtliche Tätigkeit des BF ein.

5. Am 09.07.2018 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, unter Teilnahme des BF und seines Rechtsvertreters und im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger vom Irak, gehört der arabischen Volksgruppe an, ist schiitische Moslem und stammt aus einem sunnitischen Viertel in Bagdad. Er ist Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

1.2. Der BF ist im August 2015 aus dem Irak in die Türkei gereist und von dort schlepperunterstützt nach Österreich gelangt, wo der BF am 07.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

1.3. Der BF hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen, jedoch einige "österreichische Freunde", in seinem Herkunftsstaat noch Onkel und Tanten und in der Türkei seine Mutter, vier Brüder und seine Schwester, die nach seiner Ausreise in die Türkei gereist sind und sich seither dort aufhalten. Vor Ausreise des BF aus dem Irak arbeitete der BF in der Tischlerei seines Vaters. Der Vater des BF ist im Jahr 2007 bei einem Terroranschlag getötet worden. Im Bundesgebiet ging der BF im Zeitraum von 11.10.2016 bis 20.11.2016 einer Tätigkeit als Erntehelfer nach.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Zu Bagdad

2.1.1. Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür ist der schwache Staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonel. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wideraufbau der Armee mehrere Jareh nötig. Gleichzeitig eschienen bewaffnete Grupipen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den "Popular Mobilization Forces" (PMF), auf der Bidlfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu eienr größeren Verfügabarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, sit die Stadt nicht in gleichem Ausmaß die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006 -2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheiitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).

Die Stadt Bagdad verzeichnet Terrorattacken, Kidnappings und Entführungen, Schießereien mit Handfeuerwaffen, Konfessionalität und Diskriminierung (MRG 10.2017)

Sicherheitskräfte in der Provinz Bagdad:

2.1.2. Irakische Sicherheitskräfte (ISF):

Die ISF waren in Bagdad vom "Bagdad Operations Command" (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernment agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die der 6., 11. Und 17. Abteilung der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizeieinheiten, inclusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomaten. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalken Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und RÜckkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig (MRG 10.2017).

Polizeikräfte warden oft als Erweiterung der Badr- Partei gesehen. Darüber hinaus wird das Polizeikorops, abgesehen von Teilen der Staatspolizei, als schwer corrupt erachtet. In wenigen Ausnahmen sind Offiziere der Staatspolizei ehemalige Offiziere der Armee und warden als weniger corrupt und konfessionalistisch gesehen. Die moisten sind allerdings durch politische Einflussnahme und vereinbarungen verschiedener Parteien an ihre Position gelangt (MRG 10.2017).

Popular Mobilitation Forces (PMF):

Während die PMF generell auf Schlachtfeldern quer durch das Land eingesetzt wurden, bewahren einige eine signifikante Präsenz in Bagdad. Die älteren und größeren überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. ...] Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des "Bagdad Belt", besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernemen Salah al-Din grenzen, inclusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt wurden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu konzentrieren, in denen in den letzten zwei Jahren Militäreinsätze stattgefunden haben - wie in etwa in Anbar, Ninewa und Salah al-Din - sowie in Gebiete, in denen außer Frage steht, dass Milizen ungestraft agierten. Augrund dessen warden Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Gouvernements Bagdad nicht so eingehend verfolgt (MRG 10.2017).

Im Folgenden warden einige Beispiele der wichtigsten PMF-Milizen aufgezählt, die in Bagdad operieren: Badr-Organisationen, Asaib Ahl al-Haq, Saraya al-Salam, Saraya al-Khorasani, Kataib Hizbullah (MRG 10.2017)

Quellen:

-

MRG - Minority Rights Group - Ceasefire Center for Civilian Rights (10.2017): Decurity Situation and sectarian tensions in the city of Baghdad, per E-Mail am 12.9.2017

-

UNAMI (1.11.2017): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of October 2017,

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8132:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-october-2017&Itemid=633&lang=en,Zugriff 23.11.2017

2.2. Zur Sicherheitslage

2.2.1. Gewaltmonopol des Staates

Staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnnitische Stammtesmilizen sowie der IS] handeln eigenmächtig. Dadurch sidn die irakischen Sicherheitskräfte nicth in de rLage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017). Insbesondere über den Nordwesten des Irak kann die Regierung nicht die Kontrolle behalten und muss sich auf die vorwiegend] schiitischen Milizen der PMF verlassen. Die zwei wichtigsten Davon sind Asaib Ahl al-Haq (AAH) und die Badr-Brigaden, die beide effektiv] unter dem Kommando des Iran stehen (Standsfield 26.4.2017). Durch die staatliche Legitimierung der Milizen veschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Staatliche Ordnungskräftekönnen sich teiliweise nicth mehr gegen die mächtigen Milizen durchsetzen (AA 7.2.2017).

Quelle:

- AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak

2.2.2. Sicherheitsbehörden und die wichtigsten im Irak operierenden militärischen Akteure udn Milizen

2.2.2.1. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Die ISF bestehen aus den Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, aus jenen, die vom Verteidigungsministerium verwaltet warden, aus den vorrangig schiitischen] Milizen, die unter der Dachorganisation der Volksmobilisierung (PMF) zusammen gefasst wurden und dem Counterterrorism Service (CTS). Die Aufgaben des Innenministeriums umfasen nationale Gesetzsvollstreckung und Aufrechterhaltung der Ordnung, gestützt auf die Staatliche Polizei, die regionale Polizei, die Abteilung zum Schutz von Gebäuden/Einrichtungen, die Bürgerwehr sowie die Abteilung für Grenzschutz.

Durch die staatliche Akzeptanz, teilweise FÜhrung und Bezahlung der Milizen verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichenAkteuren. In der Wirtschaftsmetropole Basra im SÜden des Lande können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität durchsetzen (AA 7.2.2017). Insgesamt konnten zivile Behörden nicth immer die Kontrolle über alle Sicherheitskräfte bewahren. Dies betrifft neben den PMF auch die regulären bewaffneten Kräfte, sowie heimische Sicherheitsdienste (USDOS 3.3.2017).

Counterterrorism Service

Der Counterterrorism Service (CTS) (auch Counterterrorism Bureau/Jihaz Mukafahal al-Irhab) ist eine auf Terrorbekämpmfung spezialisierte Eliteeinheit, die direct dem Premierminister unterstellt ist. Der CCTS is tsomit neebn den anderen Standbeinen der irakischen Sicherheitskräfte auf gleicher (quasi-ministerieller) Ebene eine Organisation mit weitreichenden Kompetenzen in Bezug auf Terrorbekämpfung (Al 2016; Witty 2014). Der CCTS hat die Aufsicht über den Counterterrorism Command (CTS), der wiederum die Kontrolle über die Iraqi Special Operation Forces (ISOF) hat. Diese bestehen aus drei Brigaden (ISOF-Brigaden), deren bekannteste die 1st ISOF-Brigade ist, auch "Golden Brigade /Golden Division" genannt (ISW 19.12.2016). Der CTS erhält seit seiner von den USA unterstützten und finanzierten Gründung (Witty 2014) direkte Unterstützung und Trainings von Seiten der Vereinigten Staaten und anderen Mitgliedern der Koalition gegen den IS], u.a. von Frankreich (Al-Monitor 21.2.2017). Zum Teil wird der CTS auf Grund seiner Nähe zu US-amerikanischen Beratern in der irakischen Bevölkerung kontrovers gesehen (Witty 2014).

Quelle:

-

AI - Amnesty International (2016): "Punished for Daesh-s Crimes"

DISPLACED IRAQIS ABUSED BY MILITIAS AND GOVERNMENT FORCES,

https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1476859165_mde1449622016english-pdf, Zugriff 23.8.2017

-

USDOD - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq,

http://www.ecoi.net/local_link/337187/479950_de.html, Zugriff 6.8.2017

-

Witty, David (2014): Theh Iraqi Counter Terrorism Service, https://www.brookings.edu/wp-content/uploads/2016/06/David-Witty-Paper_Final_Web.pdf, Zugriff 23.8.2017

2.2.2.2. Schiitische Milizen - Popular Mobilization Forces

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashad al-Shaabi, English: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschlieißlich schhiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.0000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamlischen Staates" (IS) verstanden werden und ist somite eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt.: Im Sommer 2014 drang die Terrororganisation in den Irak ein und nahm am 10. Juni erst Mossul und danach weite Teile der Provinzen Ninewah, Salahuddin, Anbar, Diyala und Kirkuk ein; wenig später waren auch die Städte Erbil und Bagdad in Gefahr (Süß 21.8.2017).

Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitsbehörden zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwiliigenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Zwei Tage später bildete die irakische Regierung ein Komitee der Volksmobilisierung, das dem Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi untersteht und vom Nationalen Sicherheitsberater Falih al-Fayyad geleitet wird. Die wahren Kräfteverhältnisse sind allerdings schon daran abzusehen, dass die Gründung durch das irakische Innenministerium verkündet wurde:

Dieses understand bis Juli 2016 der Führung des "Badr-Polizikers" Muhammad al-Ghabban, die dominante Kraft im Innnenministerium und damit der eigentliche irakische Führer des Milizenbündnisses ist jedoch Hadi al-Amiri. Mehrere Milizen stehen außerdem politischen Parteien nahe. Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asaíb Ahl al-Haqq, Kataíb Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schihtischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata¿ ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen (Süß 21.8.2017).

Die wichtigsten Milizen innerhalb der PMF sind die "Badr-Organisation" als älteste schiitische Miliz im Irak und diejenige mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran, die "Kataíb Hizbullah" - Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades, die Asa¿ib Ahl al-Haqq - Liga der Rechtschaffenen oder Khaz¿ali-Netzwerk, League of the Righteous, die "Saraya as-Salam" (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades); im Juni 2014 nach der Fatwa Sistanis auf Anweisung von Muqtada as-Sadr gegründet) und die "Kata íb al-Imam Ali" (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) als eine der im Jahr 2014 neu gebildeten Milizen.

Quelle:

- Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Fact FINDinng Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504517740_bfa-staatendokumentation-ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak 2017-8-31-pdf

2.2.3. Sicherheitslage in BagdadDie terroristischen Aktivitäten der letzten Jahre setzten sich im Jahr 2016 fort, eine besondere Rolle spielten dabei die Anschläge des IS, insbesondere auf Städte. Bagdad war dabei am meisten betroffen, indem dort mehr als die Hälfte aller Todesfälle verzeichnet wurden. UNAMI berichtet von nahezu täglichen Attacken mit improvisierten Sprengfallen (IEDs) von Jänner bis Oktober. Der IS führte insbesondere Angriffe auf Zivilisten in jenen Vieteln Bagdads aus, die mehrheitlich schiitisch sind. Der diesbezüglich größte Angriff des Jahres 2016 fand am 3. Juli statt. Dabei wurden im schihtisch dominierten Viertel Karrate 292 Zivilisten getötet und hunderte verletzt (USDOS 3.3.2017). Eine gewisse Sicherheit ist in Bagdad lediglich in der "grünen" internationalen Zone (Green Zone) im Zentrum der Stadt gewährleistet (ÖB 12.2016). Die Anschläge des IS finden dabei zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden statt, der IS zielt dabei vorwiegend auf Zivilisten ab (UNAMI 1.2.2017).

2.2.4. IDPs und Flüchtlinge / Bewegungsfreiheit

Staatliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit

Laut Einschätzung des UNHCR sind die Möglichkeiten einer innerstaatlichen Fluchtalternative für IDPs durch die aktuellen Umstände, das Ausmaß innerstatlicher Vertreibung, die ernstzunehmende humanitäre Krise, die zunehmenden interkommunalen Spannungen, die Beschränkungen bzw. des Zuganges und/oder Aufenthaltes in fast allen Teilen des Landes und durch den steigenden Druck auf IDPs in ihre Hematgebiete zurückzukehren, eingeschränkt (UNHCR 12.4.2017). Laut USDOS hatten IDPs während des Jahres 2016 (Berichtszeitraum des USDOS-Menschenrechtsberichtes) eingeschränkten Zugang zu Bagdad, Kirkuk, sowie zur Provinz Najaf und zu Gebieten, die unter Kontrolle der KRG stehen (USDOS 3.3.2017).

Das deutsche Auswäritge Amt berichtete am 7.2.2017, dass auch die Hauptstadt Bagdad (ca. 570.000) und in geringem Maße der schiitisch geprägte Südirak (ca. 200.000) zahlreiche Binnenvertriebene aus umkämmpften Gebieten aufgenommen haben. Aus Furcht vor der Infiltration von Terroristen sind die Grenzen von Bagdad, Kerbela und Babel für weitere Vertriebene fast vollständig geschlossen (AA 7.2.2017).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq,

http://www.ecoi.net/local_link/337187/479950_de.html, Zugriff 6.8.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak

2.2.5. Grundversorgung / Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten zumindest außerhalb der Region Kurdistan-Irak schwierig. (AA 7.2.2017).

Quelle:

- AA- Auswärtiges Amt (7.2.2017). Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

2.2.6. Behandlung nach Rückkehr

Auf niedrigem Niveau ist eine freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten zu beobachten. In der Region Kurdistan-Irak gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren, ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 7.2.2017). Aus Österreich kehrten in der ersten Jahreshälfte 2017 in etwa 346 Iraker freiwillig in den Irak zurück - von diesen fast alle im Zuge einer sogenannten unterstützten Rückkehr (BFA 11.8.2017). Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (AA 7.2.2017).

Quelle:

- AA- Auswärtiges Amt (7.2.2017). Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

3. Das Fluchtvorbringen des BF konnte aufgrund von Widersprüchen nicht als glaubwürdig gewertet werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort), Staatsangehörigkeit und Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich unbedenklichen Akteninhalt. Dass der BF aus einem sunnitischen Stadtviertel in Bagdad stammt, hat er der belangten Behörde selbst im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11.01.2018 bekannt gegeben.

2.2.2. Die Feststellungen zu den familiären und sozialen Verhältnissen des BF beruhen ebenso auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in niederschriftlicher Einvernahme vor dem BFA wie seine Angabe zu einer Tätigkeit im Tischlereibetrieb seines bereits verstorbenen Vaters vor seiner Ausreise aus dem Irak. Dass der Vater des BF im Jahr 2007 getötet worden ist, beruht auf den diesbezüglichen Angaben des BF vor dem BFA am 11.01.2018 und der der belangten Behörde vorgelegten Sterbeurkunde seines Vaters. Der BF gab vor dem BFA an, seine Familienangehörigen - Mutter und Geschwister - seien nach seiner Ausreise in die Türkei ausgereist. Obwohl der BF in der mündlichen Verhandlung angab, im Irak niemanden mehr zu haben, ist von vorhandenen Onkeln und Tanten als familiäre Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat auszugehen, welche, wie er vor dem BFA glaubhaft angibt, in einem anderen Wohnviertel wohnen als der BF mit seiner Familie gelebt hat.

2.2.3. Dass der BF im Bundesgebiet einer Tätigkeit als Erntehelfer nachgegangen ist, war aus einem AJ WEB-Auskunftsverfahrensauszug ersichtlich. Die dafür erforderliche Beschäftigungsbewilligung wurde dem Arbeitgeber des BF mit Bescheid des AMS vom 05.10.2016 erteilt. Diese "Saisonbewilligung" langte am 06.10.2016 bei der belangten Behörde ein.

2.2.4. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergab sich aus einer Einsichtnahme in das österreichische Strafregister.

3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat decken sich mit den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichten verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen, soweit diese aktuelle Gültigkeit haben.

Ergänzend dazu werden gegenständlicher Entscheidung ein amtsbekannter aktueller Online-Bericht über die im Mai 2018 erfolgte Parlamentswahl im Irak zugrunde gelegt. Diese Wahl habe demnach "Moktada al-Sadr" - der einzige namhafte schiitischer Politiker, der den iranischen Einfluss im Irak offen ablehnt, und einer der wenigen schiitischen Politiker im Nahen Osten, die Irans Verbündeten, den syrischen Diktator Baschar al-Assad, ,zum Rücktritt aufgefordert haben, was ihn nun auch für "säkuläre Sunniten" wählbar mache (http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-wahl-muqtada-al-sadrs-wandlung-von-ardliner-zum-versoehner-a-1207894.html; https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-05/endergebnis-parlamentswahl-irak-al-sadr-abadi)

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Da der bei der Parlamentswahl im Mai 2018 als Wahlsieger hervorgegangene schiitische Politiker den Einfluss aus dem Iran offiziell ablehnt, und den aktuell gültigen Länderberichten zufolge "die älteren und größeren (überwiegend schiitischen) Milizen vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt "Bagdad" repräsentieren, ist ein Machtverlust von schiitischen Milizen mit iranischem Einfluss, wie etwa der Badr¿-Organisation" mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran, zu erwarten.

Eine Sicherstellung des Gewaltmonopols des irakischen Staates nach dieser Entscheidung zugrunde gelegten aktuell gültigen Länderberichten den staatlichen Stellen bislang jedoch nicht gelungen, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass die irakischen Sicherheitskräfte in der Lage seien, den Schutz der Bürger sicherzustellen.

4. Zum Vorbringen des BF:

Der BF gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 11.01.2018 an, er sei nach seinem Tod seines Vaters im Jahr 2007 am 04.06.2015 von einem Mordermittlungsbeamten verständigt worden, dass fünf Terroristen, die den Vater des BF ermordet hätten, gefangen genommen worden seien. Sie hätten auch "viele andere Morde verübt". Nach Aufforderung, zusammen mit seinem Bruder am 01.09.2015 als Zeuge vor Gericht auszusagen, sei der BF am 05.07.2015 angerufen und gefragt worden, ob er den im Spruch angeführten Namen habe, woraufhin der BF erneut mit einer anderen Telefonnummer angerufen und bedroht worden sei, sollte irgendjemand von seiner Familie vor Gericht erscheinen, "wird dies sein letzter Tag sein". Tags darauf wurde der BF wieder von einer anderen Telefonnummer angerufen und wurde ihm mitgeteilt: "(...) wird sind unschuldig, weil wir haben euch gewarnt, was euch jetzt passiert, für dieses seid ihr selbst verantwortlich." Nach dem dritten Anruf hat sich der BF an die Mordkommission gewandt, die Telefongesellschaft konnte die Anrufer jedoch nicht eruieren.

Am 28.07.2015 ist es zu einem Übergriff auf die Familie des BF gekommen, sei doch da das Haus und der Pick-up der Familie angeschossen und der Pick-up angezündet worden. Nach diesem Vorfall sei der BF mit seiner Familie zum Haus seines Großvaters geflohen und auf Anraten seiner Mutter als Erster der Familie aus seinem Herkunftsstaat ausgereist.

Dieses Fluchtvorbringen des BF konnte nicht als glaubwürdig gewertet werden. Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, hat sich der BF in niederschriftlicher Einvernahme vor dem BFA deutlich zu seinen in Erstbefragung angeführten Fluchtgründen widersprochen, führte der BF in seiner Erstbefragung doch keine konkrete selbst erlebte Bedrohung, sondern den Tod seines Vaters "ca. 2007", die Entführung von zwei Cousins und eine aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage bestehende Furcht um sein Leben an.

Dem BF wurde in niederschriftlicher Einvernahme vor dem BFA vorgehalten, der BF habe in seiner Erstbefragung ein anderes Fluchtvorbringen erstattet und davon gesprochen, zwei Onkel seien im Krieg gestorben, zwei Cousins seien entführt worden und der BF wolle nicht selbst kämpfen. Daraufhin gab der BF an: "Ein Onkel väterlicherseits wurde nach der Ermordung meines Vaters entführt, bis heute wissen wir nichts von ihm. Alle anderen Geschichten habe ich nicht erzählt."

Der vom BF hergestellte Bezug zwischen Ermordung seines Vaters im Jahr 2007 und einer auf eine telefonische Benachrichtigung von der Festnahme der für den Tod seines Vaters Verantwortlichen im Juni 2015, die den Mord an seinem Vater bereits zugegeben hätten, folgende Bedrohung des BF und seiner Familie durch einige Telefonanrufe und konkreten Übergriffen auf das Hab und Gut seiner Familie am 28.07.2015 ist dem BF nicht gelungen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der BF und sein Bruder noch am 01.09.2015 vor Gericht als Zeuge aussagen hätte sollen, wenn seinen Angaben vor dem BFA zufolge nach Angabe des Mordermittlungsbeamten die ausgeforschten Terroristen den Mord am Vater des BF bereits zugegeben hätten und weder sein Bruder noch der BF selbst bei der Tötung seines Vaters dabei gewesen seien.

Abgesehen davon wurde in der der belangten Behörde in arabischer Sprache vorgelegten und in die deutsche Sprache übersetzten schriftlichen Aufzeichnung eines Ermittlungsbeamten, der den BF laut seinen Angaben vor dem BFA zufolge vom Mordfall verständigt haben soll, vom Erschießen seines Vaters und weiterer sechs Personen in einem Einkaufszentrum berichtet, was aufgrund dieses Tatortes eher auf eine willkürliche terroristische auf einen unbestimmten Personenkreis als auf eine konkret gegen den Vater des BF gerichtete Tat hindeutet. Das im Folgenden wörtlich wiedergegebene Vorbringen des BF aus seiner niederschriftlichen Einvernahme auf die Frage, warum neben seinem Vater im Jahr 2007 weitere sechs Personen ermordet worden seien, geht somit ins Leere:

"Es war ein sunnitisches Viertel und in der Nähe war eine sunnitische Moschee. Es hat angefangen, dass die Sunniten keinen Respekt mehr vor der Polizei hatten. Es wurde auch auf die Polizei geschossen. 1 Woche bevor mein Vater erschossen wurde, wurde in unserem Viertel auf Polizisten geschossen, mein Vater hat Sie versteckt und hat Sie mit Hilfe des US-Militär wieder herausholen lassen aus der Gefahrenzone."

Dass der Vater des BF von bestimmten Personen zudem an einem öffentlichen Ort gezielt ermordet worden sein soll, ist zudem nicht nachvollziehbar, kann doch bei tatsächlich beabsichtigter Tötung des Vaters des BF ein Auftauchen dieser Personen beim Vater zuhause angenommen werden. Die Tötung seines Vaters basierte somit auf einem einen unbestimmten Personenkreis betroffenes Terrorattentat.

Da der BF bei diesem gar nicht dabei war, sondern erst im Nachhinein von seinem Bruder davon erfahren hat, war die vom BF angeführte Bedrohung des BF im Jahr 2015 wegen einer ihm als Zeugen bevorstehenden Gerichtsaussage in Zusammenhang mit dem Tod seines Vaters im Jahr 2007 nicht glaubhaft.

In der mündlichen Verhandlung gab der BF, befragt, warum er in seiner Erstbefragung etwas anderes als vor dem BFA vorgebracht habe, an: "Die Aussagen, die getätigt wurden, wurden vom Dolmetscher dargestellt und nicht von mir."

Daraufhin wurde dem BF vorgehalten: "Auch wenn Sie sagen, es ist anders interpretiert worden. Sie haben aber von der ganzen Geschichte gar nichts erzählt, nämlich nur, dass Ihr Vater und Ihr Onkel gestorben sind, aber von der Bedrohung haben Sie nichts erzählt. Warum nicht?"

Der BF gab dazu an: "Der Dolmetscher hat mir gesagt, ich soll nicht so viel reden. Ich dachte, es reicht, wenn ich sage, dass mein Vater gestorben ist."

Gerade, weil vor dem BFA die vom BF geschilderte Bedrohung im Jahr 2015 auf die angegebene Ermordung seines Vaters von 2007 aufgebaut wurde, wäre in der Erstbefragung bei tatsächlicher Bedrohung des BF nicht nur die Angabe des Todes seines Vaters sondern auch die Angabe der seinen Angaben vor dem BFA zufolge eigentlichen fluchtauslösenden Bedrohung zu erwarten gewesen. Der BF führte in der Erstbefragung den Tod seines Vaters zudem nur am Rande an und erwähnte in Zusammenhang mit der allgemeinen Kriegssituation in seinem Herkunftsstaat auch die Tötung zweier Onkel und die Entführung zweier Cousins.

Das in niederschriftlicher Einvernahme vor dem BFA gleich nach Angabe zur "Ermordung" seines Vaters im Jahr 2007 angeschlossene Vorbringen, irgendwelche Milizangehörige hätten sechs Monate nach der Ermordung seines Vaters "alle sieben Fertigungsstätten der Tischlerei" angezündet, spricht zudem für Vorfälle in Zusammenhang mit der allgemeinen prekären Sicherheitslage und nicht für eine konkrete Schädigungsabsicht bestimmter Personen.

Eine vom Staat ausgehende Verfolgung des BF selbst hat der BF ausdrücklich verneint, als er, befragt nach konkreten Hinweisen auf eine dem BF bei einer Rückkehr drohende unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder Todesstrafe, angab: "(...) ich würde 100% umgebracht, von den Personen welche mich bedroht haben, jedoch nicht von der Regierung."

Die Angabe des BF in der mündlichen Verhandlung, "wir haben den Mörder angezeigt und müssten vor Gericht als Zeugen erscheinen", widerspricht außerdem gänzlich seinen Angaben vor dem BFA, ein Mordermittlungsbeamter habe ihm telefonisch mitgeteilt: "wir haben fünf Terroristen gefangen genommen, die euren Vater ermordet haben, und sie haben bereits den Mord zugegeben." Dieser Aussage vor dem BFA zufolge seien die für den Tod des Vaters des BF Verantwortlichen erst ausgeforscht worden und dem BF bzw. seinen Familienangehörigen nicht bereits bekannt gewesen. Der BF konnte auf die Frage, ob er wisse, welche Personen seinen Vater ermordet haben, nur angeben, laut Auskunft des ermittelnden Kommandanten seien Milizangehörige dafür verantwortlich gewesen. Aufgefallen ist auch, dass der BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA zunächst angab, ein "Onkel mütterlicherseits" und sein Bruder habe ihm die Ermordung seines Vaters mitgeteilt, später jedoch davon gesprochen habe, ein "Onkel väterlicherseits" habe "nach der Tat" eine Videoaufnahme gemacht. Die Tötung des Vaters des BF habe jedoch im Heimatviertel des BF stattgefunden, die zwei Onkel mütterlicher- und die zwei Onkel väterlicherseits wohnen den Angaben des BF zufolge jedoch in einem anderen Wohnviertel.

Der BF sprach vor dem BFA zudem von einem Geschäft seines Vater, als er angab:,(...) ich konnte nich ins Geschäft fahren von meinem Vater, das Geschäft war ca. fünf Kilometer von unserer Wohnung entfernt". Zuvor war die Rede von einer Tischlerei mit sieben Fertigungswerkstätten auf seinem Grundstück, welche sechs Monate nach der Tötung seines Vaters im Jahr 2007 in Brand gesteckt worden sein sollen, woraufhin sie "die Geschäfte" wiederaufgebaut hätten. Dass der BF mit "Geschäft" "die "Tischlerei mit den Werkstätten" seines Vaters gemeint hat, ist bereits aufgrund der unterschiedlichen Orte - die "Tischlerei" auf dem Grundstück seines Vaters und ein "Geschäft" in "ca. fünf Kilometer" - Entfernung "von unserer Wohnung" - nicht anzunehmen. Der BF habe außerdem nach seinen Angaben vor dem BFA am 28.07.2015 im Haus seiner Familie, das beschossen worden sei, geschlafen, demzufolge somit mit seiner Familie in einem Haus, späterer Aussage zufolge, das Geschäft sei ca. fünf Kilometer von ihrer Wohnung entfernt, hingegen in einer Wohnung gewohnt.

Der BF hat sich zudem auch insofern widersprochen, als er in seiner Erstbefragung am 07.09.2015 angab, er habe sich vor einem Jahr zur Ausreise aus dem Irak entschlossen, während er in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 11.01.2018 angab, sich ein Monat vor seiner Ausreise zum Verlassen seines Herkunftsstaates entschlossen zu haben. Diese Angabe widerspricht außerdem seiner Angabe vor dem BFA, gleich nach besagtem Vorfall am 28.07.2015, nachdem die Mutter des BF zur Ausreise angeraten habe, ausgereist zu sein. Ein weiterer Widerspruch findet sich darin, dass der BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA zunächst, befragt danach, wann er zuletzt in seinem Herkunftsland gearbeitet habe, "Anfang Juli 2015" angab, später jedoch vorbrachte, ab 2002 bis zu seiner Ausreise in der Tischlerei seines Vaters gearbeitet zu haben.

Der BF gab zudem vor dem BFA, befragt danach, wie sein soziales Umfeld im Irak gewesen sei, an: "Es war gut, ich habe vier bis fünf gute Freunde, mit denen ich viel unternommen habe." Diese Aussage ist auch ein Indiz für uneingeschränkten Bewegungs- und Gestaltungsfreiraum an seinem Heimatort.

Da der BF in seiner Erstbefragung, in der der BF die erste Möglichkeit zur Darlegung seines Fluchtgrundes hatte, nur die allgemein schlechte Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat, die ihn aus Angst um sein Leben zur Flucht verleitet haben soll, und vor dem BFA nach Angabe konkreter Bedrohungen, befragt nach seiner Furcht bei einer Rückkehr die "schlechte Lebenssituation", als Ausreisegrund angab, war nicht von einem tatsächlich fluchtauslösenden Ereignis, sondern von einer Ausreise aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF auszugehen.

Dass der BF in seiner Erstbefragung am 07.09.2015 angab, bereits vor einem Jahr den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gefasst zu haben, spricht nicht dafür, dass die von ihm in niederschriftlicher Einvernahme vor dem BFA angeführten Bedrohungen und Vorfälle in seinem Herkunftsstaat im Jahr 2015 fluchtauslösend waren.

Aufgrund im Verfahren stark widersprüchlicher bzw. gesteigerter Angaben war nicht von deren Glaubwürdigkeit auszugehen.

In der Beschwerde wurde auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27.06.2012, U 98/12, hingewiesen, in welcher ausgeführt wurde: "(...) der AsylGH den psychischen und psychischen Zustand des Asylwerbers bei der Erstbefragung besonders zu berücksichtigen hat. Das angefochtene Erkenntnis des AsylGH lässt eine umfassende Auseinandersetzung mit dem psychischen und physischen Zustand des Beschwerdeführers vermissen."

In der Erstbefragung gab der BF, befragt, ob er Beschwerden oder Krankheiten habe, die ihn an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden, ausdrücklich an:

"Nein, ich kann dieser Einvernahme ohne Probleme folgen." In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF zunächst an, sich sowohl psychisch als auch physisch in der Lage zu fühlen, in seinem Asylverfahren auszusagen, und brachte etwas später, befragt danach, vor, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen.

Eine psychisch bedingte eingeschränkte Einvernahmefähigkeit des BF ist im gesamten Asylverfahren nicht zu erkennen, gab der BF doch auch in der mündlichen Verhandlung an, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, der heutigen Verhandlung zu folgen, und verneinte die Frage, ob der BF an chronischen Krankheiten oder anderen Leiden und Gebrechen leide.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

Soweit der BF in seiner Beschwerde eine Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung in mehrheitlich von Sunniten bewohnten Stadtvierteln "auf das Schärfste" vorbringt, ist darauf hinzuweisen, dass allgemeine Diskriminierungen, etwa soziale Ächtung, für sich genommen nicht die hinreichende Intensität für eine Asylgewährung aufweisen können.

Bestimmte Benachteiligungen (wie etwa allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, Schikanen, gewisse Behinderungen in der Öffentlichkeit) bis zur Erreichung einer Intensität, dass deshalb ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Heimatland als unerträglich anzusehen wäre (vgl VwGH 07.10.1995, 95/20/0080; 23.05.1995, 94/20/0808), sind hinzunehmen.

Eine dem BF im Irak als Angehörigen der schiitischen Bevölkerungsgruppe in seinem vorwiegend von Sunniten bewohnten Heimatviertel drohende "Gruppenverfolgung" besteht jedenfalls nicht, im Gegenteil, gibt es doch im Irak und insbesondere auch in Bagdad neben irakischen Sicherheitskräften auch - diese unterstützende - schiitische Milizen, was eine grundsätzliche Schutzwilligkeit der staatlichen Sicherheitsbehörden gegenüber der schiitischen Bevölkerungsgruppe annehmen lässt. Den staatlichen Stellen ist jedoch keine Sicherstellung des Gewaltmonopols gelungen. Eine staatliche Schutzfähigkeit im Irak ist somit nicht gegeben.

In seiner Beschwerde nahm der BF auf eine Bedrohungslage aufgrund seiner muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung sowie wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familienangehörigen seines Vaters und "von Menschen, die zwanghaft und mit äußerster Brutalität an der Teilnahme an rechtsstaatlichen Handlungen abgehalten werden sollen" Bezug.

Das vor dem BFA in Zusammenhang mit dem Tod seines Vaters erstattete Vorbringen des BF über Bedrohungen und Angriffe auf das Hab und Gut seiner Familie und eine ihm als Zeugen bevorstehende Gerichtsverhandlung konnte, wie in der Beweiswürdigung näher angeführt wurde, jedoch nicht als glaubwürdig erachtet werden.

Wird die vorgebrachte Bedrohung durch sunnitische Privatpersonen für wahr gehalten, handelt es sich dabei um Verfolgungshandlungen durch Private aufgrund der Zugehörigkeit des BF zur Gruppe der Schiiten. Dass der irakische Staat den BF aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit nicht schützen will, ist bereits vor dem Hintergrund, dass die irakischen Sicherheitskräfte in Bagdad von schiitischen Milizangehörigen unterstützt werden, ausgeschlossen. Wie vorhin bereits ausgeführt, kann jedoch von keiner im Irak vorhandenen staatlichen Schutzfähigkeit ausgegangen werden.

In der mündlichen Verhandlung betonte der BF, keine Möglichkeit auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu haben: "Hätte ich im Irak die Möglichkeit, zu überleben, wäre ich schon lange zurückgegangen. Im Irak ist alles zerstört, die Sicherheitsbehörden schützen uns nicht. Ich kann nirgends hin. Mein Leben ist in Gefahr."

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid anführte, handelt es sich beim Heimatort des BF um ein vorwiegend sunnitisches Viertel. Einem aktuell gültigen USDOS-Bericht von 10.08.2016 zufolge wird in der Hauptstadt Bagdad die Mehrheit der Bevölkerung von den schiitischen Arabern gestellt. Der BF hat auch in einem anderen Wohnviertel seiner Heimatstadt aufhältige Verwandte - Onkel und Tanten, weshalb jedenfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der BF sich bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat - zumindest vorübergehend - bei seinen in einem anderen Wohnviertel lebenden Verwandten unterkommen können wird.

Der BF hat somit jedenfalls die Möglichkeit, sich innerstaatlich woanders niederzulassen, we

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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