Entscheidungsdatum
25.09.2018Norm
AsylG 2005 §55Spruch
G306 2190716-1/6E
Schriftliche Ausfertigung des am 25.09.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX, geb. am XXXX,
StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 30.01.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen
Verhandlung am 25.09.2018, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird insoweit als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Abs. 3 FPG wird eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft eingeräumt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (BF) stellte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 28.07.2017 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des
Art 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens".
Zum gegenständlichen Antrag wurde die BF am 28.03.2017 von Organen des BFA niederschriftlich einvernommen.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme wurde der BF mitgeteilt - Verständigung von der Beweisaufnahme - dass ihr Antrag abgewiesen werden wird. Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde der BF eine Frist von 14 Tagen gewährt. Eine Stellungnahme des ausgewiesenen Rechtsvertreters (RV) langte am 04.09.2017 ein. Mit Schreiben vom 18.12.2017 wurde der BF neuerlich eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt. Das Schreiben wurde nachweislich am 28.12.2017 behoben. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, der BF zugestellt am 14.02.2018, wurde der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, abgewiesen (Spruchpunkt I.), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina gemäß § 46 FÜR zulässig ist (Spruchpunkt III.) keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG gewährt (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Bescheid aberkannt (Spruchpunkt V.).
Mit per Post am 14.03.2018 beim BFA eingebrachtem Schreiben, erhob die BF vermittels ihres RV gegen den zuvor genannten Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
Darin wurde, neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des bekämpften Bescheides sowie die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilten, die Rückkehrentscheidung zu beheben sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen; in eventu diesen mit Beschluss zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen, beantragt.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG übermittelt und langten am 29.03.2018 ein.
Mit Beschluss vom 03.07.2018 wurde der BF vom BVwG die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt.
Am 25.09.2018 fand beim BVwG - Außenstelle Graz - eine mündliche Verhandlung statt an der die BF persönliche teilnahm. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
Am Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet.
Mit Eingabe vom 08.10.2018 beantrage der RV die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Die BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum), ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina und ist im Besitz eines gültigen biometrischen Reisepasses.
Die BF ist gegenwärtig seit dem 02.08.2012 ohne gütigem Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhältig.
Die BF verfügte bis zum XXXX.2012 über einen gültigen Aufenthaltstitel "Studierende".
Die BF brachte zwar fristgerecht einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels für Studierende ein, jedoch wurde dieser Antrag, mangels Greifbarkeit der BF, am XXXX.2015 eingestellt. Der Aufenthalt der BF wurde daher rückwirkend unrechtmäßig.
Die BF ist seit dem 04.09.2003 bis auf Unterbrechung vom 21.04.2015 bis 29.09.2015 durchgehend im Bundesgebiet mittels Hauptwohnsitz gemeldet. Die BF ist ledig und kinderlos. Die BF geht aktuell keiner Erwerbstätigkeit nach.
Die BF weist zuvor folgende Beschäftigungen im Bundesgebiet auf:
14.12.2006 - 15.12.2006, Arbeiterin (1 Tag)
21.12.2006 - 21.12.2006, Arbeiterin (1 Tag)
20.01.2007 - 20.01.2007, Arbeiterin (1 Tag)
26.02.2007 - 26.02.2007, geringfügig beschäftigte Arbeiterin (1 Tag)
20.03.2007 - 20.03.2007, Arbeiterin (1 Tag)
01.03.2007 - 30.03.2007, geringfügig beschäftigte Arbeiterin (30 Tage)
13.12.2011 - 03.01.2013, geringfügig beschäftigte Arbeiterin (12 Monate)
Die BF weist im Bundesgebiet keine kernfamiliären Bindungen auf. Im Bundesgebiet leben zwei Cousinen, ein Cousin und eine Tante. Ein gemeinsamer Wohnsitz (Haushalt) bzw. ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis konnte nicht festgestellt werden und wurde im gegenständlichen Verfahren auch nicht behauptet.
Die BF hält sich immer - laut eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung - wieder für längere Zeiträume in Bosnien und Herzegowina auf. Die BF meldete sich diesbezüglich nie melderechtlich ab.
Am XXXX.2017 stellte die BF den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.
Zuvor brachte die BF folgende Anträge zur Erlangung von Aufenthaltstitel ein:
1.) XXXX.2012 - Verlängerungsantrag Aufenthaltstitel für Studierende (Eingestellt am XXXX.2015)
2.) XXXX.2015 - Antrag zur Erteilung einer Rot-Weiß-Rot Karte für Schlüsselarbeitskräfte (Zurückziehung XXXX.2016)
3.) XXXX.2015 - selben Antrag bei der XXXX Landesregierung, welcher jedoch an die XXXX zuständigkeitshalber abgetreten wurde.
4.) XXXX.2015 - Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK (XXXX.2016 abgelehnt)
Die BF ist weder im Besitz eines Aufenthaltstitels noch einer Arbeitserlaubnis oder einer Beschäftigungsbewilligung.
Die BF geht keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach und lebt von Zuwendungen ihres Vaters welcher ihr regelmäßig Geld aus Bosnien und Herzegowina überweist.
Die BF ist der Deutschen Sprache mächtig.
Im Herkunftsstaat halten sich weiterhin engste Familienangehörige der BF auf.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF an einer Krankheit leidet und/oder arbeitsunfähig ist.
Die BF verfügt im Bundesgebiet über keine engen familiäre und private Bindungen, sie weist aufgrund ihres langen Aufenthaltes jedoch über soziale Beziehungen in Form eines größeren Freundeskreises auf. Es konnten jedoch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Integration in Österreich festgestellt werden.
Die BF verfügt über einer undatierten Einstellungszusage. Laut Angaben der BF entstammt diese aus dem Jahr 2017.
Die BF hält sich seit dem XXXX.2012 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zur Tante Cousins und Cousinen deren Aufenthalt im Bundesgebiet, zur Hauptwohnsitzmeldung, zu den immer wieder kehrenden Rückkreisen nach Bosnien und Herzegowina, zum Nichtbesitz eines Aufenthaltstitels sowie Arbeitsbewilligung, zur Erwerbslosigkeit sowie das die BF gegenwärtig keiner Erwerbstätigkeit nachgeht sondern von Zuwendungen ihres Vater lebt, getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen sowie aus den eigenen Angaben der BF in der mündlichen Verhandlung.
Zudem wurde die Feststellung zum Nichtbesitz eines zum längeren Aufenthalt und zu Erwerbstätigkeiten berechtigenden Rechtstitels, durch den Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters und die Erwerbslosigkeit im Bundesgebiet, durch einen Sozialversicherungsauszug gestützt.
Die gegenwärtig Nichtbeantragung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG beruht auf dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters und dem Nichtvorbringen eines diesbezüglichen Sachverhaltes seitens der BF in der mündlichen Verhandlung.
Die Deutschsprachkenntnisse der BF beruhen auf der durchgeführten mündlichen Verhandlung, und ergibt sich die gegenständliche Antragstellung aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.
Dass die BF über Familienangehörige im Herkunftsstaat verfügt, beruhen auf dem Vorbringen der BF vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung.
Die Arbeitsfähigkeit der BF beruht auf der Tatsache, dass nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde und aus den Angaben der BF, dass diese, sobald sie dürfe, wieder einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgehen möchte.
Die Nichtfeststellbarkeit einer Erkrankung der BF beruht auf dem Nichtvorbringen eines diesbezüglichen Sachverhaltes seitens der BF sowie dem Umstand ihrer Arbeitsfähigkeit.
Die Nichtfeststellbarkeit von Anhaltspunkten welche für eine tiefgreifende Integration der BF im Bundesgebiet sprechen können, beruht auf dem Nichtvorbringen eines eine solchen nahelegenden Sachverhalts seitens der BF.
Rechtliche Beurteilung:
Die BF ist als Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß
§ 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des
Art 8 EMRK geboten ist.
§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Gemäß § 58 Abs 5 AsylG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG persönlich beim BFA zu stellen. Gemäß § 58 Abs 8 AsylG hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abzusprechen.
Gemäß § 10 Abs 3 AsylG und § 52 Abs 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, durch die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration
(Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Bei der Beurteilung, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der BF geboten ist, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031). Dabei muss ein Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art 8 EMRK relevanten Umstände seit der Einreise des Fremden einzubeziehen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt zeigt, dass sich die BF seit fünfzehn Jahren kontinuierlich im Bundesgebiet aufhält. Ihr Aufenthalt war jedoch Großteils nicht rechtmäßig. Insbesondere verblieb sie nach dem Ablauf ihres Aufenthaltstitels im Juli 2012 im Inland, obwohl ihr keine weitere Aufenthaltsgenehmigung erteilt wurde. Ihr gestellter Verlängerungsantrag für "Studierende" wurde - da nicht Greifbar - mit XXXX.2015 eingestellt. Die BF stellte zwar Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG (führte keine Beschwerde gegen die Entscheidung darüber) und würde dies auch kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen (vgl §§ 58 Abs 13 AsylG, 16 Abs 5 BFA-VG). Die BF hielt sich daher seit 08/2012 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der unrechtmäßige Aufenthalt vom 08/2012 bis 06/2015 muss ihr auch - trotz fristgerechter Stellung eines Verlängerungsantrages Zweck "Studierende" zum Vorwurf gemacht werden, da die BF wusste, dass sie die Bedingungen nicht mehr erfüllte. Dies wird wohl auch der Grund dafür gewesen sein, dass das Verfahren aufgrund - nicht Greifbarkeit für die Behörde - eingestellt wurde. Deshalb ist auch bei der Abwägung diese Zeitspanne als rechtswidriger Aufenthalt von 2012 - 2015 zu berücksichtigen.
Zugunsten der BF sind die mit ihrer Tante sowie Cousins und Cousinen, in Österreich vorhandenen familiären Verbindungen zu berücksichtigen. Diese werden jedoch dadurch relativiert, dass die BF mit den genannten Verwandte kein Familienleben führt und es sich auf Treffen - einmal im Monat - beschränkt. Des Weiteren sie in Kenntnis ihres unsicheren Aufenthaltsstatus diesen Kontakt in Österreich führte, zumal ihr seit 2012 nie ein Aufenthaltstitel zur Niederlassung erteilt wurde. Die Aufenthaltsbewilligungen bis 2012 nur einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck des Studiums, der nicht zur Niederlassung berechtigt (vgl §§ 2 Abs 2 und 3, 8 Abs 1 Z 12, 63 NAG) beinhaltete. Die BF durfte daher nicht von einer Erlaubnis zu einem nicht bloß vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet ausgehen.
Unter Privatleben iSd Art 8 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR das Netzwerk persönlicher, sozialer und ökonomischer Beziehungen zu verstehen, die das Privatleben eines jeden Menschen ausmachen. In diesem Zusammenhang sind die Sozialkontakte der BF, die sie während seines Aufenthalts im Inland geknüpft hat, zu berücksichtigen, insbesondere die Freundschaften mit in Österreich lebenden Personen.
Die BF kann den Kontakt zur Tante sowie zu den Cousinen und Cousin und den im Bundesgebiet lebenden Freunden auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels einerseits durch wechselseitige Besuche in Österreich und in Bosnien und Herzegowina und anderseits über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet) aufrecht halten.
Es ist von einer gewissen Integration der BF auszugehen, die sich an ihren Deutschkenntnissen, der zum Teil im Inland absolvierten Schulausbildung/Studium und an der Aussicht auf eine Einstellung zeigt. Der Umstand, dass die BF einen Arbeitsplatz in Aussicht hat, ist zwar ein Anhaltspunkt für seine Integrationsbemühungen (vgl VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005), belegt aber ihre Selbsterhaltungsfähigkeit nicht, zumal sie aktuell keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und es sich bei der in Aussicht stehenden Beschäftigung um eine Einstellungszusage aus dem Jahr 2017 handelt. Des Weiteren gab die BF in der mündlichen Verhandlung an, seit dem Jahr 2003 - ihre Einreise in Bundesgebiet - fast ausschließlich von den finanziellen Zuwendungen ihres Vaters gelebt zu haben.
Die BF hat nach wie vor enge Bindungen zu ihrem Herkunftsstaat, wo ihre Eltern, zu denen sie häufig telefonisch und auch regelmäßig persönlich Kontakt hat (hat sogar 2017 ihren Vater in Bosnien und Herzegowina immer wieder gepflegt), sowie ihr Bruder leben. Die BF besuchte ihre Eltern in Bosnien und Herzegowina regelmäßig und war sie heuer bereits im Frühjahr für zwei-drei Wochen durchgehend bei ihnen aufhältig. Es ist daher jedenfalls nicht zu einer völligen Entfremdung gekommen, zumal die BF fast ausschließlich von Zuwendungen ihrer Familie aus Bosnien und Herzegowina lebt. Die BF wurde in Bosnien und Herzegowina geboren, hat dort bis 2003 im Familienverband gelebt und bis dahin die Schule besucht, ist mit den Gepflogenheiten vertraut, spricht die Landessprache. Die BF hat immer noch eine - wenn auch nur befristete - Wohnmöglichkeit in ihrem Elternhaus, wo sie auch vor ihren Umzug nach Österreich gemeinsam mit den jetzt dort lebenden Personen wohnte.
Die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, stellen keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar (vgl VwGH 26.11.2009, 2008/18/0720). Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253).
Durch den jahrelangen, nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Inland liegt ein objektiver Verstoß der BF gegen die öffentliche Ordnung im Bereich des Fremdenrechts vor. Sie gab auch bei ihrer Einvernahme durch das BFA an, dass "sie in Österreich bleiben will, sie jedoch seit 13 Jahren kein Visum, sie eine Wohnung habe, hier lebe und auch hier arbeiten wolle". Bei der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht gab die BF an, dass "es stimmt, dass sie in Österreich zwar kein Familienleben führe, Sie jedoch schon seit 2003 da sei und viele Freund habe. Sie brauche diesen Aufenthaltstitel, weil sie hier in Österreich arbeiten möchte". Nach höchstgerichtlicher Judikatur ist bei einer derartigen, von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen. In einem solchen Fall ist sogar die Trennung von einem österreichischen Ehepartner gerechtfertigt (VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0191; siehe auch 20.10.2016, Ra 2016/21/0271).
Da dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt, insbesondere der Verhinderung der Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung, ist das BFA trotz des mehrjährigen Aufenthalts der BF im Bundesgebiet, ihrer im Inland absolvierten Studium/Schulausbildung und ihres Familien- und Privatlebens in Österreich zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich weniger schwer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen. Die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels ist daher trotz gewisser Integrationsmomente nicht zur Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens geboten.
In einem Verfahren nach § 55 AsylG ist eine amtswegige Prüfung gemäß § 57 AsylG nicht vorgesehen (VwGH 27.07.2017, Ra 2017/22/0007), sodass die Behörde zu Recht keine solche Prüfung vornahm.
Die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG liegen nicht vor, sodass gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 52 Abs 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Die Gründe, warum die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist, decken sich mit den Überlegungen zur Abweisung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder die Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK verletzt würden oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).
Die BF ist gesund und arbeitsfähig und wird daher in der Lage sein, in ihrer Heimat, wo sie auch Zugang zu den vorhandenen (wenn auch bescheidenen) öffentlichen Leistungen und zur Gesundheitsversorgung hat, wieder für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, ohne in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, allenfalls auch mit Hilfe ihrer dort verbliebenen Eltern - welche sie bis dato seit 2003 durchgehend auch in Österreich finanziell unterstützten, ein Auslangen finden wird. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt aktuell in Bosnien und Herzegowina - auch bei Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage dort - nicht vor. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher ebenfalls nicht korrekturbedürftig.
Gemäß § 55 FPG wird zugleich mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Diese beträgt - abgesehen von Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen, die hier aber nicht behauptet wurden - 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids war vor diesem Hintergrund zu beanstanden sodass der BF eine Frist von 14 Tagen, ab Rechtskraft der Entscheidung, eingeräumt wurde.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
freiwillige Ausreise, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G306.2190716.1.01Zuletzt aktualisiert am
19.02.2019