TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/21 G314 2189121-1

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Veröffentlicht am 21.09.2018
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Entscheidungsdatum

21.09.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2189121-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, slowenische Staatsangehörige, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2018, Zl. XXXX, beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in seinem ersten Satz (der zweite und dritte Satz bleiben unverändert) zu lauten hat:

"Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen die Beschwerdeführerin ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen."

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) wurde am XXXX.2017 in XXXX verhaftet und mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 20.12.2017, XXXX, wegen Vermögensdelikten zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.12.2017 wurde sie aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots Stellung zu nehmen; dieser Aufforderung kam sie nicht nach.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein sechsjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Satz 1), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Satz 2) und einer Beschwerde dagegen gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Satz 3). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit den strafgerichtlichen Verurteilungen der BF und dem Fehlen entgegenstehender privater oder familiärer Bindungen begründet.

Dagegen richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens infolge einer mangelhaften Beweiswürdigung, und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, das Aufenthaltsverbot aufzuheben oder seine Dauer herabzusetzen, in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen. Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sie in Österreich aufgrund ihres Aufenthalts seit Ende 2013 stark verwurzelt sei. Sie habe einen großen Freundeskreis im Bundesgebiet und beherrsche die deutsche Sprache. Sie sei zu 80 % behindert, sodass es ihr zuletzt schwergefallen sei, eine Beschäftigung zu finden. Das BFA habe es unterlassen, im angefochtenen Bescheid anzugeben, worin die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch ihren Verbleib liege. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen sie seien nicht erfüllt.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 14.03.2018 einlangten.

Mit Schreiben vom 28.03.2018 legte die BF auftragsgemäß ergänzende Unterlagen vor.

Am 29.05.2018 wurde die BF nach Slowenien abgeschoben.

Feststellungen:

Die BF kam am XXXX in XXXX im heutigen Bosnien und Herzegowina zur Welt. Sie ist slowenische Staatsangehörige und spricht Slowenisch. Sie hat einen Wohnsitz in der slowenischen Stadt XXXX, verfügt über eine Ausbildung zur Buchhalterin und bekennt sich zum Islam.

Ab Mitte Dezember 2013 hielt die BF sich in Österreich auf, wo sie zwischen 13.12.2013 und 19.12.2014 als Arbeiterin, zum Teil geringfügig, beschäftigt war. Von Dezember 2014 bis November 2015 bezog sie Krankengeld, danach für ca. zwei Wochen Arbeitslosengeld und von Dezember 2015 bis Juni 2016 Pensionsvorschüsse. Ab Dezember 2015 bezog sie Rehabilitationsgeld; zwischen April und Juni 2016 war sie (zum Teil mehrfach) geringfügig beschäftigt.

Ab Dezember 2014 war die BF an verschiedenen Adressen in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet; zuletzt bewohnte sie eine Mietwohnung am XXXX. Aufgrund ihres Antrags vom 22.12.2015 wurde ihr am 02.05.2016 eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmerin ausgestellt.

Im Jänner 2015 wurde bei der BF rheumatoide Arthritis festgestellt, die seither medikamentös behandelt wird. Außerdem leidet sie an Migräne, Rückenschmerzen und an wiederkehrenden depressiven Episoden, die ebenfalls medikamentös behandelt werden. Die BF war wegen ihrer Beschwerden sowohl in Österreich als auch in Slowenien in (fach-) ärztlicher Behandlung. Am 29.03.2016 wurde ihr aufgrund ihres Grads der Behinderung von 80 % ein Behindertenpass gemäß § 40 BBG ausgestellt.

In Slowenien ist die BF strafgerichtlich unbescholten. In Österreich wurde sie zwei Mal strafgerichtlich verurteilt. Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 06.06.2017, XXXX, wurde sie wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, teilweise iVm § 15 StGB, zu einer Geldstrafe von 170 Tagessätzen à EUR 5 verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass sie zwischen November 2015 und Februar 2017 in insgesamt neun Angriffen zum Teil anderen Personen Bargeld wegnahm, zum Teil Ladendiebstähle beging. Bei der Strafzumessung wurden der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, der bisherige untadelige Lebenswandel und das teilweise Tatsachengeständnis als mildernd berücksichtigt, die Tatwiederholungen und der lange Tatzeitraum dagegen als erschwerend.

Die Ladung zur Gerichtsverhandlung in dieser Angelegenheit belastete die BF, sodass sie eine schwere depressive Episode erlitt, verschiedene Medikamente einnahm und wegen möglicher, letztlich verneinter Suizidalität am XXXX.2017 stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des XXXX aufgenommen wurde. Am XXXX.2017 wurde sie - von Suizidalität weiterhin klar distanziert - wieder entlassen, nachdem der Verhandlungstermin verschoben worden war.

Am XXXX.2017 wurde die BF verhaftet und in Folge in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 20.12.2017, XXXX, wurde sie zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von zwölf Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass die BF von April 2016 bis November 2017 das Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 StGB beging, indem sie in elf Angriffen, teilweise gemeinsam mit einer Mittäterin, Personen, in deren Privathaushalten sie Reinigungsarbeiten durchführte, Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von ca. EUR 20.000 wegnahm. Außerdem beging sie zwischen September und November 2017 das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB dadurch, dass sie sich in zwei Angriffen (einmal gemeinsam mit einer Mittäterin) Kleidung und Wäsche, die sie zum Bügeln mitgenommen hatte, zueignete. Schließlich beging sie am 06.11.2017 das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB, indem sie mit einer Bankomatkarte, die ihr für andere Besorgungen überlassen worden war, Mitarbeiter einer Tankstelle und einer Apotheke zur Herausgabe von Waren im Gesamtwert von EUR 90 verleitete, indem sie sie über ihre Befugnis, die Bank zur Zahlung des geschuldeten Betrags zu verpflichten, täuschte. Bei der Strafzumessung wertete das Strafgericht die teilweise Sicherstellung des Diebesguts (in sehr eingeschränktem Ausmaß) als mildernd, das Zusammentreffen von drei Vergehen, den langen Tatzeitraum, die vielen, über die Gewerbsmäßigkeit hinausgehenden Einzelhandlungen, die einschlägige Vorstrafe und die fast vierfache Wertgrenzenüberschreitung dagegen als erschwerend.

Die BF verbüßte den unbedingten Strafteil bis zu ihrer bedingten Entlassung am XXXX.2018 in der Justizanstalt XXXX. Da sie in Österreich bleiben wollte, aber befürchtete, nach ihrer Haftentlassung in ihren Herkunftsstaat abgeschoben zu werden, nahm sie in suizidaler Absicht Tabletten ein, worauf sie am XXXX.2018 stationär in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des XXXX aufgenommen wurde. Am XXXX.2018 wurde sie bei gutem Befinden und von Suizidgedanken durchgehend distanziert entlassen.

Die BF verfügt über grundlegende Deutschkenntnisse. Sie ist eingeschränkt arbeitsfähig. Sie hat in Österreich einen Freundeskreis, aber keine Angehörigen. In Slowenien leben ihr erwachsener Sohn und ihre beiden Enkelkinder.

Weitere wesentliche familiäre oder soziale Bindungen der BF in Österreich können nicht festgestellt werden, ebensowenig eine weitergehende berufliche oder gesellschaftliche Integration.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht. Die Abschiebung der BF ergibt sich auch aus der beim BVwG zu

G311 2200727-1 anhängigen Maßnahmenbeschwerde vom 07.06.2018.

Die Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den Angaben der BF, den von ihr vorgelegten Urkunden, den Strafurteilen und den Informationen aus öffentlichen Registern (Strafregister, Fremdenregister, Zentrales Melderegister, Versicherungsdatenauszug).

Die Feststellungen zur Identität der BF und zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Feststellungen im Strafurteil vom 20.12.2017 sowie auf ihrer slowenischen Identitätskarte, die dem BVwG in Kopie vorliegt. Slowenischkenntnisse sind aufgrund ihrer Herkunft plausibel, zumal eine Verständigung mit den beigezogenen Dolmetschern offenbar problemlos möglich war.

Der Wohnsitz der BF in XXXX wird aufgrund des aktenkundigen E-Mails des Polizeikooperationszentrums XXXX vom 22.01.2018 festgestellt. Dies wird dadurch untermauert, dass die BF im Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr vom 17.01.2018 XXXX als Zieldestination angab, dass die im E-Mail vom 22.01.2018 angegebene Adresse auch in den vorgelegten medizinischen Unterlagen des Allgemeinen Krankenhauses XXXX als Anschrift der BF aufscheint und dass sie laut dem polizeilichen Anlassbericht vom 07.11.2017 vor ihrer Verhaftung ein Auto mit slowenischem Kennzeichen (Zulassungsort XXXX für XXXX lenkte.

Die Berufsausbildung und das Religionsbekenntnis der BF gehen aus der Vollzugsinformation hervor.

Die festgestellten Beschäftigungs- bzw. Versicherungszeiten der BF basieren auf dem Versicherungsdatenauszug. Ihr Aufenthalt in Österreich seit Ende 2013 ergibt sich aus ihrem Vorbringen, für dessen Richtigkeit spricht, dass sie laut Versicherungsdatenauszug ab Dezember 2013 immer wieder in Österreich erwerbstätig war.

Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen der BF basieren auf dem Zentralen Melderegister, die zu ihrer Anmeldebescheinigung auf dem Fremdenregister.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der BF beruhen auf den von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen. Eine Kopie ihres Behindertenpasses, aus dem auch der Grad ihrer Behinderung hervorgeht, wurde vorgelegt. Da diverse, die BF betreffende ärztliche Unterlagen des Allgemeinen Krankenhauses XXXX (XXXX) vom April 2017 (in slowenischer Sprache) vorgelegt wurden, und zwar sowohl solche der neurologischen Klinik und als auch solche über internistische Untersuchungen, ist davon auszugehen, dass die BF auch dort medizinisch behandelt wurde.

Die Unbescholtenheit der BF in ihrem Herkunftsstaat ergibt sich aus dem E-Mail des Polizeikooperationszentrums XXXX vom 22.01.2018 sowie darauf, dass im Strafurteil vom 06.06.2017 ihre Unbescholtenheit als Milderungsgrund berücksichtigt wurde. Ihre strafgerichtlichen Verurteilungen und die zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie die Strafzumessungsgründe können anhand der Strafurteile, des Strafregisters und der Vollzugsinformation sowie des polizeilichen Anlassberichts vom 07.11.2017 festgestellt werden. Aus letzterem geht insbesondere hervor, dass die BF die gewerbsmäßigen Diebstähle bei der Tätigkeit als Aufräumerin in den Privathaushalten ihrer Opfer beging. Da zu den Tatzeiten aus dem Versicherungsdatenauszug keine Erwerbstätigkeit der BF hervorgeht, ist davon auszugehen, dass sie diese Tätigkeit ohne Anmeldung zur Sozialversicherung ausübte.

Die depressive Episode und der stationäre Krankenhausaufenthalt der BF im März 2017 gehen aus dem vorgelegten ärztlichen Entlassungsbrief vom 15.03.2017 hervor. Die Feststellungen zur suizidalen Medikamenteneinnahme und dem stationären Krankenhausaufenthalt im März 2018 beruhen auf dem Entlassungsbrief vom 16.03.2018, auf dem auch die Feststellungen zu den in Slowenien lebenden nahen Angehörigen der BF und zum Fehlen in Österreich lebender Verwandter basieren.

Für die im fachärztlichen Kurzbefund vom 19.04.2017 angedeutete eingeschränkte Urteilsfähigkeit infolge der psychischen Erkrankung der BF und der Medikamenteneinnahme finden sich in den strafgerichtlichen Urteilen keinerlei Anhaltspunkte, sodass davon auszugehen, ist, dass die BF bei ihren Straftaten durchwegs zurechnungsfähig war (wofür nicht zuletzt auch ihre planvolle Vorgangsweise bei Begehung der Vermögensdelikte spricht).

Der Strafvollzug ergibt sich aus der Vollzugsinformation, der Wohnsitzmeldung der BF in der Justizanstalt und der Vorhaftanrechnung laut dem Strafurteil vom 20.12.2017. Die bedingte Entlassung ist im Strafregister dokumentiert.

Die BF behauptet, die deutsche Sprache "in sehr hohem Maß" zu beherrschen. Zeugnisse oder andere urkundliche Nachweise dafür wurden nicht vorgelegt. Während gewisse Deutschkenntnisse aufgrund ihres Aufenthalts und ihrer Erwerbstätigkeit in Österreich durchaus plausibel sind, musste doch der Hauptverhandlung im Dezember 2017 (laut Verhandlungsprotokoll) und der Anamnese durch den Psychiater XXXX im Juli 2017 (laut Befundbericht vom 07.07.2017) jeweils ein Dolmetscher beigezogen werden, sodass von grundlegenden, aber nicht sehr guten Deutschkenntnissen der BF auszugehen ist.

Die Arbeitsfähigkeit der BF ergibt sich trotz diverser gesundheitlicher Beschwerden und des Grads ihrer Behinderung daraus, dass sie 2016 während des Bezugs von Rehabilitationsgeld (zum Teil mehrfach) geringfügig beschäftigt war und den Großteil der zuletzt abgeurteilten Straftaten beging, während sie Putzarbeiten in Privathaushalten erledigte. Aus diesen Tätigkeiten ist auf eine (allenfalls eingeschränkte, aber nicht gänzlich aufgehobene) Arbeitsfähigkeit zu schließen, zumal die BF in einem erwerbsfähigen Alter ist. Auch das Beschwerdevorbringen, wonach es ihr aufgrund ihrer 80-%igen Behinderung zuletzt schwergefallen sei, eine Beschäftigung zu finden, spricht dafür, dass ihre Arbeitsfähigkeit noch - zumindest teilweise - vorhanden ist.

Aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet ist davon auszugehen, dass die BF hier auch Freundschaften geknüpft hat, wobei keine Hinweise auf ein besonderes Naheverhältnis zu konkreten Personen vorliegen.

Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung der BF in Österreich ergeben.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die BF ist als Staatsangehörige von Slowenien EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art 16 Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl § 2 Abs 4 Z 18 FPG) erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots der in Art 28 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057). Ein Aufenthaltsverbot gegen Personen, denen das Recht auf Daueraufenthalt zukommt, setzt demnach voraus, dass ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Mangels eines zumindest fünfjährigen Aufenthalts der BF in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Dass die BF im Bundesgebiet über einen langen Zeitraum hinweg zahlreiche Diebstähle beging und sich davon auch durch die Verhängung einer Geldstrafe nicht abhalten ließ, sondern nach ihrer Erstverurteilung ohne Unterbrechung weiter delinquierte und dabei ihre Vertrauensstellung als Aufräumerin in Privathaushalten ausnützte, zeigt eine erhebliche kriminelle Energie. Ihr persönliches Verhalten stellt somit eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr dar, zumal die zum Teil arbeitsteilig ausgeführten Vermögensdelikte noch nicht lange zurückliegen, sie erst vor wenigen Monaten aus der Haft entlassen wurde und aufgrund der gewerbsmäßigen Begehungsweise eine erhöhte Wiederholungsgefahr besteht.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Derzeit kann daher noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung der BF indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden.

Das gegen die BF erlassene Aufenthaltsverbot ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten. Die Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz von fremdem Eigentum ist jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft. Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und auf das Gesamtverhalten der BF ist die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen. Ihre fortgesetzte Vermögensdelinquenz, die zuletzt eine teilbedingte Haftstrafe erforderlich machte, legt nahe, dass von ihr auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird. Dies kann dem angefochtenen Bescheid - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch mit ausreichender Deutlichkeit entnommen werden.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der BF muss verhältnismäßig sein. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die BF hielt sich zwar mehr als vier Jahre lang im Bundesgebiet auf und ist gut integriert, wie ihre Erwerbstätigkeit und ihre Deutschkenntnisse zeigen. Sie hat zwar keine familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet, ihr Interesse an einem Verbleib wird aber auch durch ihre Wohnung in XXXX, ihren Freundeskreis und die hier in Anspruch genommenen medizinischen Behandlungen verstärkt. Es wird allerdings durch das Fehlen der strafgerichtlichen Unbescholtenheit maßgeblich relativiert, zumal der BF auch Verstöße gegen die öffentliche Ordnung (Vornahme von Reinigungsarbeiten in Privathaushalten ohne Anmeldung zur Sozialversicherung, Aufenthalt ohne Wohnsitzmeldung zwischen Dezember 2013 und Dezember 2014) anzulasten sind. Die BF hat aufgrund ihres Wohnsitzes in Slowenien, wo sie den Großteil ihres Lebens verbrachte und wo ihr Sohn und ihre Enkelkinder leben, starke Bindungen zu ihrem Heimatstaat, wo sie auch schon ärztlich behandelt wurde. Es wird ihr daher trotz ihrer gesundheitlichen Probleme und der daraus resultierenden Behinderung und Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit ohne große Probleme möglich sein, sich - allenfalls mit der Hilfe ihres Sohnes - wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren. Es ist auch davonauszugehen, dass die benötigten Therapien und Medikamente auch in Slowenien verfügbar und zugänglich sein werden, zumal bei einem EU-Staat eine entsprechende medizinische Versorgung vorausgesetzt werden kann.

Da die privaten Kontakte der BF in Österreich auch durch diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, soziale Medien) und durch wechselseitige Besuche außerhalb Österreichs gepflegt werden können, ergibt die vorzunehmende Interessenabwägung, dass der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbots verbundene Eingriff in ihr Privatleben grundsätzlich verhältnismäßig ist. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erfolgte somit dem Grunde nach zu Recht.

Die vom BFA verhängte sechsjährige Dauer des Aufenthaltsverbots ist jedoch unverhältnismäßig, zumal die Straftaten der BF durchwegs nicht der Schwerkriminalität zuzurechnen sind, der Strafrahmen zuletzt trotz des Überwiegens von Erschwerungsgründen bei weitem nicht ausgeschöpft wurde, die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe ausreichte und die BF zum ersten Mal das Haftübel verspürte. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist auf ein ihrem Fehlverhalten und ihren privaten und familiären Verhältnissen angemessenes Maß zu reduzieren. Ein dreijähriges Aufenthaltsverbot ist - auch in Anbetracht der offenen Probezeit und der erhöhten spezialpräventiven Wirkung des Erstvollzugs - notwendig, aber auch ausreichend, um eine nachhaltige Änderung ihres Verhaltens und ihrer Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken.

Das Aufenthaltsverbot laut dem ersten Satz des Spruchs des angefochtenen Bescheids ist somit in Stattgebung des entsprechenden Beschwerdeantrags auf drei Jahre zu reduzieren.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Da bei der BF eine signifikante Wiederholungsgefahr besteht, weil sie bereits zwei Mal wegen Eigentumskriminalität in mehreren Angriffen verurteilt wurde, und zwar zuletzt wegen deutlich schwerwiegenderer Delikte als bei der Erstverurteilung (schwerer gewerbsmäßiger Diebstahl, schwerer Betrug), ist dem BFA darin beizupflichten, dass ihre sofortige Ausreise nach der Haftentlassung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf den zweiten und dritten Satz des Spruchs des angefochtenen Bescheids abzuweisen ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da hier der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck von der BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich wäre, kann eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal die BF kein ergänzendes, klärungsbedürftiges Tatsachenvorbringen erstattete.

Zu Spruchteil C):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall, dauernder
Aufenthalt, Durchsetzungsaufschub, EU-Bürger, Gefährdungsprognose,
Privat- und Familienleben, strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2189121.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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